Protocol of the Session on January 23, 2014

"Italien hat die Außengrenzen und ist ein sicheres Drittland. Dort muss das Verfahren abgewickelt werden."

Jetzt, sechs Monate später, lesen wir auf die Frage der "Hamburger Morgenpost", wo eigentlich die Lampedusa-Flüchtlinge seien, dass nach Angaben

des Behördensprechers der Innenbehörde viele von ihnen schon eine Duldung haben. Das gilt, bis ihr Verfahren hier abgeschlossen ist,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, genau!)

und die Personen, die sich der Lampedusa-Gruppe zugehörig fühlen, sind alle versorgt. Vor sechs Monaten haben Sie noch gesagt, diese Verfahren müssten in Italien stattfinden. Herr Bürgermeister, was hat sich an der Gesetzeslage in Deutschland geändert, dass Sie in dieser Frage heute anders handeln als vor sechs Monaten? Sie versuchen doch, die Öffentlichkeit darüber hinwegzutäuschen, dass Sie in Wahrheit Ihr Verfahren geändert haben.

(Beifall bei der CDU – Wolfgang Rose SPD: Was wollen Sie denn jetzt?)

Ich will Ehrlichkeit und ich will, dass der Bürgermeister auch einmal zum Ausdruck bringt, dass hier Fehler gemacht worden sind.

Die größten Fehler sind im Umgang mit den Gefahrengebieten gemacht worden. Sie sind eingerichtet worden – Herr van Vormizeele hat schon auf die unglaublichen Umstände, wer das eigentlich wann wie entschieden hat, hingewiesen – und dann sagt der Innensenator in den Medien, er verstehe die ganze Aufregung nicht, man kontrolliere doch auch Alkoholsünder. Dies auf läppische Art abzutun und nicht zu verstehen, dass es eine gravierende Maßnahme ist, die in schweren Zeiten angemessen sein kann, damit haben Sie doch die Akzeptanz für die Gefahrengebiete, dieses für die Polizei und die Sicherheit sehr wichtige Instrument, in der Stadt beschädigt.

(Beifall bei der CDU)

Es ist nicht die Polizei, die Sie einsetzen, die den Kopf für politische Fehler hinhalten muss, sondern es ist Ihr politischer Umgang mit diesen schwierigen Fragen in der Stadt. Dieser Zickzackkurs, der seine Krönung dadurch erfahren hat, dass Sie erst den Polizisten das Geld für Beförderungen wegnehmen und jetzt so tun, als sei zur Belohnung für die Einsätze bei den Demonstrationen wieder Geld für Beförderungen da, ist ein falsches Beispiel dafür, wie man Innenpolitik macht. Das ist nicht Maß und Mitte und nicht konsequent, das ist ein Zickzackkurs.

(Beifall bei der CDU und bei Finn-Ole Ritter FDP)

Das Wort hat Herr Dr. Schäfer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will versuchen, etwas Ruhe in diese Debatte zu bringen, denn was gerade stattgefunden hat, war wieder einmal der Versuch von Herrn Wersich, sein politisches Süppchen zu

kochen, was leider ungerecht der Sache gegenüber ist, über die wir sprechen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Wir sprechen in dieser Aktuellen Stunde zu dem von der LINKEN angemeldeten Thema "Politische Konflikte politisch lösen!". Die Rede des Bürgermeisters ging nahezu in voller Länge genau darum, welche Lösungen politischer Konflikte und Probleme dieser Senat bisher angegangen ist und wie diese politischen Lösungen aussehen können. Ich möchte die drei Themen ansprechen, die – jedenfalls nach der Anmeldung – Anlass für die Demonstration am 21. Dezember waren.

Erstens Rote Flora: Wenn irgendjemand sicherstellt, dass die Rote Flora als selbstverwaltetes Kulturprojekt dort bleibt, dann sind es die Freie und Hansestadt Hamburg und der Bezirk Altona. Es gibt keinen rationalen Grund, in irgendeiner Weise dagegen demonstrieren zu wollen, und es gibt nie einen Grund, deswegen auch noch einen Stein in die Hand zu nehmen. Das war völlig an der Sache vorbei.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens die Esso-Häuser: Sie wurden vor gut 50 Jahren gebaut, es zogen Mieter ein, anschließend wurden die Häuser nicht mehr gewartet und kamen immer weiter herunter.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Richtig! Und die Stadt hat zugeguckt!)

Das lag an keiner Regierung, die jemals diese Stadt regiert hat. Das lag am Besitzer, der die Häuser in diesem heruntergekommenen Zustand an eine Immobiliengesellschaft verkauft hat.

(Hans-Detlef Roock CDU: Der Bürgermeis- ter hat gerade was anderes erzählt! Was denn nun?)

Mit dieser Immobiliengesellschaft hat der Bezirk Hamburg-Mitte das Abkommen, dass alle Mieter, die darin wohnen, vorübergehend ausziehen, die Häuser neu gebaut werden und die Bewohner zu den Bedingungen, zu denen sie gemietet haben, wieder einziehen können. Was bitte kann mehr geschehen?

(Beifall bei der SPD – Glocke)

Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Herr Dr. Schäfer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, heute nicht.

Drittens Gentrifizierung: Das ist das Thema, das eigentlich hinter den Esso-Häusern steckt. Frau Möller hat es vorhin als Problem angesprochen und gleich darauf auch den Ausdruck Wohnungsbau

benutzt – das tun wir doch. Was um Gottes willen denn noch?

(Christiane Schneider DIE LINKE: Ja, groß- artig!)

Der Bürgermeister hat dargestellt, wie die Lösung an der Stelle aussieht. Es gibt keinen Grund, dagegen zu demonstrieren.

(Beifall bei der SPD – Christiane Schneider DIE LINKE: Das sehen die Leute anders!)

Viertens Lampedusa: Es gab Demonstrationen wegen der Lampedusa-Flüchtlinge hier in Hamburg. Diese Demonstrationen waren alle friedlich. Welchen Grund gab es, ausgerechnet am 21. Dezember dagegen mit Gewalt zu demonstrieren? Keinen. Wir debattieren seit Monaten über dieses Thema, und das wird möglicherweise weiter geschehen.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Der In- nensenator sagt, wir wären für die Gewalt verantwortlich!)

Herr Wersich, dass diese Flüchtlinge, die sich jetzt gemeldet haben, eine Duldung erhalten haben, entspricht exakt der Linie des Senats, wie sie seit Monaten dargestellt wird. Wer sich meldet, bekommt eine Duldung, und solange er im Verfahren ist, darf er hierbleiben.

(Dietrich Wersich CDU: Hier steht, die müs- sen nach Italien!)

Das ist abgesprochen mit der Kirche, und im Übrigen ist es genau das, was Sie angesprochen und moniert haben: Es ist eine politische Antwort auf diese Frage. Sie selbst haben das eingefordert, und jetzt sagen Sie, es sei falsch. Sie sollten einmal bei Ihrer Argumentationslinie bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Frau Schneider, dass Sie in Ihrer zweiten Rede gerade eben nahezu ausschließlich über Polizeigewalt gesprochen haben, ist bezeichnend. Es geht in dieser Stadt nicht um Polizeigewalt, sondern es geht um die Gewalt, die am 21. und auch am 28. Dezember nicht von der Polizei, sondern von anderen ausgeübt wurde.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Von der Polizei auch!)

Unter diesen Steinwürfen am 21. Dezember ist das Demonstrationsrecht zusammengebrochen. Das Demonstrationsrecht derjenigen, die friedlich demonstrieren wollten, wurde von den Steinewerfern zuschanden gerichtet und nicht von der Polizei.

(Beifall bei der SPD und bei Carl-Edgar Jar- chow FDP – Christiane Schneider DIE LIN- KE: Davidwache!)

Deswegen sollten wir in der Tat zur Diskussion über die politische Lösung von politischen Konflik

ten zurückkommen und keine neuen Schauplätze eröffnen, um die es nicht geht und die mit der Sache nichts zu tun haben,

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Das machen Sie aber die ganze Zeit!)

sondern beim eigentlichen Konflikt bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Frau Suding hat das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bürgermeister, Ihr Auftritt hier eben war hilflos, er war unangemessen für einen Bürgermeister, und er war auch sicherlich enttäuschend für all die Menschen, die sich Antworten erhofft hatten angesichts der Probleme, die wir in dieser Stadt mit der Gewalt in den letzten Wochen hatten.

(Beifall bei der FDP, den GRÜNEN und ver- einzelt bei der CDU)

Im ersten Teil sind Sie erst einmal lange abgeschweift und haben die Ansätze Ihrer Politik referiert. Da gibt es viele Punkte, in denen wir mit Ihnen nicht übereinstimmen. Ich könnte in die Details gehen, aber das will ich jetzt nicht machen, denn darum geht es hier überhaupt nicht. Wir sind uns doch einig, dass diese Fragestellungen die Gewalt in der Stadt nicht ausgelöst haben. In einem zweiten Teil haben Sie das gesagt, was Sie sagen mussten, und das war richtig. Da haben Sie noch einmal das Gewaltmonopol für die Stadt und für den Staat verteidigt. Sie haben die Gewalt bei den Demonstrationen verurteilt und noch einmal betont, dass wir alle der Polizei dankbar sind. Da gibt es überhaupt keinen Widerspruch, das war in Ordnung.

Aber was Sie sich vorwerfen lassen müssen, ist doch das, worüber Sie hier nicht gesprochen haben und was Sie mit keinem Wort erwähnt haben. Sie haben nichts dazu gesagt, wie man die Kritik an den Polizeieinsätzen, die es doch gibt in der Stadt, aufarbeiten kann, kein Wort zu den widersprüchlichen Aussagen hinsichtlich des Angriffs auf die Davidwache am 28. Dezember, der viele Bürger wirklich in Sorge versetzt hat und auch Anlass dafür gewesen ist, die Gefahrengebiete auszurufen. Hier hätten Sie sich äußern müssen, Herr Bürgermeister.