Dass die Parteien, die auf eine Machtoption nach den Bundestagswahlen spekulieren, unseren Vorstoß für eine Anhebung des Rentenniveaus nicht mitmachen, ist eine verpasste Chance. Sie machen damit deutlich, dass es nicht zu Ihrer Politik gehört, die Rente wieder sicherer und auskömmlicher zu machen, und das werden sich die Menschen hoffentlich merken.
Meine Damen und Herren! Wenn es keine weiteren Wortmeldungen gibt, dann kommen wir zur Abstimmung, zunächst zum CDU-Antrag aus Drucksache 20/8471.
Wer stimmt einer Überweisung dieser Drucksache an den Gesundheitsausschuss zu? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Somit ist der Antrag überwiesen.
Wer möchte diese Drucksache an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Somit ist die Überweisung abgelehnt.
Wer möchte sich Ziffer 1 des Antrags anschließen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist somit abgelehnt.
Wer möchte die Ziffern 2 und 3 annehmen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist auch abgelehnt, und somit ist der Gesamtantrag abgelehnt.
Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 69, Drucksache 20/8446, Antrag der GRÜNEN Fraktion: Geschlossene Unterbringung von Kindern und Jugendlichen beenden und Alternativen aufbauen.
[Antrag der GRÜNEN Fraktion: Geschlossene Unterbringung von Kindern und Jugendlichen beenden und Alternativen aufbauen – Drs 20/8446 –]
Diese Drucksache möchte die GRÜNE Fraktion an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss überweisen. Das Wort wird von Frau Blömeke gewünscht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor mehr als acht Monaten haben wir zuerst über die Medien, allen voran über die "taz", von den repressiven und autoritären Erziehungsmethoden des HaasenburgHeims gehört. In diesem Jahr haben die Berichte noch eine Zuspitzung erfahren, nicht zuletzt deswegen, weil Jugendliche oder auch Betreuer, Erzieher und Sozialpädagogen, die selber in dem geschlossenen Heim waren oder gearbeitet haben, über Drill, Isolationsmaßnahmen, Körperverlet
Unweigerlich drängen sich Parallelen zu den Jugendwerkhöfen der ehemaligen DDR auf, aber auch zu der Heimgeschichte der Bundesrepublik in den Fünfziger- und Sechzigerjahren. Zu Recht wurden bei der Aufarbeitung dieser Zustände die Zwangselemente der Heimerziehung kritisiert und verurteilt.
Sicherlich erscheinen manchen daher auch die Vorwürfe, die aktuell gegen die Haasenburg gerichtet werden, als unfassbar. Sollte sich hier Geschichte wiederholen? Haben wir aus diesen Fehlern nicht gelernt?
Zurzeit laufen die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen noch. Wir können noch nicht sagen, welche Vorwürfe auch vor Gericht Bestand haben werden, aber eines ist gewiss: Die Vorwürfe wiegen so schwer, dass sie ein umgehendes politisches Handeln erfordert hätten.
Doch stattdessen ist Senator Scheele monatelang abgetaucht und hat geschwiegen. Herr Senator, Sie haben die politische Verantwortung für die Kinder dieser Stadt. Dieser Verantwortung sind Sie nicht nachgekommen.
Erst im Sommer, als auch Brandenburg mit einem Belegungsstopp für die Haasenburg reagiert hat, hielt Senator Scheele es für nötig, in Hamburg einen Belegungsstopp zu verfügen.
Das hat schon Ihr Senator falsch dargestellt, so war es nicht. Es ist auch völlig egal, es war die erste und bislang einzige Handlung von Senator Scheele, diesen Belegungsstopp vorzunehmen und zu veranlassen, dass keine Jugendlichen mehr in die Haasenburg kommen.
Wissen Sie, was zuerst war, Herr Dressel? Unser Antrag zum Belegungsstopp, den wir am 17. Juni eingereicht haben und der Ihnen heute vorliegt.
Ein halbherziger Schritt, Frau Timmermann, der Ihnen als SPD-Abgeordnete nicht ausreichen sollte, weil die Minderjährigen, die in der Einrichtung waren, dort verbleiben mussten. Was ist das für eine Linie, Herr Senator? Ist die Betreuung dort zu verantworten oder nicht? Messen Sie die Kinder mit zweierlei Maß? Es dürfen keine mehr hinkommen,
Darüber hinaus hat der Senator gezeigt, dass er seine eigenen Beschlüsse nicht ernst nimmt. Er hat es zugelassen, dass der entwichene Hamburger Jugendliche trotz laufendem Gerichtsverfahren und schwerer Vorwürfe, die er der Haasenburg und seiner Behandlung dort gemacht hat, zurück in die Haasenburg gebracht wurde.
Während die Sozialbehörde in einer Pressemitteilung behauptet, dass es keine Übergriffe auf Hamburger Minderjährige gab, bekräftigen dieselben Jugendlichen an anderer Stelle ihre Vorwürfe, und es wird ein Interview in der "taz" mit einem Hamburger Jugendlichen veröffentlicht, der angibt, erst vor sieben Monaten schwere Gewalt in der Haasenburg erlebt zu haben. Wir sprechen also nicht nur über Gewaltvorfälle, die sich in den Jahren 2010, 2009 oder davor ereignet haben, wir sprechen über die aktuelle Zeit. Was macht der Senator? Statt diese Widersprüchlichkeiten aufzuklären, schaltet er auf stur. Politische Verantwortung, Herr Senator, sieht anders aus.
Ich kann das noch etwas weiterführen. Während Sie nach dem tragischen Tod von Chantal die Überprüfung von 1300 Pflegeakten angeordnet haben, hielten Sie es nicht einmal für erforderlich, 52 Akten der Minderjährigen, die in der Haasenburg untergebracht waren, zu überprüfen. Das haben Sie in über acht Monaten nicht für notwendig erachtet. Aus unserer Sicht ist das schwer fahrlässig.
(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Dr. Melanie Leonhard SPD: Das wäre eine sinnlose Maßnahme gewesen!)
Ich kann verstehen, Frau Leonhard, dass Sie sich aufregen, und vermutlich empfinden Sie es genauso wie ich als fahrlässig, dass diese Akten nicht überprüft wurden.
Herr Senator, Sie belehren uns gern über die Biografien dieser Jugendlichen, die in der Haasenburg sind. Das brauchen Sie nicht. Wir – und insbesondere ich, die ich zwei Jahre lang im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Feuerbergstraße saß – wissen von diesen Biografien, und wir wissen, dass viele dieser Jugendlichen in Hamburg als Intensivtäter geführt werden. Aber das gibt niemandem das Recht, eine 17-Jährige stundenlang mit Hals- und Körperfesseln zu fixieren. Es gibt niemandem das Recht, Minderjährige mit mehreren Erziehern auf den Boden zu bringen, die Arme zu verdrehen, bis ein Arm auskugelt, oder Handklemmen anzuwenden, die, wie die Jugendlichen selbst sagen, so höllische Schmerzen bereiten, dass sie nicht mehr klar denken können.
Hören Sie sich das ruhig an, wenn Sie sich mit dem Thema bislang noch nicht beschäftigt haben. Ich finde es erschütternd, was da passiert ist.
Ich sage es Ihnen noch weiter, denn vielleicht haben Sie die Unterlagen nicht gelesen. Es gibt niemandem das Recht, Jugendliche in ihrem Zimmer strammstehen zu lassen, die Nutzung des Bettes zu verbieten und sie täglich nur 20 Minuten an die frische Luft zu lassen. Und es gibt auch niemandem das Recht, egal, wie lang die Strafliste dieser untergebrachten Jugendlichen ist, sie monatelang zu isolieren. Das geht nicht.
Im Gegenteil, gerade bei diesen Jugendlichen, die in ihrer Familie schon viel Gewalt erlebt haben und sicherlich auch Gewalt weitergegeben haben, ist es doch paradox, dass genau diese Jugendlichen nun in einer Einrichtung der Jugendhilfe Gewalt erfahren und lernen, dass alles mit Gewalt durchgesetzt wird. Das ist doch eine Lösung, die für diese und auch für andere Jugendliche auf keinen Fall passend ist. Gerade diese Jugendlichen bedürfen der besonderen Aufmerksamkeit des Senats, egal, wie lang ihre Strafliste ist. Eines müssen wir uns nämlich deutlich machen: Es geht hier überhaupt nicht um Bestrafung der Jugendlichen, sondern einzig und allein um die Frage, ob die Maßnahmen, in denen die Jugendlichen sich befinden, dem Kindeswohl dienen und ob sie der Erziehung förderlich sind.
Ich frage Sie daher, Herr Senator, und vielleicht finden Sie heute eine Antwort darauf, ob Sie mit gutem Gewissen sagen können, dass das Wohl der Kinder, für die Sie die Verantwortung tragen, in der Haasenburg gesichert ist und ihre Erziehung dort gefördert wird? Wenn ich Ihr Desinteresse sehe, dass Sie nebenbei in Ihr Handy tippen, dann glaube ich, dass dahinter wenig Engagement steht.
Wir führen eine ernsthafte Debatte über Ihre Verantwortung und über Kinder, die schwere Vorwürfe erhoben haben. Natürlich kann ich dann etwas die Fassung verlieren, wenn ich sehe, dass Sie nebenbei Ihr Handy bedienen. Vielleicht haben Sie Wichtigeres zu tun.