Deshalb brauchen wir in diesem Bereich auch wieder ein öffentliches Unternehmen, das dem Gemeinwohl und den Verbraucherinnen und Verbrauchern verpflichtet ist und nicht mehr der Konzernrendite. Nur so wird die Energiewende von unten gelingen: mit erneuerbaren Energien und Netzen in Bürgerinnen- und Bürgerhand. An all dem hat Vattenfall kein Interesse, und deshalb gehen sie mit aller Macht dagegen an.
Und wenn die Argumente fehlen, dann kommen die großen Marketingkampagnen. Heute erschien im "Hamburger Abendblatt" eine Anzeige aller Hamburger Wirtschaftsverbände. Wissen Sie, was diese Anzeige kostet? Sie kostet 47 000 Euro, das kann jeder online im Anzeigenportal des "Hamburger Abendblatts" nachlesen. 47 000 Euro für diese Anzeige aus Sorge um diese junge Dame. Nehmen wir einfach einmal an, dass sie am Anfang ihres Berufslebens in der Gastronomie steht und 2008 Euro brutto im Monat verdient. Sie müsste für diese Anzeige zwei Jahre lang arbeiten.
Diese 47 000 Euro – wahrscheinlich jetzt von Tag zu Tag – investiert die Wirtschaft doch nicht aus Sorge um die Zukunft der jungen Frau und auch nicht aus Sorge um die Zukunft unserer Stadt, sondern das Geld investiert sie aus Sorge um ihre eigenen Profite.
Dadurch ist doch die Situation, um die es in diesem Volksentscheid geht, relativ klar umschrieben: auf der einen Seite die Privatisierer der Hamburger SPD zusammen mit den Wirtschaftsbossen und der wirtschaftsliberalen CDU und der FDP und auf der anderen Seite die Zivilgesellschaft, die Bürgerinnen und Bürger, die das nicht mehr hinnehmen wollen.
(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Genau! – Heiter- keit bei der SPD, der CDU und der FDP – Glocke)
Auf der anderen Seite stehen 116 000 Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, die Umweltverbände, die Verbraucherzentrale und Teile der evangelischen Kirche, die diese angebliche Wirtschaftsfreundlichkeit nicht mehr hinnehmen wollen. Sie sagen: Kein Pakt mit dem Atomkonzern Vattenfall.
Keine Privatisierung der Fernwärme, Ja zu den Netzen, Ja zu 100 Prozent für Hamburg, Ja zum Volksentscheid. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Kerstan, erlauben Sie, dass ich Sie direkt anspreche. Ihre künstliche Aufregung über das Bündnis gegen die Netzverstaatlichung ist nur sehr schwer erträglich.
(Beifall bei der FDP, der SPD und der CDU – Norbert Hackbusch DIE LINKE: Aber ge- schrien haben die da drüben!)
"Schulterschluss der Wirtschaftsbosse gegen das Volk" haben Sie in Ihrer Presseerklärung am Wochenende geschrieben – ziemlich dick aufgetra
denn Sie finden in diesem Bündnis keine Wirtschaftsbosse, sondern Sie finden da Vertreter der Handwerker, Vertreter der Steuerzahler, Vertreter der Gewerkschaften, Vertreter der Wohnungsbaugenossenschaften und auch Vertreter von Unternehmen.
Das sind Menschen, die in Sorge sind, dass 2 Milliarden Euro verpulvert werden, also neue Schulden auf Kosten zukünftiger Generationen gemacht werden, ohne irgendetwas für die Energiewende, für die Verbraucher, für niedrige Tarife oder für eine bessere Energieversorgung zu erreichen.
Die haben Mitgliederversammlungen und demokratisch gewählte Vorstände. Das Plenum der Handelskammer hat seit 2009 mehrfach über eine Verstaatlichung der Netze diskutiert und mehrheitlich beschlossen, diese abzulehnen. Diese Organisationen haben in demokratischen Prozessen entschieden, sich gegen den Unfug einer Vollverstaatlichung der Netze einzusetzen, und sie haben das im Interesse ihrer Mitglieder getan. Ich weiß nun nicht, ob der Kirchenkreis Hamburg-Ost auch alle seine Mitglieder zur Vollverstaatlichung befragt hat,
wie es bei der steuerfinanzierten Verbraucherzentrale war oder wie die Meinungsbildung bei der GEW gelaufen ist. Dazu habe ich nichts von Ihnen gehört.
Und da offenbart Ihr Lamento doch ein ziemlich gestörtes Demokratieverständnis, Herr Kerstan. Es wird mit zweierlei Maß gemessen, immer so, wie es politisch gerade passt.
Herr Kerstan, jetzt quietschen Sie auf einmal schrill, es gebe ein Bündnis der Wirtschaftsbosse gegen das Volk.
Das lässt für mich eigentlich nur eine Schlussfolgerung zu: Es dämmert Ihnen, dass Sie politisch auf das falsche Pferd gesetzt haben,
dass immer mehr Menschen erkennen, dass die Vollverstaatlichung der Netze nur maximale Kosten bei minimalem Nutzen bringt, und offensichtlich werden Sie deshalb ziemlich nervös.
Aber auch zur Sache selbst: Ich muss jeden Morgen auf dem Weg in mein Büro an einem Plakat der Volksinitiative vorbei.
Auf dem Plakat steht: Ja zu 100 Prozent, weil dies ein gutes und sicheres Geschäft für Hamburg sei. Zurzeit beginnt für mich also jeder Morgen mit einer faustdicken Lüge.