Protocol of the Session on June 8, 2011

Eine schmerzhafte Erfahrung haben wir nicht erst in der CDU-Regierung gemacht, sondern auch schon davor. Bei ernsthafter Haushaltskonsolidierung helfen rhetorische Bekenntnisse in der Regel nicht wirklich. Wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, dass Mehreinnahmen vorhanden sind – und hier im Haus sind sich alle bis auf die LINKE einig, dass wir aus den Schulden heraus müssen –,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das ist völlig falsch!)

dann kommen viele Menschen auf die Idee, dass man dieses Geld auch ausgeben kann. Deswegen hilft bei Steuermehreinnahmen nicht Rhetorik und keine neue Prognostik, sondern bei der Haushaltssanierung helfen nur feste Regeln. Und diese müssen wir schaffen und der Zeitpunkt ist eigentlich genau der richtige.

(Beifall bei der CDU)

Sie müssen noch nicht einmal die Zweidrittelmehrheit für die Schuldenbremse, wie sie die CDU fordert, ab 2015 suchen. Es würde völlig reichen, wenn Sie die Landeshaushaltsordnung in Kraft lassen und Ihre Mehrheit nicht dazu nutzen, die weichere Schuldenbremse, die dort vorgeschrieben ist, auszuhebeln. Und da muss ich jetzt sagen: Im Moment passt das, was wir im Umfeld der Steuermehreinnahmen und Anfang dieses und Ende letzten Jahres an Rhetorik gehört haben, mitnichten zu Ihren Taten, weil die Sanierung des Kernhaushalts unterbleibt.

(Beifall bei der CDU)

Stattdessen sagen Sie, Sie wollen Vorschläge machen; zum Beispiel wollen Sie mit 200 Millionen Euro einen teuren Kredit bei der Wohnungsbaukreditanstalt ablösen. Darüber können wir diskutieren. Der Kredit ist ein Bundeskredit mit ungefähr 5 Prozent, den können wir mit 200 Millionen Euro ablösen, man könnte ihn gegen einen billigeren tauschen, wie auch immer. Das wäre eine konkrete Maßnahme, über die wir diskutieren können.

Als Nächstes möchten Sie den Hamburger Versorgungsfonds rekapitalisieren. Und da möchte ich an die Debatte erinnern, als Schwarz-Grün beschlossen hatte, eine Finanzspritze in Höhe von 120 Millionen Euro für den Hamburger Versorgungsfonds aufzubringen, um dessen Zahlungen, die er leisten muss – wohlgemerkt bis 2014, das ist noch ein bisschen hin –, zu sichern. Da kam Kritik von der SPD, man müsse doch erst einmal strukturell an den Versorgungsfonds herangehen – Herr Völsch guckt, ich würde ihm empfehlen, ins Protokoll zu sehen, das kam ziemlich wörtlich von ihm selbst – und dass man sich vor einer solchen Restrukturierung nicht vorstellen könne, dort Geld zuzuschießen. Aber wenn es denn am Ende des Tages bis 2014 hilft, hat man dann im Parlament zähneknirschend zugestimmt. Jetzt verstehe ich nicht, wie der gleiche Senator, ohne dass er es sofort machen müsste, sagt, wir machen jetzt schnell die Rekapitalisierung, über die Strukturierung und die Restrukturierung machen wir uns später Gedanken; hier stecken wir das Geld hinein. Das scheint mir wenig durchdacht und bei der Möglichkeit, den Kernhaushalt um Schulden zu entlasten, definitiv der falsche Weg zu sein.

(Beifall bei der CDU)

Selbst wenn wir sagen würden, da gehen wir noch mit, und dies dann durchrechnen – 200 Millionen Euro für den Kredit von der Wohnungsbaukreditanstalt, 207, 468 und 35 Millionen Euro für die Rekapitalisierung des Hamburger Versorgungsfonds in den nächsten drei Jahren –, bleibt eine Menge übrig. Und da frage ich mich, wo Sie diese Steuermehreinnahmen denn verfrühstücken, wenn Sie sie nicht zur Schuldentilgung einsetzen. Ich kann es Ihnen sagen: Ihre Wahlversprechen werden von Tag zu Tag teurer und dann ist das Geld genau richtig und genau dort wird es eingesetzt.

Einen ersten Vorgeschmack haben wir gestern im Haushaltsausschuss bekommen, als der Sozialsenator sagte, er würde in seinem Haushalt schon einen Mehrbedarf in Höhe von 200 Millionen Euro für 2011 und 2012 sehen. Danach würde man dann mit der strukturellen Sanierung beginnen, vorher gehe das aber noch nicht. Nachtigall, ick hör dir trapsen – da scheint mir ein ganz großes Problem im Anmarsch zu sein, wenn Sie Ihre eigenen Versprechen von der Sanierung des Hambur

ger Haushalts einhalten wollen. So funktioniert das nicht, Herr Senator.

Aber selbst wenn wir sagen, wir diskutieren die Ablösung des Kredits, wir diskutieren die Rekapitalisierung des Hamburger Versorgungsfonds, dann kann man eines sicherlich nicht machen: diese Steuermehreinnahmen dann im dritten Schritt dafür zu nutzen, Wahlversprechen zu finanzieren, wenn die historische Chance besteht, die Kreditlasten und die Zinslasten im Kernhaushalt zu senken. Das halte ich für verantwortungslos.

(Beifall bei der CDU)

Von daher haben wir das heute noch einmal zur Debatte angemeldet. Wir werden im Ausschuss im Zuge der Haushaltsberatungen auch darüber debattieren. Ich halte das für ein gefährliches Spiel am Vorabend Ihrer 100-Tages-Bilanz und am Vorabend der Haushaltsberatungen. Sie haben vor den Wahlen nicht nur versprochen, hier und dort Gutes zu tun, sondern der Bürgermeister sprach davon, dass die Schuldenbremse ein Gebot der Vernunft sei. Vernunft beginnt unseres Erachtens nicht erst im Jahr 2020. Er sprach auch davon, dass wir die Gelegenheiten nutzen müssten. Warum tun wir es denn nicht jetzt? Wenn Sie am Vorabend Ihrer 100-Tages-Bilanz anfangen, bei einem für die Stadt so zentralen Thema – und das ist die Haushaltssanierung, denn durch die Reduktion der Zinslasten würden wir wieder Bewegungsspielräume schaffen – ein so gefährliches Spiel zu spielen, anstatt die Chance zu nutzen, mit diesem Parlament und der Zweidrittelmehrheit, die es dafür gibt, gemeinsam eine feste Regel aufzustellen, an der wir alle ohne Zweidrittelmehrheit nicht mehr vorbeikommen, dann liegt es doch nahe, dass man die Versprechen und die Kommentierung dieser Steuermehreinnahmen einfach nur noch als schlichte Rhetorik wahrnehmen muss. Und dann ist es nicht weit bis dahin, dass man seine Glaubwürdigkeit verliert.

Wenn Sie als Finanzsenator den Schwung der ersten 100 Tage nicht nutzen, sondern stattdessen ein Glaubwürdigkeitsverlust einsetzt, dann wird es wahnsinnig schwer, Ihre Fraktion davon zu überzeugen, dass die Haushaltskonsolidierung ab 2013 und 2014 nötig ist. Wenn Sie jetzt keine Regeln einziehen – und dazu haben wir die Hand ausgestreckt – und diese Mehreinnahmen nicht dazu nutzen, dann kommen wir hier in Diskussionen und werden mitnichten das ambitionierte Ziel der Schuldenbremse 2020 erreichen. Das halte ich für einen gefährlichen Weg.

Die 100-Tage-Bilanz ist erst in der nächsten Woche, die Haushaltseinbringung formal erst am 22. Juni. Herr Senator, wir fordern Sie an dieser Stelle auf, bieten dazu aber auch unsere Mitarbeit an. Setzen Sie in diesem Parlament feste Regeln durch, damit Sie die selbst gesteckten Ziele nicht nur rhetorisch, sondern auch real erreichen. Die

CDU ist mit dabei und da werden wir Sie auch unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Herr Quast hat nun das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Heintze, wenn man Sie so reden hört, bekommt man den Eindruck, dass bei Ihnen am 20. Februar das Vergessen eingesetzt hat. Wenn Sie heute Regeln einfordern, um einen soliden Haushalt in Hamburg zu begründen,

(Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel übernimmt den Vorsitz.)

dann frage ich mich, was Sie eigentlich die letzten Jahre getan haben, als Sie das hätten durchsetzen können.

(Beifall bei der SPD)

Wir reden heute in erster Linie über die Mai-Steuerschätzung. So hatte die CDU es zumindest angemeldet, wenn es denn kein Etikettenschwindel gewesen sein soll, was ein Markenzeichen Ihrer Haushaltspolitik ist. Deswegen möchte ich auch noch einige Worte zu diesem Thema verlieren. Die uns vorliegende Drucksache hat erfreuliche Prognosewerte für die nächsten Jahre dargelegt. Herr Heintze hat zumindest die Zahlen hier richtig wiedergegeben. Wir erwarten für das Jahr 2011 Einnahmeverbesserungen in Höhe von 673 Millionen Euro gegenüber dem Haushaltsplan-Entwurf und für das Jahr 2012 in Höhe von 689 Millionen Euro. Das ist zunächst einmal gut und darüber können sich alle Haushälter nur freuen. Die Zahlen zeigen, dass die konjunkturelle Entwicklung schneller und besser wieder auf die Füße kommt, als bislang erwartet wurde. Vor allem wecken diese Zahlen aber auch Begehrlichkeiten. Wir werden diese aber nicht bedienen, Herr Heintze, machen Sie sich da einmal keine Sorgen. Denn anders als es Ihr damals schon scheidender Bürgermeister Ahlhaus noch getan hat,

(Christoph Ahlhaus CDU: Sie haben auch Wahlkampf gemacht! – Klaus-Peter Hesse CDU: Und rechtswidrige Verträge haben Sie auch abgeschlossen!)

der die prognostizierten und erwarteten Novemberund Mai-Steuerschätzungen schon im Wahlkampf verbraten wollte und Versprechungen gemacht hat, was man alles machen könnte, wenn die Steuereinnahmen besser laufen, machen wir genau das nicht, sondern haben klar vorgegeben, was mit dem Geld gemacht wird. Ihre Wahlkampfversprechen, die Sie heute nicht mehr kennen wollen, Herr Heintze, sind doch ein Beleg dafür, wie Sie in Wirklichkeit ticken und dass Sie überhaupt nichts gelernt haben, sondern selbst immer noch in

(Roland Heintze)

dieser alten Rhetorik, die Sie so beklagen, leben, und wenn nicht Sie, dann zumindest große Teile Ihrer Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Auch die SPD hat Wahlkampfversprechen gemacht,

(Klaus-Peter Hesse CDU: Ohne Ende!)

vor allen Dingen eines, nämlich einen soliden Haushalt herbeizuführen und eine solide Haushaltspolitik zu machen, und dieses Versprechen werden wir auch halten. Da bedarf es keiner Prognosen, das ist ein vorgezeichnetes Handeln. Die Rhetorik dazu, Herr Heintze, kommt allein von Ihnen; wir handeln so.

Die Fehler der Vergangenheit werden wir nicht wiederholen. Die erwarteten Mehreinnahmen werden wir deshalb nicht – anders als andere zuvor – für teure zusätzliche Ausgaben verwenden, sondern sie ausschließlich für Maßnahmen einsetzen, die den Haushalt auch für künftige Jahre entlasten helfen. Hamburg nutzt also die Chance, die sich ergibt. Wir unterstützen den Finanzsenator, der angekündigt hat, mit den zusätzlichen Steuereinnahmen ein 200-Millionen-Euro-Darlehen des Bundes abzulösen und damit Hamburg jährlich 10 Millionen Euro an Zinsersparung zu bringen. Wir unterstützen die Zuführung von Mitteln in den Hamburgischen Versorgungsfonds in Höhe von 710 Millionen Euro in den nächsten Jahren und gleichen damit gleichzeitig die Verluste aus, die die HSH-Nordbank-Krise dort bewirkt hat. Wir beseitigen, Herr Heintze, auch an dieser Stelle eine Altlast der CDU-Finanzpolitik und sichern zugleich die Altersversorgung von Beschäftigten in Hamburger öffentlichen Unternehmen.

(Beifall bei der SPD)

Wir unterstützen den Finanzsenator auch darin, Mittel einzusetzen, um die Nettoneuverschuldung abzusenken. Das ist der nachhaltige Einsatz der Mittel, wie Sie ihn fordern. Wir realisieren es. Und in Bezug auf die Märchen, die Sie heute – so ist mein Eindruck jedenfalls – versuchen zu erzählen, dass das dem Kernhaushalt alles gar nichts nützen würde, frage ich Sie: Gibt es gute und schlechte Schulden? Sind es die guten Schulden im Kernhaushalt und die schlechten in den ganzen Schattenhaushalten, die Sie in den letzten Jahren aufgebaut haben, oder umgekehrt? Hamburg muss alle Schulden, egal, ob sie im Kernhaushalt oder in Schattenhaushalten versteckt sind, in den Griff bekommen. Da ist es fast schon egal, wo wir anfangen, Herr Heintze. Also hören Sie auf, davon zu erzählen, dass nur der Kernhaushalt saniert werden muss, damit wir die Schuldenbremse 2015, 2016, 2020 oder wann auch immer erreichen. Das ist nicht der Fall. Der ganze Haushalt gilt und Sie können sich nicht aus der Verantwortung stehlen und nur den Blick auf den Kernhaushalt richten.

(Beifall bei der SPD)

Ein zweites Märchen haben Sie heute wieder erzählt und ich verstehe einfach nicht, wenn Sie schon die Haushaltsausschusssitzung von gestern erwähnen, dass Sie das immer noch nicht verstanden haben. Herr Tschentscher hat sich doch wirklich alle Mühe gegeben, auch Ihnen verständlich zu machen, wie das mit den Wahlversprechen ist. Die SPD hat gute und sinnvolle Versprechen im Wahlkampf gemacht. Es geht um die Reduzierung der Kita-Gebühren,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Sie woll- ten die Unterfinanzierung der Hochschulen beenden!)

und es geht um einige andere Punkte, über die wir heute zum Teil noch diskutieren. Es ist eindeutig dargelegt worden, dass wir diese Wahlversprechen nach dem Prinzip "pay as you go" dadurch finanzieren, dass wir an anderer Stelle im Haushalt Maßnahmen, die Ihnen vielleicht sehr lieb waren, nicht mehr durchführen werden. Das ist gestern deutlich geworden, das können wir Ihnen gern jederzeit wieder vorlegen und sicherlich werden wir auch in 14 Tagen über dieses Thema noch einmal intensiv diskutieren.

(Beifall bei der SPD – Jens Kerstan GAL: Aber welche das sind, haben Sie nicht ge- sagt!)

Herr Kerstan, da gibt es auch eine Liste und ich dachte, Sie schauen ab und zu einmal in die Pressemeldungen. Ich nenne hier nur die Streichung der Stadtbahnplanung und der Kreisverkehre, was Sie sicherlich besonders getroffen hat, die Reduzierung von Sachausgaben der Behörden und Nutzung der Personalfluktuation.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Abschaf- fung der Reiterstaffel!)

Da gibt es einiges, das kann man alles aufzählen, und es gibt eine sehr genaue Berechnung der Finanzbehörde, die aufzeigt, dass dieses die Wahlversprechen deckt und vieles mehr noch. Aber das werden wir sicherlich noch intensiv in der Bürgerschaft und auch in den Ausschüssen debattieren.

Zurück zur Steuerschätzung: Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich eben nur um eine Prognose handelt. Wer sich die Steuerprognosen der Vergangenheit ansieht, wird feststellen, dass diese oftmals von den tatsächlichen späteren Steuereinahmen nicht unerheblich abweichen können. Die Schulden- und Vertrauenskrise im Euro-Raum ist noch nicht überwunden und birgt erhebliche Risiken für die konjunkturelle Entwicklung und damit für die prognostizierten Steuereinnahmen. Das sollte jeder beachten, der heute diese Mittel an anderer Stelle ausgeben will, und das werden wir auch tun. Unsere Haushaltspolitik wird keine sein, die sich konjunkturellen Schwankungen unterwirft,

sondern sie wird solide sein, und dieses werden wir Ihnen in 14 Tagen mit dem Haushaltsplan-Entwurf hier noch einmal deutlich vorführen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Hajduk, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Quast, ich hatte eigentlich nicht vor, das Thema "pay as you go" zu erwähnen, aber da Sie es hier gänzlich falsch dargestellt haben, fühle ich mich doch berufen, es zu tun.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU und der FDP)

Der Finanzsenator hat gestern im Haushaltsausschuss gesagt, dass der Senat mit Hinweis auf die bereinigten Gesamtausgaben des Haushalts das Prinzip "pay as you go" bei zusätzlichen Einzelausgaben als erfüllt ansehe. Das ist etwas anderes, als wenn man Einzelmaßnahmen gegeneinanderstellt. Und wenn Sie schon zitieren, dass zum Beispiel, was in der Pressekonferenz durch Herrn Dr. Tschentscher gemacht wurde, strukturelle laufende Ausgabenerhöhungen wie im Kita-Bereich als gegenfinanziert gelten sollen durch einmalige Investitionsausgaben wie etwa im Verkehrsbereich oder bei der Stadtbahn, dann kann jeder, der ein bisschen von Haushalt versteht, gleich erkennen, dass diese tabellarische Aufstellung überhaupt nicht geeignet ist, die Erwartung "pay as you go" zu erfüllen.