Warum ist das so? Weil die Initiative ganz genau weiß, dass die Netzentgelte ein politischer und von der Bundesnetzagentur festgesetzter Preis sind. Und wie sicher politisch festgesetzte Preise sind, das erleben wir zurzeit bei der Einspeisevergütung für Solarstrom.
Nicht dass wir uns hier missverstehen: Die FDP hält es für richtig und überfällig, die Überregulierung des EEG durch ein marktwirtschaftliches Modell zu ersetzen, aber die Diskussion macht eben auch deutlich, wie unsicher politisch festgesetzte Preise sind. Sicher sind bei einer Verstaatlichung der Netze nur folgende Punkte: 2 Milliarden Euro neue Schulden, sofortiger Wegfall von 90 Millionen Euro Konzessionsabgabe, also von Geld, das uns sofort für Bildung, Instandsetzung, Straßen und Infrastruktur fehlt,
und jährlich 40 Millionen Euro Zinsaufwand bei heutigem historischem Niedrigzinsniveau. Wie sich das in Zukunft entwickelt, weiß niemand.
Eines ist klar: Wenn eine Bank oder ein Fonds bei einer solchen Risikoanlage gegenüber den Anlegern derartige Behauptungen aufstellen würde wie die Volksinitiative im Info-Heft, dann würde die Finanzaufsicht erst die Prospekte einziehen und anschließend den Laden dichtmachen, und das wäre auch richtig so.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Stöver, ich habe Ihnen ganz genau zugehört. Ich hoffe, Sie haben jetzt auch einmal zugehört. Wer schreit hier eigentlich wen runter und wer verunglimpft hier eigentlich Andersdenkende? Das war nicht Herr Kerstan.
In dieser Debatte ist es so gekommen wie erwartet. Die Reihe der Tricks, um die Bevölkerung zu verunsichern, wird jetzt massiv fortgesetzt.
Ein Blick auf die Anzeigenseiten der Zeitungen macht deutlich – Herr Kerstan hat den Preis genannt –, dass es bei den Strom-, Gas- und Fernwärmenetzen um viel geht, vor allem geht es um viel Geld.
In der Tat haben Vattenfall und E.ON bei den Netzgebühren in den letzten Jahren sehr viel Geld verdient, und das wissen Sie ganz genau. Das wollen die Konzerne auch gerne weiterhin. Im Energiesektor ist es schon längst so, dass nicht mehr die Kernkraftwerke die höchsten Renditen sichern, sondern die Durchleitungsgebühren. Nicht umsonst wollen sich E.ON und Vattenfall nach einem erfolgreichen Volksentscheid wieder um die Konzession bewerben. Und wie sagte kürzlich ein Sprecher von Vattenfall? Ich zitiere:
Und das machen sie ganz bestimmt nicht, Herr Dressel, weil sie damit Defizite einfahren oder weil es ein Zusatzgeschäft ist.
Ich erwarte eigentlich auch von einem Präsidenten der Handwerkskammer, dass er weiß, dass man damit keine Defizite macht, sondern riesige Gewinne, und nur darum geht es.
Dass in solchen Fragen um unterschiedliche Positionen gerungen und in der politischen Debatte hart diskutiert wird, finde ich völlig in Ordnung, aber bitte mit Fairness und ohne Tricks und Halbund Unwahrheiten.
Erstens: Selbst wenn der Preis für den Rückkauf der Netze 2 Milliarden Euro betragen sollte, wie wir heute schon wieder dreimal gehört haben, bleibt eine Summe von weniger als 1,5 Milliarden Euro zu finanzieren. Bei einem erfolgreichen Volksentscheid greifen nämlich die Rücktrittsklauseln, die in allen Verträgen mit E.ON und Vattenfall festgeschrieben sind. Auch die Energiekonzerne müssen sich an Verträge halten.
Und die 543 Millionen Euro fließen dann zurück an die Stadt, nicht in den Haushalt, sondern an die HGV, ein städtisches Unternehmen, denn auch das haben Sie genauso finanziert.
Zweitens: Wenn immer wieder behauptet wird, es hätte keinerlei Vorteile für die Stadt, die Gas-, Strom- und Fernwärmenetze zurückzukaufen, weil es nur Kabel und Rohre seien, dann muss man sich doch fragen, warum Olaf Scholz mit seiner SPD-Mehrheit durchgedrückt hat, dass für ein Viertel der Netze über eine halbe Milliarde Euro gezahlt wurde, und zwar nicht über den Haushalt. Wenn ich Sie jetzt beim Wort nehme, Herr Dressel, dann hat dieser Senat unsinnigerweise eine halbe Milliarde Euro verschleudert, und das muss er bitte erklären.
(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Gabi Dobusch SPD: Sie müssen mal genau- er nachlesen, was da steht!)
Ich möchte auch noch ein Wort zu der Plakatserie der SPD sagen, die gerade angelaufen ist. Was Sie mit dieser Plakatserie machen, ist nichts anderes als Angst schüren.
dann haben Sie wohl vergessen, 800 Millionen Euro für die Elbphilharmonie, 440 Millionen Euro für die Aufstockung von Hapag-Lloyd und die vielen Milliarden für die HSH Nordbank dazuzuschreiben. Das ist reine Stimmungsmache und reines Angstschüren und das ist unlauter und unfair.
Viertens: Für den Fall, dass diese Unwahrheiten, die Sie immer wieder verbreiten, nicht greifen, wird gleich noch ein ebenso falsches Szenario nach einem erfolgreichen Volksentscheid an die Wand gemalt. Es wird behauptet, dass die Wahrscheinlichkeit für ein städtisches Unternehmen sehr gering sei, die Konzessionen zu erhalten, für Vattenfall und E.ON sei sie aber sehr hoch. Sie werden nicht falsch zitiert, denn das haben Sie eben wieder gesagt. Und es wird gleich noch hinterhergeschickt – das haben Sie heute vergessen –, dass Vattenfall gern vor Gericht ziehe. Dann würde es sehr lange dauern und viel kosten, und deshalb sei es besser, wenn man das gar nicht erst mache. Auch das ist nichts anderes als Angstmache.
Die gesetzlichen Anforderungen an einen Netzbetreiber kann und wird Hamburg durch eigene stadtentwicklungs- und energiepolitische Kriterien ergänzen.
Ich möchte daran erinnern, dass Bürgermeister Scholz in der Sendung am 1. Juli im Sommerinterview mit Herrn Heuer klar gesagt hat, dass auch eine städtische Gesellschaft den Zuschlag bekommen kann. Ich appelliere an Sie, mit den Unwahrheiten und Tricks aufzuhören. Setzen Sie sich fair mit uns auseinander, dann bemühen wir uns um Mehrheiten.
(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Fragen Sie mal das Bundeskartellamt!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hatte ein Déjà-vu-Erlebnis. Vor der letzten Bürgerschaftswahl habe ich mich zusammen mit vielen meiner Freunde mit der Frage beschäftigt, ob man die Netze zurückkaufen soll oder nicht. Wir haben Vertreter der Unternehmen, der Betriebsräte und der Gewerkschaften gehört und mit kommunalen Netzbetreibern aus ganz Deutschland sowie mit Experten und auch mit Vertretern der Initiative gesprochen. Wir haben damals gefragt, was wir mit den
Netzen wollen, wenn wir sie kaufen, wie Sie das vorschlagen. Wenn man sich an die Gespräche zurückerinnert, dann ist kein einziger Vorschlag dazu gekommen, was man mit diesen neu erworbenen Netzen anstellen könnte. Nun, viele Monate und Jahre später, stellen wir fest, dass es außer der Aussage "Wollen wir haben" keine einzige Begründung dafür gibt, warum die Netze gekauft werden sollen.