Protocol of the Session on May 21, 2014

Meine Damen und Herren! Olympische Spiele sind eine Jahrhundertchance für unsere Stadt. Ich bin überzeugt, dass die Hamburgerinnen und Hamburger stolz sein werden, die Welt zu Gast zu haben. Wir können das. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

Das Wort bekommt nun Herr Kerstan von den GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die olympische Idee, die Welt zu Gast in einer Stadt, in der die Jugend in friedlichen Spielen miteinander wetteifert – eine Tradition aus dem alten Griechenland, wo damals sogar Kriege zwischen den Stadtstaaten pausierten –, ist eine faszinierende Idee, die in vielen Gegenden dieser Welt Freude und Faszination auslöst. Und mit Sicherheit ist Olympia eines der großen medialen Ereignisse in der heutigen Welt. Darum waren auch viele GRÜNE in Hamburg vor einigen Jahren Feuer und Flamme für die Idee, sich für Olympia zu bewerben.

(André Trepoll CDU: Dabei sein ist alles! Das ist auch Ihr Motto!)

Jetzt muss man aber feststellen, dass die Welt sich weitergedreht hat und dieser positive, idealistische Blick auf die Olympischen Spiele an manchen Stellen getrübt worden ist. Sicher, es gab Städte, die haben Olympische Spiele für ihre Entwicklung genutzt und profitieren noch heute davon; München und Barcelona sind erwähnt worden. Es gibt aber auch andere Städte, die die Olympischen Spiele aus finanzieller Sicht Jahrzehnte später immer noch als Albtraum wahrnehmen und denen die Lasten aus den Olympischen Spiele wie ein Mühlstein um den Hals hängen.

(André Trepoll CDU: Welche denn?)

Montreal zum Beispiel, auch andere Städte.

Zum anderen hat es durchaus autoritäre, fast schon diktatorische Regime gegeben, denen mit den Olympischen Spielen eine Bühne geboten wurde, um sich selbst in einem vorteilhafteren Licht darzustellen; wir haben es gerade erlebt. Viele Menschen hätten es besser gefunden, das wäre

(Dietrich Wersich)

nicht getan worden, aber es war in Peking so und es war auch in Sotschi so.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Barbara Nitruch und Dr. Mathias Petersen, beide SPD)

Vor diesem Hintergrund würde ich uns Hamburgerinnen und Hamburgern den guten Rat geben, uns nicht wieder einmal von einer schönen Vision blenden zu lassen, vom Wünschenswerten und Guten für unsere Stadt. Lasst uns nicht das Großhirn ausschalten, um später in einer Situation aufzuwachen, in der wir feststellen, dass Olympia auch erhebliche Kosten und Nachteile mit sich bringen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD – Finn-Ole Ritter FDP: Aber das untersuchen wir doch erst noch!)

Deshalb haben wir versucht – und das ist auch gelungen –, gemeinsam mit den anderen Fraktionen einen Antrag zu stellen, dass es eben keine Jubelstudie geben soll, in der schöne Bilder und Visionen entworfen werden, sodass die Dynamik erzeugt wird, das müssen wir um jeden Preis haben. Im Gegenteil, es sollen die Chancen untersucht werden, aber es soll auch untersucht werden, was Olympische Spiele mit unserer Stadt machen,

(Finn-Ole Ritter FDP: Wir brauchen Gründe, warum wir uns nicht bewerben sollen!)

und zwar nicht nur in finanzieller und wirtschaftlicher Hinsicht. Es sind auch viele andere Fragen betroffen. Was passiert mit der Stadtentwicklung? Was passiert mit den Mieten und den Lebensverhältnissen in dieser Stadt?

(Finn-Ole Ritter FDP: Mit dem Individualver- kehr!)

Was passiert mit den Freiheitsrechten der Bürgerinnen und Bürger in einer olympischen Stadt? Durch die olympischen Regularien werden diese zum Teil erheblich eingeschränkt. Die Gefahrengebiete, über die wir Anfang des Jahres Debatten geführt haben, sind gar nichts dagegen, was das Internationale Olympische Komitee an Einschränkungen von Bürgerrechten von den austragenden Städten verlangt.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD – Wolfgang Rose SPD: Das ist ein interessanter Vergleich!)

Auch das gehört in eine ergebnisoffene Studie, die die Chancen und Risiken beleuchtet. Insofern ist dieser Antrag nicht das, was ich häufig in der Presse gelesen habe. Dieser Antrag ist kein Antrag, der die Hürde so hoch legt, dass Hamburg oder das IOC sie nicht nehmen könnte, sondern die Studie soll eine Grundlage sein.

(Finn-Ole Ritter FDP: Eine Machbarkeitsstu- die!)

Nein, keine Machbarkeitsstudie, eine Entscheidungsgrundlage, die Daten und Fakten zusammenträgt.

(André Trepoll CDU: Warum wir uns nicht bewerben!)

Dann erst kann man über die Bewertung dieser Daten und Fakten eine realistische Debatte führen, und das ist auch gut so.

(Dietrich Wersich CDU: Deswegen ist es auch eine Machbarkeitsstudie und keine Be- werbung!)

Deshalb ist das auch kein Antrag, der Bedingungen definiert und wo klar ist, dass Hamburg sich bewerben muss, wenn hinter jeder Bedingung ein Häkchen ist. Deshalb ist es auch nicht richtig, dass die Fraktionen, die diesen Antrag unterstützen, potenzielle Befürworter von Olympia sind. Für uns GRÜNE ist es noch völlig offen, wie wir uns nach Bewertung aller Daten und Fakten, nach Bewertung der Chancen und Risiken für Hamburg am Ende entscheiden werden. Wir plädieren allerdings dafür, diese Debatte nicht im ideologischen Raum zu führen, nicht herbeizufantasieren, was wir uns so wünschen für unsere Stadt, sondern ernsthaft abzuwägen. Ich glaube, dass wir das nach dem Scheitern vieler Großprojekte nicht nur in Hamburg, sondern auch bundesweit und weltweit den Bürgerinnen und Bürgern schuldig sind. Dem soll dieser Antrag dienen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Darum verwundert es mich schon, das möchte ich noch einmal ganz deutlich sagen, eine Volksbefragung zu einem Zeitpunkt zu fordern, wo das Bewerbungskonzept nicht klar ist, wo die Kosten nicht klar sind und wo nicht klar ist, ob der Bund bereit ist, eine Hamburger Bewerbung stärker zu unterstützen, als es bei München der Fall war. Die bisherigen Prinzipien – ein Drittel zahlt die Stadt, ein Drittel zahlt das Land, ein Drittel zahlt der Bund – würden dazu führen, dass Hamburg zwei Drittel der Kosten zu tragen hat und das in einer Zeit, in der wir angesichts der Schuldenbremse keine Kredite mehr aufnehmen können. Eine Bewerbung Hamburgs für Olympische Spiele kann nur dann erfolgreich sein, wenn der Rest der Republik das als ein nationales Projekt begreift. Das sollte man wissen, Herr Wersich und liebe Kollegen von der CDU, bevor man die Bürgerinnen und Bürger befragt, ob sie das nun wollen oder nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Eine Befragung der Bürgerinnen und Bürger ist wertlos, wenn sie zu diesem Zeitpunkt gar nicht wissen, worum es geht, was es kostet und welche Folgekosten das hat.

(André Trepoll CDU: Was war mit dem Volksentscheid zu den Netzen? Da warst du genauso!)

Auch etwas anderes ist in den letzten Jahren sehr deutlich geworden. Es tut unserer Demokratie nicht gut, wenn man Bürgerinnen und Bürger abstimmen lässt und ihnen gleichzeitig sagt, dass das nicht verbindlich sei.

(Dietrich Wersich CDU: Aber, Jens Kerstan, das wollen wir doch gar nicht, da sind wir uns doch einig!)

Das haben wir manchmal bei Bürgerentscheiden in den Bezirken, wo wir eine Regelung haben, dass die Bürgerinnen und Bürger abstimmen dürfen, wohlwissend, dass am Ende die Bürgerschaft vielleicht mit anderen Mehrheiten doch anders entscheidet. Bei einer so zentralen Frage wie Olympia sollten wir einen solchen Duktus nicht hineinbringen.

(André Trepoll CDU: In Bayern hat es doch auch funktioniert!)

Wenn wir die Bürgerinnen und Bürger fragen und sie abstimmen lassen, dann muss das verbindlich sein, sonst kann man es lassen, dann ist das Scheindemokratie.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Und damit sind wir beim Zeitpunkt. Das IOC wird erst sehr spät entscheiden, was denn nun die Bedingungen sind, unter denen wir uns bewerben können, nämlich im Dezember. Dann wird man vielleicht die Vorüberlegungen anpassen müssen, die wir uns bis dahin zu Olympia gemacht haben. Da ist es doch völlig ausgeschlossen, im Herbst die Hamburgerinnen und Hamburger zu fragen, wollt ihr oder wollt ihr nicht. Man muss aber eines auch ganz klar sagen: Zu glauben, dass man am 15. Februar so weit ist, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht über die Katze im Sack abstimmen, ist völlig illusionär. Deshalb warnen wir GRÜNE davor, den günstigen Termin der Bürgerschaftswahl zu nutzen, um über etwas abstimmen zu lassen, was zu dem Zeitpunkt noch nicht entscheidungsreif ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Aus grüner Sicht, das will ich noch einmal deutlich sagen,

(André Trepoll CDU: Nehmen Sie doch mal die grüne Brille ab!)

geht es nicht nur darum, ob am Ende die Regularien des Host-City-Vertrags vom IOC verändert werden. Denn wenn wir bei der Frage sind, was das aus unserer Stadt macht, und wir uns einmal die kritischen Debatten über die Olympischen Spiele der letzten Jahre vergegenwärtigen, dann ist es auch eine politische und eine gesellschaftliche Fra

ge, die dort entschieden wird. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich habe mich gefreut, dass Herr Bach gesagt hat, er wolle die Regularien und auch das IOC ein Stück weit reformieren; das ist aus unserer Sicht dringend notwendig. Es hat mich aber schon sehr nachdenklich gemacht, dass der gleiche Herr Bach als Präsident des IOC sich bei Herrn Putin praktisch mit einer Ergebenheitsadresse für die wunderschönen Spiele in Sotschi bedankt hat – zu einem Zeitpunkt, als russische Truppen auf der Krim völkerrechtswidrig Grenzen in Europa verschoben haben. Ob so etwas auch in Zukunft zu erwarten ist, wird eine wichtige Frage sein bei der Auseinandersetzung darüber, ob wir mit diesem Internationalen Olympischen Komitee zusammen ein gemeinsames Projekt machen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD – André Trepoll CDU: Warum neh- men wir dann überhaupt noch teil? Warum boykottieren wir es dann nicht?)

Ich habe gehört, das müsse das IOC selber entscheiden. Natürlich ist das IOC nicht davon abhängig, was wir wollen oder was wir gern von ihm hätten. Aber wenn Sie sich einmal die Volksabstimmung in München ansehen und was da am Ende den Ausschlag gegeben hat, dann waren das nicht die Umweltkriterien für Olympische Spiele in den Bergen, es war auch nicht so sehr die Frage, ob wir uns das leisten können oder nicht, sondern es war die Frage, ob wir mit diesem IOC, so intransparent, wie es ist – manche sagen: korrupt –, wirklich zusammenarbeiten wollen. Und da haben die Bürgerinnen und Bürger gesagt: nein. Wenn es da keinen klaren Änderungswillen des IOC geben wird, dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei einer Debatte mit den Hamburgerinnen und Hamburgern darüber, ob sie Olympia in Hamburg wollen. Ich glaube, das IOC wäre gut beraten, das nicht als Forderung oder Ultimatum zu begreifen, sondern zu begreifen, dass es sich selber ändern muss, wenn Olympische Spiele in Zukunft nicht nur in autokratischen Ländern oder in Scheichtümern stattfinden sollen, sondern auch in der demokratischen Welt.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Es ist gut, dass wir diese Debatte zum jetzigen Zeitpunkt nicht ideologisch austragen und jetzt schon ja oder nein sagen, sondern unseren Teil tun, um zu sehen, was am Ende Olympische Spiele in Hamburg sein könnten. Nachhaltig, demokratischer, offen, dem olympischen Geist mehr verpflichtet als in der Vergangenheit, das wäre auch für mich persönlich eine schöne Vision. Das wird aber, davon sind wir überzeugt, nicht nur unsere Entscheidung sein, sondern ein Stück weit auch von der Entscheidung abhängen, wie weit das Internationale Olympische Komitee Veränderungsbe

reitschaft in Bezug auf die Regularien, aber auch in Bezug auf sich selbst an den Tag legt. All das können wir nicht wissen. Deshalb ist es vernünftig, heute diesen Antrag zu beschließen und die Debatte dann zu führen, wenn wir mehr wissen als jetzt.

Ich freue mich, dass es gelungen ist, diesen Antrag gemeinsam zu stellen. Wer am Ende für oder gegen Olympia ist, werden wir später wissen; das ist nicht die Debatte, die wir heute führen müssen. – Vielen Dank.