Protocol of the Session on August 14, 2013

(Beifall bei der SPD)

Und vernünftig wäre es auch, wenn uns dieser Antrag nicht heute vorliegen würde, sondern die GRÜNE Fraktion zunächst einmal die Reise des Familienausschusses in die Einrichtung abgewartet hätte. Dann wäre Gelegenheit gewesen, mit der Einrichtung und den Jugendlichen zu sprechen, sich eine Meinung zu bilden und dann hinterher eine Position zu formulieren. So wollen wir als SPDFraktion das jedenfalls halten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Eisold. – Das Wort hat Herr Gladiator.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit Monaten beschäftigen uns die geschlossenen Heime der Haasenburg in Brandenburg. Und immer wieder kamen und kommen neue Details über vermeintliche Vorwürfe an die Öffentlichkeit. So berichten Mitarbeiter und betroffene Jugendliche von harten Sanktionen bei Regelverstößen, von tagelanger Isolation, von stundenlanger Fixierung und von Demütigungen. Und diese schwerwiegenden Vorwürfe stehen seit Monaten im Raum und sind seit Monaten bekannt. Doch der Senat hat über lange Zeit nichts unternommen. Für Wochen ist Senator Scheele, der sonst das Licht der Öffentlichkeit nicht gerade scheut, abgetaucht. Vermutlich hat er gehofft, dass sich die Wogen von allein wieder glätten würden. Es gab keine Unterrichtung des Parlaments und der Öffentlichkeit, und der Senat hat auch in dieser Zeit keinen Beitrag zur Aufklärung der erhobenen Vorwürfe geleistet.

Herr Senator Scheele, Sie haben sich nicht als aktiv handelnder Verantwortungsträger präsentiert, sondern als Getriebener der Ereignisse, deren Wirkung Sie maßlos unterschätzt haben.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Erst auf erheblichen öffentlichen und politischen Druck haben Sie Ende Juni 2013 entschieden, so lange keine Jugendlichen mehr in der Haasenburg unterzubringen, bis die Vorwürfe ausgeräumt sind. Herr Senator Scheele, souveränes Handeln sieht wirklich anders aus.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN und bei Norbert Hackbusch DIE LINKE)

Da stellt sich schon die Frage nach der ungewohnten Zurückhaltung, die man sonst von Ihnen gar nicht kennt. Es stellt sich auch in der Tat die Frage nach der merkwürdigen Doppelrolle von Christian Bernzen, der Ihnen als Parteifreund sehr gut bekannt ist, und die Frage, welchen Einfluss er auf

(Gunnar Eisold)

Ihr Handeln genommen hat. All diese Fragen und die erhobenen Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden.

(Sylvia Wowretzko SPD: Sie sind schon auf- geklärt!)

Deshalb haben wir gemeinsam mit allen Oppositionsfraktionen heute einen Antrag auf Aktenvorlage eingereicht und werden diese auch sehr gründlich vornehmen. Zudem, Herr Eisold hat es erwähnt, werden wir am Freitag als Familienausschuss nach Brandenburg in die Haasenburg fahren, um uns selbst als Abgeordnete ein Bild vor Ort zu machen und mit den Jugendlichen zu sprechen.

Meine Damen und Herren! Die CDU steht für eine rückhaltlose Aufklärung der Vorwürfe. Wir akzeptieren aber weder voreilige Skandalisierungen noch sind wir bereit, den Darstellungen des Trägers unkritisch Glauben zu schenken. Unsere Haltung in dieser Frage ist klar: Unverhältnismäßige Eingriffe in die Grundrechte der Jugendlichen durch ungerechtfertigte Gewaltanwendungen oder dauerhafte Isolationen sind nicht akzeptabel. Und sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, müssen hier auch kräftige Konsequenzen folgen.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Aber, und das sage ich auch sehr deutlich, die CDU wird nicht mitmachen, wenn ein Bündnis aus linken und grünen Politikern sowie sogenannten Experten die Vorwürfe gegen die Haasenburg instrumentalisiert, um gegen die geschlossene Unterbringung an sich zu Felde zu ziehen.

(Jens Kerstan GRÜNE: Tun wir doch gar nicht! – Gegenruf von Dr. Andreas Dressel SPD: Nee, gar nicht, überhaupt nicht!)

Wir stehen als CDU ohne Wenn und Aber hinter der geschlossenen Unterbringung als letzte Chance zur Vermeidung der Jugendhaft. Wir alle wissen doch, und das sollte auch Frau Blömeke wissen, dass die Alternativen für diese Jugendlichen in Wahrheit nicht übliche Einzelfallhilfen aus pädagogischen und therapeutischen Angeboten sind. Die Alternative für diese Jugendlichen wäre das weitere Abgleiten in die Kriminalität, und in der Konsequenz damit der Strafvollzug. Es sollte unsere gemeinsame Überzeugung sein, dass das nicht der richtige Weg wäre.

Es klang auch an, dass wir nicht über Jugendliche reden, die Kirschen aus Nachbars Garten gestohlen haben, sondern über jugendliche Intensivtäter. Das sind Kinder und Jugendliche, bei denen ein Familiengericht die Einweisung verfügt, weil zuvor alle anderen Möglichkeiten der Jugendhilfe gescheitert sind. Es sind Kinder und Jugendliche, die in jüngsten Jahren straffällig werden und ein erhebliches Gewaltpotenzial haben, weil sie früh Drogen und Alkohol konsumieren, Jugendliche, für

die eine derartige Unterbringung die letzte Chance vor der Jugendhaft ist.

Die geschlossene Unterbringung kann eine Chance sein. Wissenschaftliche Studien belegen, dass bei bis zu 70 Prozent der so Untergebrachten die Entwicklung positiv verläuft. Das heißt, die Rückfallquote ist deutlich geringer als bei den Jugendlichen, die aus dem Strafvollzug entlassen werden. Eine solche positive Entwicklung hilft dann den Jugendlichen selbst, sie dient aber auch dem präventiven Opferschutz, der für uns ebenfalls einen hohen Stellenwert hat.

Meine Damen und Herren! Die Haltung der CDU zur geschlossenen Unterbringung ist sehr klar. Ganz anders sieht es bei den Kollegen der SPD aus. Das zeigt uns zum einen die Historie in Hamburg, aber auch der aktuelle Richtungsstreit. Die SPD ist in der Frage der geschlossenen Unterbringung uneins, und davon können auch solche Reden wie heute, Herr Eisold, nicht ablenken. Auf der einen Seite gibt es die Gegner der geschlossenen Unterbringung. Für sie gilt weiter der Slogan "Menschen statt Mauern", der in den Achtzigerjahren von dem früheren Sozialsenator Jan Ehlers geprägt wurde. Wolfgang Rose hat deutlich gemacht, dass er diesem Bild weiter anhängt, und seinen Senator aufgefordert, alle Jugendlichen sofort aus den Heimen herauszuholen. Er sprach von einer Diskreditierung der SPD in diesem Politikbereich, wenn das nicht erfolge.

Auf der anderen Seite stehen Sozialsenator Scheele und der Fraktionsvorsitzende Andreas Dressel, die sich eindeutig für die geschlossene Unterbringung ausgesprochen haben, vielleicht auch, um den Fehlern der Innenpolitik aus den Regierungsjahren wieder vorzubeugen. Aber auch wenn die SPD sich in dieser Frage noch sehr mit sich selbst beschäftigt, so brauchen wir doch jetzt eine offene und ernsthafte Diskussion, ob, wie und wo Hamburg entweder allein oder mit seinen Partnern in den norddeutschen Bundesländern wieder eine eigene Einrichtung betreiben soll. Dabei, und das hat die jetzige Diskussion schon deutlich gezeigt, muss Hamburg eine uneingeschränkte Kontrolle über die Einrichtungen haben, das steht jetzt schon fest.

Liebe Frau Blömeke, ich komme auf Ihren Antrag zu sprechen. Dieser Antrag kommt aus unserer Sicht eindeutig zur Unzeit, denn die Akteneinsicht, die wir gemeinsam beschließen, hat noch nicht einmal begonnen, und auch unser Vororttermin in der Haasenburg erfolgt erst am kommenden Freitag. So ernsthaft das Thema ist, und darüber sind wir uns, glaube ich, einig, so ernsthaft muss auch die Aufklärung sein, die wir betreiben. Diesen Anspruch kann ich in Ihrem Antrag nicht erkennen. Ihre historischen Vergleiche, die Sie eben gezogen haben, bestätigen bei mir den Eindruck, dass Sie ein bisschen übers Ziel hinausschießen und es

deutlich über eine Diffamierung der geschlossenen Unterbringung hinausgeht.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Frau Blömeke, ich will es auch in Ihre Richtung noch einmal sagen. Für die Kinder und Jugendlichen, für die alle Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe ausgeschöpft wurden und die den Weg aus der Kriminalität trotzdem nicht gefunden haben, sehen wir als CDU keine Alternativen zur geschlossenen Unterbringung. Deshalb werden wir Ihrem Antrag in diesem Punkt auch nicht zustimmen.

Meine Damen und Herren! Wir werden uns in die Diskussion über die künftige Ausgestaltung der geschlossenen Unterbringung mit klaren Überzeugungen und konstruktiv einbringen. Dies tun wir aus Verantwortung für die straffällig gewordenen Jugendlichen und auch zum Schutz der Bevölkerung vor künftigen Straftaten. Das erwarten wir allerdings auch von der SPD. Deshalb, Herr Senator Scheele, liegt es nun an Ihnen, die politische Tauchstation zu verlassen, die SPD auf Kurs zu bringen und mit uns gemeinsam dafür zu sorgen, dass die geschlossene Unterbringung in Hamburg auf einen vernünftigen Weg gebracht wird. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Gladiator. – Das Wort hat Herr Ritter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Medienberichte in den vergangenen Wochen und Monaten scheinen die Forderungen der GRÜNEN erst einmal verständlich zu sein, denn es gab zu viele Vorwürfe und Ungereimtheiten im Umgang mit Jugendlichen in den Heimen der Haasenburg. Aber trotz allem – und das war auch immer das Credo der FDP-Fraktion – fordern wir mehr Sachlichkeit in der Debatte, weil wir sonst die Probleme nicht lösen können.

Einige Sachverhalte sind wohl anders, als sie auf den ersten Blick erscheinen. Noch einmal der Hinweis: Im Ausschuss hatten wir im nicht öffentlichen Teil sehr viele neue Erkenntnisse, die sich rund um die Vorwürfe drehten und auch um die zuletzt entflohenen drei Jugendlichen, manches vielleicht sogar drastischer, als man es vermutet. Manch anderes erscheint aber auf den zweiten Blick eher anders, als man es jetzt in der Öffentlichkeit darstellt. Mir ist ein Gedanke geblieben, und das zeigt auch die Diskussion ganz klar: Seine politischen Forderungen anhand von Berichten aus der "taz" oder sonstigen Pressemitteilungen zu ziehen, halte ich für sehr, sehr fraglich, gerade auch deshalb, weil die Mitarbeiter, die dies angeht – das haben wir im

Ausschuss auch gehört –, sich öffentlich nicht zur Wehr setzen können. Das heißt also, man muss es erst einmal so akzeptieren, und wir können nur im nicht öffentlichen Teil darüber sprechen, wie es eigentlich ist. Ich möchte Ihnen allen ans Herz legen, diese Debatte doch bitte sachlicher zu führen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der CDU)

Gerade deshalb, Frau Blömeke, haben wir uns als FDP-Fraktion auch intensiv um einen gemeinsamen Antrag zum Aktenvorlageersuchen bemüht und mit eingebracht, um uns eine fundierte Meinung bilden zu können; das sagte auch Herr Gladiator schon. Deswegen kann ich das alles nicht so ganz verstehen, die GRÜNEN sind so ein bisschen an Scheinheiligkeit nicht zu übertreffen; auch das wurde vorher schon angesprochen.

(Jens Kerstan GRÜNE: Bisschen peinlich!)

Jetzt kommt ein bisschen Historie, ich sage extra ein bisschen, Herr Kerstan.

Die Feuerbergstraße, Frau Blömeke, wurde auch unter grüner Verantwortung 2008 geschlossen.

(Jens Kerstan GRÜNE: Gott sei Dank!)

Genau, das können Sie so sehen, super.

Herr Kerstan, wenn Sie jetzt so weitergemacht hätten und nicht nur den Populismus gelebt hätten, dann hätten Sie ein Alternativkonzept für Hamburg vorlegen müssen und nicht einfach nur sagen können, unser geschlossenes Heim in der Feuerbergstraße ist jetzt weg. Jetzt schieben Sie die ganzen Jugendlichen aus Hamburg ab, damit sie über die Landesgrenze sind, aber das Konzept der geschlossenen Unterbringung hat sich nicht verändert. Und ich habe von Ihnen in der Debatte auch keine Alternative gehört, Frau Blömeke.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der CDU)

Frei nach dem Motto, aus den Augen, aus dem Sinn, ohne die Probleme wirklich zu lösen. In diesem Zusammenhang gibt es einen bemerkenswerten Vorgang, der sich auf die Aufsichtskommission dieses Heims für Jugendliche außerhalb Hamburgs bezieht. Nachdem das Heim 2008 geschlossen wurde, wurde die Aufsichtskommission dafür nämlich nicht aus ihrem Job entlassen. Das heißt also, formal hatte sie eigentlich die Aufgabe, noch weiterhin in Brandenburg zu kontrollieren. Ein Schreiben an die Sozialbehörde aus dem Jahr 2009 – wer da regiert hat, nehmen wir einmal so hin – enthielt die Frage, was man jetzt tun solle, und dass man aus seinen Pflichten als Aufsichtskommission entlassen werden wolle. Das ist, wie ich auf eine Nachfrage erfahren habe, in der Behörde untergegangen. Es ist wohl angekommen, aber dann ist es anscheinend weg gewesen.

Die Aufsichtskommission wurde dann durch die brandenburgische Besuchskommission abgelöst, so heißt sie, glaube ich, die das dann weiter kon

(Dennis Gladiator)

trollierte. Aber es gab praktisch keinen Vertrag zwischen der Stadt und der Haasenburg, um das Ganze zu kontrollieren. Im Endeffekt heißt das – und das ist erfreulich, weil wir es alle gefordert haben –, weil die Aufsichtskommission vor Kurzem neu eingesetzt wurde, haben wir als Hamburger die Aufsicht über diese Jugendlichen, die in dem Heim sind. Das war auch eine Forderung von mir, und deswegen finde ich es positiv, dass es umgesetzt wurde.

(Beifall bei der FDP)

Da die Aufsichtskommission nicht da war, hat vielleicht auch die Kommunikation mit den Brandenburger Kollegen gefehlt, sodass man auf bestimmte Dinge, die sich dort ereignet haben, nicht so schnell eingehen konnte.

Ich komme noch einmal zur geschlossenen Unterbringung. Auch wir als FDP-Fraktion sehen die geschlossene Unterbringung als letztes Mittel, bevor die Jugendlichen dann als momentane Alternative in den Jugendarrest oder in die Psychiatrie eingewiesen werden. Die geschlossene Unterbringung ist also für uns ein letztes Mittel. Vielleicht habe ich es nur im Unterton bei Herrn Gladiator herausgehört, aber auch diese Menschen, die in der geschlossenen Unterbringung sind, haben einen Grundrechteschutz. Auch diese Jugendlichen müssen Möglichkeiten haben, sich zu Problemen und Ähnlichem zu äußern, und dem muss auch nachgegangen werden.