Meine Damen und Herren! Nach unserer Geschäftsordnung haben jetzt die Fraktionen die Möglichkeit, zu erwidern.
Meine Damen und Herren, Herr Bürgermeister, Herr Innensenator! Herr Bürgermeister, Sie haben mit Ihrer Rede die Kritik bestätigt, die ich in meinem ersten Beitrag
geäußert habe. Sie haben sich nämlich mit der Kritik nicht auseinandergesetzt. In vielen Zeitungen ist Kritik geäußert worden – ich nenne "Süddeutsche Zeitung", "Frankfurter Rundschau", "ZEIT", die Kritik kam von vielen Seiten –, aber Sie haben sich nicht mit der Kritik auseinandergesetzt, sondern pauschal gesagt: Das ist nicht das Hamburg, in dem ich lebe. Das heißt, Sie haben die Kritik delegitimiert und beiseite geschoben. Sie haben im ganzen ersten Teil Ihrer Rede gesagt, es gäbe doch gar kein Problem, um am Schluss zu sagen: Lassen Sie uns darüber reden. Das finde ich unglaubwürdig.
Sie haben gesagt: Wir machen das schon. Aber darum geht es nicht. Es war unvollständig, was Sie zitiert haben, Herr Jarchow. Ich habe nicht gesagt, die Polizei könne nicht bestimmen, wie wir leben, auch der Senat kann es nicht,
auch die Bürgerschaft kann es nicht, denn das ist eine Frage von Aushandlungsprozessen der Bürgerinnen und Bürger. Dabei geht es um ihre Teilhabe und auch um ihre Einflussmöglichkeiten. Das finde ich wichtig und sollte betont werden und nicht, dass am Ende der Senat gut regiert und alles regelt.
Ich möchte mich zur Frage des staatlichen Gewaltmonopols äußern. Das staatliche Gewaltmonopol basiert ebenso wie die Gewaltenteilung auf Artikel 20 des Grundgesetzes. Daraus ergibt sich für uns erstens, dass politische Konflikte politisch ausgetragen werden müssen, und zweitens, dass die Ausübung staatlicher Gewalt der Kontrolle unterliegen muss – Gewaltfreiheit auf der einen, Rechts
staatlichkeit auf der anderen Seite. Wir treten für diese zwei Prinzipien unzweideutig ein, und zwar immer.
Gerade weil DIE LINKE zum staatlichen Gewaltmonopol steht, verteidigt sie das Recht und nimmt es in Anspruch, die konkrete Ausübung staatlicher Gewalt zu kritisieren. Ich bin wegen dieser Position heftig angegriffen, verleumdet und auch bedroht worden. Kritik am Polizeieinsatz am 21. Dezember selbst und am polizeilichen Vorgehen danach wurde vielfach als Rechtfertigung von Gewalt dargestellt – besonders stupide und schon am Rand von justiziablen Äußerungen durch den Innensenator in der Innenausschusssitzung. Ich warte auf das Wortprotokoll, das wir noch nicht haben.
Es gehört zum Job des Innensenators, die ihm unterstellte Polizei gegen Kritik zu verteidigen, die ihm ungerechtfertigt erscheint. Aber, und darauf weist interessanterweise der alte Uwe Bahnsen in der "Welt" am 20. Januar hin
nein, die ist auch schon ein bisschen älter –, es gehöre zu seinen Amtspflichten auch die Notwendigkeit – ich zitiere –
"[…] der Polizei im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit, die Verhältnismäßigkeit und die Effizienz ihrer Maßnahmen auf die Finger zu sehen."
Dass er das tut, hat der Innensenator in der aktuellen Auseinandersetzung bisher nicht erkennen lassen. Ihm fehlt offensichtlich die kritische Distanz zur Polizei, die einen Innensenator vom Polizeisprecher unterscheidet.
Es gibt viel Aufklärungsbedarf, das kann ich in diesen fünf Minuten gar nicht alles aufzählen. Ich nehme an, dass die Staatsschutzabteilung des LKA bereits auf Hochtouren arbeitet, was die strafrechtliche Aufarbeitung von Gewalt durch Privatpersonen betrifft. Aber ich bin auch der Meinung, dass es eine ganze Menge Aufklärungsbedarf gibt, was die Frage der Verhältnismäßigkeit und der Rechtmäßigkeit polizeilichen Handelns und polizeilicher Gewalt angeht. Da ich nur fünf Minuten habe,
schenke ich mir jetzt den Aufklärungsbedarf, den ich in Bezug auf die Demonstration am 21. Dezember sehe. Ich möchte darauf kommen, was Herr Kerstan schon angesprochen hat, Sie aber nicht, Herr Senator, was ich sehr bedauere, denn mit dem heutigen Artikel im "Hamburger Abendblatt" muss auch dem Letzten klargeworden sein, dass die Verhältnisse am 28. Dezember rund um die Davidwache restlos aufgeklärt werden müssen.
Natürlich ist es für den verletzten Polizeibeamten zweitrangig, in welchem Zusammenhang er von wem und mit welcher Motivation verletzt wurde. Ich bedauere, dass es zu dieser schweren Verletzung gekommen ist, und wünsche ihm wirklich alles Gute. Die ersten Darstellungen dieser Gewalt haben mich schwer erschüttert, aber politisch ist es ein Unterschied, von wem, aus welchem Grund und mit welcher Motivation er verletzt worden ist, und das ist von Bedeutung.
Schon die erste Pressemitteilung der Polizei musste, nachdem Widerspruch durch Rechtsanwalt Beuth angemeldet worden war, nach einer Woche korrigiert werden. Sie ist auch erst nach dem Widerspruch korrigiert worden, obwohl sie schon vorher korrigierbar gewesen wäre. Auch die korrigierte Version lässt sich nach voneinander unabhängigen Zeugenaussagen Unbeteiligter und nach dem, was jetzt aus der Polizei bekannt wurde, nicht weiter aufrechterhalten, und das ist das Problematische. Das nährt den Verdacht, dass schreckliche Ereignisse – vielleicht eine Kiezschlägerei, die aus dem Ruder gelaufen ist – für politische Zwecke instrumentalisiert wurden, und zwar für die Einrichtung eines Gefahrengebiets und für die Forderungen nach Aufrüstung der Polizei. Wir haben vom Einsatz von Schusswaffen gehört, und wir haben die Forderungen aus Ihren Reihen gehört, die es auch schon vorher gab, das gebe ich zu, aber das ist dafür benutzt worden.
Der Taser und alles Mögliche wurden ins Spiel gebracht, und auch diese Auseinandersetzung, in deren Folge es zur Verletzung eines Polizeibeamten kam, wurde missbraucht. Das muss restlos aufgeklärt werden, weil es schwere politische Verdächtigungen gegenüber dem Innensenator und auch der Polizei mit einschließt.
Was die Solidarität mit der Polizei betrifft, möchte ich nur noch einen Satz sagen: Wir unterstützen seit Langem zum Beispiel die Forderung nach Wiedereinführung der freien Heilfürsorge, wie wir auch andere gewerkschaftliche Forderungen unterstützen, aber der Zeitpunkt, zu dem diese Maßnahmen ergriffen worden sind, ist verhängnisvoll.
Sie haben kein Gespür für die Stimmung und die Emotionen in dieser Stadt. Sie halten Ihre Politik nach wie vor für perfekt und können weder sich noch uns erklären, wieso es nach über 20 Jahren wieder zu dieser schweren Beschädigung des inneren Friedens in Hamburg gekommen ist. Das ist ein Armutszeugnis für einen Bürgermeister dieser Stadt.
Ich möchte Ihnen in der Analyse einmal mit zwei Beispielen helfen. Wenn der Innensenator sagt, Politik müsse sich an die Gesetze halten, so kann ich nur antworten, dass Politik mehr ist als die Anwendung von Gesetzen.
Selbst mit der Anwendung der Gesetze, und da will ich jetzt einmal das Beispiel der LampedusaFlüchtlinge anführen, nehmen Sie es nicht so genau. Ich kann Ihnen nicht ersparen, noch einmal zu zitieren, was der Innensenator am 12. Juni hier vor dem Parlament gesagt hat:
"Mit Eintritt der Mittellosigkeit halten sich diese Menschen nicht mehr rechtmäßig hier auf. Dies führt zum unmittelbaren Eintritt der Ausreisepflicht, und diese Ausreisepflicht entsteht kraft Gesetzes ohne einen vorherigen hamburgischen Verwaltungsakt. Ein ausreisepflichtiger Ausländer ist verpflichtet, das Bundesgebiet zu verlassen. Kommen die betreffenden Drittstaatsangehörigen dieser Verpflichtung nicht nach, so wird die Abschiebung angedroht und, wenn nicht freiwillig, auch staatlich vollzogen. […] Also führt auch dieser Weg zwangsläufig nach Italien."