Protocol of the Session on June 8, 2011

Die Abgeordnete Blömeke hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Haufler, ich will Ihnen zugute halten, dass Sie in der letzten Legislaturperiode noch nicht da waren.

(Finn-Ole Ritter FDP: Er ist ja noch jung und kann noch nicht alles wissen!)

(Gunnar Eisold)

Denn Sie haben wahrscheinlich nicht mitbekommen, wie intensiv wir uns in der letzten Legislaturperiode schon mit diesem Thema beschäftigt haben. Natürlich gibt es Lösungsmöglichkeiten, für alles gibt es Lösungsmöglichkeiten, und ich denke auch, dass Sie sich auf sehr dünnem Eis bewegen, wenn Sie irgendwelche Gesetze zitieren, in denen es um Legalität und Illegalität geht. Wir reden über Kinder, die das Recht auf einen Zugang zu Bildung haben; das ist unser Thema.

(Beifall bei der GAL, der LINKEN und verein- zelt bei der SPD)

Es erstaunt mich nach den Ausführungen von Herrn Haufler auch nicht, dass wir gar keinen Antrag der CDU finden. Wir haben heute zu diesem Thema vier Anträge, die CDU ist die einzige Fraktion, die keinen Antrag gestellt hat. Ich hatte schon vermutet, dass Sie den Zustand im Moment für akzeptabel halten. Dass Sie darüber noch einen Schritt hinausgehen und sogar einen großen Schritt zurück machen zu dem, was Ihre Fraktion in der letzten Legislaturperiode gemacht hat, ist wirklich erstaunlich. Aber wir werden es mit einer Mehrheit anders hinbekommen, nämlich hin zu einer Prüfung.

Wir haben uns in der letzten Legislaturperiode im Familienausschuss intensiv damit beschäftigt und hatten auch eine Expertinnenanhörung. Dabei wurde deutlich, dass der Zustand, den wir jetzt haben – und das sage ich Ihnen noch einmal –, ein sehr unbefriedigender ist. Natürlich könnten die Kinder, und das passiert jetzt auch, jetzt schon in die Kitas gehen. Aber die Kosten hierfür werden weder der Kita noch den Eltern erstattet. Das heißt, die Kinder sind in einer Anonymität, gehen in die Kita und eine Kostenerstattung gibt es nicht, weil die Kinder nicht am Gutscheinsystem teilnehmen können.

Das Recht auf Bildung ist ein Grundrecht, das wurde von Herrn Eisold auch ausgeführt. Nicht nur die UN-Kinderrechtskonvention hat das nochmals bestärkt, sondern ich glaube auch, dass wir diese Gesetze eigentlich gar nicht brauchen. Es sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit für uns sein, den Kindern das Recht auf Bildung zu geben.

(Beifall bei der GAL und der LINKEN)

Genau aus diesem Grund haben wir ganz dringenden Handlungsbedarf und darüber sind sich zum Glück vier Fraktionen in dieser Bürgerschaft einig – eigentlich nur drei, auf die FDP gehe ich nachher noch ein. Es gibt aber keine automatische Einigkeit über das Wie. Zum Wie liegen uns diese vier Anträge vor und dabei wundert mich, Herr Eisold, dass Sie sagen, Sie sehen unseren Antrag nicht als weitreichend an. Unser Antrag ist weitreichender als Ihrer. Er schlägt nämlich zum einen genau die Maßnahmen vor, die die Expertinnen selber vorgeschlagen haben, nämlich die Einrichtung eines Runden Tisches, und vor allen Dingen erwäh

nen wir auch im Gegensatz zum SPD-Antrag die Flüchtlingsorganisationen. Diese haben Sie als SPD in Ihrem Antrag leider vergessen. Dabei wurde in der Expertinnenanhörung ganz deutlich, dass gerade diese Organisationen sehr wichtig sind aufgrund ihres Fachwissens über den Alltag und die Praxis dieser Familien. Diese Organisationen müssen wir auf jeden Fall zu diesen Gesprächen mit dazuholen, ob sie nun Runder Tisch oder wie bei Ihnen Zusammenkunft heißen.

Ebenso wichtig ist es, dass wir bis zur Lösung des Problems deutlich machen, dass es jetzt bereits über die Kitas eine Möglichkeit zur Betreuung der Kinder gibt. Das ist auch in unserem Antrag enthalten, aber nicht in Ihrem. Dass dieser Zustand nicht befriedigend ist, habe ich bereits ausgeführt.

Darüber hinaus muss ich einen Punkt des SPDAntrags kritisch anmerken. Wir halten die Äußerung in Ihrem Antrag, die in Richtung einer möglichen Besserstellung von Eltern und Kindern ohne Papiere geht, wie Sie es machen, für sehr befremdlich. Wer sich ohne Papiere in Hamburg aufhält, hat mit Sicherheit in vielen Lebensbereichen schwer zu kämpfen und ist mehr mit Benachteiligung konfrontiert als mit Besserstellung.

(Beifall bei der GAL)

Die einseitige Betonung der Gefahr einer Besserstellung trifft aus unserer Wahrnehmung heraus wirklich nicht die Lebenslage dieser Menschen, sie trifft sie höchstens sehr schräg. Ich finde es sehr schade, dass Sie das so prominent in den Vordergrund rücken.

(Beifall bei der GAL)

Der Antrag der LINKEN geht unserer Meinung nach in die falsche Richtung. Es wurde auf der Expertinnenanhörung schon deutlich gesagt, dass man mit einer Änderung des Gesetzes oder der Verabschiedung von Verordnungen keine Verbesserungen erreicht. Deutlich wurde gesagt, wir müssten ähnlich wie in der Schule damals die Menschen zusammenholen, die Lösungen bewegen könnten. Ob wir sie nun an einen Runden Tisch holen oder anders zusammenholen, ist egal. Es geht darum, dass diese Menschen unter Mitarbeit der Behörde zusammengeholt werden und gemeinsam die Lösungsmodelle erarbeiten, die tragfähig sind und vor allen Dingen auch alltagstauglich und praxisnah sind. Denn das, was Sie vorgeschlagen haben, wurde gerade von den Flüchtlingsorganisationen oft wieder verworfen, weil die Anonymität dabei nicht gewahrt bleiben kann. Das heißt, ich sehe unseren Antrag immer noch als den, der am weitestreichenden ist.

Nun komme ich noch einmal kurz zum FDP-Antrag.

(Zurufe von der SPD)

Hören Sie doch einfach inhaltlich noch einmal zu, dann sind wir auch gleich am Ende.

Die FDP ist von gestern, denn Ihr Antrag beschäftigt sich nicht mit dem Wie, sondern mit dem Ob. Das Thema haben wir schon längst erledigt. Dem Antrag können wir auch nicht zustimmen. Wir wünschen uns, dass die SPD die Flüchtlingsorganisationen mit aufnimmt und dann können wir auch diesem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der GAL)

Danke schön. – Die Abgeordnete Kaesbach hat das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Kinder haben ein Recht auf Bildung, dies ist in Artikel 17 der Europäischen Sozialcharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention festgehalten. In der Richtigkeit dieser Erklärung sind wir uns hier sicher alle einig. Das Recht auf Bildung wird auf internationaler Ebene zunehmend so verstanden, dass es die Vorschulbildung beziehungsweise die frühkindliche Erziehung mit einbezieht. Dieses Recht auf Bildung macht inhaltlich sicher keinen Halt vor Kindern von Eltern, die sich illegal in Deutschland aufhalten, da es sich dabei um ein Grundrecht handelt. Wir hörten dies auch schon von den Vorrednern.

(Beifall bei der FDP)

Der Staat kann nur Interesse an der Bildung aller Kinder haben, da – wie die SPD es zu Recht in ihrem Antrag behauptet – diese Kinder eine Chance erhalten müssen, an unserem Bildungswesen teilzuhaben. Dies gilt auch für die Kita. Gleichzeitig kann es nicht sein, dass man mit dem Angebot, die Kinder in der Kita anzumelden, den illegalen Status der Eltern unterstützt.

(Beifall bei Robert Bläsing FDP)

Das Interesse des Staates muss immer sein, Handlungen zu ermöglichen, die in einem legalen Rahmen stattfinden. Insofern, Herr Yildiz, können wir auf keinen Fall mit Ihrem Vorschlag gehen, die Kitas zum Handlanger der Illegalität zu machen,

(Beifall bei Robert Bläsing FDP)

indem die Anmeldung der Kinder und die Prüfung und Finanzierung der Beiträge mithilfe eines doppelt anonymisierten Verfahrens stattfinden soll. Das ist im Übrigen eine abenteuerliche Konstruktion und dazu noch ein echter Beitrag zur Steigerung der Regelungsflut in unserem Lande. Bei der Antragserstellung haben wirklich kreative Kräfte mitgewirkt.

Somit stehen wir doch der SPD näher, die prüfen möchte, wie Kindern ohne Aufenthaltsstatus der Zugang zu frühkindlicher Bildung – und hierzu zäh

len auch die Vorschulen – ermöglicht werden kann. Gleichzeitig muss man sich aber vor Augen führen, dass sich die Menschen, über die wir reden, illegal in Hamburg aufhalten und damit gegen unsere Gesetze verstoßen, egal ob es sich um eine Flucht oder Arbeitsmigration handelt.

Erschwerend für eine Einführung des Rechts auf einen Kitaplatz für hier lebende Kinder ohne gültigen Aufenthaltsstatus – wir hörten es bereits von Herrn Eisold – kommt hinzu, dass gemäß Paragraf 6 SGB VIII Leistungen nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz und damit auch der Zugang zu Kindertagesbetreuungseinrichtungen nur dann möglich sind, wenn sich das Kind rechtmäßig in Deutschland aufhält. Hinzu kommt das Problem, dass nach Paragraf 87 Absatz 2 Aufenthaltsgesetz öffentliche Kindergärten und Jugendämter der Mitteilungspflicht unterliegen. Gegebenenfalls würden sich die Mitarbeiter sogar strafbar machen, wenn sie die Aufnahme eines Kindes nicht melden.

(Antje Möller GAL: Das ist längst geklärt!)

Zwar haben wir in Hamburg die spezielle Situation, dass Kinder ohne Aufenthaltsstatus die Schulen besuchen, doch bewegt sich die Stadt Hamburg, wenn man es genau betrachtet, damit in einem rechtlichen Graubereich.

(Antje Möller GAL: Unsinn, das ist doch längst geklärt!)

Insofern wäre überhaupt erst einmal zu prüfen, ob das Vorhaben auf legalem Wege zu realisieren ist. Wir beantragen daher zu prüfen, ob Kindern ohne gültigen Aufenthaltsstatus der Zugang zu frühkindlicher Bildung ermöglicht werden kann. Wichtig ist, dass es im Ergebnis zu keiner Besserstellung gegenüber den Kindern und Eltern mit legalem Aufenthaltsstatus oder deutscher Staatsangehörigkeit kommt; das sehen wir wie die SPD. Wir stehen dem Präjudiz, das die SPD mit ihrem Antrag vornimmt, der ausschließlich nach dem Wie des Verfahrens fragt, kritisch gegenüber. Die Initiative eines Runden Tisches aller Akteure, die die GAL vorschlägt, lehnen wir ab. Erst einmal muss geprüft werden und wenn die Prüfung positiv ausgeht, dann kann es auch einen Runden Tisch geben.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön. – Das Wort bekommt der Abgeordnete Yildiz.

(Finn-Ole Ritter FDP: Deutlich und pragma- tisch! Sehr schön!)

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kaesbach und Herr Haufler, wenn es eines von diesen Kindern wagen würde, seine Identität preiszugeben, um Sie wegen Ihrer Darstellung und Ihrer Vorwürfe zu verklagen, dass sie

(Christiane Blömeke)

gegen die UN-Kinderrechtskonvention, das Haager Minderjährigenabkommen oder das Grundgesetz verstoßen, würde es nach meiner Auffassung – ich bin kein Jurist – schon Erfolg haben. Ich finde es schon eine Frechheit, dass man den Kindern, die von der Bildung nicht profitieren dürfen, diesen Vorwurf macht, weil ihre Eltern keinen Aufenthaltsstatus haben. Daher sagen wir: Frühkindliche Bildung ist ein Grundrecht und das bleibt und gilt für alle, egal, ob sie einen Aufenthaltsstatus haben oder nicht.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD und der GAL)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach einer Studie des Diakonischen Werks gibt es nicht nur bei der LINKEN – uns war das bekannt –, sondern vielmehr eine gesellschaftliche Akzeptanz, dass in diesem Bereich schnellstmöglich gehandelt werden sollte. Wir hatten daraufhin einen Antrag gestellt, der an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss überwiesen wurde. Daraufhin hatten wir eine ziemlich gute Expertenanhörung gemacht und diese Experten sind von allen Fraktionen der Bürgerschaft benannt worden. Alle Experten kamen zu der Schlussfolgerung – in Klammern gesagt, Frau Blömeke – und waren der Auffassung, dass rechtlich gesehen diese Kinder sogar schon 2010 das Recht hatten, eine Kita zu besuchen und dass die Kriterien im KiBeG geändert werden müssten. Sie waren auch der Auffassung, dass jetzt schnell gehandelt werden muss, weil diese Kinder regelrecht der Gefahr ausgesetzt sind, dass deren Wohl gefährdet ist.

Kindeswohlgefährdung heißt im gesellschaftlichen Kontext, dass Eltern die Kinder vernachlässigen. Das ist damit nicht gemeint, sondern dass die Eltern gezwungen sind, sie entweder mit auf die Arbeit zu nehmen oder sie zu Hause – wie Herr Eisold richtig ausführte – einzusperren. Wenn diesen Kindern etwas zustößt, sind nicht die Eltern daran schuld, sondern die Situation, in der diese Eltern leben. Daher sind wir der Auffassung und wir fordern auch, dass man nicht immer mit Prüfaufträgen arbeiten sollte. Mich wundert sehr, dass die SPD in der letzten Legislaturperiode einen Antrag gestellt hat, in dem sie selber mit Ausnahme der Formulierung zur Besserstellung, die damals auch enthalten war, konkret gefordert hat, das Minimale, was für jedes Kind in dieser Stadt im Bereich frühkindlicher Bildung gilt, auch umzusetzen. Das war damals, Herr Eisold, kein Prüfauftrag, sondern ein konkreter Auftrag an den Senat zu handeln. Wenn Sie den Antrag nicht mehr haben, ich habe ihn in einer Mappe auf meinem Tisch, Sie können ihn haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde es traurig, dass Sie jetzt wieder mit einem Prüfauftrag kommen, statt etwas zu tun. Der einzige Punkt, dem wir bei den Grünen zustimmen kön

nen, ist Punkt 3, dass der Sozialsenator jetzt auch für die Kitas ein Schreiben verfassen soll, wie es Frau Goetsch zum Glück im Bereich der Schule verfasst und an die Schulen geschickt hat, dass diese keine Angst haben müssen und die Kinder nicht gemeldet werden müssen. Das finden wir sinnvoll und wichtig, damit die Kitas wissen, dass sie unabhängig davon, ob der Senat die Kosten für die Kinder übernimmt oder nicht, diese Möglichkeit haben. Aber den Rest mit einem Runden Tisch und wiederum einem Prüfauftrag und so weiter halten wir nicht für sinnvoll. Wir haben ausreichend darüber beraten, die Studie hat anderthalb Jahre gedauert, wir haben in der Bürgerschaft beraten, das macht zweieinhalb Jahre.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn einem von diesen Kindern etwas zustoßen würde, sind wir mitverantwortlich, weil wir nicht handeln, sondern das Thema immer auf die lange Bank schieben. Daher bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen, damit der Senat schnellstmöglich handelt und nicht immer mit Prüfaufträgen kommt, denn langsam habe ich das Gefühl, dass der SPD-Senat diese Prüfaufträge vom schwarz-grünen Senat übernommen hat, denn dieser ist auch ständig mit Prüfaufträgen gekommen. – Vielen herzlichen Dank.