Protocol of the Session on November 6, 2013

(Christiane Schneider DIE LINKE: Ja, ge- nau, für alle!)

Gewalt ausüben und andere Menschen bedrohen. Hier gibt es für mich keinen Unterschied.

(Beifall bei der CDU und bei Katja Suding und Carl-Edgar Jarchow, beide FDP)

(Barbara Nitruch)

Wir wollen Extremismus nicht generell in Abrede stellen, aber wir müssen deutlich sagen: Wer in dieser Demokratie Gewalt ausübt und meint, seine politischen Ziele mit Gewalt durchsetzen zu können, der muss von allen Demokraten geächtet werden. Wir brauchen daher auch dort diese politische Anstrengung. Ich hoffe, dass der Senat nicht nur in seinem Bemühen, den Rechtsextremismus zu bekämpfen, voranschreitet, denn wir brauchen ein Programm gegen politischen Extremismus von allen Seiten. Das ist unsere Forderung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Nun hat Frau Möller das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Senat hat gestern in seiner Landespressekonferenz ein Programm vorgestellt, das nicht allein seines ist. Dieses Programm ist zum Glück in einem großen Prozess entstanden, der sich noch aus dem Zusammenschluss unter der Überschrift "Hamburg bekennt Farbe" herleitet. Man hatte sich damals gegen den "Tag der deutschen Zukunft" zu einem breiten Bündnis zusammengefunden. Ich finde es gut, dass dieser Arbeitszusammenhang erhalten geblieben ist, sage aber gleichzeitig deutlich, dass wir auch im Parlament noch die Möglichkeit haben müssen, uns zu diesem Landesprogramm verhalten zu können – nicht nur in der Aktuellen Stunde, sondern zum Beispiel auch mit Anträgen. Das ist so besprochen, und ich gehe davon aus, dass wir die Gelegenheit bekommen werden.

Die breite Verankerung in zivilgesellschaftlichen Gruppen hat dem Landesprogramm gut getan. Vor allem aber hat der analytische Ansatz der sogenannten "Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit", der auch in der Wissenschaft große Akzeptanz gefunden hat, dem Landesprogramm die Basis geliefert.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Wir reden hierbei aber über weit mehr als nur über Rechtsextremismus, so auch darüber, wo dieser eigentlich herkommt und was die Basis für ihn darstellt. Diese Basis liegt bei Themen wie Rassismus, Chauvinismus und Diskriminierung. Hier setzt die grüne Kritik an. Die Themen Antidiskriminierungsgesetz und Schutz vor Diskriminierung in unserer Gesellschaft rutschen ein wenig an den Rand, zumindest im aktuellen Fokus. Es kann bei einem Landesprogramm gegen Rechtsextremismus aber nicht nur darum gehen, gegenüber Rechtsextremen zu sensibilisieren, sondern man muss auch darüber sprechen, welche Gedanken den Weg dafür bereiten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Ich glaube, dass das immer mitgedacht wird, aber es fehlt an konkreten Maßnahmen und Ideen. Die Weiterentwicklung und Umsetzung wird ein Prozess bleiben, und deswegen weise ich auf diesen nicht unwichtigen Punkt hin. Von Diskriminierung sind vor allem Menschen mit Migrationshintergrund betroffen. Ein Träger hat dafür ein spezielles Beratungsangebot. Dessen Fälle lagen im Jahr 2011 bei der Zahl 60, und in 2012 ist sie schon auf knapp 100 gestiegen. Das bedeutet, dass es weiteren Bedarf gibt und dass wir dieses Angebot nicht aus den Augen verlieren dürfen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Es ist zwar gut, dass es eine Finanzierung für 2014 gibt, aber es wird unsere parlamentarische Aufgabe sein, auch für die nachfolgenden Jahre für eine feste Finanzierung zu sorgen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Selbstverständ- lich!)

Die Formulierung von "Hamburg bekennt Farbe" zu "Hamburg – Stadt mit Courage" finde ich gut. Die Courage müssen wir natürlich noch zeigen. Sie zeigt sich nicht nur in Programmen, sondern im Handeln. Man muss sich selbst kritisch sehen, und wir müssen über unseren Umgang mit ethnischen Gruppen und den immer wieder entstehenden Streit diskutieren, inwiefern das Handeln der Behörden möglicherweise von – vorsichtig formuliert – wenig interkultureller Kompetenz geprägt ist. Wir müssen auch darüber diskutieren, was rassistisch und was diskriminierend ist.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Das hängt zusammen, und wir können nicht nur sagen, dass alles im Landesprogramm steht, sondern wir müssen dieses Programm zum Leben erwecken.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Wir sind auf einem guten Weg, und ich wünsche mir, dass der große Zusammenhalt, der zur Erstellung des Landesprogramms beigetragen hat und seine Impulse hineingegeben hat, weiterhin besteht und dass wir als Parlament dazukommen. Dann kann es richtig gut werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Nun bekommt Herr Jarchow das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Nitruch, erlauben Sie mir vorab die Bemerkung, dass wir als Freie Demokraten das gestern vorgestellte Landesprogramm grundsätzlich begrüßen. Es geht in die richtige Richtung. Trotzdem waren wir etwas erstaunt, bei der Anmeldung der SPD für die heutige Aktuelle Stunde das Thema in dieser Form vor

(Kai Voet van Vormizeele)

zufinden, da ein konkreter Anlass für eine ausführliche Diskussion im Hause erst dann besteht, wenn die Senatsdrucksache vorliegt. Konkreten Anlass gäbe es aktuell eher dazu, die offensichtlich fehlenden Antworten des Senats auf die Welle politisch motivierter Kriminalität mit linksextremistischem Hintergrund zu erörtern, die Hamburg und seine Bürger gegenwärtig überrollt und unsere Sicherheitsbehörden an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit führt. Von diesem Problem bei der Extremismusbekämpfung darf nicht abgelenkt werden.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Nach unseren Informationen ist die Senatsdrucksache mittlerweile fast fertig, und wir hoffen, dass wir sie in Kürze in der Bürgerschaft diskutieren können. Was soll es uns also bringen, hier und heute dieses Thema zu beraten, kurz bevor die betreffende Drucksache vorliegt? Das erschließt sich uns nicht.

Nach den uns bekannten Inhalten der Drucksache zum Landesprogramm wäre es allerdings durchaus verständlich, die Debatte vorzuverlagern.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Sagen Sie doch mal was zum Thema!)

Ich bin gerade dabei, liebe Frau Schneider.

Leider wurden die wesentlichen Defizite der bisherigen Maßnahmen zur Bekämpfung des Rechtsradikalismus in Hamburg und Norddeutschland aus unserer Sicht zu wenig berücksichtigt. Wir Freien Demokraten haben im Laufe dieser Legislaturperiode während der Haushaltsberatungen und bei verschiedenen anderen Anlässen deutlich gemacht, was für wirksames Handeln gegen politischen Radikalismus, insbesondere denjenigen von der rechten Seite, notwendig und wichtig wäre. Es bringt nichts, unter diesem Etikett mit der Gießkanne möglichst viel Steuergeld in der Stadt zu verteilen. Die erhebliche Aufstockung der Mittel im Haushalt ohne Vorliegen eines tragfähigen Konzeptes wird die Lage nicht spürbar verbessern können. Um Rechtsradikale und deren Aktivitäten wirksam zu bekämpfen, kommt es darauf an, Behördenressourcen und finanzielle Zuwendungen an Akteure der Zivilgesellschaft zielgerichtet und ergebnisorientiert einzusetzen. Das anzustrebende Ergebnis sollte dabei vernünftigerweise die Bekämpfung der rechtsextremistischen Aktivitäten selbst und nicht die Alimentation konkurrierender politischer Gruppen sein.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Dabei wirkt sich offenbar der zugrundeliegende Fehlansatz aus, die Federführung für das Landesprogramm in die Behörde für Soziales und Arbeit zu geben, obwohl wirksame Maßnahmen eigentlich in die klassischen Handlungsfelder von Innenund Schulbehörde fallen würden.

Wir haben außerdem immer wieder darauf hingewiesen, dass finanzielle Zuwendungen aus Steuergeldern nicht solchen Organisationen und Akteuren zufallen dürfen, die sich im Umfeld oder in der Nähe von Kräften bewegen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung eingestellt sind.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wir brauchen ein wirksames, zielorientiertes Vorgehen des Staates gegen die Gefahren von politischem Extremismus und politisch motivierter Gewalt, das stets daraufhin zu überprüfen ist, ob es zielführend ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Özdemir, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch ich kann für meine Fraktion sagen, dass wir den Landesaktionsplan zur Förderung demokratischer Kultur, Vorbeugung und Bekämpfung von Rechtsextremismus begrüßen. Wir können zwar sehen, dass die Zahl der Personen, die rechtsextremen Parteien und Organisationen angehören, in Hamburg stetig zurückgeht. Das ist jedoch für uns kein Grund zur Beruhigung, weil wir wissen, dass Menschen mit einem rechtsextremen Weltbild zu schlimmen Taten fähig sind. Das haben uns die Grausamkeiten der Vergangenheit und Gegenwart deutlich gemacht, so die NSU-Mordserie, der Mord an Süleyman Tasköprü in der Schützenstraße, der Brandanschlag in Mölln, die Vorfälle in Lichtenhagen und Hoyerswerda oder aber Alberto Adriano, der im Jahr 2000 in Dessau von rechtsextremen Menschen zu Tode geprügelt wurde. Gerade vor dem Hintergrund solcher schrecklichen Taten sind gesellschaftliche Präventionen und Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Rassismus wichtig und notwendig, denn die Gefahr von rechts darf nie wieder unterschätzt werden.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD und der FDP)

Es ist lobenswert, dass das Landesprogramm das Phänomen der "Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit" als Ansatz wählt und deutlich macht, dass verschiedene Formen von Menschenfeindlichkeit miteinander zusammenhängen und einen gemeinsamen Kern besitzen. Der Kern des Syndroms ist die Ideologie der Ungleichwertigkeit von Menschen. Im Landesprogramm sind auf Basis empirischer Analysen in Deutschland zwölf Elemente des Syndroms angegeben. Sie wurden von sieben auf zwölf erhöht. Dazu gehören neben Fremdenfeindlichkeit und Rassismus auch die Abwertung von obdachlosen, langzeitarbeitslosen

(Carl-Edgar Jarchow)

und behinderten Menschen sowie Homophobie, Islamfeindlichkeit, Antiziganismus und Antisemitismus. Auch die Gewalt gegen Obdachlose und die Stimmungsmache gegen Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte machen die Abwertung deutlich. Wir können diese Abwertung heute sehen, und auch hier darf die "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" nicht unterschätzt werden, denn sie nimmt laut einer Langzeitstudie zu.

Das Syndrom und seine empirischen Analysen machen deutlich, dass es sich nicht um ein Problem handelt, das am Rande der Gesellschaft existiert, sondern das aus der Mitte der Gesellschaft kommt. Viele Betroffene können das Problem nicht als Rassismus oder Diskriminierung benennen, weil daraufhin eine Abwehrreaktion erfolgt. Es muss aber deutlich werden, dass es genug Ereignisse, Vorfälle und auch aktuelle Erfahrungen gibt, die das Problem bestätigen. Auch in der Alltagssprache gibt es Rassismus und Diskriminierung. Sprache ist jedoch veränderbar, genau wie die Gesellschaft auch.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb muss das Problem, wenn es sich um Rassismus oder Diskriminierung handelt, benannt werden. Es muss darüber gesprochen werden, ohne dass man auf eine empörte Abwehrreaktion stößt und zu hören bekommt, man sei empfindlich. Wenn Probleme benannt werden, können sie aufgearbeitet und in Zukunft verhindert werden. Dass einer der Schwerpunkte des Programms lautet, Kinder und Jugendliche zu fördern und zu sensibilisieren, ist gut, denn Kinder eignen sich ein Grundgerüst von Normen und Werten an. Gerade heute, wo Facebook und Twitter sowie das Internet allgemein eine zentrale Rolle im Leben der Kinder und Jugendlichen spielen, ist es wichtig, die Medienkompetenz mit Blick auf rechtsextreme Inhalte zu erhöhen.

Wir sehen auch, dass die interkulturelle Öffnung weiter vorangetrieben werden muss. Dass einige Menschen mit Migrationshintergrund in den Behörden eingesetzt werden, reicht nicht aus. Es müssen auch interkulturelle Schulungen verbindlich gemacht werden, das heißt, interkulturelle Kompetenzen müssen Pflicht werden.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Ein Beschwerdemanagement einzuführen ist richtig, aber die gemeldeten Vorfälle sollen wirklich ernst genommen werden und nicht im Sande verlaufen. Bei den interkulturellen Schulungen, die im öffentlichen Dienst durchgeführt werden, ist es eine Sache, sich die interkulturellen Kompetenzen anzueignen. Die andere Sache ist aber, die Arbeitsweisen kritisch zu reflektieren und sich ernsthaft mit ihnen auseinanderzusetzen.