Protocol of the Session on June 8, 2011

(Katja Suding FDP: Richtig!)

Doch eines haben Sie bei dem Thema Energienetze dann offensichtlich wohl übersehen, Frau Kollegin. Die Betreiberin des Strom- und Fernwärmenetzes in Hamburg ist ein Staatsunternehmen. Vattenfall gehört zu 100 Prozent dem schwedischen Staat. Darum passt Ihr Pfui-Wort über die Verstaatlichung hier nicht ganz hin.

(Beifall bei der SPD)

Wen wollen Sie denn überhaupt noch mit diesem Gespenst schrecken, Frau Suding? Waren es nicht vorwiegend die privaten Banken, die mit ihrer unersättlichen Geldgier und der Vernachlässigung ei

nes verantwortungsbewussten Riskomanagements die weltweite Finanzkrise ausgelöst haben, für die wir jetzt alle blechen müssen?

(Beifall bei der SPD – Dirk Kienscherf SPD: Genau!)

Umgekehrt gesehen sind die zwei größten und weltweit erfolgreichsten Banken die chinesischen Staatsbanken. Sie sind bemerkenswert gut durch die Krise gekommen.

(Finn-Ole Ritter FDP: Die Landesbanken sind die Schlimmsten gewesen!)

In der Energiewirtschaft sind es vor allen Dingen die großen Vier, die wirklich den Wettbewerb, die Energiewende und die verbraucherfreundlichen Preise behindern. Da steht das schwedische Staatsunternehmen seinen privaten Konkurrenten in nichts nach.

Dieses ideologische Diffamierungsspiel zwischen privaten und schlechten staatlichen Unternehmen trifft nicht den Kern. Entscheidend ist für uns, ob ein Unternehmen dem Gemeinwohl oder nur allein der Gewinnmaximierung verpflichtet ist. Darum geht es bei der Debatte um die Energienetze auch. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat nun Frau Stöver.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Dr. Schaal, Ihre ausschweifenden Ausführungen nehmen im Moment große Dimensionen an.

(Dr. Monika Schaal SPD: Fünf Minuten!)

Fünf Minuten, ich werde mich auch daran halten.

Trotzdem ist es interessant, dass Sie zum Thema der FDP "Verstaatlichung verhindern" so ausschweifend mit chinesischen und asiatischen Banken kommen.

Das angemeldete Thema der FDP-Fraktion ist "Verstaatlichung verhindern". So weit geht meine Fraktion nicht. Wir haben akzeptiert, dass die Bürger mit einer Rekommunalisierung liebäugeln. In meiner Fraktion bestehen aber nach wie vor Zweifel, ob ein Netzrückkauf sinnvoll ist oder ob es sich um ein gewagtes Abenteuer handelt. Die CDU hat sich immer offen gezeigt für einen Netzrückkauf, aber nur unter bestimmten Bedingungen, das wissen Sie aus der letzten Legislaturperiode. Die Bedingungen sind folgende: Ein wirtschaftlicher Betrieb der Netze muss nachweisbar sein, klimapolitische Vorteile müssen mit den Netzen erreicht werden können und die Refinanzierung des Kaufpreises muss in angemessener Zeit seriös abgebildet werden können. Des Weiteren müssen Investitionskosten in den Ausbau der Netze abschätzbar

(Dr. Monika Schaal)

sein und die Preisstabilität des Endverbraucherpreises muss trotz hoher Investitionen gewährleistet werden können.

Frau Suding hat schon die Einflussmöglichkeiten gut ausgeführt, die über die Netze nicht erreichbar sind. Sie haben auch die Klimaschutzziele wie C02-Einsparungen und die 25,1 Prozent Minderheitenbeteiligung ausreichend kritisiert; darauf möchte ich dann nicht näher eingehen.

Für die CDU-Fraktion bleiben auch nach der Expertenanhörung und den vielen weiteren Debatten, die danach geführt wurden, Fragen offen. Es sind auch weiterhin Fragen ungeklärt. Mit unserer eingereichten Großen Anfrage "Rückkauf der Netze – sinnvoll oder gewagtes Abenteuer?" möchten wir der Entscheidungsfindung näherkommen. Meine Damen und Herren von der SPD, vielleicht ist das auch für Sie ein Leitfaden, dessen Antworten noch einmal lehrreich sein könnten.

(Beifall bei der CDU)

In dieser Großen Anfrage fragen wir nach dem Stand und der Weiterentwicklung der Energienetz-Bewertung. Was sind beispielsweise die Ziele des neuen Senats? Über welche Netze will er verhandeln und will er mit 25,1 Prozent Minderheitenbeteiligung größeren Einfluss erzielen? Welche klimapolitischen Ziele verfolgt der Senat und wie soll sich eine Kaufpreisermittlung beziehungsweise eine Finanzierung gestalten? Gibt es neue Erkenntnisse aus Gesprächen oder gar Verhandlungen mit Vattenfall und E.ON? Gibt es Neues zur Bereitstellung von technischen und betriebswirtschaftlichen Daten? Diese sind nämlich absolut erforderlich, um überhaupt einen Kaufpreis ermitteln zu können.

Meine Damen und Herren! Eine Klärung dieser technischen und betriebswirtschaftlichen Datenlage ist dringend erforderlich, denn ohne eine Kalkulierbarkeit des Kosten-Nutzen-Verhältnisses ist weder ein hundertprozentiger Kauf der Netze noch eine Beteiligung verantwortbar.

(Beifall bei Roland Heintze CDU)

Für die Bewertung der technischen und betriebswirtschaftlichen Daten ist ihre Offenlegung sehr notwendig. Hier stagnieren aber die Verhandlungen, das kennen wir aus der letzten Legislaturperiode. Weder E.ON noch Vattenfall haben bisher Daten geliefert.

Ein Teil der Großen Anfrage beschäftigt sich auch damit, ob, wann und wie die Einbeziehung des Präses der Handelskammer geplant ist, denn laut Konzessionsvertrag in Paragraf 10 soll dieser Sachverständige vorschlagen beziehungsweise bestimmen können, um eine Einigung zwischen den Verhandlungspartnern zu erzielen.

Meine Damen und Herren! Hamburg muss wieder handlungsfähig werden. Die einzige Möglichkeit, Transparenz zu schaffen, ist, dass Hamburg sein

Kaufinteresse bekundet. Damit wird die Eröffnung des Ausschreibungsverfahrens gestartet. Die Initiative fordert im Energiesegment Wettbewerb, auch das hat Frau Suding ausgeführt. Die Eröffnung des ergebnisoffenen Wettbewerbs ist ein Teil davon, wie man diesen Wettbewerb vorantreiben kann. Hamburg wird davon nur profitieren, denn der Anbieter, der inhaltlich und finanziell das Beste für Hamburg bietet, muss dann den Zuschlag erhalten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält nun Herr Kerstan.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Rede der FDP-Fraktionsvorsitzenden Frau Suding belegt recht eindeutig, warum die FDP in diesem Land im Moment auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit ist.

(Beifall bei der GAL und bei Urs Tabbert SPD)

Sich nach der Katastrophe in Fukushima hinzustellen und als Atomlobbyistin zu betätigen, zeigt, dass Sie die Zeichen der Zeit nicht verstanden haben. Nach der größten Finanz- und Wirtschaftskrise der letzten Jahrzehnte die heilenden Kräfte des Marktes zu beschwören, bei denen der Staat sich herauszuhalten hat, zeigt ebenfalls, dass Sie die Zeichen der Zeit nicht verstanden haben. Das erklärt, warum Ihre Meinung niemanden interessiert, noch nicht einmal in der Bundesregierung, an der Sie beteiligt sind. Das ist gut so und ich hoffe, das bleibt auch so.

(Beifall bei der GAL und bei Urs Tabbert SPD)

In der Tat kann dies, wenn es möglichst zu einem Atomausstieg kommen soll, der keine Mogelpackung ist, nur erfolgreich sein, wenn es auch eine Energiewende in diesem Lande gibt, eine Energiewende weg von den Großkonzernen und hin zu dezentralen, erneuerbaren Energien. Dabei muss die Politik eine entscheidende Rolle spielen, denn ohne die Politik wäre es jetzt auch nicht zum Atomausstieg gekommen. Leider muss ich sagen, auch wenn Frau Schaal sich wortreich um das eigentliche Thema gedrückt hat, dass die SPD-Alleinregierung in dieser Stadt versagt.

(Beifall bei der GAL, der LINKEN und bei Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP)

Im Moment ergibt sich die Möglichkeit, den großen Fehler, die HEW privatisiert zu haben und die Energiepolitik den renditehungrigen Großkonzernen zu überlassen, ein für allemal zu heilen, aber der SPD-Senat verweigert das. Dass Sie von der SPD damit auf einem Geisterfahrer-Kurs sind, belegt sehr deutlich die Aussage des Bundesvor

(Birgit Stöver)

stands der SPD, des für Energiepolitik zuständigen Herrn Schäfer-Gümbel. Er sagt nämlich, dass es jetzt darum gehe, die Gebietsmonopole der vier großen Energieversorger aufzubrechen und dass stattdessen die Städte und Gemeinden die Träger der Energiewende werden müssten. Dafür müssten mehr Stadtwerke gegründet werden.

(Beifall bei der GAL)

Aber genau das ist der alleinregierende SPD-Senat in dieser Stadt nicht bereit zu tun.

(Dirk Kienscherf SPD: Wie finanzieren Sie das denn?)

Sie verspielen eine einmalige Chance und befinden sich damit auch im Widerspruch zum Kurs der SPD auf Bundebene. Das muss ganz klar gesagt werden.

(Beifall bei der GAL)

Was sind die Gründe dafür? Der Betriebsrat von Vattenfall befürchtet, dass Einflussrechte verlorengehen, wenn er von einem privaten Konzern in die öffentliche Hand übergeht. Frau Blankau, Sie als ehemalige IG-Metall-Vorsitzende mögen das damals als das entscheidende Kriterium angesehen haben. Für eine Umweltsenatorin, die der ganzen Hamburger Bevölkerung verpflichtet ist, kann das nicht das einzige Argument sein, das Sie daran hindert, jetzt endlich wieder ein städtisches Stadtwerk unter öffentlicher Kontrolle zu gründen.

(Beifall bei der GAL)

Und dass ver.di als eine Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes, die immer die Privatisierung der HEW bekämpft hat, jetzt alles tut, um zu verhindern, dass diese Privatisierung rückgängig gemacht wird, und sich nicht an einem Volksbegehren beteiligt zum Rückkauf der Netze, das muss auch erst einmal erklärt werden. Vielleicht haben dort auch die verschiedenen Mützen, die der Gewerkschaftsvorsitzende trägt, eine Rolle gespielt. Er bekommt nicht mehr auf die Reihe, welche er trägt, die als SPD-Bürgerschaftsabgeordneter, als SPD-Landesvorstand oder als ver.di-Vorsitzender.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der FDP)

Diese Doppelfunktion haben viele Gewerkschaftsfunktionäre in anderen Landtagen, aber ich kenne wenige Vorsitzende, die mit dieser Doppelfunktion so schlecht zurande kommen wie Sie, Herr Rose.