Protocol of the Session on November 6, 2013

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Wersich, das war eine zu 90 Prozent wirklich angemessene Rede. Auch wir glauben, dass der "Sprung über die Elbe" mit dem Projekt der IBA geklappt hat, und diese Stadt kann zu Recht stolz auf dieses Projekt sein.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich will nicht all das wiederholen, was Sie schon angemerkt haben, nämlich dass wir über viele Jahre etwas entwickelt haben, das deutschlandweit einmalig war. Es sind über 60 Projekte, Sie haben schon darauf hingewiesen. Wir haben Grünflächen von 70 Hektar plus der igs-Fläche von 100 Hektar angefasst und umgestaltet. Wir haben viele innovative Bauobjekte geschaffen.

(Zuruf von Dietrich Wersich CDU)

Und wir haben es geschafft – das ist sehr, sehr wichtig –, dass die Mitte, die Elbinsel Wilhelmsburg, in den Mittelpunkt der Stadtentwicklung und positiv in den Mittelpunkt des Bewusstseins unserer Bürgerinnen und Bürger gerückt ist. Das ist der große Verdienst.

(Beifall bei der SPD)

Diesen Schwung müssen wir aufnehmen. Deswegen ist es richtig und wichtig, dass wir klargestellt haben, dass wir bis 2020 1 Milliarde Euro in diesen Raum investieren werden – in den Bereich Veddel, in den Bereich Wilhelmsburg und in den Bereich Harburg.

Es sind zwar städtische Gelder in die Elbinsel geflossen, wir hatten aber viele private Investoren und vor allen Dingen die Wilhelmsburgerinnen und Wilhelmsburger, die sich vor Ort engagiert haben, die über viele Jahre diesen Prozess begleitet und letztendlich dafür Sorge getragen haben, dass dieses Superergebnis herausgekommen ist, und denen gilt unser Dank.

(Beifall bei der SPD)

Was wir auch lernen können – ich will nur auf ein Projekt eingehen und nicht auf diese vielen einzelnen Projekte, die Sie eben schon angesprochen haben –, ist, dass wir hier einen sozialen Wandel herbeigeführt haben, ohne dass es zu Verdrängung oder drastischen Mietsteigerungen kommt.

Wir haben es dagegen geschafft, einen sozial verträglichen Wandel zu schaffen. Das ist unsere Form von Stadtentwicklungspolitik, nämlich Stadtteile für alle Menschen zu haben, eine Aufwertung, aber keine Ausgrenzung.

(Beifall bei der SPD)

Das sieht man insbesondere am Beispiel des Weltquartiers, bei dem SAGA GWG über 100 Millionen Euro investiert und Hunderte von Wohnungen modernisiert haben. Wir werden dort künftig einen Mietpreis von 5,60 Euro haben und eine Mietpreisbindung bis zum Jahr 2040. Das, Herr Wersich, unterscheidet uns dann doch ein wenig von Ihnen. Aber wir nehmen das mit, was wir in Wilhelmsburg gelernt und gesehen haben. Wir wollen an vielen anderen Orten in dieser Stadt neuen Wohnungsbau betreiben, aber wir wollen, dass jeder Stadtteil ein Stadtteil für alle bleibt beziehungsweise wird. Jeder Mensch muss sich in dieser Stadt dort aufhalten können, wo er möchte. Wir dürfen die ärmeren und einkommensschwachen Haushalte nicht an die Stadtränder verdrängen. Das müssen wir mitnehmen von der IBA.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen investieren wir in den Wohnungsbau und bauen jedes Jahr 2000 neue Sozialwohnungen. Darüber hinaus – das haben Sie auch schon angesprochen, es ist mir fast schon peinlich, dass ich mich so oft auf Sie beziehe –

(Dietrich Wersich CDU: Sind ja unsere Pro- jekte!)

sind die Themen Bildung und soziokulturelle Verknüpfung, der Abbau von Barrieren zwischen den einzelnen Kulturen ganz wichtige Faktoren für die Weiterentwicklung der Stätten für morgen und die Weiterentwicklung von Hamburg. Die Investitionen in Wilhelmsburg in Bildung und Bildungszentren, in Sport und Bewegung, in Elternschulen und neue Schulen wollen wir fortsetzen. Es ist wohl sehr deutlich geworden, dass Schulbau Hamburg dabei ist, viele 100 Millionen Euro in bessere Bildung zu investieren und damit in bessere Chancen für alle Menschen in dieser Stadt.

(Beifall bei der SPD)

Und wir machen weiter bei der sozialen Stadtentwicklung. Wir sind dabei, zusammen mit den vielen Menschen in dieser Stadt in den einzelnen Stadtteilen Regionen zu entwickeln. Sie haben zu Recht den Hamburger Osten angesprochen. Dort ist eines der größten Stadtentwicklungsgebiete Deutschlands. Im Bereich Horn und Billstedt entwickeln wir mit den Menschen gemeinsam neue Perspektiven für das Quartier, und das wollen wir fortsetzen.

Wir wollen auch fortsetzen – dazu dient auch der Quartiersfonds, den wir eingebracht haben –, dass diese Beteiligungsprozesse, die eigentlich auslau

(Dietrich Wersich)

fen sollten, weitergeführt werden und wir es so schaffen, die Menschen vor Ort mitzunehmen und private und auch städtische Investoren zusammenzubringen. Das ist zum Wohle der Stadt, und auch das haben wir aus der IBA gelernt.

(Beifall bei der SPD)

Insgesamt können wir feststellen, dass die IBA zu Ende geht, die Projekte jedoch bleiben. Die Scharnierfunktion zwischen Nord und Süd, die Wilhelmsburg eingenommen hat, ist gestärkt worden. Wir wollen dort weitermachen mit einer weiteren 1 Milliarde Euro, und wir wollen weiterhin in vielen anderen Stadtteilen kleine IBAs schaffen und in Bildung und Wohnungsbau investieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nun hat Herr Duge das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist nach dem Erfolg und dem Nutzen gefragt worden. Wenn wir den Nutzen messen, dann kann man natürlich verschiedene Maßstäbe anlegen, mit denen man den Nutzen und den Erfolg dieser Internationalen Bauausstellung bewerten kann.

Man kann sich einmal ansehen, was Wilhelmsburg war, bevor der Prozess der IBA einsetzte, und den Maßstab dann daran legen, wie Wilhelmsburg heute aussieht. Wir können aber auch daran messen, welche Vorstellungen wir entwickelt hatten, und zwar durch die verschiedenen Bürgerbeteiligungen in der Zukunftskonferenz. Und man wird dann sehen, dass die Internationale Bauausstellung eine große Anzahl von Projekten umgesetzt hat, dass es aber auch Grenzen gegeben hat, bei denen die IBA letztlich nicht das erfüllen konnte – vielleicht auch nicht, weil sie von der Konzeption her so angelegt war –, was erwartet wurde. Ich habe die IBA immer als einen Auftakt gesehen, einen Prozess, der diesen Stadtteil weiterentwickeln soll und die zweifellos vernachlässigten Potenziale auf dieser Elbinsel zum Aufwachsen bringen soll. Ich denke, dafür hat die IBA eine ganze Menge getan. Ohne diesen Prozess der IBA glaube ich nicht, dass solche Kräfte auf das Präsentationsjahr entwickelt und gebündelt worden wären. Ich glaube auch nicht, dass das Geld zusammengekommen wäre, um die Projekte zu finanzieren, die wir schon haben oder die noch in der Entwicklung sind. Deshalb ist die Frage nach dem Nutzen wichtig, ob die IBA die richtigen Themen angefasst hat und ob sie uns etwas geliefert hat, was wir für andere Stadtteile und die zukünftige Entwicklung gebrauchen können.

Was im Rahmen der IBA zustande gekommen ist, ist schon bemerkenswert. Das bestätigt sowohl die Wahrnehmung der Wilhelmsburgerinnen und Wil

helmsburger als auch die Wahrnehmung vieler Besucher aus Hamburg und von außerhalb. Am offensichtlichsten ist das natürlich immer an den Bauten zu ersehen. Vieles jedoch von dem, was die IBA geschaffen hat, bleibt unsichtbar in den sozialen Strukturen, die nicht so leicht zu erkennen sind und sich erst bei einer genaueren Beschäftigung damit offenbaren.

Wir sehen vielversprechende Antworten zum Thema Stadt im Klimawandel, den Weg zu einer dezentralen, autonomen Versorgung mit Strom mit der Zielsetzung Ende 2020 und dann Ende 2040 die autonome, regionale Versorgung mit Wärme. Dazu sind einige Projekte verwirklicht worden, die sichtbar und erkennbar sind und viel Interesse in der internationalen Öffentlichkeit gefunden haben. Denn nicht nur Hamburg, sondern alle großen Städte haben mit dem Problem des Klimawandels zu kämpfen und suchen nach Antworten, um das Problem in den Griff zu bekommen.

Wir sehen auch Antworten, die es sicher weiter zu bearbeiten und zu diskutieren gilt, beispielsweise die Frage, wie denn die inneren Quartiere gestaltet werden sollen und die Frage der Verdichtung. Sie wird in vielen anderen Stadtteilen sicherlich in Zukunft ein wichtiges Thema sein. Es geht um eine Veränderung und einen Wandel von Stadtteilen, ohne Lebensqualitäten zu verschlechtern, sondern sie im Gegenteil weiterzuentwickeln und zu verbessern mit öffentlichen Einrichtungen, wie zum Beispiel die Sporthalle oder die grünen Bereiche.

Gleichzeitig gilt es, neue Lebensentwürfe der Menschen zu berücksichtigen und zu registrieren, dass die Arbeitswelt sich zunehmend verändert. Leben, Wohnen und Arbeiten gehören zusammen, und dies muss auch in der Quartierskonzeption mit untergebracht werden. Auch hierzu gibt es Antworten, die an einigen Stellen sehr gut sichtbar sind; ich möchte nur den Welt-Gewerbehof nennen.

Eine Frage, die damit zusammenhängt, ist die nach der Verkehrssituation und dem, was sich dadurch verändert. Hier sind dann auch die Grenzen der IBA erreicht, denn hier sind Antworten zu finden, die über das Quartier hinausgehen und gesamthamburgisch gelöst werden müssen. Da erwarte ich ein wenig mehr Einsatz vom Senat, solche Lösungen anzubieten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun hat Frau Suding das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Seit dem letzten Wochenende ist die Internationale Bauausstellung Geschichte, und zwar eine sehr beeindruckende, wie ich finde. Es ist eine Geschichte, auf die Hamburg

(Dirk Kienscherf)

stolz sein kann und die die betreffenden Stadtteile sicherlich verändert hat.

Über 420 000 Besucher wurden im Präsentationsjahr bei circa 3500 Führungen, vielen Veranstaltungen, Ausstellungen und Kongressen gezählt. Unter den Gästen waren Stadtplaner aus China und den USA, Architekten aus Skandinavien und Südkorea und Hochschulen und Stadtverwaltungen aus ganz Deutschland und sogar Europa. Sie alle kamen nach Hamburg, um die IBA zu besuchen, um von ihr zu lernen und neue Erkenntnisse in ihren Heimatregionen umzusetzen.

Zur Geschichte gehört auch – und das ist für Hamburg von enormer Bedeutung –, dass diese Bauausstellung in Stadtteilen realisiert wurde, die noch vor sieben Jahren als soziale Brennpunkte verschrien waren. Das Image von Wilhelmsburg, von Harburg und der Veddel hat sich durch die Bauausstellung extrem gewandelt, es ist positiver geworden. Die Vorbehalte der Hamburger, so meine ich zu erkennen, haben sich verringert. Viele können sich inzwischen sogar vorstellen, südlich der Elbe zu leben.

(Sören Schumacher SPD: Sind ja auch Hamburger!)

Besonders treffend hat es die "Neue Osnabrücker Zeitung" vor ein paar Tagen formuliert. Sie hat geschrieben, dass Wilhelmsburg zum Weltquartier erwachse. Wer hätte sich 2006 eine solche Schlagzeile vorstellen können?

Meine Damen und Herren! Insgesamt wurde in den letzten sieben Jahren etwa 1 Milliarde Euro in circa 63 Projekte investiert, und mehr als 700 Millionen Euro davon stammen von privaten Investoren. Privatinvestitionen in dieser Größenordnung wären vor der IBA und vor allen Dingen ohne die IBA sicherlich undenkbar gewesen. Mit den Investitionen wurden unterschiedlichste Projekte umgesetzt, vom Neubau einer Schule über die Sanierung und Umnutzung einer alten Mühle bis hin zur Schaffung eines Gewerbehofs. Bei meinen Besuchen auf der IBA hat mich besonders die intelligente Algenfassade beeindruckt. Auch wenn das sicherlich kein Modell ist, das absehbar unser Stadtbild prägen wird, so zeigt es doch, welche Möglichkeiten uns künftig bei der Integration moderner Technologien der Energieerzeugung beim Haus- und Wohnungsbau offenstehen, auch ganz abseits der inzwischen schon klassischen Fotovoltaik.

Sicherlich gibt es bei den teilweise erst in diesem Jahr vollendeten Projekten wie der Lotsekaipromenade oder den bislang gar nicht umgesetzten Projekten wie der Brücke zur Schlossinsel auch einige kleine Wermutstropfen, die allerdings den Erfolg der IBA insgesamt nicht schmälern sollten.

Wirklich ärgerlich waren für uns allerdings die Vorgänge um die Kostensteigerungen bei den Projekten des Energiebergs und des Energiebunkers. Ob

diese Ausgaben tatsächlich unter der Prämisse der sparsamen Haushaltsführungen entstanden sind, müssen wir bis heute sehr ernsthaft bezweifeln.

(Beifall bei der FDP)

Für uns sollte es nun gemeinsam darauf ankommen, die Ergebnisse der IBA nicht einfach verpuffen zu lassen. Entscheidend ist es, die richtigen Schlüsse zu ziehen und die gesetzten Impulse für Hamburg, vor allem aber für Wilhelmsburg zu nutzen. Es hat sich gezeigt, dass die befürchtete Gentrifizierung nicht eingetreten ist. Im Rahmen der IBA ist es gelungen, einen Stadtteil aufzuwerten, ohne die angestammte Bevölkerung zu verdrängen. Die Mietpreise sind nach wie vor weit unter dem Durchschnitt anderer Bezirke, und die von manchen geschürte Angst vor Veränderungen oder dem Verlust von Eigenheiten und Charakteristika von Stadtteilen hat sich als schlechter Ratgeber erwiesen.

(Beifall bei der FDP)

Ein Punkt ist mir darüber hinaus noch wichtig. Die bisher etablierten Varianten der Bürgerbeteiligung wie der Beirat zur Stadtentwicklung Wilhelmsburg oder die Sanierungsbeiräte müssen auch weiterhin genutzt und sogar weiterentwickelt werden. Wir sollten auch darüber nachdenken, wie wir diese Form der Bürgerbeteiligung bei der Stadtentwicklung auch in anderen Stadtteilen noch besser nutzbar machen können.