Protocol of the Session on June 4, 2014

Das Wort bekommt von der GRÜNEN Fraktion Frau Dr. von Berg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will das Filibustern der SPD-Fraktion nicht unterstützen, aber zwei Sätze muss ich doch noch dazu sagen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist kein Fili- bustern! – Sören Schumacher SPD: Man wird sich ja noch zu Wort melden dürfen!)

Herr Rose, die Brücke, von der Sie gesprochen haben, wurde nicht von diesem Senat und auch nicht von diesem Bürgermeister gebaut, diese Brücke wurde von Schwarz-Grün gebaut. Und es war Ihre Aufgabe, sie umzusetzen. Diese Brücke wurde eigentlich mit zusätzlichen Steinen finanziert. Sie haben die Steine einfach woanders herausgenommen, um diese Brücke zu bauen. Noch einmal, das kritisieren wir, und Sie sind an keiner Stelle auf diese Kritik eingegangen. Das ist wirklich absurd.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dann bekommt das Wort Senator Rabe.

Ich fasse mich auch kurz, aber, Herr Hackbusch, diese Zahlenakrobatik ist schon erstaunlich.

(Beifall bei der SPD)

Sie selbst haben dargestellt, dass das Arbeitsamt bisher nicht jeden Jugendlichen gezählt hat, was in der Tat ein Skandal ist. Ein großer Teil arbeitsloser Jugendlicher wurde einfach nicht gezählt, und schon war die Arbeitslosenquote in Ordnung. Das ist in der Tat falsch. Deswegen sind wir als einziges Bundesland den Weg gegangen, jeden, aber auch wirklich jeden aufzusuchen und zu erfassen. Das hat teilweise kuriose Züge angenommen, ich nenne ein Beispiel.

Im "HIBB" wurde so lange herumgeforscht, bis am Ende sogar eine Schule aus Alexandria in Ägypten geantwortet hat und sagte, Fatima Soundso sei jetzt bei ihnen und man solle sich keine Sorgen machen. So genau haben wir hingeschaut. Damit haben wir ein riesiges Dunkelfeld von Menschen erschlossen, die bisher vom Arbeitsamt nie registriert wurden. Wenn wir nun plötzlich dreimal so viele Jugendliche haben, dann muss die Arbeitslosenquote steigen. Wir sind hier ehrlich, aber es ist unehrlich von Ihnen, so zu tun, als ob die SPD Arbeitslosigkeit erzeugt habe. Im Gegenteil, wir haben sie endlich einmal aufgedeckt.

(Norbert Hackbusch)

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD)

Herr Fock von der SPDFraktion bekommt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe zum Teil Verständnis für die Opposition, wenn sie fehlendes Geld oder zu wenig Personal kritisiert. Wenn der Streit um Zahlen geht, ist alles gewissermaßen in Ordnung, das ist unser täglich Brot und das ist auch Ihr Job. Ich habe aber etwas dagegen, wenn das Grundprinzip infrage gestellt wird wie bei der LINKEN. Wenn Sie fordern, Frau Heyenn, dass wir die außerbetriebliche Ausbildung ausweiten sollen, dann geht das gegen das Grundprinzip, und das ist bitterböse.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Welches Grund- prinzip?)

Ich bin hier, um Ihnen einmal aus der Praxis deutlich zu machen, welche Erfahrungen die Berufsschulen mit außerbetrieblicher Ausbildung gemacht haben. Es ist doch nicht so, dass alles wieder neu vom Himmel fällt. Wir haben vor 30 Jahren eine ähnliche Situation gehabt wie jetzt. Es gab die Berufswahl, die sich nur auf wenige Berufe bezog. Deshalb haben wir als Berufsschullehrer gesagt – immerhin war ich 38 Jahre Berufsschullehrer –, dass wir das dann eben selbst machen. Wir wollten im Zweiten Arbeitsmarkt über freie Träger eine Ausbildung schaffen. Ich war beispielsweise im Bereich Kfz-Mechanik tätig, es gab andere Kollegen aus dem kaufmännischen Bereich, und wir haben in der Schule auch eine Vollzeitausbildung gehabt.

Ich will Ihnen einmal erzählen, wie der Alltag in so einer Klasse aussah. Ich ging da rein, schlug das Klassenbuch auf und sah nur noch Striche, das heißt Abwesenheit.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Märchenstunde beendet!)

Das müssen Sie sich einmal anhören.

(Dietrich Wersich CDU: Ein Schelm, der Bö- ses dabei denkt!)

Für die Praxis ist dies ganz wichtig, denn ich ziehe nachher Rückschlüsse.

Ich sah nur noch Fehlzeiten, und die Stimmung in der Klasse war sehr, sehr schlecht, lethargisch, zum Teil aggressiv. Wenn man die Jugendlichen nach dem Grund fragte, dann sagten sie, sie seien abgestempelt, sie seien nach wie vor in einer Sackgasse, denn sie wüssten nicht, wie es weitergehen solle. Daraus haben wir den Schluss gezogen, dass wir uns auf jeden Fall in den Ersten Arbeitsmarkt orientieren müssen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist keine Lösung zu sagen, die Stadt oder die freien Träger machen das dann eben selbst mit entsprechendem Geld. Es führt zu nichts und wir verlieren die Leute. Die betriebliche Praxis muss man im wahrsten Sinne des Wortes erleben, Schule kann die nicht abbilden. Deshalb ist es ein Fehler, Frau Heyenn, wenn Sie sagen, die außerbetriebliche Ausbildung solle ausgeweitet werden. Bei aller Kritik an den Maßnahmen der Jugendberufsagentur müssen wir dabei beachten, dass wir hier eine einheitliche Meinung haben. Es wäre sehr schön, wenn Sie das noch einmal deutlich machen könnten.

Wir haben deutlich gemacht, dass wir uns bei der Berufsorientierung von der achten bis zur zehnten Klasse am Ersten Arbeitsmarkt orientieren. Es läuft in enger Abstimmung mit den Betrieben, und die Betriebe machen Gott sei Dank mit. Es gibt Patenschaften, es werden Berufsschullehrer in die Stadtteilschulen kommen. Die Patenschaften mit den Betrieben werden ausgebaut, und es wird dann später an die Jugendberufsagentur gehen. Herr Hackbusch, wenn Sie jetzt Zahlen vom Mai nennen, dann nehme ich die gern zur Kenntnis, aber die Ausbildungszahlen selbst sind doch sehr dynamisch.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Ja, nach unten!)

Es gibt einige Bewerber, es kann sich jeden Tag etwas ändern. Wir haben zum Beispiel in der BQ, in der Berufsqualifizierung, 480 Plätze, die wir in der Regel noch nicht einmal besetzen können; wir besetzen da ungefähr knapp 200 Plätze. Wenn man das alles zusammen sieht und sich auch einmal die Tendenz anschaut, dann erkennt man, dass wirklich keiner verloren geht, dass es immer mehr gibt – Sie können doch nicht erwarten, dass es über Nacht anders wird – und dass immer weniger Menschen ohne Berufsausbildung sind, dass nach wie vor nachgefragt wird, auch über das 18. Lebensjahr hinaus.

Auch von der Jugendberufsagentur muss beispielsweise einem Jugendlichen gesagt werden: Vielleicht ist es gar nicht so gut, wenn du mal Schifffahrtskaufmann bist, vielleicht könntest du aber überlegen, ob du nicht Klempner wirst; das muss auch geschehen.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Ich weiß nicht, was Sie gegen Klempner haben.

(Beifall bei der SPD)

Das ist ein ehrenvoller Beruf, und es gibt sehr viele ehrenvolle Berufe, über 320 in Hamburg. Es muss doch möglich sein, das zusammenzubringen, wenn wir auf der einen Seite einen Pool von Ausbildungsplätzen haben, die die Wirtschaft zur Verfügung stellt, und auf der anderen Seite eine ungefähr gleichgewichtige Anzahl von Bewerbern. Ich ärgere mich jedes Mal, wenn am Ende des Schul

(Senator Ties Rabe)

jahres wieder Bewerber ohne Lehrstelle dastehen und es andererseits Ausbildungsplätze gibt, die nicht besetzt sind. Ich finde, hier sollten wir ein gemeinsames Ziel haben. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Von der Fraktion DIE LINKEN bekommt das Wort Herr Yildiz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Erstens: Herr Fock, ich finde, was Sie zu der außerbetrieblichen Ausbildung gesagt haben, gehört sich nicht, das ist unverschämt. Ich habe selber eine außerbetriebliche Ausbildung gemacht, weil ich als Flüchtling in keinem Betrieb einen Ausbildungsplatz bekommen habe, und alle Auszubildenden, die dort ausgelernt haben, haben einen Arbeitsplatz auf dem freien Markt bekommen, und alle arbeiten heute immer noch.

(Erster Vizepräsident Frank Schira über- nimmt den Vorsitz.)

Dass die außerbetriebliche Ausbildung so dermaßen schlecht ausgestattet ist, daran sind auch Sie schuld, genauso wie CDU und GRÜNE. Es wurde über Jahre hinweg gekürzt. Wo früher zwölf Auszubildende gelernt haben, müssen jetzt mit dem gleichen Personal 24 Jugendliche ausgebildet werden. Unter diesen Bedingungen geht das nicht. Wir sind für Ausbildung im ersten Arbeitsmarkt. Weil aber in dem Bereich nicht ausreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden, muss man sich auch über den Bereich der außerbetrieblichen Ausbildung Gedanken machen, ihn ausbauen und unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens: Wir reden immer über die Jugendlichen und ob sie ausbildungsfähig und ausbildungswillig sind. Warum reden wir nicht darüber, ob die Betriebe ausbildungsfähig und ausbildungswillig sind?

(Beifall bei Heike Sudmann DIE LINKE)

Ich habe mit einem Großunternehmer gesprochen, der einen Verlag hat. Der sagt: Ich gebe jedem Jugendlichen, ob mit oder ohne Abschluss, die Möglichkeit, innerhalb von sechs Monaten nachzuweisen, ob er etwas kann. Und er sagt Folgendes: Die Jugendlichen, die mit Hauptschulabschluss oder ganz ohne Abschluss kommen, sind so motiviert, dass sie am Ende erfolgreich sind. Er hat im Durchschnitt ein oder zwei Personen pro Jahr, die er nach der Probezeit nicht übernimmt und die ihre Ausbildung nicht zu Ende machen. Das gilt aber nicht nur für die Hauptschulabgänger, sondern allgemein. Daher sollte man fragen, ob die Betriebe selber ausbildungswillig und ausbildungsfähig sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens: Herr Rabe, Sie haben also schön alle Jugendlichen aufgesucht und gefunden.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Nein, hat er nicht!)

Dann frage ich mich, wo denn diese Jugendlichen geblieben sind. Was ist mit denen passiert? Haben sie einen Ausbildungsplatz? Gestern habe ich ein Gespräch mit der Lehrerin einer Abschlussklasse geführt. Sie sagte: Ich habe 37 Schülerinnen und Schüler, zehn davon gehen auf weiterführende Schulen, einer hat einen Ausbildungsplatz und 16 haben keinen. Fast alle haben 30, 40 Bewerbungen geschrieben. Sind diese Jugendlichen doof? Sie müssen sich doch selber einmal fragen, was am Ende mit diesen Jugendlichen passiert. Die landen in Warteschleifen. Daher haben wir gesagt – lieber Wolfgang, du kennst mich als Gewerkschafter, das war unsere Forderung als DGB-Jugend –, wir wollen eine Umlagefinanzierung. Die Kollegen im Bereich Bau machen es vor. Man kann das auch in anderen Bereichen regeln, nur muss man handeln. Es reicht nicht, in den Gewerkschaften vollmundig zu reden, sich aber dann, wenn man in der Bürgerschaft ist, nicht hinter diese Forderungen zu stellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist keine Forderung der typisch Linken, das ist eine Forderung der Gewerkschaften, die wir übernommen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Heyenn von der Fraktion DIE LINKE hat das Wort.