Protocol of the Session on May 15, 2013

Frau Heyenn, Sie haben das Wort. – Ich habe immer zu Ihnen herübergeschaut, Herr Senator, Sie haben sich aber nicht gemeldet. Sie haben selbstverständlich immer Rederecht.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Entschuldigung, dass ich mich nicht frühzeitig gemeldet habe. Ich hätte gern gehört, was Frau Heyenn sagt, um dann gleich dazu etwas sagen können, aber ich glaube, die Reihenfolge ist nicht sehr wichtig. Die Themen sind alle benannt, und Herr Hackbusch hat einen solchen Strauß an unterschiedlichen Themen aufgestellt, dass es schwer fällt zu unterscheiden, wo richtige Analyse und wo etwas unscharf ist. Ich will das gern versuchen.

Die Personalentwicklung ist oft diskutiert worden, und der Schlüssel für die Lösung des Problems liegt in dem vorliegenden Antrag. Das ist die Aus

(Robert Bläsing)

bildung von Finanzbeamtinnen und Finanzbeamten, denn anders bekommen wir keine Verstärkung der Steuerverwaltung. Dies ist ein Spezialberuf, denn nur wir bilden aus und können daher nicht über eine Stellenanzeige im "Hamburger Abendblatt" nun plötzlich Personalverstärkung organisieren. An dieser Stelle, Herr Hackbusch, hat sich etwas geändert. Die Ausbildung ist verstärkt worden, und dieser Antrag geht in die richtige Richtung. Ich komme zu einer kleinen Schwäche Ihrer Darstellung, Herr Hackbusch. Was wir gestern im Haushaltsausschuss schon gesagt haben, das dokumentieren auch die Ist-VZÄ, wie wir das nennen, also die wirklichen Vollzeitkräfte bei der Betriebsprüfung. Dort ist es bis 2011 leider immer bergab gegangen, aber seit den vergangenen zwei Jahren geht es wieder bergan. Wir haben pro Jahr zehn zusätzliche Betriebsprüfer, und zwar echte IstVZÄ, bekommen. Das ist wenig, das sind kleine Schritte, aber es ist eben das, was man machen kann, weil man, jetzt komme ich zum dritten Punkt, die Betriebsprüfung und auch die Steuerfahndung nicht losgelöst vom Rest der Steuerverwaltung sehen darf. Auch dazu habe ich gestern im Haushaltsausschuss schon einiges Erläuterndes gesagt. Die Steuerfahndung ist schlagkräftig, und sie kann alle Hinweise zum Beispiel aus angekauften Daten-CDs auswerten. Sie hat große Erfolge. Zum Beispiel hat sie vor Kurzem erst einen Fall von organisiertem Umsatzsteuerbetrug – ein sehr spektakulärer Komplex mit hoher krimineller Energie – aufgeklärt. Dabei ging es um ein Volumen von 20 Millionen Euro. Die Hinweise darauf kommen aber nicht aus der Steuerfahndung. Die Hinweise auf diesen Umsatzsteuerbetrug kamen aus einem einfachen Regionalfinanzamt Hamburg-Harburg, wo engagierte Finanzbeamte bei ihrer regulären Arbeit gemerkt haben, dass etwas nicht koscher ist, und das sondiert haben. Dann waren die Hinweise irgendwann beieinander, und der Vorgang wurde an die Steuerfahndung übergeben. Deswegen sind Erfolge der Steuerfahndung nicht getrennt von der gesamten Steuerverwaltung zu betrachten, die wir in 15 Regionalfinanzämtern organisieren. Bei der Betriebsprüfung ist es das Gleiche. Auch die Betriebsprüfung kann nur vernünftig arbeiten, wenn es zu einer vernünftigen Bearbeitung im Bereich Veranlagung kommt, wenn schon, bevor Steuerbescheide erstellt werden, möglichst viel geschaut, gefragt und geprüft wird. Deswegen sind diese beiden wichtigen Bereiche, die immer spektakulär im Vordergrund stehen, nur mit Blick auf die gesamte Steuerverwaltung vernünftig zu beurteilen, und deswegen kümmern wir uns auch um die technischen Systeme, die IT-Systeme. Zur Effizienzsteigerung in der Betriebsprüfung haben wir schon einige Vorschläge gemacht, die auch umgesetzt werden. Deswegen glaube ich, Herr Hackbusch, dass Sie die richtigen Themen ansprechen, aber es ist in den vergangenen zwei Jahren

einiges geschehen, und das soll auch so weitergehen.

Dann gibt es das andere Feld, das moralische. Ist das Instrument Selbstanzeigen gut oder schlecht, darf man Steuer-CDs ankaufen, sollte man Steuerabkommen mit der Schweiz abschließen. Dazu kann ich klar sagen: Wir kaufen weiterhin SteuerCDs beziehungsweise wir beteiligen uns daran, solange es erforderlich ist, solange wir als Staat sozusagen nicht anders in der Lage sind, Steuerhinterziehung, die zum Teil mit höchster krimineller Energie betrieben wird, wirklich auch als Straftat zu verfolgen. Ich finde, dass wir sogar dazu verpflichtet sind, solche Daten anzunehmen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN)

Es gibt Juristen, die darlegen, dass man sich möglicherweise als Staat auch Beihilfe zur Steuerhinterziehung vorwerfen lassen muss, wenn man diese angebotenen Daten nicht annimmt. Deswegen sind wir dazu nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. Wir haben uns an allen Daten-CD-Ankäufen beteiligt, und anders als andere Länder, die sich hier vom Acker machen, werden wir das auch weiterhin tun. Wir werten alles mit großem Erfolg aus, nicht nur, was die erzielten Mehreinnahmen über die Fahndungserfolge angeht, sondern auch die durch Selbstanzeigen, die in diesem gesamten Umfeld dann sozusagen zusätzlich eingehen.

Das Thema Steuerabkommen mit der Schweiz klammere ich einmal aus. Sie werden eine schriftliche Beantwortung des Ersuchens der Bürgerschaft bekommen. Sie hatten uns gebeten, im Bundesrat diesem Abkommen nicht zuzustimmen. Diesem Ersuchen sind wir aus Überzeugung nachgekommen, weil das Steuerabkommen schlecht verhandelt war. Ich glaube schon, dass mit dem Ende dieses Steuerabkommens nicht das Ende der Debatte gekommen ist,

(Anja Hajduk GRÜNE: Im Gegenteil!)

sondern die Schweiz, Österreich, Luxemburg und alle, die ein Interesse daran haben, ihren schlechten Ruf als unsauberer Finanzplatz zu verlieren, ein großes Interesse daran haben, nun zu einer vernünftigen Regelung zu kommen. Wir stehen dem nicht im Wege, sondern wir haben Vorschläge dazu gemacht, wie so etwas zu organisieren wäre. Nun sind wir an einer Stelle, wo uns weder Betriebsprüfung noch Steuerfahndung oder etwas anderes helfen kann als wir selbst. Das Schlimme ist doch, dass es nicht nur Steuerhinterziehung als kriminelle Steuervermeidung gibt, sondern auch unendlich viele legale Steuervermeidungsschlupflöcher. Im internationalen Bereich sind sie erheblich; das ist das Wiki-Leak-Thema. Wir würden uns gern die Daten, die die Journalisten bekommen haben, ansehen. Wir haben dem NDR auch angeboten, diese Daten zu übernehmen, sie

(Senator Dr. Peter Tschentscher)

auszuwerten, sie an andere Steuerverwaltungen weiterzugeben. Das ist aus möglicherweise guten Gründen nicht gewünscht worden, aber wir wollten es wenigstens angeboten haben. Jetzt höre ich, dass dies vielleicht möglich ist, indem die Daten von einem Journalistenverband in den USA an die Bundesregierung übergeben werden. Der Weg ist uns recht. Wir nehmen alles an und helfen mit, auch solche Strukturen zu untersuchen. Ich befürchte nur, dass es dort viele Fälle geben wird, bei denen wir uns die Augen reiben, dass wir gar nichts machen können, weil die Steuerabkommen so sind, wie sie sind und weil die internationalen Konzernstrukturen auf Steueroptimierung, wie die Unternehmen das nennen, organisiert wurden. Hier müssen wir uns als Staaten an die eigene Nase fassen und Gesetzesregelungen herbeiführen, die das unterbinden.

Damit sind wir beim letzten Thema, über das ich heute sprechen will. Morgen wird uns die Aktuelle Stunde vielleicht weitere Gelegenheit geben, diese Dinge auszutauschen. Ein Thema aber quält mich sehr, weil es uns sehr nahe geht. Wir verlieren derzeit viele Millionen Euro Steuereinnahmen, weil wir eine Lücke im Erbschaftsteuerrecht haben. Die sogenannten Cash-GmbHs sind Strukturen, die genutzt werden, um bei der Vererbung von Betriebsvermögen Steuern nicht zu zahlen – ein völlig legaler, ich will nicht sagen, Missbrauch. Es ist die Nutzung eines Schlupflochs im Erbschaftsteuerrecht, das nicht als solches gedacht war. Diese CashGmbHs werden genutzt, um große Vermögen von einer Generation auf die andere zu übertragen. Das kostet uns in Hamburg viele Millionen Euro Steuereinnahmen. Vor einem halben Jahr ist es nicht gelungen, dieses Schlupfloch mit der Bundesregierung über das Jahressteuergesetz 2013 zu schließen. Das bedauere ich sehr. Ich hoffe, dass dieses Cash-GmbH-Schlupfloch spätestens zur Sommerpause endlich gestopft ist. Dabei, liebe CDU-Fraktion, können Sie gerne helfen. Wir hatten eine klare Vorstellung, wie man das machen kann, aber die schwarz-gelbe Bundesregierung hat dies nicht durchgehen lassen, und deswegen gibt es dieses Schlupfloch nach wie vor.

Wir haben das Problem, dass wir eine relativ vernünftige Haltung haben, wie wir mit der Steuerverwaltung und all diesen Steuerthemen umgehen wollen, und gute Vorschläge machen, deren Umsetzung aber immer wieder an der schwarz-gelben Bundesregierung scheitert. Das ist jüngst auch belegt worden durch zehn Vorschläge zur Steuervereinfachung, die alle Länderfinanzminister gerne umgesetzt hätten. Wir wollen kompliziertere Vorschriften durch einfache ersetzen, um es der Steuerverwaltung zu ermöglichen, ihren Arbeitsaufwand zu verringern, schneller Steuerbescheide zu erstellen und mit dem vorhandenen Personal besser zurechtzukommen. Diese zehn Vorschläge für eine Steuervereinfachung sind im Bundesrat be

schlossen und von der Bundesregierung mit ihrer schwarz-gelben Mehrheit auf Bundesebene abgelehnt worden. Das passt nicht zu den Themen, die ich hier von CDU und FDP höre, und deswegen bitte ich auch alle Beteiligten an dieser Stelle, nicht nur solche Reden zu schwingen, sondern auch politisch mitzuhelfen, dass das irgendwann umgesetzt wird. Diese Vorschläge liegen nach wie vor auf dem Tisch. Vielleicht kann man im Herbst mit einer neuen Bundesregierung darauf zurückkommen; es würde uns sehr helfen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat aber Frau Heyenn das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Tschentscher, wir von der LINKEN wissen durchaus zu schätzen, dass sich das Land Hamburg bei jedem CD-Ankauf beteiligt hat. Das würdigen wir, das finden wir richtig, und das sollten Sie auch weiterhin so machen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Herr Heintze, wer sich nicht darüber aufregt, dass es in Hamburg jeden Tag eine Selbstanzeige gibt – und immer dann, wenn eine CD droht, nimmt diese Zahl noch zu –, dem mangelt es meiner Meinung nach an Gerechtigkeitsempfinden.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Von Ihrem Anspruch an eine sachliche Debatte war Ihre Rede weit entfernt. Vielleicht erklären Sie mir einmal bei einer Tasse Kaffee, was Linkspopulismus ist. Wenn das das Gegenteil von Rechtspopulismus ist, was Sie gemacht haben, dann kommen wir uns vielleicht ein Stückchen näher.

Was die Straffreiheit bei Selbstanzeigen betrifft, da ist richtig, was Sie gesagt haben, dass es eine Verschärfung gegeben hat und sie bei Teilselbstanzeigen nicht mehr wirkt. Das ist völlig richtig. Nur haben am 3. Mai im Bundesrat zwei Anträge vorgelegen, ein Antrag aus Baden-Württemberg und ein Antrag aus Brandenburg, wo es eine rot-rote Regierung gibt, und da war es keineswegs so, dass die Selbstanzeige generell abgeschafft werden sollte, sondern sie sollte für Bagatellfälle erhalten bleiben und die Fristen für Straffreiheit von zehn auf fünf Jahre verkürzt werden. Das ist angenommen worden, aber wie eben schon Herr Senator Tschentscher sagte, wird die Bundesregierung dem wahrscheinlich nicht folgen.

Herr Quast hat deutlich gemacht, dass es immer noch Steuerschlupflöcher gibt, dass die SPD gewillt ist, sie zu stopfen, und auch Herr Senator Tschentscher hat eben noch einmal darauf hingewiesen, wie sich das bei der Erbschaftsteuer ver

(Senator Dr. Peter Tschentscher)

hält. Wir freuen uns jedenfalls, dass wir in Sachen Vermeidung und Verhinderung von Steuerhinterziehung wenigstens bis zu den Bundestagswahlen die Unterstützung der SPD haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Ansonsten, liebe SPD, müssen Sie sich entscheiden. In der letzten Sitzung haben Sie den Abgeordneten Yildiz mehrfach beschimpft, weil er hier viermal mit einem gleichen Anliegen zur Kita angetreten ist. Jetzt haben wir einen Antrag zum Thema Steuern eingebracht und Sie sagen, das sei zu wenig. Ich möchte Sie daran erinnern, dass wir am 29. November 2012 einen sehr detaillierten Antrag eingebracht haben, in dem es um 64 zusätzliche Stellen und um Sachkosten ging. Am 10. Oktober 2012 haben wir einen Antrag eingebracht, jetzt diesen, und ich will gar nicht davon reden, dass wir Sie mit dem Einzug in die Bürgerschaft vom ersten Tag an mit Steuergerechtigkeit genervt haben. Das ist ein Thema, das wir schon lange, lange bewegen. Wir wollten nicht noch einmal alle unsere Forderungen aufschreiben, damit Sie nicht wieder sagen, wir würden immer das Gleiche machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist auch völlig falsch, wenn die FDP sagt, der Anlass für diesen Antrag sei lediglich der Prominente Hoeneß gewesen. Das ist völlig falsch,

(Robert Bläsing FDP: Das steht aber in Ih- rem Antrag, Frau Heyenn!)

das ist ein Ur-Thema von uns.

(Beifall bei Tim Golke DIE LINKE)

Wenn Sie, Herr Quast, sagen, die SPD habe ganz viel gemacht, seitdem sie an der Regierung sei, und dass Sie jetzt 50 Steuerbeamte aus der Spielbank durch elektronische und technische Mittel ersetzen wollen und diese dann in die Steuerprüfung sollen, dann ist das zwar nett gemeint, aber wenn Sie sich mit der Steuergewerkschaft unterhalten, dann werden die Ihnen sagen, dass diese 50 Beamte so lange aus der Betriebsprüfung raus sind, dass sie das gar nicht mehr können. So einfach ist das alles nicht. Und wenn Sie selber sagen, die Steuerprüfer fallen nicht vom Himmel, dann muss ich natürlich Herrn Hackbusch unterstützen und Sie fragen, warum Sie nicht schon 2011 welche eingestellt haben. Warum erst zum Herbst 2014 zwei neue Klassen? Das ist wirklich ein Tropfen auf den heißen Stein; mehr ist es nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Fakt ist, es gibt zu wenig Personal in der Finanzverwaltung. Nicht nur der Rechnungshof und nicht nur DIE LINKE, sondern auch die Gewerkschaften haben immer gesagt: Wir brauchen mehr Personal. Wir sind nach wie vor gemeinsam mit der Steuergewerkschaft der Auffassung, dass die Finanzverwaltung ebenso wie Polizei, Feuerwehr und Bil

dung in den Schonbereich hineingenommen werden muss.

Zu Ihrem Antrag. Wir sind froh, dass wir Sie zumindest in einem klitzekleinen Punkt überzeugen konnten,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Großer Punkt!)

deshalb werden wir Punkt 1 mit den zwei neu einzurichtenden Klassen ab 2014 zustimmen. Sie haben Recht, Herr Dressel, links wirkt. Manchmal wirkt es richtig gewaltig.

(Beifall bei Tim Golke DIE LINKE)

Punkt 2 werden wir nicht zustimmen, weil wir es absolut fatal finden, dass Sie diese beiden Klassen – hier steht es – mit der hergestellten Deckungsfähigkeit von Personalkosten finanzieren wollen.

(Finn-Ole Ritter FDP: Umschichtungen!)

Nein, nicht umschichten, Sie führen zwei neue Klassen für Auszubildende ein. Dafür werden an anderer Stelle mit ausgebildeten Mitarbeitern besetzte Plätze eingespart und nicht wieder neu besetzt. Das bedeutet de facto einen Stellenabbau, deshalb werden wir uns dagegen aussprechen. Wir möchten an Sie appellieren, dafür zu sorgen, dass Sie endlich einem gerechten Steuervollzug in Hamburg nachkommen. Das, was Sie vorschlagen, bleibt weit dahinter zurück.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksachen 20/7846 und 20/7973 an den Haushaltsausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das Überweisungsbegehren abgelehnt.

Dann lasse ich in der Sache abstimmen. Zunächst zum Antrag der SPD-Fraktion aus Drucksache 20/7973. Diesen möchte die Fraktion DIE LINKE ziffernweise abstimmen lassen.