Protocol of the Session on June 8, 2011

Der Bürgermeister verhindert, dass die Stadt jetzt endlich wieder dafür sorgt,

(Dirk Kienscherf SPD: Kommen Sie mal auf die Sachebene zurück!)

dass die Energiepolitik von der Stadt und nicht mehr von den Konzernen betrieben wird und das Gemeinwohl Vorrang erhält. Das zeigt, dass hier

aus parteipolitischen Erwägungen ein Ausverkauf Hamburger Interessen stattfindet.

(Dirk Kienscherf SPD: Das haben Sie doch gemacht die ganzen letzten Jahre!)

Das muss man einmal ganz deutlich sagen.

Ich weiß auch, dass es viele in den Reihen der SPD gibt, die über diesen Kurs entsetzt sind. Als ehemaliger Vorsitzender einer Regierungsfraktion verstehe ich sehr gut die Nöte, die Abgeordnete teilweise haben, wenn ein so starker Bürgermeister, der einen großen Erfolg eingeleitet und die SPD damit in diese Position gebracht hat, einen falschen Kurs steuert. Ich finde es auch sehr unanständig, dass Sie immer wieder Frau Schaal vorschicken und sie eine Linie vertreten muss, die sie selbst für falsch hält, und wo zudem ihr Mann genau das Gegenteil betreibt, nämlich den Rückkauf der Netze.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Die Krokodilsträ- nen können Sie sich sparen!)

Das finde ich unanständig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der GAL und Zurufe von der SPD)

Ein letzter Satz. Ich weiß, dass es aufrichtige Sozialdemokraten gibt, denen es nicht nur um Machtpolitik geht, sondern auch um die Sache. Ich kann Ihnen nur raten, Ihren Parteikollegen zu folgen, die am Wochenende für das Volksbegehren gesammelt haben, um zu verhindern, dass der SPD-Senat diese einmalige Chance ein für allemal verspielt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Frau Heyenn, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Initiative "Unser Hamburg – unser Netz" bekommt unerwartete und wahrscheinlich unbeabsichtigte Motivation von der FDP.

(Beifall bei Mehmet Yildiz DIE LINKE)

Da wir dies heute diskutieren, wird das Thema noch einmal richtig bekannt.

In der Aktuellen Stunde warnen Sie vor der Verstaatlichung der Netze. Ich glaube, Sie haben die Unterschriftenliste noch gar nicht in der Hand gehabt, denn genau das wollen die Initiatoren nicht. BUND, evangelische Kirche, Verbraucherzentrale und andere, die hinter der Initiative stehen, sagen klipp und klar in dem Aufruf, dass wir eine demokratische Kontrolle einer zu 100 Prozent von HAMBURG WASSER übernommenen Netzsparte von

(Jens Kerstan)

Vattenfall und E.ON wollen. Das ist etwas anderes als eine Verstaatlichung.

(Beifall bei der LINKEN)

DIE LINKE unterstützt diesen Aufruf und diese Initiative von Beginn an und wir freuen uns, dass auch die GAL jetzt wieder zu ihren Wurzeln zurückgefunden hat.

(Beifall und Heiterkeit bei der LINKEN)

Frau Dr. Schaal hat auch schon zu dem Thema Verstaatlichung, Vattenfall und schwedischer Konzern etwas gesagt. Ich sehe das auch ein wenig so wie Herr Kerstan, dass Sie einen einsamen Kampf führen. Sie machen das ganz tapfer und ich bewundere Sie auch dafür, aber insgesamt versuchen sich die Sozialdemokraten wieder einmal in einem lang eingeübten Eiertanz.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Der einzige Tanz, den sie können!)

Auf der einen Seite sind Sie klar gegen Privatisierungen, das sagen Sie zumindest, aber auf der anderen Seite haben Sie sich für Ihre politische Verantwortung, die HEW zu privatisieren – da haben Sie den Anfang gemacht –, öffentlich entschuldigt. Den Schaden wiedergutmachen wollen Sie aber offenkundig nicht, nicht einmal mit einer absoluten Mehrheit.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Zur Bezahlung haben Sie wieder nichts gesagt!)

Eine Rekommunalisierung, die den Namen verdient, lehnen Sie ab. Sie wollen lediglich den sogenannten Anteil von 25,1 Prozent. Dabei hat die Vergangenheit gezeigt – das habe ich Ihnen schon einmal dargelegt –, dass es Zeiten gab, in denen die öffentliche Hand 71 Prozent Beteiligung bei der HEW hatte. Auch da konnte man in der Geschäftspolitik nichts beeinflussen, auch und gerade die Sozialdemokraten nicht. Der damalige Energieminister von Schleswig-Holstein, Günther Jansen, durfte nicht einmal im Aufsichtsrat Platz nehmen. Und jetzt – das konnte man gestern bei "Schalthoff Live" gut sehen – kommen die Sozialdemokraten auf die Idee, dass HAMBURG WASSER aus rechtlichen Gründen die Netze gar nicht kaufen dürfe. In dem Zusammenhang habe ich ein Déjà-vu. Hier war einmal eine andere Partei, die sagte, sie wolle kein Kohlekraftwerk, aber dann gab es irgendwie rechtliche Gründe, sodass man es doch bauen musste.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Was schert mich Recht und Gesetz!)

Dass ausgerechnet die Sozialdemokraten im Vorwege sagen, dass HAMBURG WASSER aus rechtlichen Gründen die Gas-, Strom- und Fernwärmenetze nicht kaufen dürfe, das haben Sie uns vorher nicht verraten und auch gestern Abend nicht. Ich sage Ihnen, worauf das Ganze hinzielt:

Sie wollen eine Verunsicherung der Leute, damit das Volksbegehren scheitert. Sie denken, das würde Ihnen nützen, aber in Wahrheit wird es Ihnen überhaupt nichts nützen, denn die Instrumente der direkten Demokratie sind schon seit drei Jahren in Hamburg verbindlich. Ich bin ganz sicher, dass dieses Volksbegehren, eine hundertprozentige Rückführung der Netze in die öffentliche Hand und unter demokratischer Kontrolle, funktionieren wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme noch einmal zur FDP, die dieses Thema angemeldet hat. Frau Suding, Sie sagten, die großen Energiekonzerne seien ein Garant dafür, dass es eine faire und transparente Preisgestaltung gäbe. Ich frage mich, wo Sie eigentlich leben. Die großen vier haben ein Kartell, sie diktieren die Preise. Seitdem alles auf sie hinausläuft, sind die Preise ständig gestiegen. Es ist überhaupt nichts günstiger geworden und von Transparenz kann überhaupt nicht die Rede sein. Was die Fernwärmenetze anbetrifft, ist jetzt gerade herausgekommen, dass Vattenfall mit unterschiedlichen Rechenbeispielen arbeitet. Vattenfall hat daraufhin erklärt, jederzeit vertragstreu gewesen zu sein. Ich weiß nicht, wieweit das Gedächtnis der Pressesprecher von Vattenfall reicht, aber wenn auf der einen Seite eine Firma herausfindet, dass der Ertrag der Fernwärmenetze 30 Millionen Euro gewesen sein musste in Hamburg und Vattenfall auf der anderen Seite auf einen Verlust von 40 Millionen Euro kommt, dann ist das eine Differenz von 44 Millionen Euro. Da geht es nicht mit rechten Dingen zu. Ich hoffe, dass die Sozialdemokraten eine Regelung finden, die durch Schwarz-Grün bereits angefangen wurde, nämlich eine Konzessionsabgabe. Vattenfall hat sich etwas schöngerechnet. Jeder Handwerksmeister, jedes Taxiunternehmen muss, wenn es zu wenige Abgaben bezahlt hat, nachzahlen, und das erwarten wir auch von Vattenfall.

Im Übrigen sehen wir die Vertragstreue von Vattenfall jetzt schon bei der Endschaftsregelung. Im Vertrag steht, dass E.ON und Vattenfall jederzeit darlegen müssen, wie der Zustand und das Ausmaß der Netze ist. Aber was tun sie? Sie halten die Verträge nicht ein. Jetzt muss die Hansestadt vor Gericht ziehen. So viel zu diesem großen Unternehmen.

Wir sind dafür, dass die nächsten 20 Jahre die Netze ohne Vattenfall und E.ON von der öffentlichen Hand betrieben werden, und dafür werden wir alles tun.

(Beifall bei der LINKEN und bei Christa Goetsch GAL)

Herr Dr. Kluth, bitte.

(Dora Heyenn)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich weiß nicht genau, wer von Ihnen am letzten Mittwoch das Streitgespräch zwischen dem Kollegen Kerstan und dem Kollegen Dressel in der "Welt" über den Rückkauf der Energienetze gelesen hat. Herr Kerstan, herzlichen Glückwunsch, das ist mit eindeutigem Punktvorteil für Sie ausgegangen. Warum? Herr Dressel ist ein wenig durch das Thema mäandert und hat offenkundig noch einen gewissen argumentativen Vertiefungsbedarf gezeigt. Aber Sie, Herr Kerstan, haben sehr schön herausgearbeitet, dass der vom Senat geplante Kauf eines 25-prozentigen Anteils an einer Netzgesellschaft nichts anderes als rausgeworfenes Geld wäre, und zwar Geld des Steuerzahlers, ganz gleich, ob die Stadt selbst kauft oder ein städtisches Unternehmen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Dressel, mit 25,1 Prozent Beteiligung haben Sie bei einer Aktiengesellschaft weder den entscheidenden Fuß in der Tür noch maximalen Einfluss zu besten Preisen. Ich empfehle einen Blick ins Aktiengesetz. Nach Paragraf 133 Aktiengesetz gilt das Prinzip der einfachen Mehrheit. Mit anderen Worten, Sie bestimmen mit 25,1 Prozent weder über die Grundsätze der Unternehmenspolitik noch über die entscheidenden Personalfragen in Vorstand und Aufsichtsrat, nicht einmal über einzelne Investitionsentscheidungen. Herr Dressel, Sie glauben doch selbst nicht ernsthaft daran, dass sich Vattenfall oder E.ON auf Konsortialverträge einlassen werden, mit denen die Stadt als Minderheitengesellschafter die Unternehmenspolitik bestimmen kann.

Letztlich würde das also nur auf eine Kapitalspritze für private Unternehmen aus öffentlichen Mitteln hinauslaufen. Das ist kein maximaler Einfluss zu bestmöglichen Preisen, sondern gerade umgekehrt ein minimaler Einfluss zu maximalem Preis.

(Beifall bei der FDP)

Herr Dressel, bitte nehmen Sie nicht auch noch den Hamburger Steuerzahlerbund für Ihr verkorkstes Modell in Anspruch. Der Steuerzahlerbund hat sich für eine 25-prozentige Beteiligung an den Netzen ausgesprochen, aber nicht durch die Stadt oder ein städtisches Unternehmen, sondern durch eine gemeinnützige Genossenschaft der Verbraucher und Verbraucherinnen.

(Andy Grote SPD: Welchen Sinn soll das ha- ben?)

Herr Dressel, das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie wollen, das ist nämlich Privatisierung und keine Verstaatlichung oder Rekommunalisierung.

Herr Kerstan, noch einmal kurz zurück zu Ihnen. So berechtigt Ihre Kritik an dem Modell einer

25-prozentigen Beteiligung ist, so falsch ist natürlich die Konsequenz, die Sie daraus ziehen.

(Beifall bei der FDP)

Sie, Ihre Fraktion und die Volksinitiative werben mit dem Argument, dass die Stadt durch eine Verstaatlichung der Netze die Kontrolle über die Energiepolitik erhält. Dies ist natürlich eine Vorspiegelung falscher Tatsachen oder, anders ausgedrückt, barer Unfug, denn auch für einen städtischen Netzbetreiber gilt natürlich Paragraf 20 Energiewirtschaftsgesetz. Danach sind Betreiber von Energieversorgungsnetzen verpflichtet, jedem Stromanbieter diskriminierungsfrei den Netzzugang zu gewähren, und zwar kontrolliert von der Bundesnetzagentur und der EU-Kommission.

Sagen Sie den Bürgern bitte auch ehrlich: Wir wollen zwar 2 Milliarden Euro Steuergeld in die Hand nehmen und die Netze rekommunalisieren, wir sind aber am Ende des Tages trotzdem verpflichtet, Strom aus französischen oder tschechischen Atomkraftwerken über diese Netze zu schicken.