Protocol of the Session on August 14, 2013

Schon heute verhalten sich viele Menschen solidarisch und unterstützen sich gegenseitig. Wir haben in Hamburg eine Vielzahl von Institutionen, Sozialund Wohlfahrtsverbänden, die eine sehr gute Arbeit leisten und unterschiedliche Angebote machen, um die Menschen in dem Ziel, den Lebensabend selbstbestimmt zu gestalten, zu helfen. Dazu kommt, dass einige Wohnungsbaugenossenschaften Seniorenselbsthilfevereine für ihre Genossenschaftsmitglieder gegründet haben, und zwar mit dem Zweck der Förderung sozialer und kultureller Kontakte sowie um älteren Menschen lange eine eigenständige Lebensführung in ihrer Wohnung zu ermöglichen.

(Beifall bei der SPD)

Die Bürgerschaft hat im November letzten Jahres einen SPD-Antrag beschlossen, eine Freiwilligenstrategie für Hamburg zu entwickeln und diese bis Ende 2013 vorzustellen. Liebe Frau Dr. Föcking, wenn Sie sich unseren Antrag noch einmal ansehen, dann werden Sie feststellen, dass es unter anderem genau um diese Punkte geht: Wie können wir freiwilliges Engagement fördern, weiterent

wickeln und besser vernetzen? Mit der Schaffung von Freiwilligenagenturen in jedem Bezirk sollen Beratungs- und Vermittlungsangebote geschaffen werden. Die CDU hat sich näher mit der Idee der Seniorengenossenschaft beschäftigt und hierzu einen Antrag vorgelegt. Wir begrüßen diese Initiative grundsätzlich, weil jede Idee willkommen ist, die dazu beitragen kann, die gegenseitige Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger anzuregen.

Uns stellt sich die Frage, ob mit der Gründung von Seniorengenossenschaften als neuem und zusätzlichem Instrument in Hamburg die gewünschten Ziele tatsächlich erreicht werden. Frau Föcking hat darauf hingewiesen, dass es sich nicht um Genossenschaften in dem Sinn handelt, wie wir das genossenschaftliche Modell kennen, sondern dass es hier darum geht, wechselseitiges Engagement zu organisieren. Die von Ihnen genannte Seniorengenossenschaft in Riedlingen, die vielfach als Beispiel hervorgehoben wird, ist ein eingetragener Verein in einer Kleinstadt von circa 10 000 Einwohnern.

Wir würden Ihren Antrag gern an den Fachausschuss zur weiteren Beratung überweisen, weil es aus unserer Sicht eine Vielzahl von Punkten gibt, die wir miteinander klären müssen, zum Beispiel die Übertragbarkeit des von Ihnen benannten Projekts auf eine Metropole wie Hamburg, auch wenn man es auf die Bezirke herunterbricht, und das Thema Entgelt für geleistete Arbeit, um nur einige Punkte zu nennen. Denn man muss wissen, dass das Ansparen von Zeitkonten, wie es ursprünglich von den Seniorengenossenschaften angedacht war, mittlerweile überall einem Prinzip der Bezahlung geleisteter Dienste gewichen ist. Diese Bezahlung von Unterstützungsdiensten wirft durchaus anspruchsvolle Fragen hinsichtlich der Abgrenzung von Erwerbstätigkeit auf.

Noch ein Wort zum Zusatzantrag der Fraktion DIE LINKE. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ob man den CDU-Antrag zum Anlass für eine allgemeine Rentendebatte nehmen sollte, sei dahingestellt.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Friederike Föcking, Dennis Thering, beide CDU, und Katharina Fegebank GRÜNE)

Auch der Zusammenhang zum seniorengerechten Wohnen ist eigentlich nicht gegeben, denn bei der Seniorengenossenschaft handelt es sich in Wirklichkeit nicht um Genossenschaften im rechtlichen Sinn und schon gar nicht um Baugenossenschaften; das ist klargestellt worden. Auf eine verfehlte Rentenpolitik der Bundesregierung kann man zu jeder Zeit hinweisen, und das ist auch berechtigt. Die SPD hat als einzige Partei ein umfassendes Konzept vorgelegt.

(Beifall bei der SPD – Katharina Fegebank GRÜNE: Das stimmt nicht!)

(Dr. Friederike Föcking)

Ihre weiteren Forderungen zum seniorengerechten Bauen sind bereits Bestandteil des Senatshandelns. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.

Meine Damen und Herren! Zum Thema Seniorengenossenschaft gibt es einiges zu klären. Wir freuen uns, das im Gesundheitsausschuss zu diskutieren und beantragen eine Überweisung an den Fachausschuss für die gemeinsame Beratung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Fegebank.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind gern dabei, wenn die Beratungen im Fachausschuss stattfinden, weil wir das von der CDU vorgelegte Konzept beziehungsweise den Antrag auf ein Konzept zur Seniorengenossenschaft nicht nur interessant finden, sondern auch nach Rückfragen in den Ländern, in denen es so etwas bereits gibt, sehr positive Resonanz zu diesem Vorstoß bekommen haben.

Wir stehen der Idee sehr aufgeschlossen gegenüber, weil selbstbestimmtes Leben im Alter eine wichtige Frage ist, die Sie inhaltlich gut hergeleitet haben. Es ist immer Anspruch grüner Sozialpolitik gewesen, auch staatliche Rahmenbedingungen und staatliche Unterstützung zu schaffen, um bürgerschaftliches Engagement, aber auch Selbsthilfe zu ermöglichen. Der Vorschlag von Seniorengenossenschaften, die in der Tat in Vereinen organisiert sind, wie Sie dargelegt haben, leistet dazu möglicherweise auch in Hamburg einen guten Beitrag mit gegenseitiger Hilfe, um sich im Alter zu unterstützen. In einer Lebensphase, in der Probleme wie Krankheiten, aber auch Einsamkeit, Isolation, Wohnen in den eigenen vier Wänden und einfache Fragen der Freizeitgestaltung oder der Fortbewegung und Mobilität zu klären sind, ist das ein spannender Ansatz. Deshalb freuen wir uns auf die Debatte im Ausschuss. Es ist auch aus grüner Perspektive noch das eine oder andere zu klären, Sie haben es angedeutet. Wir wollen natürlich nicht, dass eine Seniorengenossenschaft Aufgaben übernimmt, die vielleicht in anderen Kreisen auch durch staatliche Finanzierung gut funktionieren. Es darf auf keinen Fall ein Kostensparmodell für etwaige Pflegeleistungen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kooperationen mit anderen Wohn- und Pflegeangeboten bieten sich an. Uns wäre auch wichtig, dass die Initiative von Betroffenen oder denjenigen, die sich angesprochen fühlen, selbst kommt, dass es also nichts Verordnetes ist, sondern dass die Senioren selbst die Möglichkeit sehen, sich zu organisieren, gegenseitig zu unterstützen und

Selbsthilfe zu leisten – auch im Sinne des grünen sozialpolitischen Anspruchs.

Ich erlaube mir ebenfalls ein Wort zum Antrag der LINKEN. Ich kann mich Frau Timmermann nur anschließen, zwar nicht in der Aussage, dass Sie der einzigen Partei angehöre, die ein ausgearbeitetes Rentenkonzept hat, das haben wir mit der Garantierente nämlich auch, aber mit der Kritik an der LINKEN. Ich finde es etwas wohlfeil, zu allen möglichen Themen – kleineren Initiativen, aber auch größeren Konzeptvorschlägen – große Grundsatzdebatten aufzumachen. Wir sprechen doch auch bei der Aufstockung der Schuldnerberatung nicht gleichzeitig über die Erhöhung von Hartz-IV-Regelsätzen, und genauso wenig möchte ich, wenn ich jetzt über Seniorengenossenschaften spreche, über die Anhebung des Rentenniveaus sprechen. Das sollte nicht in der Debatte, sondern auf Bundesebene Platz finden. Insofern ist es bedauerlich, dass dieser Antrag an die Initiative gekoppelt wird. Vielleicht hätten Sie sich stärker auf den vorliegenden Vorschlag konzentrieren sollen, das würde der Debatte auch mehr Glaubwürdigkeit verleihen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Karin Tim- mermann SPD)

Das Wort hat Herr Dr. Schinnenburg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir reden über ein Thema, das aus meiner Sicht eine der größten Herausforderungen der Gesellschaftspolitik oder der gesamten Gesellschaft in Deutschland überhaupt darstellt.

Manche Aspekte wurden vorhin schon erwähnt, so der demografische Wandel. Ich will einige Punkte hinzufügen, zum Beispiel die Kinderlosigkeit. Klassischerweise kümmern sich Kinder um ihre Eltern im Alter, aber wenn es keine Kinder gibt, fällt diese Möglichkeit fort. Hinzu kommt die Mobilität. Wenn Kinder da sind, dann leben sie oft in einer anderen Stadt als die Eltern. Auch aus diesem Grund ist die klassische Hilfe innerhalb der Familie schwierig. Der dritte Punkt sind die hohen Personalkosten. Betreuung im Alter und in der Pflege ist sehr personalintensiv und damit teuer, keine Frage. Staatliche und parastaatliche Organisationen sind aus Sicht der FDP-Fraktion überfordert, dieses Problem allein zu lösen. Deshalb ist der Vorschlag der CDU-Fraktion allemal bedenkenswert. Es ist ein klassischer liberaler Gedanke der Selbsthilfe, und wir stehen Ihrem Anliegen sehr positiv gegenüber. Gerade eine genossenschaftliche Lösung ist eine klassische liberale und FDP-Forderung.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Echt?)

(Karin Timmermann)

Deshalb sind wir dafür, diesen Antrag an den Gesundheitsausschuss zu überweisen.

Ich möchte allerdings drei Punkte erwähnen, die die Sache aus meiner Sicht etwas komplizierter machen, als es auf den ersten Blick im CDU-Antrag aussieht.

Der erste und vielleicht wichtigste Punkt ist die Verlässlichkeit. Wenn wir diese Ansparkonten haben, dann geht es um eine Vorleistung über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Wer garantiert demjenigen, der mit 25 eine Pflege- oder Hilfeleistung erbringt, dass er 40 Jahre später die entsprechende Gegenleistung erhält? Aus meiner Sicht besteht hier ein großes Problem der Rechtssicherheit. Das kann man sicher im Ausschuss diskutieren.

Der zweite Punkt wurde noch überhaupt nicht erwähnt. Es geht letztlich um Tauschgeschäfte, und diese führen dazu, dass klassischerweise bezahlte Arbeit ersetzt wird. Das wiederum führt zum Ausfall von Steuereinnahmen und Sozialabgaben, denn wenn ein Altenpfleger ersetzt wird, fallen dessen Steuern und Sozialabgaben fort. Auch hier könnte ein Problem bestehen, auch das können wir im Ausschuss besprechen.

Der dritte Punkt schließlich ist naheliegend; komischerweise hat ihn noch niemand erwähnt. Frau Föcking sagte, dass wir eine Anschubfinanzierung des Staates brauchen, sie sagte aber nicht, wo das Geld herkommen soll. Sie sagte sogar ausdrücklich, dass es nicht aus anderen Sozialbereichen kommen dürfe, dafür kann man durchaus Verständnis haben. Aber in Zeiten der Haushaltskrise und Schuldenbremse kann man keinen Antrag ohne einen Hinweis darauf stellen, wie die Kosten gedeckt werden sollen.

Es ist also in der Tat eine gute Idee, das findet auch die FDP. Aber mit Sicherheit muss man darüber noch einmal diskutieren. Das tun wir im Gesundheitsausschuss, und ich freue mich sehr auf neue Erkenntnisse dort. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Ralf Niedmers CDU)

Frau Artus hat das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Herren und Damen! Ich kannte den Artikel aus dem "Hamburger Abendblatt" vor Ihrem Antrag, und deswegen ist unser Antrag so entstanden. Ich möchte Ihnen gern erläutern, warum wir es an dieser Stelle etwas grundsätzlicher aufziehen, weil nämlich unseres Erachtens die Dimensionen nicht greifen, über die wir tatsächlich sprechen, auch wenn meine Vorrednerinnen und Vorredner zu Recht die Probleme des Älterwerdens angesprochen haben.

Wir wissen in Hamburg über die Lebenssituation älterer Menschen eigentlich gut Bescheid. Uns liegen mehrere Bericht vor, aus denen ziemlich genau hervorgeht, in welchem gesundheitlichen Zustand sich die Generation 60 plus befindet, wie deren soziale Lage ist und welche Bedürfnisse und Wünsche sie bezüglich ihrer derzeitigen Lebensphase haben. So sind die meisten älteren Menschen trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung und den Alltagserscheinungen, die das Altern mit sich bringt, mit ihrer Lebenssituation zufrieden. Wir wissen aber auch aus Studien, dass es in dieser Generation eine sehr ausgeprägte Subkultur der Bescheidenheit gibt. Man klagt eben nicht. Man erinnert sich noch sehr gut an Kriegszeiten, an die Nachkriegszeit, an Hunger und Entbehrungen, und im Vergleich dazu geht es heute vielen Menschen gut.

Das größte Problem, das ältere Menschen haben, ist ihre Einkommenssituation. Zu Recht fühlen sich immer mehr Menschen, die in die Phase des "Unruhezustandes" wechseln, von dieser Gesellschaft verraten. Trotz lebenslanger Arbeit reicht die Rente nicht, und trotz Einzahlungen in die Sozialversicherung sollen sie für Arzneimittel und medizinische Behandlungen zuzahlen. Die meisten können die Pflegeleistungen, die sie benötigen, nicht bezahlen. Sauber, satt und trocken – das ist immer noch das Ziel der heutigen Pflege, wonach die Leistungen und Zeiten berechnet werden.

(Karin Timmermann SPD: Darüber reden wir doch im Moment gar nicht!)

Doch, genau darüber reden wir.

Schwarz/Gelb sollte sich schämen, dass sie es in den letzten vier Jahren nicht geschafft haben, den Pflegebegriff um psychosoziale Aspekte zu erweitern. Allein dafür gehören Sie abgewählt, und Sie bringen jetzt einen Antrag, in dem es nur um einen winzigen Teil dieser Frage geht.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Anzahl derjenigen, die ihren Lebensunterhalt nicht mehr aus Renten, Pensionen, Vermögen und Unterhaltsansprüchen bestreiten können, stieg in Hamburg von 2005 auf 2010 um 50 Prozent auf 8343 Männer und 11 387 Frauen. Die Anzahl der Älteren, die immer weniger Geld im Monat zur Verfügung haben, wird noch weiter steigen, und zwar vor allem durch die Menschen, die im Niedriglohnbereich tätig sind. Frauen, das wissen wir alle, sind besonders stark betroffen, denn sie haben oft extrem niedrige Renten.

Die CDU beschreibt in ihrem Antrag, woran es liegt, dass der Lebensabend aller Wahrscheinlichkeit nach nicht selbstbestimmt verbracht werden kann. Ich verstehe die CDU aber nicht – und hier beziehe ich mich konkret auf den Antrag –, warum sie zum Beispiel eine Absenkung der Rentenbei

(Dr. Wieland Schinnenburg)

träge gut findet, wenn sie die mangelhafte Ausstattung der Rentenkassen schon erkennt.

Meine Vorredner haben auch zum Ausdruck gebracht, dass der Antrag sehr vage ist. Wir finden es richtig, dass der Antrag überwiesen wird, um ihn dort tiefer zu diskutieren. Hier liegt ein großes Problem, und Seniorengenossenschaften reichen bei Weitem nicht aus. Den Antrag empfinde ich daher in Gänze als unehrlich. Die CDU hat es maßgeblich mitzuverantworten, dass die Pflege in Form einer Teilkaskoversicherung unzureichend ausgestattet ist. Und Sie haben es – auch in Hamburg – maßgeblich zu verantworten, dass wir keine ausreichenden altersgerechten Wohnungen finden. Das muss man bei dem Thema der Lebenssituation älterer Menschen immer dazusagen.

(Beifall bei der LINKEN – Dietrich Wersich CDU: Sie haben das Thema verfehlt!)

Liebe Abgeordnete der CDU, ich verstehe, dass es Sie nervt, dass ich das in einen Kontext setze, aber das zeigt eben auch, wie unzulänglich Ihr Antrag ist. Sie finden keine politische Antwort und nehmen keine Kurskorrektur in der Renten- und Pflegepolitik vor, sondern wollen die Unzulänglichkeiten, die Sie mitgeschaffen haben, wieder einmal auf das Ehrenamt abwälzen, wie man sieht. Sie reden den Leuten ein, dass sie sich vielleicht nur etwas mehr engagieren müssten; etwas mehr Selbsthilfe, dann klappt das schon. Die sozialen Probleme älterer Menschen, die durch schlechte Politik noch schlimmer werden, können aber mit Seniorengenossenschaften nicht aufgefangen werden. Damit erreichen Sie vielleicht eine kleine Gruppe, mehr aber auch nicht. Ob sich dafür der Aufwand lohnt, den die CDU in ihrem Antrag vorschlägt, bezweifle ich. Hier habe ich wiederum das Gefühl, dass meine Vorrednerinnen und Vorredner nicht weit von mir weg sind.

Die Ressourcen sollten besser dafür eingesetzt werden, die Pflegestützpunkte auszubauen, die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu beschleunigen und den altersgerechten Wohnungsbau zum Beispiel in Form des Ausbaus von Service-Wohnanlagen voranzutreiben. Auch das sind solidarische Einheiten, die sich gegenseitig helfen, so, wie wir das in unserem Antrag vorschlagen. Daher habe ich auch kein Verständnis dafür, dass die SPD unseren Antrag nicht an den Ausschuss mitüberweisen will.