Protocol of the Session on June 12, 2013

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Das Wort hat nun Frau Bekeris.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zwei Dinge ganz grundsätzlich trennen, und das sind erstens Solidarität und humanitäre Hilfe und

zweitens rechtliche und gesetzliche Rahmenbedingungen und eine Aufenthaltsperspektive. Die Betonung liegt hier auf Perspektive, die auch ehrlich benannt werden muss. Die Lebenssituation der afrikanischen Flüchtlinge bewegt viele Hamburgerinnen und Hamburger, und wir erleben eine Welle der Solidarität. Dabei ist das Engagement der Kirche ehrenwert, aber zu diesem Engagement gehört auch Ehrlichkeit.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Humanitäre Hilfe ist selbstverständlich, da sind sich SPD-Fraktion und Senat auch absolut einig. Die Stadt ist auch nach wie vor offen für eine gemeinsame Lösung mit Kirche und Diakonie. Die Unterbringung in Langenhorn ist immer noch möglich. Auch die Tagesaufenthaltsstätten und die ärztliche Versorgung stehen noch offen, und auch das ist humanitäre Hilfe. Alle anderen Einlassungen sind hier nicht zulässig.

(Beifall bei der SPD – Norbert Hackbusch DIE LINKE: Was ist nicht zulässig?)

Auf der anderen Seite steht nun aber die rechtliche Situation, und die meisten afrikanischen Flüchtlinge haben in Deutschland aufgrund der aktuellen Rechtslage keine Aussicht auf einen dauerhaften Aufenthalt und eine Arbeitserlaubnis. Es kann nur eine Einzelfallprüfung geben, und diese ist vom Senat auch in jedem Fall und immer zugesagt worden.

(Beifall bei der SPD)

Dass wir diese Einzelfallprüfung zusagen, das kann gerne um eine unabhängige Beratung auch von kirchlicher Seite aus ergänzt werden.

Ich möchte aber auf einen anderen Aspekt kommen: Die afrikanischen Flüchtlinge zwingen uns, uns mit der europäischen Flüchtlingspolitik auseinanderzusetzen. Dublin II haben wir hier schon oft gehört, und alle europäischen Staaten müssen hier auch stärker eingebunden werden. Aber diese Forderung entlässt Italien nicht aus der aktuellen Verantwortung für eine menschenwürdige Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge. Hier muss die Bundesregierung ihren Einfluss weiterhin geltend machen, was auch an einigen Stellen schon passiert ist.

(Beifall bei der SPD)

Ein Moratorium von sechs Monaten wird für diese Klärung und Diskussion aber nicht reichen,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Mindes- tens!)

deshalb ist Hamburg auch der falsche Adressat. Es kann keine Hamburger Alleinlösung geben, ohne dass sich die anderen Bundesländer und auch die Bundesregierung mit diesem Thema auseinan

(Christiane Schneider)

dersetzen, denn wir haben alle eine Verantwortung für Europa und auch für eine Sozialunion.

(Beifall bei der SPD – Jens Kerstan GRÜNE: Haben Sie jetzt eigentlich zugehört?)

Der gestern vorgestellte Appell für ein Moratorium wirbt in erster Linie für mehr Zeit. In sechs Monaten wird sich die Perspektive für das, was sich die Menschen vor allem wünschen – eine Aufenthaltserlaubnis und ein Aufenthaltsrecht –, aber nicht ändern lassen. Ihnen etwas anderes in Aussicht zu stellen, ist Augenwischerei, und das ist nicht ehrlich.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich möchte noch einen weiteren Punkt aufgreifen, und zwar denjenigen, mehr Verantwortung für Flüchtlinge zu übernehmen. Das ist eine Forderung, die innenpolitisch nur durchzusetzen ist, wenn sie Unterstützung in der Bevölkerung erfährt. Deshalb freue ich mich über die Unterstützung für die afrikanischen Flüchtlinge, denn sie zeigt, dass unsere Stadt offen ist für Menschen und auch für Menschen, die in Not sind.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Tim Gol- ke DIE LINKE: Aber nicht der Senat!)

Sie hat aber auch Grenzen, wenn wir uns die Klagen gegen öffentliche Unterbringung außerhalb von St. Pauli ansehen. Diese Offenheit aus St. Pauli wünsche ich mir auch, wenn es um die Unterbringung der anderen Flüchtlinge geht, die wir in Hamburg in steigendem Maße haben. Für die sogenannte öffentliche Unterbringung sucht die Stadt händeringend nach Grundstücken und Gebäuden, und wir stoßen dabei teilweise auf große Widerstände in der Bevölkerung. Auch wenn einige diesen Zusammenhang nicht sehen oder nicht benannt wissen wollen, möchte ich doch noch einmal an die Unterstützung und die Solidarität der ganzen Stadt appellieren, öffentliche Unterbringung in allen Stadtteilen zu realisieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort hat nun Herr Voet van Vormizeele.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Debatten werden nicht besser, wenn man sie alle zwei Wochen wiederholt, das können wir gerade wieder feststellen. Ich hatte den Eindruck, dass wir uns vor zwei Wochen in der Tat energisch gestritten haben. Die Frage stellt sich, was sich in diesen zwei Wochen verändert hat. Es gab ein Angebot des Senats an die Flüchtlinge und die Diakonie. Dieses Angebot wurde von der Diakonie ausgeschlagen. Das gehört zu den Dingen, die ich, offen gesagt, nicht verstehen kann. Wer Hilfe, auch hu

manitäre Hilfe von der Stadt und der Gemeinschaft beansprucht, der hat nicht das Recht auf Anonymität. Das ist so und deshalb finde ich es unglaublich, wenn man ein solches Angebot ausschlägt und damit letztendlich auch dafür Sorge trägt, dass das Problem sich weiter verschärft und weiter bestehen bleibt. Das ist nicht akzeptabel.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich will gerne aufnehmen, was Frau Schneider zu der Beschreibung des großen Hilfsangebots gesagt hat. Auch ich habe Respekt vor all den Menschen, die dort Hilfe anbieten und in den letzten Tagen und Wochen Hilfe geleistet haben. Es ändert aber überhaupt nichts an der Ausgangslage. Was mich ärgert, habe ich in der letzten Debatte hier schon angedeutet und sage es jetzt noch einmal deutlich klarer: Ich finde es unglaublich, dass es offensichtlich Gruppen in dieser Stadt gibt, die die Lage dieser Flüchtlinge ausnutzen, um Politik zu machen, und dabei das Schicksal dieser Flüchtlinge bewusst außer Acht lassen und sie sozusagen als Manövriermasse ihrer eigenen politischen Forderung gebrauchen. Das geht so nicht, und das finde ich, gelinde gesagt, unanständig.

(Beifall bei der CDU)

Es geht Ihnen in vielen Teilen nicht mehr um das Schicksal dieser Menschen – dafür wollen wir alle gemeinsam Lösungen suchen –,

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Das ist ein bisschen billig!)

sondern es geht Ihnen darum, dass Sie Politik machen wollen.

(Jens Kerstan GRÜNE: Das ist echt unterir- disch!)

Sie wollen einen Bundestagswahlkampf mit dem Thema Flüchtlinge machen, das ist Ihr gutes Recht, aber es hat rein gar nichts zu tun mit den Krokodilstränen, die Sie hier um die Flüchtlinge weinen.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Das ist eine Unverschämtheit!)

Da, lieber Kollege, gebe ich Ihnen recht. Was Sie in den letzten Wochen gemacht haben, war eine Unverschämtheit gegenüber jedem Flüchtling.

(Beifall bei der CDU)

Wir als Union bleiben dabei, dass wir in der Frage den Senat unterstützen. Wir erwarten, dass senatsseitig humanitäre Angebote gemacht werden. Wir erwarten aber auch, dass die Verhandlungspartner, sei es die Diakonie oder seien es Kirchengemeinden, diese Angebote annehmen und dass man da zusammenarbeitet. Wir sagen aber auch ganz deutlich, und das gehört zu dem hier häufig gebrauchten Wort Ehrlichkeit dazu, dass es keine Perspektive für diese Flüchtlinge in Hamburg ge

(Ksenija Bekeris)

ben wird. Wer etwas anderes behauptet, spielt mit dem Schicksal dieser Menschen, und das ist unehrlich.

(Beifall bei der CDU – Heike Sudmann DIE LINKE: Und was machen Sie?)

Wir tun genau das nicht, weil wir klipp und klar sagen, was wir wollen und was passieren wird. Ihnen ist das, ehrlich gesagt, vollkommen egal.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Das ist eine Unverschämtheit, wie kritisieren Sie denn die Kirche!)

Es ist schön, dass Sie sich aufregen, denn offensichtlich fühlen Sie sich getroffen.

(Beifall bei der CDU)

Wir bleiben dabei, dass wir vom Senat Angebote humanitärer Lösungen erwarten.

(Jens Kerstan GRÜNE: Sehr christlich!)

Aber wir erwarten auch, dass der Senat die bisherige Linie genauso konsequent fortsetzt. Dann wird er uns als größte Oppositionsfraktion an seiner Seite finden.

(Beifall bei der CDU)

Frau Möller, Sie haben das Wort.