Protocol of the Session on June 8, 2011

Deshalb unterstütze ich auch uneingeschränkt das Vorgehen meines niedersächsischen Kollegen, der nicht auf der Grundlage von Laborbefunden, wie wir sie hatten, sondern auf der Grundlage von ganz deutlichen Indizien auf Beziehungen, die zwischen diesem Betrieb in Niedersachsen und Orten in Deutschland, wo gehäuft diese Erkrankungsfälle aufgetreten sind, hergestellt werden können, jetzt vor Sprossen warnt und auch diese Sprossen vom Markt genommen hat und weiter recherchiert. Dieses Vorgehen ist richtig, darin waren wir uns heute alle einig.

Ich will Ihnen ganz deutlich sagen: Wenn darüber in Deutschland irgendein Zweifel aufkommen

(Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks)

könnte, dass man in solchen Fällen immer eindeutig zugunsten des Gesundheitsschutzes handeln muss, und zwar schnell, wenn sich Verantwortliche in diesem Moment Gedanken darüber machen müssten, ob irgendjemand Schadenersatzforderungen anstrengen könnte oder vielleicht in irgendeinem europäischen Land ein Landwirtschaftsminister nicht erfreut sein könnte über eine Warnung, dann müssen wir uns wirklich Sorgen machen über den Gesundheitsschutz in Deutschland.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich will ausdrücklich würdigen – das ist auch sehr wichtig für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter –, dass sie sich in Hamburg in der Politik nicht nur durch den Ersten Bürgermeister und den Senat, sondern durch alle Fraktionen in ihrem Handeln und in ihrer Arbeit unterstützt fühlen. Dafür möchte ich Ihnen danken und Ihnen auch sagen, dass diese Rückendeckung sehr wichtig ist für diejenigen, die wirklich unter Hochdruck arbeiten und manchmal durchaus auch angegriffen werden. Das bin dann nicht nur ich, da fühlen sich dann auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angegriffen und deshalb bedanke ich mich ausdrücklich für die Unterstützung durch alle Fraktionen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und bei Dr. Kurt Duwe FDP)

Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem sagen, was jetzt in vielen Medien geäußert wird. Wie immer sind solche Krisen auch die Hochzeit für selbsternannte Experten, die Verschwörungstheorien befördern oder gute Ratschläge erteilen. Je weiter vom eigentlichen Geschehen sie entfernt sind – und das können Sie in Kilometern messen, in Betroffenheit oder auch in politischer Verantwortung –, desto meinungsfreudiger sind diese Experten häufig. Die Verschwörungstheorien und die Tipps sind so vielfältig, dass man sie gar nicht mehr kommentieren kann. Ich tue das auch nicht. Ich kann Ihnen nur sagen, dass auch das, was jetzt in den letzten Tagen bundesweit und in den Medien diskutiert wurde, also ob wir in Deutschland ein Problem durch Kompetenz- und Kommunikationswirrwarr zwischen Ländern und Bund haben, dass das heute einhellig in Berlin von niemandem bestätigt wurde. Alle Länder, der Bund, alle Bundesbehörden, beide Ministerien und die EU waren sich einig, dass die Zusammenarbeit hervorragend klappt. Wir tun das Nötige und jeder an der Stelle, an der er verantwortlich ist. Dass das nicht heißt, dass man nicht zum Schluss eine Manöverkritik macht und sieht, wo man noch besser werden kann – übrigens überlegen wir das auch täglich –, ist vollkommen klar.

Ich will noch ein Wort sagen auch zu dem Thema, das mein Vorredner aufbrachte, nämlich die Frage der Kapazitäten und der Bezahlung an Krankenhäusern. Auf eine solche Situation, wie wir sie haben, kann man sich nicht vorbereiten. Insofern ha

ben die Krankenhäuser gezeigt, dass sie doch sehr flexibel sind und auch mit Unterstützung aller damit fertig geworden sind.

Zum Thema Bezahlung: Es gibt beim Thema Budgets und Mehrleistungen eine Ausnahmeregelung und ich kann Ihnen versichern, dass es in Deutschland noch nie eine Situation gegeben hat, auf die diese Ausnahmeregelung so gut passen würde wie auf diese jetzt. Ich mache mir keine Sorgen, dass die Krankenkassen in den Verhandlungen nicht auch anerkennen werden, dass dies wirklich zwingende und nicht zu vermeidende Mehrleistungen waren.

(Beifall bei Dietrich Wersich CDU)

Ich kann Ihnen sagen, dass nach meiner Kenntnis auch bei Krankenkassen ganz vernünftige Menschen arbeiten.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der GAL und der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Gesundheitsschutz geht vor. Warnungen, Veröffentlichungen von Ergebnissen und das Aus-dem-Verkehr-Nehmen von Ware dienen dem Schutz von Menschenleben und nicht der Diffamierung einer Branche. Aber natürlich ist die Landwirtschaft in diesem Fall massiv durch diese Maßnahmen, die Verunsicherung und Unklarheit betroffen. Das sehen wir alle sehr wohl. Das war auch heute Thema in Berlin und das ist auch Thema auf europäischer Ebene. Deshalb begrüßt der Senat ganz nachdrücklich die Bemühungen auch auf EU-Ebene, hier zu einem Fonds zur Entschädigung der betroffenen Landwirte zu kommen. 150 Millionen Euro sind im Moment im Gespräch. Ich habe deutlich gemacht, dass ich glaube, dass das nicht ausreicht. Es wird im Moment darüber verhandelt, ob es mehr sein kann. Ich will aber auch ganz deutlich zusagen, dass der Hamburger Senat die Gemüsebauern nicht im Stich lassen und prüfen wird, ob die Entschädigung auf der EU-Ebene ausreichen wird oder Zusätzliches zu tun ist.

(Beifall bei der SPD und bei Karin Prien und Dietrich Wersich, beide CDU)

Es ist noch nicht die Zeit, eine Entwarnung zu geben. Deshalb bleibt es auch weiter bei den Warnungen, die ausgesprochen wurden und bei den Verzehrhinweisen. Das ist auch heute von allen Seiten bestätigt worden. Gleichzeitig ist aber auch auf Bundesebene und durch das RKI bestätigt worden, dass die Fallzahlen sinken und wir nicht mehr diesen Zuwachs haben, dass sich die Situation in den Krankenhäusern entspannt und dass das möglicherweise ein Hinweis darauf ist, dass der Scheitelpunkt des Geschehens überschritten ist und vielleicht auch diese Warnhinweise ihre Wirkung gezeigt haben.

(Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks)

Ich wünsche mir natürlich, dass wir die Ursache dieser Welle finden und daraus auch unsere Konsequenzen ziehen können, aber ich muss auch ganz ehrlich sagen: In der Regel war das in der Vergangenheit nicht der Fall, sondern man musste damit leben, dass wir die Ursache nie finden. Ich hoffe, das wird nicht der Fall sein, aber man sollte sich darauf einstellen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD und Beifall bei Karin Prien CDU und Dr. Kurt Du- we FDP)

Die Redezeit der Aktuellen Stunde ist abgelaufen. Aber Sie wissen, dass nach Paragraf 22 Absatz 3 die Fraktionen jetzt jeweils noch die Chance einer Wortmeldung haben. Ich habe schon ganz viele Wortmeldungen aufgenommen. – Als Erster hat Herr Hackbusch das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Debatte hat gezeigt, dass wir einige Fragestellungen heute nicht mehr genauer diskutieren müssen, weil wir darin Einvernehmen haben. Wir haben Einvernehmen darin, dass die Krankenhäuser eine fantastische Arbeit machen. Wir haben Einvernehmen, dass sich in dieser Stadt, die das Zentrum dieser Epidemie ist, sich alle Leute, die damit etwas zu tun hatten, bis zur Erschöpfung angestrengt haben und sich auch großen Dank von uns verdient haben.

Wir haben auch dahingehend Einigkeit, dass diejenigen, die nebenher betroffen sind, wie die Gurkenbauern, von staatlicher Seite entschädigt und sozial abgesichert werden müssen. So weit sind wir uns einig.

Ansonsten hätten wir von der Frau Senatorin, die aus meiner Sicht auch vieles gut dargestellt hat, einige selbstkritische Worte erwartet. Das werde ich gleich noch ausführen. Herr Martin Schäfer hat als neuer Regierungssprecher in dieser Angelegenheit erklärt, der Senat habe alles getan, was getan werden konnte. Und das wollen wir versuchen, an bestimmten Fragestellungen zu prüfen.

Wir fangen mit den Hinweisen an, die ich als normaler Bürger als Antwort auf die Frage erhalten habe, wie ich mich in dieser Krise verhalten soll; da gibt es aus meiner Sicht ein Kommunikationsloch. Einige Tage und Wochen lang wurde ich dahingehend informiert, ich solle keine Tomaten, keine Gurken und keinen Blattsalat essen – und was habe ich gegessen: Sprossen. Dann erfuhr ich plötzlich, gerade Sprossen seien gefährlich.

Meine Damen und Herren! In dieser Frage gibt es ein Kommunikationsproblem, das müssen wir von staatlicher Seite auch in gewisser Weise aufarbeiten. Professor Debatin vom UKE hat dazu einmal

gesagt, er hätte seinen Freunden geraten, praktisch kein rohes Gemüse mehr zu essen, sondern nur gekochtes. Diese einfache Warnung

(Andy Grote SPD: Ist mehrfach rausgegan- gen!)

wäre vielleicht die bessere Möglichkeit gewesen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist der eine Punkt. Dann wenden wir uns den Äußerungen im Zusammenhang mit den Salatgurken aus Spanien zu. Ich habe kein Problem damit, dass die Senatorin ihre Kenntnisse dazu sofort weitergibt; das unterstütze ich ausdrücklich. Aber mit diesen Erkenntnissen war auch ein Problem verbunden. Ich möchte Ihnen mitteilen, was die "Süddeutsche Zeitung" dazu berichtet hat. Noch bis zum letzten Wochenende haben die Hamburger Wochenmärkte auf der offiziellen Seite des Hamburger Senats verkündet: Kaufen Sie frisches Gemüse aus den Hamburger Anbaugebieten, denn der Erreger kommt aus Spanien. Und das stellt ein weiteres Kommunikationsproblem dar. Sie haben nämlich damit nicht so sehr eine Fragestellung aufgeworfen, sondern Menschen eine Sicherheit vorgegaukelt, die auf falschen Voraussetzungen beruhte. Damit haben Sie eine falsche Information verbreitet und das hätte nicht passieren dürfen. Dazu hätte ich gern selbstkritische Worte gehört.

(Beifall bei der LINKEN und bei Robert Hei- nemann CDU)

Es geht nicht, dass man sagt, nur das spanische Gemüse sei betroffen, denn da schwingt die Aussage mit, unser Gemüse sei in Ordnung. Zumindest das hätte man hier selbstkritisch sagen müssen, denn es war eine offizielle Seite des Hamburger Senats, die das bis zum letzten Wochenende verkündet hat.

Ein weiterer Grund zur Selbstkritik liegt in der hohen Vakanz im Bereich Verbraucherschutz und bei den Gesundheitsämtern, wie meine Kollegin ausgeführt hat. Auch das hätten Sie hier selbstkritisch anmerken müssen; Sie müssen das doch prüfen. Wie kann man sagen, Frau Senatorin, die Mitarbeiter dort seien überarbeitet und würden kein Wochenende mehr kennen, dann aber kein kritisches Wort über die Ausstattung der Ämter verliert und darüber, dass dort zum Teil 40 Prozent der Stellen nicht besetzt sind.

Ich verstehe, dass die GAL und die CDU das nicht kritisch ansprechen, weil ihre Politik das verursacht hat. Aber Sie haben den Bereich als Senatorin neu übernommen und hätten das kritisch anmerken und auf das Problem der Vakanzen hinweisen müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

(Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks)

Ich will Ihnen auch sagen, welche konkreten Auswirkungen das hat. Heute konnten wir im "Hamburger Abendblatt" lesen, dass die Hamburger Behörden ihre Jagd nach dem gefährlichen EHEC-Erreger deutlich ausgeweitet haben – ich zitiere –:

"Nach Angaben von Hamburgs Gesundheitssenatorin […] untersuchen die Forscher jetzt auch das Wasser in der Elbe und in ihren Seitenarmen."

(Glocke)

Das hat die Senatorin laut "Hamburger Abendblatt" heute gesagt. Das heißt, es gab noch mehr zu tun und es gab Defizite. Selbstkritik ist angesagt, Frau Senatorin.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau Prien.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dies ist sicherlich nicht die Zeit für kleinkariertes politisches Geplänkel und deshalb darf ich Ihnen, Frau Senatorin, auch ganz herzlich danken für Ihren ausführlichen Bericht, dem wir auch in weiten Teilen folgen können.

(Beifall bei der CDU)

Problematisch finde ich allerdings Ihre Aussage, dass der Erreger möglicherweise nie gefunden wird. Wir können uns mit dieser Aussage auch nicht abfinden und meinen, dass hier durchaus noch stärkere und größere Anstrengungen erforderlich wären.

(Beifall bei der CDU)

Man muss sich nämlich einmal überlegen, was dies eigentlich in der Konsequenz heißt. Frau Senatorin, bedeutet dies, dass Sie die Verzehrwarnung für Gurken, Sprossen und Tomaten nie wieder aufheben werden? Ist das die Konsequenz Ihrer Ausführungen? Darüber würden wir von Ihnen gern noch etwas hören und wir appellieren an den Senat, was die Aufklärungsanstrengungen angeht, deutlich noch einen Zahn zuzulegen. Wir haben Vorschläge dazu gemacht und wären sehr verbunden, wenn Sie hier noch einmal nacharbeiten würden.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich beschäftigen uns alle die schweren Schicksale der von der Krankheit Betroffenen. Ich selber habe in meinem unmittelbaren Umfeld eine HUS-Erkrankte und bange seit zwei Wochen mit vielen anderen um ihr Leben. Insofern weiß ich, wovon die Rede ist.