Protocol of the Session on May 7, 2014

(Barbara Duden SPD: Das ist von der FDP aber sehr höflich!)

Aber eines vorweg, Frau Duden: Wer die Senatspolitik kritisiert, der fällt nicht den Kandidaten in den Rücken und der erweist den Bezirksversammlungswahlen und der Wahlbeteiligung auch keinen Bärendienst. Es ist schon ein sehr merkwürdiges Verständnis von unserem Staat, das Sie da offenbart haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Finn-Ole Ritter FDP: Majestätsbeleidigung!)

Gerade vor Wahlen, aber nicht nur, ist es wichtig, dass die Opposition auf die Fehler der Regierung hinweist und Alternativen anbietet, und das haben wir in den vergangenen Monaten häufiger gemacht. Wir entdecken das Thema Bezirke also nicht erst kurz vor den Wahlen. Wenn ich mir allerdings anschaue, wann Sie mit Ihren Anträgen zum Thema Bezirke aus dem Quark kommen, dann ist das immer dann, wenn die Opposition etwas einfordert

(Beifall bei der CDU und der FDP)

oder wenn Sie wieder einmal eine der vielen Fehlentscheidungen, die Sie getroffen haben, kaschieren wollen. Dann gibt es einen wunderbaren Antrag mit viel PR-Text und wunderbarer Prosa, aber am Ende ändern Sie nichts. Insofern müssen Sie uns nicht belehren über die Bedeutung der Bezirkswahlen und unsere Arbeit, die wir hier tun.

(Beifall bei der CDU, der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Während wir uns bis zum Jahr 2006, als wir die Bezirksverwaltungsreform verabschiedet haben, noch einig waren, dass die Bezirke wichtig sind und gestärkt werden müssen, erleben wir seit drei Jahren das krasse Gegenteil. Der SPD-Senat greift massiv in die Handlungsfähigkeit der Bezirke ein und gefährdet diese mit seinen kopflosen Kürzungen auch immer mehr.

(Beifall bei der CDU – Jan Quast SPD: Lei- den Sie an Amnesie? Wir machen alles wie- der gut, was Sie angerichtet haben!)

Ich rufe es Ihnen gerne noch einmal in Erinnerung, damit Sie nicht Gefahr laufen, Ihr eigenes Handeln zu verdrängen, auch wenn ich das gut nachvollziehen kann. Seit dem Regierungswechsel im Jahr 2011 sind in den Bezirken 545 Stellen abgebaut worden. Insgesamt fehlen den Bezirken strukturell rund 16 Millionen Euro im Jahr, und das bleibt natürlich nicht ohne Folgen. Es ist erwähnt worden, dass die Bezirke immer weniger in der Lage sind, ihre wichtigen Kernaufgaben – das sind die Dienstleistungen für die Bürger – erbringen zu können, und auch die Beteiligungsmöglichkeiten vor Ort

werden immer weiter abgebaut, weil Entscheidungskompetenzen verlagert werden.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Welche denn?)

Die Leidtragenden dieser verfehlten Politik sind zum einen die Mitarbeiter, die Sie immer stärker belasten, weil immer weniger Mitarbeiter immer mehr Aufgaben erfüllen müssen, und es sind vor allen Dingen die Bürgerinnen und Bürger, die bei Ihrer Politik völlig verloren gehen. Für sie haben Sie wahrlich kein Auge mehr.

(Beifall bei der CDU – Wolfgang Rose SPD: Was reden Sie denn da?)

Liebe Kollegen der SPD und lieber Herr Dressel, wir kennen nun schon Ihre einstudierte Rhetorik, mit der Sie immer wieder versuchen, die Probleme der Bezirke zu vertuschen und die Situation in der Stadt schönzureden. Das glaubt Ihnen ohnehin schon niemand mehr. Am Wochenende haben Sie jetzt aber tatsächlich den Vogel abgeschossen. Sie haben nämlich behauptet, Sie würden die Bezirke mit insgesamt 8,2 Milliarden Euro stärken. Dabei berufen Sie sich sehr allgemein gehalten auf eine Liste mit vielen Investitionen in die Infrastruktur unserer Stadt. Da geht es um den Hafen, die Universitäten und um die Theater. Viele dieser Maßnahmen sind zweifelsohne richtig – dass wir uns da nicht falsch verstehen –, und nicht wenige davon gehen auf Entscheidungen des Vorgängersenats zurück,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ach so!)

aber entweder haben Sie wirklich nicht verstanden, worum es geht, wenn wir über die Notlage der Bezirke sprechen, oder Sie scheuen nicht einmal davor zurück, die Hamburgerinnen und Hamburger vor den Wahlen immer dreister täuschen zu wollen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Herr Dressel, oder wollen Sie uns und die Bürger tatsächlich glauben machen, dass beispielsweise 194 Millionen Euro für den Umbau des CCH auch nur irgendeinen Beitrag leisten, um die Bezirksämter zu stärken, die Personalnot zu überwinden oder die Serviceleistungen in den Bezirken für die Bürger zu verbessern? Das glauben Sie doch selbst nicht – das hoffe ich zumindest.

(Beifall bei der CDU)

Sie lösen damit nicht die Finanzprobleme der Bezirke, sondern ganz im Gegenteil entfernen Sie sich und die Bezirke immer weiter von den Bürgern, und das ist dann eine echte Gefahr und ein echtes Risiko für die bevorstehenden Wahlen und die zu erwartende Wahlbeteiligung. Deshalb sollten Sie damit auch schleunigst aufhören.

(Beifall bei der CDU und bei Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP)

Statt nur die Probleme und die Schäden, die Sie anrichten, schönzureden, sollten Sie tatsächlich die Bezirke stärken. Mit Geld und Personal allein wird Ihnen das aber nicht gelingen, denn dafür braucht es endlich wieder starke Bezirksamtsleiter und – ich sage es bewusst – auch politische Mehrheiten, die eigene Gestaltungsmöglichkeiten, aber vor allem auch einen eignen Gestaltungsanspruch haben. Beides haben Sie mit Ihrer Politik in den vergangenen drei Jahren aber erfolgreich abgeschafft.

(Beifall bei der CDU)

Auch darum geht es bei den Bezirksversammlungswahlen am 25. Mai. Deshalb können wir alle nur hoffen, dass möglichst viele Hamburgerinnen und Hamburger zur Wahl gehen, denn Hamburg braucht starke Bezirke, und dafür werden wir mit aller Kraft kämpfen.

(Beifall bei der CDU und bei Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP)

Das Wort hat nun Herr Dr. Steffen von der GRÜNEN Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! In den Beiträgen von Frau Suding und Frau Duden habe ich nicht viel Konkretes gehört,

(Dirk Kienscherf SPD: Und jetzt kommen Sie!)

weil es eigentlich darum gehen sollte, tatsächlich Vorschläge zu machen, wie wir die Situation in den Bezirken verbessern können. Ich will nicht alles wiederholen, was wir in der letzten Sitzung diskutiert haben zur Frage der Schwächung der Bezirke in personeller Hinsicht, dass sie eben viele Aufgaben im Grünanlagenbereich, bei den Einwohnerämtern und in weiteren Bereichen nicht mehr wahrnehmen können. Ironischerweise ist es jetzt sogar so weit, dass das Personal in den Bauprüfabteilungen abgebaut wird, sodass dort Bauanträge liegen bleiben und die Leute, die das große Ziel des Senats gerne unterstützen wollen, gar nicht so richtig zum Zuge kommen. So weit ist es mit der Handlungsfähigkeit der Bezirke schon gekommen, und insoweit hat Herr Gladiator hier die richtigen Zahlen genannt, die man tatsächlich als Realität ins Auge fassen muss. Es gibt für die jetzt zur Wahl stehenden Bezirksversammlungen de facto keinen Handlungsspielraum mehr, weil die regelmäßige Antwort der Bezirksämter ist, dass für die von den Bürgerinnen und Bürgern entgegengenommenen Anliegen schlicht kein Personal zur Verfügung steht. Das ist die Situation in den Bezirken.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und bei Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Die FDP hat in der Anmeldung auch die Frage "Bezirksversammlungswahl ohne Wähler?" aufgeworfen. Man sollte es in der Tat positiv drehen und die Frage stellen, wie wir es schaffen können, dass mehr Leute sich mit den Bezirksversammlungswahlen identifizieren und eine ähnliche Identifikation erreicht wird, wie es bei der Bürgerschaftswahl und bei der Bundestagswahl der Fall ist. Wir haben parallel die Europawahl, bei der auch Schwierigkeiten bestehen, ähnliche Beteiligungswerte zu erzielen, und die im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger nicht so stark verankert ist. Es gibt bei dieser parallel stattfindenden Wahl jetzt die neue Situation, dass das Europaparlament erstmals den Kommissionspräsidenten wählen wird und die Spitzenkandidaten insbesondere der großen Parteifamilien auch den Anspruch erheben, Kandidaten dafür zu sein. Ich will das inhaltlich nicht kommentieren, aber Martin Schulz ist natürlich sichtbar in den Medien und das ist hilfreich für die Wahrnehmung der Wahl. Es ist sinnvoll, dass es solche Kandidatinnen und Kandidaten gibt, und auch die GRÜNEN bemühen sich an der Stelle mit europaweiten Spitzenkandidaten. Es ist sinnvoll, dass es eine solche Personalisierung gibt, und das funktioniert auch für die Medien. Deshalb lautet unsere Frage, die wir am Ende der heutigen Sitzung auch zur Abstimmung gestellt haben, ob wir uns nicht Ähnliches leisten sollten für die Bezirksversammlungswahlen.

Jetzt ist es interessanterweise so, dass die Bezirksversammlungen schon seit langer Zeit maßgeblich den Bezirksamtsleiter oder die Bezirksamtsleiterin bestimmen; das ist keine Neuigkeit. Der wesentliche Unterschied ist, dass dies nicht in zeitlicher Nähe zur Wahl der Bezirksversammlung stattfindet, sondern relativ zufällig am Ende der jeweils sechsjährigen Wahlperiode des Bezirksamtsleiters oder der Bezirksamtsleiterin. In der Realität dauert die Wahlperiode auch keine sechs Jahre, sondern wenn sich im Rahmen einer Bezirksversammlungswahl eine andere Mehrheit bildet, dann wird fleißig abgewählt, so wie die SPD das nach der letzten Bezirksversammlungswahl in vielen Bezirken gemacht hat. Es ist auch in Ordnung, dass man das machen kann, aber die Frage ist, warum das eigentlich so verschämt passieren soll. Warum soll es so laufen, dass man erst einen Eiertanz veranstaltet wie in Harburg, wo man gesagt hat, man schaue sich den Bezirksamtsleiter einmal an, dann aber scheinbar irgendwelche Gründe findet, warum der jetzt nicht mehr passt, und dann wird er abgewählt? Geplant war das eigentlich schon lange, und ich finde, dass es zur Transparenz dazugehört, dass die Parteien vor der Bezirksversammlungswahl sagen, wen sie, falls sie die Mehrheit gewännen, als Bezirksamtsleiter oder Bezirksamtsleiterin einsetzen würden. Deswegen ist es auch richtig, den Wahltermin jeweils unmittelbar nach der Bezirksversammlungswahl festzusetzen, die alle fünf Jahre stattfindet, sodass die no

(Dennis Gladiator)

minelle Wahlperiode sich von sechs auf fünf Jahre um ein Jahr verkürzt, de facto aber verlängert wird, weil es nicht mehr zu einer vorzeitigen Abwahl kommen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das wäre ein konsequenter Schritt, und es wäre ein sehr guter Beitrag, wenn dieser Antrag heute eine Mehrheit finden würde. Da könnten Sie unter Beweis stellen, ob Sie das Gerede von Ihren Sorgen um die Wahlbeteiligung bei der Bezirksversammlungswahl ernst meinen oder ob es tatsächlich nur Wahlkampfgeplänkel ist, um noch einmal den eigenen Parteinamen in Erwähnung zu bringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun hat Herr Golke von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In Hamburg sind die Folgen der Schuldenbremse jeden einzelnen Tag stärker festzustellen. Vor allen Dingen die damit verbundene Kürzungspolitik in den Bezirken zeigt inzwischen ihre zerstörerische Kraft, gerade im sozialen Bereich. DIE LINKE steht in grundsätzlicher Opposition zur Kürzungspolitik und zur Privatisierung gesellschaftlicher Einrichtungen, ob in der Stadt oder in den Bezirken.

(Beifall bei der LINKEN)

Das hat Gründe. Es mag sein, dass in den Bezirken in den letzten Jahren immer mal wieder mehr Geld zur Verfügung stand, aber wir schicken nicht nur unser Geld, wir schicken auch unsere Entscheidungen. Wer hat denn über das Geld entschieden? Die Bürgerschaft in den Ausschussberatungen, hier mit der Mehrheit Ihres Parlamentes, im Verfassungsausschuss, der auch Bezirksausschuss ist, und wer sitzt uns da gegenüber? Bezirksstaatsrat Schwinke.

(Jan Quast SPD: Der hat die Verfassung schon gelesen!)

Wer ist daran beteiligt? Kein einziger Bezirkspolitiker. Der SPD-Senat wälzt die Entscheidung zur Umsetzung genau dieser Kürzungspolitik auf die Bezirke ab, getreu dem Motto: Die schlechten Nachrichten überbringen sollen doch bitte andere.

Die Bezirke werden immer wieder in ureigenen kommunalen Fragen wie dem Erhalt und Ausbau von soziokulturellen Einrichtungen wie Schwimmbädern, Museen, Stadtteil- und Beratungszentren, öffentlichen Grünlagen, Kleingärten oder Jugendund Kindereinrichtungen damit konfrontiert.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Für die Schwimmbäder sind die gar nicht zustän- dig!)

Ich sage, sie werden konfrontiert.

Was ihnen bleibt, ist die Vermittlung von Kürzungsmaßnahmen in Gestalt von sogenannten Feinspezifizierungen. Während die Haushaltsmittel der Bezirke von der SPD-Mehrheit in der Bürgerschaft beschlossen werden, bleibt den Bezirken dann die zweifelhafte Aufgabe zu entscheiden, welchem Stadtteilkulturzentrum oder welcher Einrichtung oder Initiative sie von den festgesetzten Haushaltsansätzen mehr oder meistens weniger zukommen lassen dürfen. Ohne ein bezirkliches Haushaltsund Budgetrecht, das die Bezirke zumindest weiter und näher an die verfassungsmäßige Position der Bürgerschaft heranbringt, und ohne eine auskömmliche Finanzierung mit verbindlichen Verfügungsrechten über Steuereinnahmen gibt es keine kommunale Selbstbestimmung, sondern nur die undankbare Aufgabe, dem Souverän, also der Bevölkerung, die schlechte Nachricht zu überbringen, dass die Kassen leider leer sind und die öffentlichen Leistungen nicht möglich sind oder weiter eingeschränkt werden müssen.

Frau Duden, ich bin auch nicht sehr glücklich mit dem Titel der Anmeldung der FDP, aber daraus den Vorwurf abzuleiten, die FDP hätte nicht genug Mitglieder, um Wahlkreislisten aufzustellen, ist wirklich sehr preiswerte Polemik an dieser Stelle.

(Dirk Kienscherf SPD: Das ist kein Vorwurf, das ist eine Feststellung!)

DIE LINKE hat es geschafft, in 53 von 54 Wahlkreisen Wahlkreislisten aufzustellen. Das war ein Kraftakt und das haben wir gut gemacht, aber wenn andere das nicht schaffen, macht es sie nicht schlechter.