Protocol of the Session on September 12, 2013

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie haben recht, Herr Holster, wir dürfen die Stadtteilschule nicht schlechtreden, und wir dürfen vor allem auch keine neue Strukturdebatte in dieser Stadt anfangen. Aber machen Sie mit Ihrer Regierung – immerhin regieren Sie schon zweieinhalb Jahre und wollten es doch so gern –

(Dirk Kienscherf SPD: Wir machen es auch noch die nächsten 44 Jahre!)

endlich einmal Ihre Hausaufgaben. Es ist doch nicht so, dass die Ergebnisse von KESS 13 eine Überraschung gewesen wären. Tatsächlich erschien im August 2011, also schon während Ihrer Regierungszeit, KESS 10 und KESS 11, die Studie, die sich mit den gleichen Schülern, die jetzt in KESS 13 bewertet wurden, befasst. Diese Studie hat uns sehr genau Auskunft darüber gegeben, wie das mit den Lernausgangsvoraussetzungen dieser Schüler ist. Die Lernausgangsvoraussetzungen genau dieser Schüler waren schlecht, und zwar durchgehend durch fast alle Fächer. Sie waren zum Teil sogar sehr schlecht. Jetzt frage ich Sie, Herr Senator Rabe, was Sie eigentlich in den letzten zwei Jahren gemacht haben.

(Lars Holster SPD: Haben Sie nicht zuge- hört?)

(Lars Holster)

Offensichtlich haben Sie nichts gemacht, sonst wäre nämlich KESS 13 nicht so ausgefallen, wie es ausgefallen ist.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von Gerhard Lein SPD)

Herr Lein, Sie können auch gleich noch sprechen.

Aber schlimmer noch, Sie haben nicht nur nichts für diese konkreten Schüler getan, die im Wesentlichen aus den Gesamtschulen kamen, sondern Sie haben vor allem auch nichts gemacht für die Mittelstufenschüler, die jetzt an den Stadtteilschulen sind.

(Gerhard Lein SPD: Wo haben Sie das denn her?)

Und das ist ein noch schwerwiegenderes Versäumnis, denn es betrifft ausschließlich Ihre Regierungszeit.

(Beifall bei der CDU)

Sie wussten doch, dass das Niveau an den grundständigen Gymnasien so weit über dem der Gesamtschulen lag. Warum haben Sie eigentlich nicht gehandelt? Das ist wirklich ein Versäumnis, das Sie sich allein ans Revers zu heften haben.

(Beifall bei der CDU)

Übrigens haben Sie nicht nur nach KESS 10 und KESS 11 nichts gemacht. Im Februar 2011, noch unter dem damaligen Schulsenator Wersich, haben Sie gemeinsam – ich war damals noch nicht dabei – das Konzept zur Fortentwicklung der beruflichen Bildung verabschiedet. Man fragt sich, warum denn da eigentlich bis heute so wenig passiert ist. Sie tun nicht nur nichts für die Kinder, die Abitur an den Stadtteilschulen machen sollen, Sie tun auch nichts für die Kinder und Jugendlichen, die nach der zehnten Klasse ins duale System sollen.

Gerade einmal 25 Prozent der Absolventen der Stadtteilschulen gehen unmittelbar in die duale Ausbildung. Ist das ein erfolgreiches Ergebnis Ihrer Regierungspolitik? Nein, das ist tatsächlich ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Wir fordern Sie in einer Anfrage nach der anderen auf – ob Schriftliche Kleine Anfragen oder Große Anfragen –, ein Konzept für die Stadtteilschulen vorzulegen und sich endlich mit Differenzierungsmodellen zu befassen.

(Dirk Kienscherf SPD: Mal ruhiger, wir hören Ihnen trotzdem zu!)

Manchmal muss ich mich einfach echauffieren, denn das ist ein Thema, das mich und diese Stadt aufregt, damit müssen Sie einfach leben.

(Beifall bei der CDU)

Die Differenzierungskonzepte haben Sie doch selbst bei den Haushaltsberatungen gefordert, meine Damen und Herren von der SPD. Sie haben Ihren Senator aufgefordert, endlich ein Konzept zur Weiterentwicklung der Stadtteilschule vorzulegen. Was hat der Senator gemacht? Was macht man in so einer Situation? Man richtet eine Kommission ein. So weit, so gut. Aber wir fragen uns, wo denn die Ergebnisse dieser Kommission sind. Bis heute ist nichts vorgelegt worden. Nach zweieinhalb Jahren Regierungszeit ist das wirklich ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der CDU und bei Katja Suding FDP)

Eines will ich an dieser Stelle sehr deutlich sagen, und da bin ich mit Frau von Treuenfels völlig einer Meinung. Sie loben Masse statt Klasse und frönen einem Akademisierungswahn, anstatt sich Gedanken darüber zu machen, wie man die Kinder, die den Weg in eine duale Ausbildung gehen sollen, und die anderen Kinder, die zum Abitur geführt werden sollen, wirklich individuell und persönlich fördern kann. Diesem Thema verweigern Sie sich, weil Sie einfach in diesen rosaroten Träumen verharren, dass jeder Abitur machen soll. Lesen Sie einmal bei Herrn Nida-Rümelin nach – das ist der Vorsitzende Ihrer Grundwertekommission –, wie er das sieht. Es ist einfach ein Konzept, das nicht aufgehen wird.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Tun Sie also endlich etwas dafür, dass die Übergangsquote von der Stadtteilschule in das duale System größer wird als 25 Prozent. Nehmen Sie Ihre Stellenstreichungen, die 55 Stellen, die die Stadtteilschulen sich anrechnen lassen müssen bei der Berufsqualifizierung, und nehmen Sie diesen unsinnigen Beschluss, der auch abweicht von unserem gemeinsamen, einstimmigen Beschluss im Februar 2011, endlich zurück und kümmern sich um die Mittelstufe. Tun Sie das, was Sie die ganze Zeit nur ankündigen, und lassen Sie die Stadtteilschule, die Schüler, die Schulleiter und die Lehrer nicht weiter im Regen stehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat nun Frau Dr. von Berg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich finde es ein bisschen unfair und auch nicht ganz redlich, nun die Ergebnisse der Mittelstufe, die viele Jahre zurückliegen, dem Senator anzuhängen. Da muss man schon genauer hinschauen. Die Ergebnisse der KESS-13-Studie liegen nämlich in der Vergangenheit. Ich muss da auch Herrn Holster unterstüt

(Karin Prien)

zen, denn das war damals ein Schulsystem, das wirklich bis unter die Hutkrempe selektiert war. Es gab die äußere Differenzierung nach Schulformen, und innerhalb der Schulformen wurde noch einmal selektiert nach A-, B- und C-Kursen. Und mit den Ergebnissen mussten wir dann in der KESS-13Studie umgehen. Das gehört zur Ehrlichkeit und zur Fairness auch dazu.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das enorme Potenzial dieser Schulform Stadtteilschule – mein Kind ist auch in einer Stadtteilschule, und ich bin sehr glücklich, das sage ich immer wieder – zeigt sich in den Lernzuwächsen in der Oberstufe. Da zeigt sich nämlich, was Stadtteilschule wirklich kann.

Jetzt muss ich doch zur Kritik kommen, Herr Senator Rabe, denn Sie waren damals angetreten mit Ihrer Aufgabe vor zweieinhalb Jahren, Schulfrieden zu bewahren – das hatten Sie sich selbst auf die Fahne geschrieben – und die Stadtteilschule starkzustellen. Das Letztere hieß, Akzeptanz zu schaffen, die Strukturen zu stärken, die Richtung und das Ziel zu geben und dergleichen mehr, damit alle sagen könnten, das sei eine gleichwertige Alternative zum Gymnasium. Ich sehe die Stadtteilschulen immer noch so an und meine Fraktion übrigens auch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was wir jetzt in der Öffentlichkeit immer wieder wahrnehmen, ist eine gebeutelte Schulform. Und wenn man an die Ursachenanalyse geht, dann war der Grundfehler die Abschaffung des Grundsatzreferats Stadtteilschule. Das war das Referat, das der Stadtteilschule Richtung, Struktur und Zukunft geben sollte. Und das war ein Fehler, von dem wir im negativen Sinne heute noch zehren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die daraus resultierenden Fehler waren eine ungesteuerte Inklusion, zuerst ohne Konzept, unterfinanziert und mit mühsamen Nachbesserungen. Daran reihten sich an die Zerschlagung der Profiloberstufe beziehungsweise die weitgehende Abschichtung und die Abschaffung des besonderen Anmeldeverfahrens. Letztendlich sind es eigentlich keine Langformschulen, weil die Schülerinnen und Schüler kein Recht haben, in die weiterführende Schulform zu gehen. Dazu kommt noch die Umformung einer Stadtteilschule in eine Berufsvorbereitungsschule, der dann auch noch 55 Stellen gestrichen wurden, die Abschaffung der zweiten Lernentwicklungsgespräche, die Umformung der Lehrerausbildung, eine völlige Überlastung der jungen Kolleginnen und Kollegen und das Einschlafen der Lehrerfortbildung, die aber ein wichtiger Grundpfeiler für starke Schulen ist. Und jüngst kommen auch noch die Deckelung der Ressourcen für außerunterrichtliche Lernhilfen für Kinder mit Lese-, Recht

schreib- und Rechenschwäche und die Deckelung der Mittel für die Schulbegleitung dazu.

Das ist die lange Liste der Versäumnisse, die sich natürlich unmittelbar auf die Stadtteilschule auswirken, und das kann man diesem Senat anhängen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Robert Heinemann und Karin Prien, beide CDU)

Wir fordern, damit die Stadtteilschule ihr volles Potenzial wirklich erfolgreich ausfüllen kann, eine Beteiligung der Gymnasien an der Umsetzung der Inklusion. Wir fordern als Übergangslösung nach wie vor einen Inklusionsfonds für alle Schulen, die in Not geraten. Wir fordern, endlich auch die Kürzungen bei der Lehrerausbildung zurückzunehmen und ein Coaching einzuführen. Das ist sehr wichtig, man muss die Lehrerfortbildung ausbauen. Wir fordern die Wiedereinführung des zweiten Lernentwicklungsgesprächs und außerdem auf jeden Fall die Abschaffung der Schulformempfehlung, denn auch das ist ein Grundübel bei der Entwicklung von Stadtteilschule und Gymnasium in parallelen Systemen.

Ich würde mich freuen, darüber mit Ihnen weiter streiten und debattieren zu können und gern konstruktiv vorgehen und fordere Sie auf, Herr Senator Rabe, unseren Forderungen Folge zu leisten. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Heyenn hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn CDU und FDP Tränen vergießen über den kritischen Zustand der Stadtteilschulen und den unzulänglichen Leistungsstand beklagen,

(Olaf Ohlsen CDU: Dann weinen Sie mit!)

dann sind das nichts anderes als Krokodilstränen.

(Beifall bei der LINKEN)