Protocol of the Session on January 23, 2014

tatsächliche Perspektive verspricht, ausdrücken möchten.

Zur Arbeitssituation oder zu der Situation, dass Menschen, die geflüchtet sind, auch arbeiten möchten, ist zu sagen, dass es viele gibt, die arbeiten möchten. Auch die Lampedusa-Flüchtlinge haben gesagt, dass sie gekommen sind, um zu arbeiten.

(Sören Schumacher SPD: Dafür muss man auch seinen Namen sagen!)

Sie wissen auch, dass gerade Menschen, die einen prekären Aufenthaltsstatus haben, für ausbeuterische Arbeitsverhältnisse angreifbar sind. Wenn wir als LINKE von der Integration von Flüchtlingen und Geduldeten in den Arbeitsmarkt sprechen, dann meinen wir einen fairen Arbeitsmarkt, der eine gerechte Entlohnung für diese Menschen bietet.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Senator Scheele.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Zahl der Asylbewerber ist in den letzten Jahren wieder deutlich gestiegen. 127 000 Anträge waren es im vergangenen Jahr, und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rechnet in diesem Jahr mit 160 000 Menschen, die in Deutschland einen solchen Antrag stellen. Nach dem Königsteiner Schlüssel sind das 4000 Menschen, die in Hamburg Hilfe brauchen. Das ist anstrengend, aber ich will angesichts der Diskussion, die wir über einige Bevölkerungskreise zurzeit führen, sagen, dass das nicht bedrohlich ist. Es ist unsere Aufgabe, diesen Menschen, die vor Not, Elend, Krieg und Verfolgung in ihren Heimatländern geflohen und häufig unter schwierigsten Bedingungen nach Hamburg gekommen sind, Hilfe zu bieten. Nach dem Wanderungssaldo des letzten Jahres, der ungefähr 400 000 betragen hat, sind das andere Zielgruppen, und die Entwicklung am Arbeitsmarkt zeigt, dass die Zuwanderung am Arbeitsmarkt keine negativen Ergebnisse hervorgebracht hat. Die Arbeitslosigkeit steigt durch die Zuwanderung nicht, sondern die Zuwanderung führt dazu, dass überhaupt Arbeitsplätze besetzt werden können, denn sonst hätte man das gar nicht regeln können. Mir ist das wichtig, weil es Diskussionen über unterschiedliche Zielgruppen aus Rumänien und Bulgarien gibt, die nach Deutschland kommen. Diese Zuwanderung ist zwar anstrengend, aber nicht bedrohlich.

(Beifall bei der SPD)

Sie kennen die Schwierigkeiten bei der Suche nach Standorten und Flächen in der Stadt, und ich will mich hier ausdrücklich anders äußern als zu Beginn des Jahres und für die große Unterstüt

(Cansu Özdemir)

zung, die wir mittlerweile in den Bezirken haben, danken. Die Containerdörfer werden durch die Bezirksversammlungen und viele Ehrenamtliche begleitet, die die Menschen freundlich aufnehmen und ihnen helfen, sich im Stadtteil zurechtzufinden. Das war zu Beginn des Jahres anders, aber es gibt einen Stimmungswandel in dieser Stadt, und darauf sollten wir stolz sein.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben als Senat in den letzten Jahren konsequent an der Verbesserung der Teilhabechancen von Flüchtlingen gearbeitet. Als erste Regierung haben wir Flüchtlinge als eigene Zielgruppe in das Hamburger Integrationskonzept aufgenommen. Die Teilhabe aller, also auch die Teilhabe der Flüchtlinge, ist das oberste Ziel des Integrationskonzepts. Daher stehen die Regelsysteme wie Kitas, Schulen, Jugendberufsagentur, soziale Hilfen und Dienstleistungen, auch der Arbeitsverwaltung, den Flüchtlingen ebenfalls offen.

Wir fördern aus Hamburger Mitteln und aus ESFMitteln diverse Projekte für Flüchtlinge, so zum Beispiel das Projekt "Chancen am Fluchtort Hamburg" oder die zeitnahe Sprachförderung, die zurzeit durch den Bund nicht geleistet wird, denn in der Tat ist das Erwerben der deutschen Sprache der Schlüssel zur gelungenen Integration.

(Beifall bei der SPD)

Zudem haben wir aus eigenen Hamburger Mitteln dafür Sorge getragen, dass die Kinder, deren Eltern Leistungen nach Paragraf 3 – das ist alles ein bisschen kompliziert – des Asylbewerberleistungsgesetzes erhalten, auch die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets in Anspruch nehmen können. Es kann nämlich nicht sein, dass unabhängig von der Art von Fluchtgründen Kinder von irgendetwas ausgeschlossen werden. Sie brauchen immer Zugang zu den Integrationsleistungen dieser Stadt

(Beifall bei der SPD)

und das im Übrigen völlig unabhängig davon, ob sie irgendwann zurückkehren oder bei uns bleiben.

Hamburg hat sich für eine stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung für gut integrierte Jugendliche ausgesprochen, denn wir wollen zeigen, dass sich Anstrengung und Mühen lohnen und dass sie honoriert werden. Zu den Anstrengungen und Mühen gehören sowohl das Lernen, aber auch die Flucht gerade vieler minderjähriger, unbegleiteter Flüchtlinge, die teilweise über Jahre unterwegs sind, um dann hier Sicherheit und Zukunft zu suchen. Wer in Deutschland und in Hamburg einen Schulabschluss macht, der sollte damit auch einen sicheren Aufenthaltsstatus erwerben können, und das sollte auch für die Gruppe der minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlinge gelten. Ich war in der vor

letzten Woche in einer Wohngruppe von minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlingen in Osdorf

(Zuruf von Mehmet Yildiz DIE LINKE)

und habe Jugendliche getroffen, die teilweise zwischen vier, sechs oder acht Monaten unterwegs waren, um nach Deutschland zu kommen, die nach knapp zwei Jahren in Deutschland gut deutsch sprechen und jeden Morgen durch die ganze Stadt in Integrationsklassen fahren, um Deutsch zu lernen. Diese müssen wir hier behalten, wir dürfen sie nicht wieder gehen lassen, denn wir brauchen sie alle.

(Beifall bei der SPD – Dirk Kienscherf SPD: Richtig!)

Insofern befremdet mich eine Anfrage, die es aus diesem Hause gibt, in der ein Zusammenhang hergestellt wird zwischen einer Einrichtung für minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge und möglicher Steigerung von Kriminalität. Der Senat geht nicht davon aus, dass so ein Zusammenhang besteht.

(Beifall bei der SPD)

Während die Kinder also eine Tagesstruktur haben, sei es in der Kita oder in der Schule, und einen Zugang zu Bildung und Freizeitmöglichkeiten, sind ihre Eltern häufig zum Warten und Nichtstun verdammt. Da sollten wir einen Weg suchen, wie wir den Menschen, die erkennbar länger bleiben, die Aufnahme einer Beschäftigung rechtlich und tatsächlich ermöglichen können. Wer nämlich ein Containerdorf besichtigt hat – Frau Demirel hat gefragt, wer das getan hat, ich war neulich in der Lokstedter Höhe –,

(Zuruf von Mehmet Yildiz DIE LINKE)

der sieht, dass dort die Erwachsenen herumstehen und nichts tun können. Das muss man ändern.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Und wenn das so ist, dann sollten wir den Menschen möglichst zügig eine Perspektive bieten, eine Perspektive auf Arbeit, auf eine Möglichkeit, sich selbst zu versorgen und nicht abhängig zu sein. Das täte den Menschen gut und es würde ihr Selbstvertrauen und ihre Würde stärken. Es stärkt auch die Integration und das Ankommen in unserem Land.

(Beifall bei der SPD)

Im Moment haben nur diejenigen Flüchtlinge einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt, die eine Aufenthaltserlaubnis aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen haben. Für alle anderen Asylbewerberinnen und Asylbewerber und auch für die geduldeten Ausländer gilt zurzeit eine Wartefrist von neun Monaten bis zu einem Jahr, bevor sie arbeiten dürfen. In den Koalitionsverhandlungen ist es uns gemeinsam gelungen,

(Senator Detlef Scheele)

diese Wartefrist deutlich zu verkürzen auf nunmehr drei Monate für beide Gruppen. Dass diese Verabredung nun zügig umgesetzt wird, dafür will ich mich einsetzen.

Aber damit entfällt noch nicht die Vorrangprüfung der Bundesagentur für Arbeit, und diese Prüfung ist in der Praxis eine hohe Hürde für den Zugang zum Arbeitsmarkt, denn gerade für Beschäftigung im Niedriglohnbereich oder im unqualifizierten Bereich besteht auf dem Hamburger Arbeitsmarkt ein großes Angebot an deutschen Staatsbürgern oder EU-Bürgern, die Arbeit suchen und bevorzugt werden müssen. Wenn wir der Gruppe der Flüchtlinge den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern wollen, dann wollen und müssen wir auch hier ansetzen. Ich plädiere nicht dafür, die Vorrangprüfung abzuschaffen

(Nikolaus Haufler CDU: Aber?)

darauf komme ich gleich –, denn sie ist auch ein Instrument, um die Ordnung am Arbeitsmarkt aufrechtzuerhalten und sicherzustellen, dass Flüchtlinge nicht zu ungünstigeren Bedingungen arbeiten müssen als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer. Wenn wir aber mehr Ordnung am Arbeitsmarkt hätten, wenn der Branchenmindestlohn vor Lohndumping schützen würde und wir mit geeigneten Instrumenten die prekären Arbeitsverhältnisse zurückdrängen könnten, dann könnte die Vorrangprüfung zumindest wesentlich weniger restriktiv gehandhabt werden, als es zurzeit der Fall ist. Wir müssen schauen, wie wir hier vorankommen, damit die drei Monate nicht leerlaufen, sondern tatsächlich Wirkung zeigen.

(Beifall bei der SPD)

Solange wir solche Regelungen aber nicht haben, sollten wir die bestehenden Regelungen besser nutzen. Dazu gehört, dass die Integrationskurse endlich auch für Flüchtlinge im laufenden Asylverfahren und für Geduldete geöffnet werden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat der Bundesrat im Dezember beschlossen.

Dazu gehört, dass wir die Möglichkeiten des Anerkennungsgesetzes besser nutzen und Informationen über die bereits jetzt bestehenden Möglichkeiten zur Anerkennung eines Abschlusses besser zugänglich machen. Wir wollen deshalb auch die Förderrichtlinie für das Hamburger Stipendienprogramm zur Unterstützung von Menschen im Anerkennungsverfahren erweitern und sowohl für Asylbewerber mit Gestattung als auch für Menschen mit einer aufenthaltsrechtlichen Duldung öffnen. Wir tun das, weil wir alle Hamburger Potenziale heben wollen, weil wir die Menschen, die Qualifikationen besitzen, auf dem Weg zur Anerkennung und Integration in den Hamburger Arbeitsmarkt unterstützen wollen. Dazu gehört eben auch, dass wir diejenigen, die eine Bleibeperspektive haben, frühzeitig über bestehende Förderungs- und Qualifizie

rungsmaßnahmen der Agentur für Arbeit und Jobcenter informieren und ihnen so die Integration in Arbeit erleichtern.

Hamburg wurde seitens der Bundesagentur für Arbeit als eine Modellregion ausgewählt, um das Potenzial von Asylbewerbern zu erschließen und diesen Personenkreis frühzeitig an die Instrumente der Agentur für Arbeit heranzuführen. Hierzu werden speziell geschulte Vermittlungsfachkräfte mit Fremdsprachen und interkultureller Kompetenz eingesetzt, welche den Asylbewerber vom Anfang des Verfahrens bis zum Ende vernünftig begleiten und die Arbeitsmarktintegration vorbereiten. Besonders erfreulich an diesem Projekt ist, dass endlich der Instrumentenkasten des SGB III der Agentur für Arbeit vollständig für die Zielgruppe der Flüchtlinge geöffnet wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Rose.

(Finn-Ole Ritter FDP: Ich dachte, Herr Scheele hat alles gesagt!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte eingangs gern zu dem Beitrag von Herrn Haufler sagen, dass ich es schon bemerkenswert fand, wie man einen ganzen Beitrag lang ausschließlich darüber reden kann, wie man Unterstützung verhindern und nicht gewähren kann. Für mich hat das ein Stück weit gezeigt, dass es sicherlich sehr schwierig ist, mit Ihnen, jedenfalls hier in Hamburg, zusammen eine Integrationspolitik zu betreiben,

(Finn-Ole Ritter FDP: Ist schwierig, eine große Koalition zu machen!)

die geprägt ist von einer Willkommens- und Integrationskultur.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe mich gefreut, dass Cansu Özdemir in Richtung der sozialdemokratischen Fraktion in diesem Hause gesagt hat, dass es unsere Bundesregierung sei und es deswegen eigentlich selbstverständlich sei, dass das, was wir wollen, nun auch in Hamburg automatisch über die Große Koalition auf Bundesebene umgesetzt werden könne. Schön wäre es, aber wir sind schon in der Situation, dass wir unsere Hamburger Interessen in diesem Punkt noch deutlich machen müssen und wir insbesondere die CDU und die CSU auf Bundesebene dazu veranlassen müssen, mehr sozialdemokratische Politik zu betreiben, die wir in den Ländern brauchen. Von daher brauchen wir den Druck und auch die Kontrolle der Länder über den Bundesrat.

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei der CDU)