Protocol of the Session on January 23, 2014

Aber was Sie sich vorwerfen lassen müssen, ist doch das, worüber Sie hier nicht gesprochen haben und was Sie mit keinem Wort erwähnt haben. Sie haben nichts dazu gesagt, wie man die Kritik an den Polizeieinsätzen, die es doch gibt in der Stadt, aufarbeiten kann, kein Wort zu den widersprüchlichen Aussagen hinsichtlich des Angriffs auf die Davidwache am 28. Dezember, der viele Bürger wirklich in Sorge versetzt hat und auch Anlass dafür gewesen ist, die Gefahrengebiete auszurufen. Hier hätten Sie sich äußern müssen, Herr Bürgermeister.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei den GRÜNEN und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Wir haben nichts über die Wurzel der Probleme, die Gewalt aus der linksextremistischen Szene, gehört. Wir haben nichts von Ihnen darüber gehört, wie Sie mit dieser Gewalt umgehen müssen. Wir haben Sie immer wieder aufgefordert, ein Konzept

gegen linksextreme Gewalt zu entwickeln, aber wir haben nichts davon gehört. Das löst das Problem nicht, weil Sie es nicht an der Wurzel packen.

(Beifall bei der FDP)

Und ganz besonders scheinheilig fand ich Ihr Selbstlob dafür, dass Sie die Polizei jetzt besser ausstatten. Herr Bürgermeister, warum haben Sie das nicht schon längst getan?

(Dirk Kienscherf SPD: Haben wir doch schon vorher!)

Sie sind von weiten Teilen der Opposition mehrfach in den Haushaltsberatungen dazu aufgefordert worden, die Polizei besser auszustatten. Sie hätten dem zustimmen können, aber Sie haben es nicht getan. Warum musste es erst zu diesen Krawallen kommen, bevor Sie einsichtig werden, Herr Bürgermeister? Das verstehe ich nicht.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Jetzt hat Herr Kerstan das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bürgermeister, Sie verfolgen ein sehr ambitioniertes Wohnungsbauprogramm in dieser Stadt, das auch viele Menschen zu schätzen wissen. Aber warum haben Sie dem einen so großen Teil Ihrer Rede gewidmet, obwohl das in der Debatte, die wir vorher geführt haben, im Kern eigentlich keine Rolle gespielt hat,

(Dirk Kienscherf SPD: Es geht bei den De- mos doch die ganze Zeit darum!)

und zu den Punkten, die wir angesprochen haben, nichts gesagt?

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der FDP und der LINKEN)

Da stellt sich die Frage, ob Sie eigentlich zugehört und wahrgenommen haben, was in dieser Debatte gesagt wurde. Das ist doch auch ein Teil des Problems in dieser Stadt, dass die Menschen das Gefühl haben, dass dieser Senat Themen nicht zur Kenntnis nimmt und nur bei seiner eigenen Politik bleibt. Das bezieht sich natürlich auch auf Ihren Regierungsstil, Herr Bürgermeister. In Ihrer Rede haben Sie viele Dinge versucht zu widerlegen, die niemand von uns in der Debatte behauptet hat. Niemand von uns hat gesagt, wenn man die EssoHäuser anders behandelt hätte, dann wäre es nicht zu den Gewaltausbrüchen bei der Demo gekommen. Das hat keiner jemals gesagt, weder hier noch sonst wo. Aber zu den Fragen, die ich gestellt habe, ob Sie Gefahrengebiete eigentlich für verhältnismäßig halten oder was Sie zu den Zehntausenden Menschen sagen, die nach dem 21. Dezember auf die Straße gegangen sind, um

(Dr. Martin Schäfer)

mit einem friedlichen kreativen Protest gegen diese Maßnahme zu demonstrieren,

(Gerhard Lein SPD: Welche denn?)

kommt kein einziges Wort. Da entsteht schon der Eindruck, dass der Bürgermeister Realitäten in dieser Stadt einfach nicht zur Kenntnis nimmt, und das ist ein Problem.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Ich möchte Ihnen wirklich widersprechen, Herr Bürgermeister, wenn Sie sagen, dass die Gewalttäter bestimmte Themen in dieser Stadt erst auf die Tagesordnung gesetzt hätten. Für die LampedusaFlüchtlinge hat es in dem halben Jahr vor Weihnachten fast wöchentlich Demonstrationen gegeben, und es hat bis weit ins Bürgertum hinein ein Unbehagen gegenüber Ihrer Politik gegeben,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Und dem haben wir uns auch gewidmet!)

die als kaltherzig, technokratisch und bürokratisch wahrgenommen wurde und bei der Humanität keine Rolle gespielt hat. In der Woche, in der Hunderte Flüchtlinge vor Lampedusa ertrunken sind und die Menschen sich vor diesen Bildern gefürchtet haben, hat Ihr Innensenator die Polizei losgeschickt und Schwerpunkteinsätze bei den Flüchtlingen aus Lampedusa durchgeführt. Nutzen Sie darum jetzt nicht die Gewaltexzesse, die wir alle verurteilen, um nicht mehr über ein Thema reden zu müssen, bei dem Sie sich selbst in eine Sackgasse begeben haben. Das darf nicht passieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Herr Neumann, hören Sie endlich auf zu behaupten, dass Ihr Weg der rechtsstaatliche Weg sei und dass sich alle anderen, die Humanität im Umgang mit Flüchtlingen einfordern, angeblich nicht um Recht und Gesetz kümmern würden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Es gibt Paragraphen im Ausländerrecht, die den Kurs, den Sie fahren, rechtfertigen,

(Martina Kaesbach FDP: Trotzdem muss man die Identität preisgeben!)

denn es werden 90 Prozent dieser Menschen zurückgeführt. Es gibt aber andere Paragraphen, die es unter genauso rechtsstaatlichen Bedingungen ermöglichen würden, diese Flüchtlinge als Gruppe zu definieren und ihnen hier ein Bleiberecht zu gewähren. Dass dies in Hamburg nicht passiert, ist keine Frage von Recht und Gesetz, sondern es ist eine politische Entscheidung dieses Senats, weil er die humanitäre Lösung nicht will, und das ist der Konflikt, um den es hier geht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Sören Schumacher SPD: Dieses Märchen hören wir jetzt seit Monaten von euch!)

Ich bedauere es zutiefst, dass angesichts dieser innenpolitischen Debatte über Gewalt und Verhältnismäßigkeit der Polizei die Flüchtlinge aus Lampedusa die eigentlichen Verlierer sind, weil man nicht mehr über sie spricht, und das ist neben der Gewalt ein weiterer Skandal in der Entwicklung der letzten Wochen. Auch dazu haben Sie kein einziges Wort gesagt, Herr Bürgermeister.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Dirk Kienscherf SPD: Unglaublich, dass Sie das gegenseitig relativieren!)

Es ist doch Aufgabe eines Bürgermeisters, wenn es Gräben in der Stadt gibt, diese zu überwinden. Dass Innensenatoren in dieser Stadt immer nur die harte Linie fahren, ist nichts Neues. Es hat Bürgermeister gegeben wie Herrn Dohnanyi, die in einer viel schlimmeren Situation Gegnern, die unversöhnlich waren, die Hand gereicht und damit das Problem gelöst haben. Diesen Weg gehen Sie nicht, sondern mit Ihrer Rhetorik, mit diesen Gewalttätern dürfe man nicht reden und deshalb auch über die Probleme nicht reden, verschärfen Sie die Situation, und das ist eines der politischen Probleme dieser Stadt. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 82, Drucksache 20/10431, Antrag der SPD-Fraktion: Teilhabe von Flüchtlingen verbessern – Integration in Arbeit erleichtern.

[Antrag der SPD-Fraktion: Teilhabe von Flüchtlingen verbessern – Integration in Arbeit erleichtern – Drs 20/10431 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Abaci bekommt es.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Flüchtlingspolitik humaner zu gestalten und die Lebensbedingungen von Flüchtlingen zu verbessern, war und ist ein wichtiges Anliegen der SPD-Bürgerschaftsfraktion in Hamburg.

(Beifall bei der SPD)

Der Antrag der SPD-Fraktion vom 9. Mai 2012 zur Erarbeitung eines neuen Integrationskonzepts enthielt ausdrücklich die Forderung, dass Flüchtlinge in Zukunft als Ziel der Integrationspolitik in der Stadt berücksichtigt werden sollten. Ich freue mich sehr, dass der Senat dies auch aufgegriffen hat. Damit hat die Stadt ein positives Signal gesetzt, und das ist bundesweit vorbildlich.

(Jens Kerstan)

(Beifall bei der SPD – Vizepräsidentin Bar- bara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Meine vielen Begegnungen und Gespräche mit den betroffenen Menschen haben mich auch sehr berührt. Sie leben teilweise seit mehreren Jahren in Hamburg und bringen Erfahrungen, Kompetenzen und oft auch eine Ausbildung mit. Sie wollen vor allem ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten, um nicht mehr von Transferleistungen abhängig zu sein. Arbeit ist eben ein zentrales Element für die Teilhabe an der Gesellschaft. Besonders wichtig ist es uns, dass auch Zuwanderer ohne gesicherten Aufenthaltsstatus Zugang zu unserem Bildungs- und Ausbildungssystem haben. Bildung ist eben Menschenrecht.

(Beifall bei der SPD)

Die Aufnahme von Flüchtlingskindern in das Bildungs- und Teilhabepaket in Hamburg zeigt, wie wichtig uns die Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben ist. Hamburg finanziert den Kindern von Flüchtlingen aus Landesmitteln den Zugang zu den Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets, da der Bund dies bisher abgelehnt hat. Flüchtlinge, die hier leben und sich anstrengen, eine Ausbildung zu machen, oder die Arbeit möchten, brauchen bessere Rahmenbedingungen. Diese Menschen sollten auch eine Bleibeperspektive bekommen. Es gibt inzwischen viele Menschen, die schon vor Jahren zu uns gekommen sind und lange nur geduldet bei uns lebten. Für sie schafft der im Koalitionsvertrag auf Bundesebene gefundene Konsens zum ersten Mal eine Bleibeperspektive. Dies ist ein Meilenstein in der bisherigen bundesrepublikanischen Flüchtlingspolitik und trägt die Unterschrift Hamburgs.

(Beifall bei der SPD)

Diese Regelung ist gut für die betroffenen Menschen. Sie sollen wissen, dass sie auch bleiben können. Hamburg hat diese Initiative eingebracht, sie wurde angenommen, und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD)

Nun ist die Bundesregierung aufgefordert, den Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen. Wir, die SPDBürgerschaftsfraktion, werden dies kritisch und konstruktiv weiterbegleiten. Das ist eine moderne Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik.

(Beifall bei der SPD)