Die Sitzung ist eröffnet, und wir beginnen sogleich mit dem ersten Tagesordnungspunkt, Drucksache 20/8340.
Das ist der Bericht des Haushaltsausschusses, Realisierung des Projektes Elbphilharmonie, Bericht über die Neuordnung des Projektes Elbphilharmonie, Neuordnungsvereinbarung beziehungsweise Nachbewilligung von Haushaltsmitteln im Haushaltsplan 2013/2014, Einzelplan 3.3 "Kulturbehörde".
[Bericht des Haushaltsausschusses über die Drucksache 20/7738: Realisierung des Projektes Elbphilharmonie – Bericht über die Neuordnung des Projektes Elbphilharmonie ("Neuordnungsvereinbarung") – Nachbewilligung von Haushaltsmitteln im Haushaltsplan 2013/2014, Einzelplan 3.3 "Kulturbehörde" (Senatsantrag) – Drs 20/8340 –]
Hierzu liegen Ihnen als Drucksachen 20/8448, 20/8449, 20/8450 und 20/8456 ein Antrag der FDP-Fraktion, zwei Anträge der LINKEN sowie ein Antrag der SPD-Fraktion vor.
[Antrag der FDP-Fraktion: Regelungslücken schließen, Sicherheiten schaffen – Nachtrag Nummer 5 zum Leistungsvertrag für das Projekt Elbphilharmonie nachbessern – Drs 20/8448 –]
[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Elbphilharmonie hier: Einrichtung einer BauBegleitgruppe – Drs 20/8449 –]
[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Elbphilharmonie hier: Beauftragung von Sachverständigen und Adjudikation – Drs 20/8450 –]
[Antrag der SPD-Fraktion: Neuordnung Elbphilharmonie: Die Zeit ist reif für eine Entscheidung! – Drs 20/8456 –]
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Bürgerschaft steht heute vor einer schwierigen Entscheidung, und dieser
Entscheidung kann heute niemand ausweichen. Sollen wir der vorliegenden Neuordnungsvereinbarung des Projektes Elbphilharmonie zustimmen oder verweigern wir die Zustimmung mit der Folge eines in seinen Risiken und Nebenwirkungen insgesamt unübersehbaren Kündigungsszenarios?
Um diese Frage geht es, und ein Wünsch-dir-Was steht heute nicht zur Verfügung. Wir alle müssen uns zwischen genau diesen beiden Handlungsoptionen entscheiden, die jetzt auf dem Tisch liegen.
Keine Frage, natürlich wäre es schöner gewesen, wenn wir mehr Zeit und die Vereinbarung schon früher gehabt hätten und man sich die eine oder andere Schleife und manches Scharmützel im Vorfeld hätte sparen können. Das ist aber müßig, weil wir heute auf dieser Grundlage die Entscheidung treffen müssen, und zwar auf Basis eines Angebots von HOCHTIEF, dem ersten überhaupt annehmbaren Angebot aus dem vergangenen Dezember. Vorher gab es kein so weitreichendes Angebot von HOCHTIEF, das kann ich insbesondere den Schlaumeiern sagen, die meinen, dass man das alles schon viel früher hätte haben können. Das war last order von HOCHTIEF am 14. Dezember 2012. Bis zur letzten Minute ist nachgebessert worden. Dies war das erste und einzige annehmbare Angebot von HOCHTIEF,
ein Angebot, das weitreichende – das haben die Gutachter gesagt – und absolut einmalige Zugeständnisse von HOCHTIEF in Fragen der Haftungsübernahme, der Garantien und der Beseitigung der Geburtsfehler dieses Projekts beinhaltet zu einem, und das gehört auch dazu, fast unvertretbar hohen Preis. Das ist die Schattenseite dieser Vereinbarung. Das müssen wir abwägen mit der Alternative der Kündigung. In dem Moment, wo gekündigt worden wäre, hätte man einen Scherbenhaufen gehabt. Das hat uns der namhafte Bauexperte Professor Diederichs, den Sie, lieber Kollege Hackbusch, vorgeschlagen haben, im Ausschuss ins Stammbuch geschrieben. So ist es. Wie weit tragen die Kündigungsgründe? Wie viel Geld würden wir von HOCHTIEF wirklich bekommen, womit wir den Eigenbau hätten finanzieren müssen? Welche Gegenforderungen hätte es gegeben? Fragen über Fragen.
Der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof in Bausachen, Professor Leupertz, hat uns ebenfalls eindringlich davon gewarnt, den Kündigungs- und Klageweg zu gehen – ich zitiere –:
"Wenn man sich das antut, dass man nachher sagt, wir rechnen dann wechselseitig mit diesen ganzen Millionenforderungen auf, wer wann welche Behinderungstatbestände
geschaffen hat. Da gehen Sie so in 10, 15, 20 Jahren dann irgendwann, nachdem Sie zweimal beim BGH waren, und dann sagt Ihnen möglicherweise irgendeiner, die Kündigung war vielleicht doch nicht wirksam. […] Die Risiken würden sich potenzieren",
Die Stadt wäre außerdem erpressbar, wenn sie kündigt, denn dann müsste sie mühsam auf dem Weg der Einzelvergabe mit allen Nachunternehmern neu verhandeln, und auf einige sind wir in diesem Verfahren zwingend angewiesen. Sie könnten dann jeden Mondpreis verlangen. Das ist das wahre Erpressungsrisiko für die Stadt, und deshalb ist die Elbphilharmonie Marke Eigenbau keine Alternative. Sie wäre technisch, rechtlich und politisch zum jetzigen Zeitpunkt ein Himmelfahrtskommando für die Stadt.
Insofern ist die Frage insbesondere an die Kollegen von CDU und GRÜNEN, was Ihr Nein, das Sie am Montag beschlossen haben, eigentlich bedeuten soll. Sind Sie jetzt für die Kündigung? Haben Sie inhaltliche Gründe? Geht es Ihnen ums Verfahren oder haben Sie irgendeine Alternative anzubieten? Ich habe keine gesehen.
DIE LINKE ist immerhin konsequent. Sie waren immer gegen die Elbphilharmonie, und bei diesem Kurs bleibt es.
Sie haben den Beratungsprozess konstruktiv begleitet und wichtige Hinweise gegeben. Auch die FDP trifft beim Projektstart kein besonderes Versagen. Sie haben sich immerhin zu einer mutigen Enthaltung für heute durchgerungen und einen Zusatzantrag eingebracht, der Überlegungen enthält, mit denen wir den Senat auch beauftragen wollen. Das ist immerhin halbwegs nachvollziehbar.
Was wir aber nicht nachvollziehen können, ist die Position von CDU und GRÜNEN. Dass Sie sich bei der maßgeblichen Verantwortung, die Ihre Senate für das Projekt und ganz konkret für die Fehler bei diesem Projekt hatten, in dieser Art und Weise vom Acker machen, ist verantwortungslos.
Man kann es auch noch anders ausdrücken, und das hat Herr Schües gestern Herrn Wersich bei "Schalthoff Live" aufs Brot geschmiert:
Das muss man sich dann schon anhören, Herr Kerstan, wenn man nach diesem Vorlauf eine solche Entscheidung treffen will.
Wenn man sich anschaut, dass es Überlegungen gibt, einen Untersuchungsausschuss einzuleiten und zu beantragen, während der vorherige seine Arbeit noch nicht einmal abgeschlossen hat,
und wenn wir heute in der Zeitung lesen, dass offenbar schon überlegt wird, wie man Herrn Scheuerl als Vorsitzenden eines neuen Untersuchungsausschuss installieren kann, dann zeigt das, dass es Ihnen um Parteipolitik geht und nicht um Verantwortung für diese Stadt.
In der Tat haben wir den abgelehnt. Aber Sie kommen jetzt mit einem Untersuchungsausschuss, der offenbar schon auf den Gängen dieses Rathauses vorbereitet wird. Man überlegt, wie man ihn einsetzen will. Wir haben ein Jahr nach dem Beschluss über Nachtrag 4 einen Untersuchungsausschuss beantragt und eingesetzt, und zwar, als schon klar war, dass Nachtrag 4 nicht aufgeht. Wir haben abgewartet, ob er in der Praxis funktioniert oder nicht. Er funktionierte nicht und war ein Flop. Hätte er funktioniert, dann hätten wir uns diese Sitzung heute sparen können. Insofern zeigt sich, dass Ihre Argumentation nicht aufgeht.
Auch aus den GRÜNEN kann man nicht schlau werden. Wir hatten ein Gutachtenverfahren vereinbart. Ich glaube, Jens Kerstan hat zugestimmt; jedenfalls war ich dabei, als die GRÜNEN zugestimmt haben. Dann gab es eine Beauftragung der Gutachter und einen Landesausschuss der GRÜNEN. Im Landesausschuss der GRÜNEN wurde dann beschlossen, dass man nicht zustimmen werde, und zwar zwei Tage, bevor die Gutachter ihre Ergebnisse vorgelegt haben. So viel zum Thema Gutachtenverfahren. Aus Ihrer Sicht hätte man sich das eigentlich ersparen können.
Die Verfahrenskritik von CDU und GRÜNEN ist auch deshalb so bemerkenswert, weil wir den direkten Vergleich haben. Wie war das beim Nachtrag 4? Vom Bürgermeister gab es, wenn ich das richtig sehe, nicht eine einzige direkte Information. Beim Nachtrag 5 hat der Bürgermeister die Fraktionsvorsitzenden und Obleute zum Gespräch eingeladen. Alle Fragen konnten gestellt werden. Es gab das Angebot, dass der Bürgermeister in die Fraktionen geht, und darauf kam keine Reaktion. Hier gab es eine direkte Information, und damals gab es keine.