Protocol of the Session on April 24, 2013

Vielen Dank, Frau Özdemir. – Das Wort hat Herr Voet van Vormizeele.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Von den Kollegen der LINKEN des Populismus bezichtigt zu werden, empfinde ich als großes Lob, denn kaum jemand versteht so viel von Populismus wie die Kollegen der LINKEN. Vielen Dank also für das Lob, Frau Özdemir.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Ich möchte einiges nicht so stehen lassen, was Herr Fock gesagt hat. Wenn das die Politik der SPD in dieser Stadt ist, dann haben wir sehr, sehr grundlegende Unterschiede.

(Dirk Kienscherf SPD: Gott sei Dank!)

Ja, Herr Kienscherf, Gott sei Dank.

Zunächst einmal zu Ihrem Hinweis, so etwas wie die Ausschreitungen in Frankfurt, als gegen die Räumung protestiert und massive Gewalt angewendet wurde, wolle man in Hamburg nicht. Ich sage für meine Fraktion ganz deutlich, dass ich den

(Cansu Özdemir)

Polizeibeamten, die im Einsatz gegen diese Gewalttäter wieder einmal ihren Kopf hingehalten haben, ausgesprochen dankbar dafür bin, dass sie das getan haben, und zwar für diese Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte nicht erleben, dass wir in diesem Rechtsstaat etwas nicht mehr tun, weil wir Angst haben, dass irgendjemand gewalttätig dagegen demonstriert. Dann wären wir so weit, wie wir es vor 60 Jahren schon einmal gewesen sind.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde es bemerkenswert, Herr Fock, wenn Sie davon sprechen, dass die Polizeibeamten bei einer Räumung die Fehler der Politik ausbaden müssten. Wenn wir hier einen Fehler der Politik haben, dann datiert er vom 26. September, als Sie die Räumung dieses Platzes abgelehnt haben. Das war ein Fehler der Politik, und wenn Sie meinen, dass es nun mit jedem Tag schwerer wird, mögen Sie recht haben.

Wir haben eine sehr unterschiedliche Auffassung von dem, was Großstadtpolitik ist. Übrigens haben Sie die offensichtlich auch in Ihrer eigenen Partei, denn die aktive Großstadtpolitik der sozialdemokratischen Stadtregierung von Frankfurt war, bereits vor einem Jahr Occupy zu räumen. Die Frankfurter sind da wohl ein bisschen spießig. Ich bekenne mich aber dazu, dass ich das, was Sie für spießig halten, für wichtig halte, nämlich Rechtsstaatlichkeit und die gemeinsame Vereinbarung, dass wir uns in dieser Stadt an Regeln halten. Eine dieser Regeln ist das Versammlungsrecht. Frau Özdemir, das Versammlungsrecht ermöglicht Demonstrationen und vieles dergleichen, aber man war sich auch im Bezirksamt Hamburg-Mitte darüber einig, dass dieses Camp schon lange nicht mehr unter das Versammlungsrecht fällt. Der Hinweis von Herrn Fock, wir hätten dort eine geduldete Sondernutzung, ist übrigens das Gegenteil. Eine geduldete Sondernutzung fällt nicht mehr unter das Versammlungsrecht. Ich finde diesen Hinweis deswegen sehr interessant.

Jeder von uns, die wir als politisch tätige Menschen gelegentlich mit wegerechtlichen Sondernutzungen zu tun haben, ich nenne nur den berühmten Info-Stand, weiß, was passiert, wenn man mit diesem die Breite um einen halben Meter überschreitet.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Und das finden Sie gut, oder was?)

Da steht dann sehr schnell das Bezirksamt da und erzählt uns, was geht und was nicht. Das ist auch richtig und in Ordnung so, dass aber gleichzeitig andere Menschen machen dürfen, was sie wollen, geht eben nicht.

Frau Möller, es geht in dem Beispiel, das ich bewusst gebraucht habe, nicht darum, dass sich der

Kleingartenverein Occupy anschließen möchte. Der Kleingartenverein hat nach Ihrer Logik das volle Recht zu sagen, er hätte gerne den Rathausmarkt.

(Dirk Kienscherf SPD: Das war doch gar nicht auf dem Rathausmarkt!)

Herr Kienschert, das ist genau der Punkt, das begreifen Sie offensichtlich nicht. Bei der Begründung, die Ihr Kollege hier gebraucht hat, würde ich gerne wissen, wie Sie das dem Kleingartenverein untersagen wollen. Der hat dasselbe Recht, der kann sagen, das gilt doch für mich auch. Ich habe ein Anliegen und dieses Anliegen ist für mich wichtig, also mache ich jetzt ein Jahr lang ein Camp auf dem Rathausmarkt gegen was auch immer.

(Beifall bei Dr. Till Steffen GRÜNE)

Das können Sie alles machen, aber wenn Sie das wollen, dann haben wir in der Tat eine sehr unterschiedliche Auffassung. Wir hatten in dieser Stadt bisher gute Regeln, wie wir unser Gemeinwesen organisieren. Dazu gehört eben auch, dass, wenn bestimmte Genehmigungstatbestände nicht möglich sind, man die Genehmigung irgendwann beendet. Den Mut muss man haben. Dieser Senat hat ihn nicht und das finde ich schade.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Voet van Vormizeele. – Das Wort hat Herr Fock.

Herr Voet van Vormizeele, Sie kennen den Begriff der Verhältnismäßigkeit, nicht wahr? Wir haben es mit einem kleinen Camp zu tun, einer Mücke, daraus muss man keinen Elefanten machen

(Beifall bei der SPD)

und exemplarisch den großen Rechtstaat und die Polizei ins Spiel bringen. Es geht darum, in dieser großen Stadt ein kleines Camp auf einem versteckten kleinen Platz hinten am Gertrudenkirchhof zu ertragen; mehr ist es nicht. Es passieren dort keine Verbrechen oder sonstige Dinge, es passiert im Grunde genommen gar nichts. Ich hoffe, dass es auch weiterhin so friedlich bleibt. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Mir liegen nun keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit kommen wir zur Abstimmung.

Zunächst zum Antrag der FDP-Fraktion aus der Drucksache 20/7739.

(Kai Voet van Vormizeele)

Wer möchte diesem folgen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mehrheitlich abgelehnt worden.

Nun zum CDU-Antrag aus der Drucksache 20/7589.

Wer möchte diesem seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist ebenfalls mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe dann auf Tagesordnungspunkt 33, Drucksache 20/7590, Antrag der GRÜNEN Fraktion: Erleichterung und Vereinfachung von Familienbesuchen für Migrantinnen und Migranten.

[Antrag der GRÜNEN Fraktion: Erleichterung und Vereinfachung von Familienbesuchen für Migrantinnen und Migranten – Drs 20/7590 –]

Diese Drucksache möchte die GRÜNE Fraktion an den Innenausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Frau Demirel hat das Wort, bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es vergeht keine Woche, ohne dass mich enttäuschte und zum Teil wütende Hamburgerinnen und Hamburger anrufen oder ansprechen und sich darüber beschweren, dass ihre Familienangehörigen kein Besuchervisum bekommen haben. Bei einigen liegt das Problem in fehlenden Unterlagen, was aber oft nicht richtig kommuniziert wird. Es gibt aber auch Fälle, in denen das Visum nicht erteilt wird, obwohl alle Voraussetzungen erfüllt sind. Ein Antrag auf ein Besuchervisum ist eine Hürde. Die Angehörigen müssen in die Großstädte reisen, wo die konsularischen Vertretungen ihren Sitz haben. Oft müssen sie mehrere Tage bleiben, um alles zu regeln. Das wirkt abschreckend, und trotz all der Mühe gibt es keine Garantie dafür, ein Visum für Deutschland zu bekommen. Bei einer Ablehnung sind die konsularischen Vertretungen nicht verpflichtet, inhaltliche Gründe vorzulegen. Oft dauert das Genehmigungsverfahren so lange, dass der Anlass längst schon vorbei, wenn das Visum erteilt wird. Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Muss es sein, dass eine 75-jährige Frau, die ihren Sohn in Hamburg besuchen möchte, mehrmals beim Deutschen Konsulat in Istanbul vorsprechen muss und letztendlich eine Ablehnung bekommt, obwohl alle Voraussetzungen erfüllt sind? Können Sie es nachvollziehen, wie sich diese Menschen fühlen? Viele Menschen mit Migrationshintergrund leben seit 30, 40 Jahren in Deutschland, zahlen Steuern und wollen ein Teil dieser Gesellschaft mit allen Rechten und Pflichten sein. Es ist aber nicht so einfach in diesem Land. Sie können zwar die deutsche

Staatsbürgerschaft erwerben und dadurch zum EU-Bürger oder zur EU-Bürgerin werden, aber sie werden trotzdem nicht wie solche behandelt. Damit es etwas verständlicher wird, gebe ich Ihnen ein Beispiel. Ich bin EU-Bürgerin. Meine Mutter lebt in der Türkei und wenn sie mich besuchen will, muss sie ein Visum beantragen. Dafür muss sie persönlich im Deutschen Konsulat in Istanbul erscheinen. Sie benötigt Unterlagen, die das Konsulat davon überzeugen, dass meine Mutter den Willen hat, tatsächlich nur zum Besuch nach Deutschland zu kommen und nicht einfach zu bleiben. Wenn das Einkommen meiner Mutter zu gering ist, was im Verhältnis zu deutschen Einkommensverhältnissen in der Türkei ziemlich normal ist, muss ich dafür bürgen, alle Kosten zu tragen, die bei ihrem Aufenthalt in Deutschland anfallen könnten, inklusive der zwangsweisen Rückführung meiner Mutter in die Türkei. Aber auch das garantiert nicht, dass meine Mutter ein Visum bekommt. Das ist alles kein Witz, sondern die traurige und beschämende Realität für Millionen Menschen, die in Deutschland leben und arbeiten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Das können wir nicht länger akzeptieren. Diese Einreisepolitik verletzt das Recht auf Familie und widerspricht dem europäischen Recht. Die EUKommission betrachtet diese Praxis als einen Verstoß gegen europäische Richtlinien und hat die Bundesrepublik mehrfach für dieses Verhalten gerügt. EU-Bürgerinnen und EU-Bürger haben gemäß der Richtlinie 2004/38/EG grundsätzlich das Recht, ihre Familien in die EU einzuladen. Seit 2004 wird diese ausdrücklich europäische Haltung vonseiten der Bundesregierung einfach ignoriert. Wir müssen für Klarheit sorgen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Mit unserem Antrag fordern wir die Bundesregierung auf, endlich ihre Hausaufgaben zu machen und diese unzumutbare und unverhältnismäßige Einreisepolitik zu ändern, bevor die europäischen Gerichte dies tun.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Die Vorgaben der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates müssen berücksichtigt und vollständig umgesetzt werden. Darüber hinaus ist zu prüfen, inwieweit auf Landesebene in Hamburg unbegründete Hürden im Visumverfahren abgebaut werden können. Liebe SPD, ich hoffe, dass Sie genauso weitsichtig denken wie Ihre Genossinnen und Genossen in Bremen und unseren Antrag zustimmend unterstützen, auch im Ausschuss. Die rot-grüne Koalition in Bremen hat Ende 2011 deutlich weitergehende Forderungen mehrheitlich verabschiedet. Wir sollten aufhören mit der Panikmacherei. Hier geht es nur um die Besuche von Familienangehörigen deutscher Staatsbürger und Staatsbürgerinnen.

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg)

Zum Schluss möchte ich meine grüne Kollegin aus Bremen, Frau Dr. Mohammadzadeh zitieren:

"Man sagt, im flachen Norddeutschland könne man schon am Donnerstag sehen, wenn am Samstag Besuch kommt, denn das Land birgt keine Hindernisse für das Auge, es ist weit und frei. Lassen Sie uns die Hindernisse für Besucher, auch für Migranten, aus dem Weg räumen, damit auch sie ihren Besuch freudig begrüßen können!"

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)