Protocol of the Session on February 12, 2014

Bürgerschaft. Im Sonderausschuss haben wir Experten angehört. Wir konnten keine Schlüsse ziehen, weil die Mehrheit sich quer gestellt hat und sich auch mit diesem Thema nicht befasst hat. Mit einer Enquete-Kommission hätten wir die Möglichkeit, dass die Mehrheit der Wissenschaft, die Fachleute und Fachabgeordneten gemeinsam an einem Strang ziehen, um langfristige Perspektiven auszuarbeiten. Dort wären die Fachleute in der Mehrheit und nicht die Politik. Lassen wir doch die Fachleute uns einmal über die Schulter gucken, welche Fehler wir im Bereich der Jugendhilfe in den vergangenen zehn Jahren gemacht haben. Warum weigern Sie sich?

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich möchte noch ein paar Worte zu Herrn Scheele sagen. Ich meine, dass die Belastung der ASD nicht erst seit heute bekannt ist. Die ständige Fluktuation ist nicht ein Problem von heute. Dass viele Kollegen häufiger krank sind, auch wegen der Arbeitssituation, ist auch nicht ein Problem von heute. Die Frage geht nicht nur an Sie, sondern auch an die Vorgängersenate: Warum wurde es über Jahre versäumt, im Bereich der ASD, in dem es so viel Fluktuation gibt – allein in Billstedt sind 57 Prozent der Kolleginnen und Kollegen beim Allgemeinen Sozialen Dienst neue Kollegen –, die Kollegen zu entlasten und langfristige Strategien zu entwickeln und bei Krankheit und hoher Fluktuation nachzusteuern? Frau Blömeke, ich unterstütze Ihren Antrag, aber es gibt einen Trick bei Ihnen. Das war schon beim Thema geschlossene Unterbringung zu erkennen. Sie sehen nach links, fahren nach rechts und wenn Sie dann einen auf den Deckel bekommen haben, wollen Sie die Geradeausspur finden.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Wir haben gemeinsam über eine Enquete-Kommission gesprochen. Wir waren uns untereinander einig und mit der SPD auch.

(Finn-Ole Ritter FDP: Mit mir hat niemand gesprochen!)

Der Auftrag an Frau Blömeke war, dass sie mit Ihnen und der CDU spricht.

(Finn-Ole Ritter FDP: Das hat sie nicht ge- tan!)

Warten Sie einmal kurz.

Und hinterher werden wir mit dem PUA vor vollendete Tatsachen gestellt. Ich hätte mich gefreut, wenn wir angesprochen und gefragt worden wären, wie wir dazu stehen, ob wir mitmachen und die Fragestellung miterarbeiten.

(Glocke)

Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Herr Yildiz, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Blömeke?

Dann kommen Sie mit dem PUA-Antrag. Es gibt Empörung vonseiten der Fachleute, es gibt Empörung vonseiten der ASD, vonseiten der Gewerkschaften und vonseiten der Verbände, dass wieder und wieder auf Klein-Klein gearbeitet wird. Dann kommen Sie mit dem Antrag, 65 neue Stellen einzurichten. Ich begrüße diesen Antrag, aber dieses doppelte Spiel, einmal hin und einmal her, das muss aufhören.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ich finde, die Sachlichkeit und die Fachlichkeit muss in den Mittelpunkt gestellt werden, sodass man gemeinsam arbeiten kann.

Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Kommen Sie bitte zum Ende.

Okay, noch ein Wort.

Wenn Sie sich die Pressemitteilung ansehen, dann lesen Sie – ich zitiere –:

"Er [der Parlamentarische Untersuchungsausschuss] hat Rechte, die denen einer Ermittlungsbehörde ähneln."

Das heißt, ein PUA arbeitet wie eine Staatsanwaltschaft. Und das ist der Fehler. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Herr de Vries hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, niemand in dieser Stadt hat dafür Verständnis, wenn wir uns in diesem Hause darüber zerfleischen, welches parlamentarische Instrument nun das richtige ist.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN – Zurufe von der SPD: Dann lass' es doch!)

Die Menschen erwarten von uns Aufklärung darüber, wie es zu diesem traurigen Tod kommen konnte, und sie erwarten von uns, dass wir gemeinsam Maßnahmen ergreifen,

(Zuruf von Mehmet Yildiz DIE LINKE)

damit so etwas in Zukunft nicht mehr passiert. Es mag unterschiedliche Wege geben. Ich respektiere das, was Sie favorisieren und auch was die SPD favorisiert. Wir sind aber anderer Auffassung, und ich warne davor, dieses Spiel zu übertreiben. Da

(Mehmet Yildiz)

mit tun wir weder dem toten Kind noch uns am Ende einen Gefallen.

(Beifall bei der CDU – Wolfgang Rose SPD: Richtig!)

Das Ziel muss sein, den Kindesschutz zu verbessern, damit so etwas in Zukunft nicht mehr passiert. Ich darf daran erinnern, dass wir von einem Kind sprechen, das von Geburt an von staatlichen Stellen betreut wurde. Wir sprechen von einem Kind, dem immer wieder Gewalt angetan wurde, ohne dass jemand zu seinem Wohl gehandelt und es geschafft hat, es zu schützen.

(Glocke)

Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Herr de Vries, Entschuldigung. Sie haben das Wort und im Moment kein anderer. Fahren Sie bitte fort.

Ich sage Ihnen offen, wenn es in Zukunft nicht gelingt, selbst in so offenkundigen Fällen die Kinder zu schützen, dann ist das Jugendhilfewesen in Hamburg am Ende. Deswegen muss es unser gemeinsamer Auftrag sein, hier die richtigen Schlüsse zu ziehen. Ich weiß nicht, wie ich Ihre Rede, Herr Senator Scheele, interpretieren soll. Sie haben gesagt, der Bericht sei gut, es sei alles umfassend und schonungslos beschrieben. Sie haben gesagt, wir dürften an den Mitarbeitern keine Kritik üben, das würde sie demotivieren. Sie haben gesagt, es gebe kein Personalproblem, das würde der Bericht zeigen. Und Sie haben dann aufgezählt, was Sie nicht schon alles getan haben. Ich sage Ihnen ehrlich, wenn wir mit einer solchen Haltung an die Sache herangehen, dann werden wir für die Kinder in Hamburg nichts tun können. Das ist genau der Grund, warum der PUA richtig ist.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN und der FDP)

Herr Yildiz, wir haben uns schon mehrfach gemeinsam bemüht, Ihnen verständlich zu machen, worum es in einem PUA geht. Das hat noch keine Früchte getragen, aber ich will den Versuch nicht aufgeben und es noch einmal tun.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU, den GRÜ- NEN und der FDP)

Es sitzen dort keine Mitarbeiter auf der Anklagebank, wir haben auch keine Schuldigen, das muss an dieser Stelle auch einmal gesagt werden. Schuldig sind allein die Eltern, die dieses Kind unmenschlich behandelt haben und in abstoßender Weise auch noch von ihrem Verhalten ablenken wollten.

(Zuruf von Mehmet Yildiz DIE LINKE)

Wir müssen aber wissen, warum Mitarbeiter so gehandelt haben, und das können wir nur mit einem PUA. Wir müssen wissen, warum das Familiengericht so gehandelt hat. Es wurde angesprochen, dass es in solchen Fällen häufig Probleme gibt und das Familiengericht anders als die Jugendamtsmitarbeiter entscheidet. Herr Scheele, in diesem Fall war es nicht so. Hier war die Entscheidung des Jugendamts, das Kind zurückzuführen. Das Familiengericht hat das nur abgenickt, hat noch nicht einmal formell entschieden. Insofern ist das nicht die Problematik. Deswegen warne ich noch einmal davor, den Menschen Sand in die Augen zu streuen. Das ist keine Frage einer Grundgesetzänderung. Ich habe es mir noch einmal durchgelesen:

"Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."

Das gilt selbstverständlich auch für Kinder. Das Erziehungsrecht ist in Artikel 6 deutlich eingegrenzt. Wir haben ein Erziehungsrecht, aber auch eine Erziehungspflicht. Der Staat ist verpflichtet, wenn Eltern versagen und ihre Kinder verwahrlosen lassen, die Kinder herauszunehmen. Das heißt, in diesem Fall hat es alle Instrumente gegeben. Das ist nicht unser Problem. Unser Problem ist ein unsensibler Umgang mit den Kindern. Das Wohl des Kindes stand nicht im Mittelpunkt, und das müssen wir ändern. – Danke.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, somit sind wir zum Ende der Aktuellen Stunde gekommen.

Ich rufe auf die Punkte 2 bis 3a, Drucksachen 20/10548, 20/10570 und 20/10783: Wahl von acht Beisitzenden und deren Stellvertretungen für den Landeswahlausschuss für die Wahl zu den Bezirksversammlungen am 25. Mai 2014, Wahl von drei Mitgliedern für den Hamburger Vergaberat der Norddeutschen Stiftung für Umwelt und Entwicklung sowie Wahl einer Deputierten oder eines Deputierten der Behörde für Justiz und Gleichstellung.

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl von acht Beisitzenden und deren Stellvertretungen für den Landeswahlausschuss für die Wahl zu den Bezirksversammlungen am 25. Mai 2014 – Drs 20/10548 –]

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft:

(Christoph de Vries)

Wahl von drei Mitgliedern für den Hamburger Vergaberat der Norddeutschen Stiftung für Umwelt und Entwicklung – Drs 20/10570 –]