Nächste Woche haben wir den Evangelischen Kirchentag zu Gast. Es werden Hunderttausende Menschen in dieser Stadt sein. Sie werden diskutieren über politische, gesellschaftspolitische, religiöse Themen, friedlich und tolerant, weltoffen. Die Stadt zeigt sich von ihrem besten Gesicht, und wenn dann das Wetter noch gut ist, gehen Bilder um die Welt, auf die wir alle stolz sein können. Aber was passiert dann? Vielleicht drei Wochen später kommt die Stadt mit dem hässlichen Gesicht, es soll geräumt werden auf dem Gertrudenkirchhof.
Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass das alles friedlich zugeht. Wir sehen doch jetzt schon, was in der Schanze passiert ist. Wir werden die Schwarzvermummten sehen, wir werden die Auseinandersetzungen mit der Polizei haben, es werden Wasserwerfer auffahren und Räumfahrzeuge, und die Polizisten werden wieder ihre Haut zu Markte tragen für Fehler der Politik, ich sage das ganz deutlich: Ihrer Politik.
Vor einem halben Jahr haben Sie unterstellt, der Gerhart-Hauptmann-Platz würde nicht geräumt werden von Occupy; er ist geräumt worden. Die Gespräche des Bezirksamts mit den Occupy-Leuten sind, wie ich höre, sehr konstruktiv. Sie sind zuverlässig und die Beschwerdelage ist – dies an die FDP gerichtet – recht dünn. Es geht um ruhestörenden Lärm,
um den Rauch irgendwelcher Feuer und um Gerümpel, Fahrräder und dergleichen. Und jedes Mal, wenn der Beauftragte des Bezirksamts mit den Occupy-Leuten vor Ort im Gespräch war, ist alles weggeräumt worden.
Im Übrigen ist der Gertrudenkirchhof um mindestens die Hälfte geschrumpft. An den Stirnseiten ist Platz für Außengastronomie, und auch die geschwungenen Bänke sind für ganz normale Menschen nutzbar; ich habe es mir selber angesehen. Dort halten sich junge Menschen auf und freuen sich, dass das Wetter so schön ist.
Jetzt zur rechtlichen Lage. Sie behaupten in Ihrem Antrag, die Nutzung sei illegal. Tatsächlich ist in den vielen Antworten auf Ihre Schriftlichen Kleinen Anfragen vom Bezirksamt immer wieder gesagt worden, dass die geduldete Sondernutzung gilt. Sie wollen eine Räumung ohne rechtliche Grundlage. Das halte ich für sehr bedenklich.
Der Senat soll unter diesen Voraussetzungen also per Einzelanweisung oder besser noch per Evokation dem Bezirk die Angelegenheit wegnehmen und sie an sich ziehen.
Tatsächlich ist das Bezirksamt in einem konstruktiven Dialog, und, noch viel wichtiger, das Bezirksamt Hamburg-Mitte und die Bezirksversammlung haben Erfahrung im Umgang mit solchen Dingen. Ich erinnere daran, dass wir vor ungefähr zehn, 15 Jahren im Karolinenviertel in der Vorwerkstraße die Bambule hatten, und Bambule war schon ein bisschen Hardcore, das ist mit Occupy nicht zu vergleichen. Was haben wir gemacht? Wir hatten damals eine Große Koalition, und die beiden Fraktionsvorsitzenden sitzen heute noch in der
Herr Hamann, damals waren Sie noch cool – nicht geräumt, sondern das, wenn man so will, auslaufen lassen. Wenn ich jetzt durch die Stadt fahre und verblassende "Bambule bleibt!"-Graffiti sehe, denke ich immer, dass es richtig gewesen ist, was wir gemacht haben. Und auf diesem Weg sind die Kollegen im Bezirksamt Hamburg-Mitte.
Ich kann also nur zusammenfassend darum bitten: Lassen Sie diese Anträge oder ähnliche Provokationen und üben Sie zur Abwechslung einmal ganz entspannt Großstadtpolitik.
Jetzt komme ich zum Thema FDP. Die FDP geht nicht so drastisch vor. Sie benutzt das böse RWort nicht, also räumen, will diese Angelegenheit aber trotzdem dem Bezirk wegnehmen, und das halte ich für falsch. Der Senat muss nicht evozieren. Ich vertraue darauf, dass die rot-gelbe Fraktion sehr sensibel mit dieser Angelegenheit umgeht, und darum werden wir auch diesen Antrag ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Fock, diese Bambule-Geschichte können wir gern noch einmal gemeinsam aufarbeiten. Im Endeffekt wurde der Platz geräumt, das erinnern Sie vielleicht noch.
Obwohl Ihre Rede durchaus auch in unserem Sinne war, sind Sie mit Ihrem Einstieg der CDU genau in die Falle gelaufen, weil nicht die Sorge vor Ran
dale und Auseinandersetzungen in dieser Stadt der Grund sein sollten, dass man sich nicht weiter um das Occupy-Camp kümmert,
sondern es muss darum gehen, warum überhaupt geräumt werden soll. Gibt es einen Grund dafür? Den gibt es nicht. Sie haben es dargestellt, wir sehen das genauso. Herr van Vormizeele, es ist tatsächlich so, dass sich aus diesem Camp heraus zu vielen Themen geäußert wird und zu vielen Themen auch Politik gemacht wird. Bei Ihrer letzten Rede im September haben Sie sich noch sehr ausführlich auf den Hauptbahnhof bezogen. Tatsächlich wird durch das Occupy-Camp zum Beispiel immer wieder einmal eine Mahnwache gegen die inzwischen erfolgte Privatisierung der öffentlichen Flächen außerhalb des Hauptbahnhofs aufgestellt. Das passt durchaus in das Themenspektrum, das Occupy zu Anfang international besetzt hat, und von daher bleibt es eine politische Demonstration.
Nun zu dem großen Wort "Gerechtigkeit". Bei Lohngerechtigkeit finde ich es angebracht, Steuergerechtigkeit ist, ohne dass ich Namen nennen will, hier und heute auch ein interessantes Thema, und auch über Mietengerechtigkeit kann man reden. Aber an dieser Stelle sagt eine Gruppe, wir wollen im öffentlichen Raum sichtbar sein, wir sind offen für jeden, der dazukommen und sich beteiligen will. Der Schrebergartenverein könnte sich zum Beispiel mit seinem speziellen Fokus auf das Thema Umwidmung von Flächen in die Diskussion mit einbringen, wie es im Übrigen bei "Recht auf Stadt" auch erfolgt ist. Er würde keinen Platz bekommen, sondern die Diskussionsbreite, für die Occupy als Idee steht, nur erweitern. Das ist doch gut und richtig. Dann hätten wir noch mehr Leute auf dem Platz und dann könnte es irgendwann eng werden. Aber hier nimmt doch nicht die eine Gruppe einer anderen Gruppe, die sich im öffentlichen Raum deutlich sichtbar zeigen will, den Raum weg. Das ist einfach der falsche Ansatz.
Im Übrigen kann man auf dem Rathausmarkt auch einiges tun, zum Beispiel bei "umFAIRteilen" ein größeres Essen organisieren. Es ist richtig, dass man kein Marathonessen daraus machen darf, aber es ist auch nicht so, dass solche Dinge scheitern müssen aufgrund der Aufenthaltsdauer. Das Durchhaltevermögen muss man erst einmal entwickeln, das es in diesem Camp gibt, und diesem Durchhaltevermögen kann man durchaus auch Respekt zeugen.
Was die FDP will, habe ich überhaupt nicht verstanden. Ich will diesen Satz einfach noch einmal vorlesen. Es soll
"[…] zeitnah eine geeignete Lösung für die Konfliktlagen hinsichtlich der Nutzung öffentlichen Raumes durch Camps […]"
(Heiterkeit bei Christiane Schneider DIE LIN- KE – Robert Bläsing FDP: Ich verstehe dies intellektuell nicht!)