Protocol of the Session on January 23, 2014

Frau Dr. von Berg, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Scheuerl, ich muss Ihnen einmal eine kleine Nachhilfe zum Thema Kompetenzbegriff geben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sehr gut!)

Kompetenz heißt Wissen plus Haltung plus Motivation und vor allen Dingen plus Können. Wenn Sie nur aufs Wissen abzielen, dann erzielen Sie bei den Schülerinnen und Schülern sogenanntes Eunuchenwissen. Sie wissen, was sie können sollten, aber sie können es nicht umsetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Liebe Frau von Treuenfels, wenn Ihr Antrag Wirklichkeit werden würde und ich Schulleiterin wäre, wissen Sie, was ich machen würde? Ich würde allen meinen Lehrkräften anordnen, die Vergleichsarbeiten zu üben. Ich würde anordnen, nur noch gute Noten zu geben. Ich würde anordnen, auf jeden Fall eine Gymnasialempfehlung zu geben, dann schneidet man auch gut ab. Ich würde anordnen, dass meine Schülerinnen und Schüler den Abschluss bekommen, egal wie.

(Jens Kerstan GRÜNE: Fünfen werden nicht mehr gegeben!)

Fünfen sind verboten, genau, Herr Kerstan.

Ich würde möglichst wenige Kinder in Förderkurse schicken, wenn ich Schulleiterin wäre. Das hat doch nichts mit guter Schule und gutem Unterricht zu tun, das verändert null.

(Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und vereinzelt bei der SPD – Dora Heyenn DIE LINKE: Unverantwortlich!)

Mein Kollege Herr Holster hat schon gesagt, dass Sie einfach den Sinn und Zweck von Schulinspektion nicht verstanden haben. Es geht darum, den Spiegel vorzuhalten und zu sagen, das könne die Schule gut, das könne sie noch nicht gut und dann entsprechende passgenaue Unterstützung anzubieten. Darum geht es in der Schulinspektion und nicht darum, nur den vermeintlichen Output zu messen.

Die Gefahr des Rankings ist real vorhanden, wenn die Ergebnisse mit allen Kennzahlen und allem Drum und Dran veröffentlicht werden. Bildung ist aber nicht quantifizierbar. Bildung ist viel mehr als nur Input und Output. Bildung und Schule sind nicht Qualitätsmanagement nach Steuerung und Zielen. Das funktioniert in der Schule nicht so, und Rankings sind einfach eine Gefahr, der wir uns nicht verschließen dürfen. Wir haben alle gemerkt, was passiert ist, nachdem das "Hamburger Abendblatt" das Ranking veröffentlicht hat. Das darf hier nicht passieren, es ist nicht gut für Hamburg.

(Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Sie wissen doch alle, was in England bezüglich dieser Rankings nach der Veröffentlichung der Schulinspektionsergebnisse passiert ist. Da sind reihenweise Schulen geschlossen worden, weil die Eltern sagten, das seien schlechte Schulen. Das wollen Sie doch wohl in Hamburg nicht.

(Zuruf von Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP)

Und wenn ich mir als Beispiel einmal die Abiturnoten anschaue, dann müsste die Hälfte aller Stadtteilschulen oder noch mehr geschlossen werden.

(Dr. Walter Scheuerl)

Das ist prima, dann werden die Kinder umverteilt. Erklären Sie das den Eltern, den Lehrkräften und auch den Schulleitungen, und dann wollen wir einmal schauen, was in dieser Stadt passiert. Was Sie mit Ihrem Antrag bezwecken, ist schädlich und überhaupt nicht hilfreich für Hamburg. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Frau Heyenn, Sie haben das Wort.

Herr Holster hat recht: endlich einmal wieder eine Schuldebatte und ein FDP-Antrag zur Schulinspektion. Das machen Sie öfter, das ist nichts Neues, das kommt in regelmäßigen Abständen. Neu ist eines: Früher hat die FDP immer argumentiert, dass die Schulinspektion die Schulqualität verbessern soll. Jetzt wollen Sie, dass die Schulinspektion Daten liefert, damit die Schulen in dieser Stadt durch fragwürdige Kriterien in gute und schlechte Schulen aufgeteilt werden.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Das kann man doch nicht glauben!)

Und das führt zum Schulunfrieden, das ist gerade beschrieben worden.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Man verbessert nicht die Schulqualität, indem man irgendwelche Outputindikatoren misst. Das kostet viel und bringt wenig. Besser ist es, in Inputqualität zu investieren, also zum Beispiel in Doppelbesetzungen bei der Inklusion oder in eine gute Schulverpflegung. Deswegen haben zum Beispiel Länder wie Finnland und Bundesländer wie SchleswigHolstein die Schulinspektion insgesamt wieder abgeschafft, und es ist bekannt, dass auch wir nach wie vor gegen die Schulinspektion sind, weil noch in keinem Punkt bewiesen ist, dass die Schulinspektion, die wir hier durchführen, den Unterricht auch nur einen Deut verbessert. Schulinspektion kostet nicht nur viel und ist wenig effizient, sie ist auch gefährlich und zerstörerisch. Das will ich gerne erklären. Als die Schulinspektion 2006 eingeführt wurde, haben die Schulbehörde und der Senat hoch und heilig versprochen, dass die Ergebnisse niemals veröffentlicht werden. 2011 hat die Bürgerschaft dieses Versprechen gebrochen, genau genommen ist Herr Senator Rabe vor der FDP eingeknickt.

(Katja Suding FDP: Ein lichter Moment! – Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Oh, das hören wir gerne!)

Das Ranking rückt immer näher und zu befürchten ist, dass durch ein Ranking der Trend der Eltern, ihre Kinder bei den vermeintlichen Spitzenschulen

anmelden zu wollen, noch verstärkt würde. Das Beispiel mit England ist gerade eben genannt worden. Dadurch geraten einerseits Schulstandorte in Gefahr, und an den stark angewählten Schulen werden Schülerinnen und Schüler abgewiesen. Was dann passiert, haben wir gerade in den Grundschulen erlebt. Da freuen sich die Rechtsanwälte, da gibt es jede Menge Widersprüche, und da geht es richtig zur Sache.

Die LINKE fordert, dass alle Schulen gleich attraktiv sind. Dafür muss die Schulbehörde sorgen. Die Aussage von Bürgermeister Scholz im Wahlkampf, alle Schulen zu Palästen machen zu wollen, hört sich gut an. Sie bekommt aber einen schalen Beigeschmack, wenn die Schulinspektion dazu führt, dass die selbsternannte Elite Schulpaläste findet und für die anderen dann die Schulhütten übrig bleiben. Das geht nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Durch die Schulinspektion und die Veröffentlichung ihrer Ergebnisse, wie Sie das in Ihrem Antrag fordern, wird die soziale Spaltung in dieser Stadt weiter vorangetrieben. Durch Ihren Antrag soll die Qualität der Arbeit an den Schulen verbessert werden. Nun haben wir uns einmal angeguckt, was Sie da alles so fordern. Als Erstes fordern Sie zum Beispiel, dass die Anzahl der Gymnasialempfehlungen veröffentlicht werden soll. Heißt das dann, dass eine Grundschule mit vielen Gymnasialempfehlungen eine gute Schule ist und eine Schule mit wenigen Gymnasialempfehlungen eine schlechte oder umgekehrt? Was für ein Indiz ist das überhaupt?

(Beifall bei Lars Holster SPD)

Oder hat es vielleicht etwas damit zu tun, in welchem Stadtteil diese Schule liegt? Das ist vielleicht eher der Fall.

(Beifall bei Dr. Andreas Dressel SPD und Christiane Schneider DIE LINKE)

Wir hätten uns gewünscht, dass man sich einmal überlegt – und da bin ich schon lange mit dem Senator im Gespräch und hoffe, dass er eines Tages Einsicht zeigt –, von dieser Form der Gymnasialempfehlung wieder wegzukommen, damit man der Stadtteilschule mehr Chancen einräumt. Das wäre einmal eine Idee.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE, Dr. Stefanie von Berg und Christa Goetsch, beide GRÜNE)

Als Zweites wollen Sie bei den weiterführenden Schulen die Ergebnisse der zentralen Abschlussprüfungen und die durchschnittlichen Abschlussnoten veröffentlicht wissen. Es stellt sich doch die Frage, wo denn da die pädagogische Arbeit abgebildet wird. Die Lernzuwächse sind überhaupt nicht zu erkennen. Das Einzige, was man erkennen kann, ist, dass an dieser Schule besonders

(Dr. Stefanie von Berg)

viele leistungsstarke beziehungsweise besonders viele leistungsschwache Schüler den Abschluss gemacht haben. Aber dass es auf dem Weg dahin vielleicht anfangs wenige waren und zum Schluss viele oder umgekehrt, das wird überhaupt nicht deutlich. Insofern muss ich Ihrer These widersprechen, es stimme keineswegs, dass, wenn Ihr Antrag umgesetzt würde – Gott sei Dank wird er nicht umgesetzt, hoffe ich jedenfalls –, die Schulen in den sozial schwachen Stadtteilen an den Pranger gestellt würden. Was bedeuten diese drei Forderungen denn sonst? Nichts anderes, als Schulen in sozial schwachen Gebieten an den Pranger zu stellen, und das kann wohl nicht Sinn der Schulpolitik sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Besonders dramatisch ist, dass Sie auch noch fordern, die Quote der Schüler, die in der 6. Klasse vom Gymnasium abgehen müssen, für die einzelnen Schulen zu veröffentlichen. Da ist auch wieder die Frage, ob ein Gymnasium, das besonders viele Schüler aussortiert, dann eine besonders gute Schule ist oder eine besonders schlechte. Ich würde sagen, dass es eine besonders schlechte Schule ist, weil sie nicht in der Lage ist, die Schüler, die sie aufgenommen hat, auch wirklich zum Erfolg zu führen. Das wäre doch eigentlich die Aufgabe einer jeden Schule; keine andere Schule kann es sich leisten, die Schüler, die sie bekommen hat, nicht zum Ziel zu führen.

Bei Ihrem Antrag fällt auf, dass Sie Gymnasialempfehlungen oder Abschulung von Gymnasien in den Vordergrund stellen, und das ist auch wieder ziemlich entlarvend. Nach diesem Antrag nehme ich Ihnen Ihr Bekenntnis, das Sie ab und an hier abgeben, dass Sie die Stadtteilschule stärken wollen, überhaupt nicht mehr ab.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Das ist aber schade!)

Das ist genau das Gegenteil von dem, was hier drinsteht. Wir lehnen den Antrag ab und hoffen, dass der Schulsenator nicht wieder einknickt.

Zu Herrn Scheuerl noch: Wir sind auch dafür, dass man fördert und fordert und Talente entdeckt und zum Ziel bringt, aber das erreicht man mit Sicherheit nicht, indem man Noten, Empfehlungen und Abschulzahlen veröffentlicht. Das ist nicht der Weg. Das ist der Weg in die weitere soziale Spaltung, und das machen wir nicht mit.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau von Treuenfels hat jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Einiges, was heute gesagt wurde, war, obwohl es

vorhersehbar war, fast ein bisschen langweilig für mich. Ich weiß nicht, warum diese Seite des Hauses und jetzt auch Teile dieser Seite des Hauses einen gesunden Wettbewerb scheuen. Wo ist eigentlich Ihr Problem?

(Dora Heyenn DIE LINKE: Sie haben ein Problem!)

Ich kann das nicht verstehen. Diese Eckdaten sind in der Kommission gefordert worden, und auf die berufen Sie sich doch immer so gerne, aber heute nicht. Es gibt doch nichts zu verstecken. Sprechen Sie den Eltern doch nicht die Mündigkeit ab; die Eltern können mit solchen Daten etwas anfangen.