Protocol of the Session on May 7, 2014

(Dirk Kienscherf SPD: So waren die da- mals!)

ohne dass wir überhaupt wissen, was dort geschehen ist. Wir konnten das bisher im PUA nicht nachvollziehen. Ich finde, das ist einer der Skandale, die bisher noch viel zu wenig beachtet wurden.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das ist die Verantwortung des Bürgermeisters Ole von Beust, der immer noch einen guten Ruf in dieser Stadt hat. Aber er hat genau diese Entscheidung in dem Bürgermeistergespräch gefällt.

(Robert Bläsing)

Dementsprechend ist es doch seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit gegenüber den Bürgern in dieser Stadt und auch gegenüber uns, der Bürgerschaft, die so übergangen wurde, uns zumindest zu erklären, was er sich damals gedacht hat und wie das hat passieren können. Stattdessen hat er sich im PUA an nichts erinnern können. Bei der Möglichkeit, im Zusammenhang mit unseren Kritikpunkten im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss wenigstens dazu Stellung zu nehmen, sagte er, er übernähme die politische Verantwortung – mir wird ganz schwindelig dabei, wie wenig das eigentlich ausdrückt – und ansonsten wüsste er nichts und erinnern könne er sich auch nicht. Das können wir als Bürgerschaft nicht akzeptieren, und ich finde, wir sollten das gemeinsam anklagen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Wie wir in diesen Tagen merken, ist die ganze Situation ein bisschen kritischer geworden. Es ist nicht mehr so einfach zu sagen, man hätte politische Verantwortung. Der Bürgermeister wurde zwar nicht abgewählt, sondern er ist vorher zurückgetreten, noch in allen Ehren. Dementsprechend muss man sich damit auseinandersetzen, was dort passiert ist.

Im April dieses Jahres wurde der ehemalige Finanzminister von Rheinland-Pfalz, Herr Deubel, zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt mit folgender Begründung: Deubel habe bei der Finanzierung des Nürburgringausbaus seinen politischen Spielraum überschritten, gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstoßen und damit den Straftatbestand der Untreue erfüllt. Das ist zumindest eine Anfrage, er hat sich nicht bereichert, er hat in gewisser Weise nur finanziell völlig versagt. Ich finde es von daher interessant, dass die Staatsanwaltschaft jetzt in Hamburg anhand des Berichts zur Elbphilharmonie diesen Test durchführt, inwieweit bei diesem Punkt etwas Ähnliches zu untersuchen ist. Das ist der eine wichtige Teil.

Der zweite wichtige Teil bezieht sich darauf, wer eigentlich die Verantwortung dafür hat. Es wird nämlich sehr häufig diskutiert, das sei die öffentliche Hand und die sei nicht in der Lage, das zu organisieren, man müsse so etwas mehr an Private vergeben. Herr Wankum wird das gleich noch einmal genauer ausführen, denke ich; Herr Bläsing hat das eben auch gern ausgeführt. Das, was mit der Elbphilharmonie gemacht wurde, ist hohe Privatisierung in einer Art und Weise, wie wir das in dieser Stadt bisher noch nicht kennengelernt haben. Alle Behördenstrukturen, die unter normalen Umständen so etwas in dieser Stadt kontrollieren, wurden ausgeschaltet zugunsten der Konstruktion Wegener,

(Andreas C. Wankum CDU: Das ist doch un- wichtig!)

Ole von Beust und Herr von Schön. Diese drei haben das im Wesentlichen entschieden, denn sie haben gesagt, dass sie dieser Behördenapparat nur hindern würde. Der Test der Praxis hat hier völlig versagt, und ich verlange von der CDU, dass sie das einmal auf sich bezogen kritisch anschaut und überlegt, ob das nicht falsch war.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Aber es geht leider weiter, denn das Problem dabei ist, dass wir bestimmte Aufträge vielfach an private, renommierte Leute vergeben haben. Ich habe mir mehrfach schildern lassen, wie es denn aussah, warum viele Abgeordnete gesagt haben, sie stimmten dem zu, obwohl sie es kritisch sehen würden. Da gab es die berühmte Vertragsjuristin Frau Jasper, die alle beruhigt hat. Sie hat, wie wir wissen, so geschickt formuliert, dass sie keinen Fehler gemacht hat. Aber sie hat das Vertragswerk nicht gut kontrolliert, der Meinung bin ich durchaus, und das muss kritisch hinterfragt werden. Das ist privatisiert worden, da ist schlecht gearbeitet worden.

(Beifall bei Jan Quast SPD)

Ich nenne Ihnen ein anderes, noch viel schlimmeres Beispiel, das bisher noch nicht so bekannt ist. Wir alle in der Bürgerschaft haben uns mit dem Pauschalfestpreis auseinandergesetzt, das war ein zentrales Moment. Alle haben gesagt – auch Herr Wegener –, dass der Pauschalfestpreis uns retten werde und dass das überhaupt das Sicherste sei. Wir haben jetzt im PUA herausgefunden, wer denn diesen Pauschalfestpreis geprüft hat. Das war nicht nur Herr Wegener, der sich das hat erzählen lassen, sondern das war auch die berühmte Unternehmensberatung Ernst & Young. Ernst & Young hat festgestellt, dass der Pauschalfestpreis die Kostenrisiken aus Leistungsänderung und Zusatzleistungen völlig absichert. Eine berühmte Unternehmensberatung wie Ernst & Young mit einem solchen Namen erzählt so einen Mist. Ich verstehe nicht, warum der Senat die nicht verklagt hat, als festgestellt wurde, dass die Mist gebaut haben. Aber es zeigt auch, dass wir uns auf diese fremde Expertise nicht einfach verlassen können, sondern dass diese Leute zum Teil Mist machen, und zwar so hochgradigen Mist wie Ernst & Young; das sollte man auch einmal breit öffentlich diskutieren.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Wir haben verschiedene Dinge dahingehend diskutiert, dass die Bürgerschaft gestärkt werden soll. Das möchte ich jetzt beiseite legen und dem SPDSenat noch eine Aufgabe geben. Eine der wichtigen Aufgaben, die dort festgestellt wurde, ist, dass wir in dieser Stadt zu wenig Expertise haben im Baubereich, sodass wir noch nicht einmal in der Lage sind, vernünftig zu kontrollieren, was diejeni

gen, denen wir extern die Aufträge geben, damit machen. Es wird eine wichtige Aufgabe des SPDSenats sein, mit den nächsten Haushaltsberatungen und für die Zukunft uns darzulegen, wie wir die Bauexpertisen in dieser Stadt wieder neu aufbauen. Wir müssen nicht alles selbst machen, aber wir müssen gute Leute haben, die das kontrollieren können, denn sonst wird Elbphilharmonie immer wieder passieren. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt von der SPD-Fraktion Herr Buschhüter.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich auch erst einmal mit Danksagungen beginnen. Vielen Dank an die Kollegen für die kollegiale Zusammenarbeit im Untersuchungsausschuss.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Kolleginnen doch auch, oder?)

Auch wenn wir in der Bewertung nicht immer alle einer Meinung waren, so war doch die Arbeit des zweiten Untersuchungsausschusses zum größten Teil von einem breiten Aufklärungsinteresse aller Fraktionen geprägt. Das war im ersten Untersuchungsausschuss nicht ganz so, Herr Hamann hat das schon erwähnt. Aber, wenn ich mir diese Spitze erlauben darf, waren vor allem Sie es, der im ersten Ausschuss ein bisschen der Klotz am Bein des PUA war. Aber das hat sich geändert.

Ich möchte auch Danke sagen für die Bereitschaft der Kolleginnen und Kollegen, angesichts der Terminfülle auch vor Sitzungen am Samstag nicht zurückzuschrecken. Vielleicht noch eine Zahl hierzu. Wenn man den ersten PUA dazu nimmt, dann kommen wir auf eine Sitzungsdauer von insgesamt über 297 Stunden. Angesichts unseres Status als Teilzeitparlament ist das doch eine ganz beeindruckende Leistung.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Anjes Tjarks GRÜNE und Norbert Hackbusch DIE LINKE)

Mein größter Dank gilt aber – und viele Mitarbeiter sitzen dort oben – dem Arbeitsstab, allen voran seinem Leiter Klaus Thorwarth, der mit den Mitgliedern des Arbeitsstabs in akribischer Kleinarbeit nicht nur die über 1200 Aktenbände durchgearbeitet und unsere 57 Ausschusssitzungen und die Zeugenbefragungen vorbereitet hat, sondern am Ende auch den Bericht entworfen hat. Der Untersuchungsausschuss insgesamt – und ich als Vorsitzender – konnte sich immer auch auf die wertvolle und tatkräftige Unterstützung seitens des Arbeitsstabs verlassen. Ohne einen solchen Arbeitsstab – das möchte ich an dieser Stelle noch einmal sagen –, dessen Personalkosten den größten Teil der teilweise in die Kritik geratenen Kosten des

PUA ausmachen, wäre ein Untersuchungsausschuss überhaupt nicht arbeitsfähig, noch nicht einmal denkbar. Insofern vielen Dank noch einmal an den Arbeitsstab für die tatkräftige Unterstützung.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Der Ausschuss legt Ihnen und der Öffentlichkeit ein Werk vor, das detailliert die Fehler und Versäumnisse beim Projekt Elbphilharmonie auflistet, analysiert und bewertet und schließlich auch Empfehlungen für die Zukunft abgibt. Meine Vorredner haben dazu schon viel gesagt.

Es ist angesichts der enormen Summen, um die es bei dem Projekt geht, nur konsequent – das möchte ich an dieser Stelle erwähnen –, dass die Staatsanwaltschaft den Bericht zum Anlass nimmt, eigene Vorermittlungen anzustellen mit Blick auf mögliche Straftaten wie Untreue oder Betrug mit einer Täuschung des Parlaments. Dabei rückt vor allem das desaströse Informationsverhalten des damaligen CDU-Senats gegenüber dem Parlament in den Fokus. Der Bericht stellt präzise klar, dass der damalige CDU-Senat die Bürgerschaft teils fehlerhaft und teils bewusst falsch informiert hat, und zwar nicht nur einmal, sondern in allen Phasen des Projekts, angefangen bei den Kostenprognosen über den misslungenen Vertragsabschluss bis hin zu Bausolländerungen und Bauverzügen und den daraus resultierenden Kostensteigerungen.

Der Bericht offenbart insofern eine Missachtung des Parlaments und seiner Rechte durch den damaligen Senat, die ihresgleichen sucht. Dabei sind Transparenz und Ehrlichkeit einer Regierung gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit wohl die besten Garanten dafür, mögliche Fehlentwicklungen von vornherein zu erkennen und zu vermeiden.

(Beifall bei der SPD)

Hier kann zur Entschuldigung des damaligen Senats auch nicht vorgebracht werden, wie die CDU es in ihrem Sondervotum tut, dass der damalige Senat selbst von der REGE nicht immer vollständig und korrekt informiert wurde, denn der damalige Erste Bürgermeister von Beust – das wurde eben schon erwähnt – hat es bei seiner Entscheidung, das Projekt so und nicht anders aufzustellen mit der REGE und dem auf Senatsebene angesiedelten Projektkoordinator, gerade darauf angelegt, diese von behördlicher Kontrolle und Steuerung freizustellen. Auch das zeugt von einem völlig verantwortungslosen Handeln seitens des damaligen Senats.

(Beifall bei der SPD)

Von einem ebenso bemerkenswerten Handeln zeugen die Umstände um die Aktenvorlage im Zusammenhang mit dem Nachtrag 4. Ich will noch einmal in Erinnerung rufen, dass die zögerliche

(Norbert Hackbusch)

und dann doch unvollständige Aktenvorlage Auslöser dafür war, vor ziemlich genau vier Jahren, nämlich am 5. Mai 2010, den ersten PUA Elbphilharmonie überhaupt einzusetzen. Als die Bürgerschaft über den Nachtrag 4 abstimmte, lagen die dazugehörigen Akten, deren Herausgabe die damals oppositionelle SPD-Fraktion zuvor gefordert hatte, nicht vor. Heute wissen wir, warum das so war. Die Akten gab es nämlich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, sondern sie mussten erst aufwendig hergestellt werden. Ein Zeuge sagte dazu aus, dass dieser Vorgang schätzungsweise acht Wochen gedauert habe, inklusive des Durcharbeitens über Ostern, so seine Aussage. 60 Aktenordner sind dabei am Ende herausgekommen, die es vorher in dieser Form gar nicht gegeben hatte und deren Inhalt auch teilweise erst noch angefertigt werden musste. So viel zum Umgang des damaligen CDU/GAL-Senats – auch das gehört zur Wahrheit dazu – mit dem Parlament.

Ich möchte noch auf einen weiteren Punkt eingehen, zu dem Herr Hamann erstaunlicherweise gar nichts gesagt hat. In dem Sondervotum/Minderheitsbericht der CDU zum Elbphilharmonie-Bericht bezeichnen Sie den Nachtrag 4 weiterhin als Erfolg. Konkret schreiben Sie, der Bericht diskreditiere den Nachtrag 4 fälschlicherweise als Misserfolg.

(Andreas C. Wankum CDU: Richtig!)

Das finde ich doch sehr bemerkenswert, denn der Nachtrag 4 hat von dem, was damals versprochen wurde, auch dem Parlament gegenüber, überhaupt nichts gehalten. Versprochen wurde damals Kosten- und Terminsicherheit, aber davon konnte nach dem Nachtrag 4 überhaupt keine Rede sein. Das Schlimme ist, dass der REGE und dem Senat auch vorher schon bekannt war, dass dies droht und kommen wird, denn zum Zeitpunkt des Nachtrags 4 lag die abschließende Bausolldefinition immer noch nicht vor.

(Jörg Hamann CDU: Das erklärt Ihnen Herr Wankum gleich!)

Das hat übrigens die Generalplaner veranlasst, wie schon beim ursprünglichen Vertragsschluss auch, vor einem verfrühten Abschluss des Nachtrags 4 zu warnen. REGE und Senat ignorierten dies jedoch und wiederholten damit ihre Fehler, die sie schon ganz zu Anfang des Projekts gemacht hatten.

Auch eine Auflösung des konfliktträchtigen, sogenannten Dreiecksverhältnisses und damit die gebotene, grundlegende Neuordnung des Projekts, die die ECE im Vorfeld des Nachtrags 4 ausdrücklich empfohlen hatte, erfolgte mit dem Nachtrag 4 nicht. Man hat noch nicht einmal darüber verhandelt, es war überhaupt nicht Gegenstand der Verhandlungen zum Nachtrag 4. Dies alles gelang erst mit der Neuordnungsvereinbarung von vor einem Jahr.

(Andreas C. Wankum CDU: Eine Viertelmilli- arde später!)

Warum die CDU-Fraktion angesichts dieser Feststellung noch daran festhält, den Nachtrag 4 als Erfolg zu bezeichnen, ist mir wirklich schleierhaft.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen ganz anderen Aspekt erwähnen. Der Abschlussbericht sah sich zuletzt verschiedenen juristischen Angriffen seitens zweier Betroffener ausgesetzt. Im Großen und Ganzen haben wir Recht bekommen, nur zuletzt entschied das Oberverwaltungsgericht, dass wir eine Feststellung nicht veröffentlichen dürfen. Dem sind wir natürlich gefolgt, Sie sehen das im Bericht an drei geschwärzten Sätzen – so weit, so gut. Dem Bericht tut das aus meiner Sicht überhaupt keinen Abbruch.

Völlig überrascht hat uns aber, dass das Oberverwaltungsgericht Artikel 26 Absatz 5 Satz 1 der Hamburger Verfassung für unwirksam hält. Nach dieser Norm sind Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse der richterlichen Erörterung entzogen. Das OVG hält diese Norm in der Hamburger Verfassung für unwirksam, obwohl im Grundgesetz genau derselbe Wortlaut zu finden ist, wenn es auch dort nur für die PUAs des Bundestags gilt. Das OVG hat deshalb genau das gemacht, was bislang Tabu war, nämlich unseren Abschlussbericht einer inhaltlichen Kontrolle unterzogen. Das wird sich nicht nur für Hamburg zum Problem auswachsen können, sondern auch für alle anderen Landesparlamente, denn die Konsequenz, wenn dieses Schule macht, wäre, dass Berichte von Untersuchungsausschüssen der Landesparlamente zukünftig der Zensur der Gerichte unterliegen, während das für Berichte von PUAs des Bundestags weiterhin nicht gilt. Nun plädiere ich nicht dafür, dass auch die Bundestags-PUA-Berichte zensiert werden sollen von Gerichten, ganz und gar nicht, sondern wir müssen eindeutige Regelungen finden, damit so eine Rechtsprechung sich nicht festsetzt. Es kann doch nicht richtig sein, denn auf diese Weise wären PUA-Berichte kein Instrument mehr der politischen Auseinandersetzung, sondern der gerichtlichen Überprüfung.

Über alle Fraktionsgrenzen hinweg müssen wir deshalb Überlegungen anstellen, wie man mit dieser Entscheidung des OVG umgehen will. Auf jeden Fall besteht hier dringender Handlungsbedarf. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)