Protocol of the Session on November 6, 2013

(Dr. Roland Heintze CDU: Da ist er im Mo- ment fast täglich!)

Genau, wo er sich im Moment fast täglich befindet. Man könnte fast schon sagen, das wäre sein zweites Zuhause.

(Ekkehard Wysocki SPD: Bloß kein Neid!)

Damit haben wir kein Problem.

In Berlin sind seine Genossinnen und Genossen schon relativ weit. Die Berliner Integrationssenatorin Dilek Kolat hat sich Ende Oktober für eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge in Europa und eine humane europäische Flüchtlingspolitik ausgesprochen. Die SPD-Bundestagsfraktion gab am 28. Oktober eine Pressemitteilung heraus, in der die Abgeordnete Kerstin Griese eine verstärkte innereuropäische Solidarität und die Einführung eines fairen Verteilerschlüssels forderte.

Wir Liberalen fordern nicht nur pauschal einen europaweiten Verteilerschlüssel, wir wollen diesen auch konkret ausgestaltet haben, denn mit pau

(Erster Vizepräsident Frank Schira)

Die Wahlergebnisse sind auf Seite 5417 zu finden.

schalen Forderungen kommen wir nicht voran. Die konkrete Ausgestaltung eines europaweiten Verteilerschlüssels sollte sich am Vorbild des bereits zwischen den deutschen Bundesländern angewandten und bewährten sogenannten Königsteiner Schlüssels orientieren.

(Sören Schumacher SPD: Ist das jetzt eine Rede für das Europaparlament? – Kazim Abaci SPD: Wir sind doch in Hamburg!)

Eine Verteilung auf die Mitgliedsstaaten soll je nach Bevölkerungsstärke und Wirtschaftskraft erfolgen. Darüber hinaus soll eine schnellere Integration ermöglicht werden, indem auf bestehende familiäre Bindungen in einem Mitgliedsstaat sowie bestehende Sprachkenntnisse Rücksicht genommen wird. Der Antrag hat also nicht nur den Anspruch, ein gerechteres, sondern auch ein soziales Verteilungssystem erreichen zu wollen.

Liebe Genossinnen und Genossen aus Hamburg, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich spreche genau Sie an. Wir können in Deutschland nicht unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen, so realistisch sollten wir alle sein, aber die Flüchtlingskatastrophen haben uns gezeigt: Eine Reform bei der Verteilung von Flüchtlingen ist notwendig, und diese muss europaweit vorangetrieben werden. Insofern ist ein jetziges Handeln angezeigt. Wir begrüßen also die Überweisung unseres Antrags an den Innenausschuss, sind aber der Auffassung, dass eigentlich ein sofortiges Handeln nottut, damit Deutschland sich im Juni 2014 auch wirklich für ein faires und soziales Verteilungssystem für Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge auf europäischer Ebene einsetzt. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP – Vizepräsidentin Bar- bara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Das Wort bekommt Herr Dr. Schäfer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sie haben völlig recht, Frau Kaesbach, das Unglück vor Lampedusa hat nicht nur die europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik ins Bewusstsein von uns allen gerückt, sondern es fordert uns alle auch auf, Konsequenzen aus ihm zu ziehen. So muss die Sicherung der EU-Außengrenzen menschenrechtskonform gestaltet werden, und es kann nicht sein – das ist völlig unmöglich –, dass in Seenot geratene Menschen nicht sofort gerettet werden. Der Gedanke ist unerträglich, dass erst gefragt wird, um wen es sich denn handele, bevor Rettungsmannschaften hinausfahren und Menschen aus Seenot retten. So geht es nicht.

(Beifall bei der SPD, der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Es ist auch richtig, sich angesichts dieser Katastrophe Gedanken zu machen, wie die europäische Flüchtlingspolitik möglicherweise neu gestaltet werden könnte, und es ist selbstverständlich richtig zu überlegen, wie die Flüchtlingsströme so verteilt werden können, dass die Länder, die die Flüchtlinge aufnehmen, auch selbst so ausgestattet sind, dass diese Flüchtlinge menschengerecht untergebracht sind und ihre Betreuung gewährleistet ist.

Allerdings kommen jetzt ein paar Sachen, die mich etwas ratlos machen. Wenn ich mich recht erinnere, dann hat die bisherige Bundesregierung unter FDP-Beteiligung gerade der neuen Dublin-III-Verordnung zugestimmt. Von daher verwundert es mich, dass Sie nun auf regionaler Ebene das alles reparieren möchten. Erst stimmen Sie zu, und dann sagen Sie, wir reparieren es. Das wundert mich ein bisschen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben recht, dass die Verteilung in Europa möglicherweise ungerecht ist – ich sage es vorsichtig –, aber der Königsteiner Schlüssel, auf Europa angewandt, würde dann doch zu merkwürdigen Ergebnissen führen. Ich darf Ihnen die Zahlen von 2012 vor Augen führen. Damals gab es in der Bundesrepublik 77 650 Asylanträge. Von diesen 77 650 Asylbewerbern hätten ungefähr 23 000 auf andere europäische Länder verteilt werden müssen, wenn man den Königsteiner Schlüssel zugrunde gelegt hätte. Italien hätte dann ungefähr 23 000 Asylbewerber zusätzlich aufnehmen müssen. Ich glaube nicht, dass Sie das möchten.

(Beifall bei der SPD – Kai Voet van Vormi- zeele CDU: Das wissen Sie doch gar nicht!)

Daher ist es richtig, dass Sie zwar den Königsteiner Schlüssel ansprechen, aber in Ihrem Antrag auch schreiben, dass darüber hinaus familiäre Bindungen und Sprachkenntnisse berücksichtigt werden und eine Verteilung auf die Mitgliedsstaaten je nach Bevölkerungsstärke – das wäre der Königsteiner Schlüssel – und Wirtschaftskraft erfolgen sollte.

(Glocke)

Herr Dr. Schäfer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bläsing?

Aber gern.

Vielen Dank, Herr Dr. Schäfer. – Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir den Königsteiner Schlüssel quasi nur als Beispiel genommen haben und er nicht 1:1 auf EU-Ebene umgesetzt werden soll? Das ist eine Kann-Option, eine mögliche Variante.

(Martina Kaesbach)

Ich habe gerade eben, indem ich aus Ihrem Antrag zitiert habe, ausgeführt, dass es richtig ist, auch andere Kriterien hinzuzuziehen, und es falsch wäre, ausschließlich die Kriterien des Königsteiner Schlüssels heranzuziehen.

(Beifall bei der SPD)

Eine Umverteilung auf europäischer Ebene entsprechend den von Ihnen vorgeschlagenen Maßgaben wäre im Übrigen auch nicht ganz so einfach vorzunehmen, wie es in der relativ kleinen Bundesrepublik möglich ist. Jemanden von einem Bundesland in ein anderes Bundesland zu bringen ist doch viel einfacher, als jemanden aus einem südeuropäischen Land zwangsweise – oder wie ist das gedacht – in ein nordeuropäisches Land umzusiedeln.

(Finn-Ole Ritter FDP: Dann sagen Sie doch mal Ihren Vorschlag!)

Es wäre sinnvoll, darüber etwas mehr nachzudenken, als es bei Ihrem Antrag geschehen ist.

(Beifall bei der SPD)

Daher schlagen wir Ihnen vor, das ruhig und ordentlich im Ausschuss zu beraten und nicht solche Schnellschüsse zu beschließen, denn das wäre falsch.

(Beifall bei der SPD)

Es muss obendrein europaweit sichergestellt werden, dass der Verpflichtung auf Gewährung von Mindeststandards für Flüchtlinge in jedem Land nachgekommen wird. Dort, wo das nicht der Fall ist, muss von EU-Seite aus Druck ausgeübt werden, damit das geschieht. Das ist dringend geboten.

(Beifall bei der SPD)

Nun hat Hamburg auf mögliche Reformen der europäischen Flüchtlingspolitik nicht unmittelbar Einfluss. Der Einfluss, den man geltend machen kann, ist zunächst einmal begrenzt; wir sollten es dennoch versuchen, ohne jeden Zweifel. Was wir aber tun können, ist, konkret vor Ort zu helfen, und das leistet die Stadt.

(Finn-Ole Ritter FDP: Ja, genau!)

Hamburg stellt sich gerade in diesen Wochen in besonderem Maße seiner humanitären Verantwortung.

(Finn-Ole Ritter FDP: In Turnhallen und Zel- ten!)

Angesichts der stetig wachsenden Flüchtlingszahlen entstehen überall neue Unterkünfte, was besonders in einem Stadtstaat nicht ganz einfach ist. So freut es mich ausdrücklich, dass es nun in Harvestehude eine Initiative gibt, die es unterstützt, die Sophienterrassen als mögliche Flüchtlingsun

terkunft zu nutzen und das im Stadtteil voranbringen will. Ich lade meine Mitwahlkreisabgeordneten Herrn Steffen und Frau Wolff – beide sind gerade nicht da – ein, dabei tatkräftig mitzuwirken, sodass wir in dieser Sache gemeinsam an einem Strang ziehen, und zwar am selben Ende des Stranges, um das, was wir auf Hamburger Ebene tun können, auch tatsächlich voranzubringen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Voet van Vormizeele.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will relativ nahtlos dort ansetzen, wo Herr Dr. Schäfer eben aufgehört hat, denn auch ich muss feststellen, dass mir bei diesem Antrag ein bisschen der Glaube fehlt, dass die dort genannten Punkte irgendetwas mit einer Lösung zu tun haben, auch wenn er versucht, einen Lösungsansatz für sich in Anspruch zu nehmen. Man kann in der Tat über viele Felder der Flüchtlingspolitik in Europa reden, die wir anders und besser gestalten müssen. Ich glaube aber, dass Dublin III hierzu wesentliche Bestandteile beisteuert. Ich will noch einmal deutlich machen, dass der hier vermittelte Eindruck, Deutschland und allen voran Hamburg würde nicht ausreichend Verantwortung übernehmen, schlichtweg nicht zutreffend ist.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

In Deutschland haben wir im vergangenen Jahr 80 000 Flüchtlinge aufgenommen. Wir können Ihnen heute schon sagen, dass wir im Jahr 2013 voraussichtlich eine Zahl um die 120 000 erreichen werden. Das ist viel Verantwortung, die wir, wie ich finde, auch in einer großen Gemeinsamkeit der Demokraten tragen. Es wird aber der Eindruck erweckt, dass gerade Italien unter der Last ächzt und stöhnt; man muss aber die Zahlen ein bisschen relativieren. In Deutschland kommen auf 1 Million Einwohner 946 Flüchtlinge, in Italien kommen auf die gleiche Einwohnerzahl 260 Flüchtlinge. Die Belastung in Italien ist eine völlig andere, und ich weiß momentan nicht, wie wir die humanitären Probleme durch eine andere Verteilung lösen wollen. Das ist kein Lösungsansatz.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich finde auch, dass insbesondere der Hinweis auf den Königsteiner Schlüssel spannend ist, denn noch vor ein paar Wochen – wenn wir uns einmal zurückerinnern – haben wir in diesem Hause Debatten über eine Problemlage geführt, die zum Teil aus diesem Königsteiner Schlüssel heraus erst entstanden ist, nämlich die Residenzpflicht. Das Ganze macht nur Sinn, wenn ich sage: Liebe Leute, wir verteilen euch, dann müsst ihr aber auch