Protocol of the Session on March 27, 2013

(Beifall bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Warum sind Sie noch in Ihrer Partei, Frau Wolff?)

Herr Kienscherf, wenn Sie aus Ihrer Partei austreten möchten, dann können Sie das gern machen, aber ich muss aus meiner Partei nicht austreten.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Im Gegenteil, der hier vorliegende Bericht unterstellt uns Frauen, dass unseren Entscheidungen, unseren Ambitionen und unseren Zielen ein kollektiver Fehler zugrunde liegt, der dazu führt, dass wir nicht in Aufsichtsräten vertreten sind, dass wir nicht das Richtige studieren, dass nach uns nicht genügend Straßen benannt werden und zu guter Letzt auch noch, dass wir uns nicht genügend bei der Freiwilligen Feuerwehr engagieren. Das vorgelegte Rahmenprogramm, das namentlich zwar die Selbstbestimmung verspricht, ist durchdrungen von der fast schon diskriminierenden Annahme, dass wir Frauen im Jahr 2013 nicht in der Lage sind, für uns selbst die richtigen Entscheidungen zu treffen, um uns aufgrund unserer Qualifikationen, unseres Willens und unseres Ehrgeizes am Ende durchzusetzen – eine Annahme, die nur den Schluss zulässt, dass der Senat uns Frauen gern an die Hand nehmen möchte, um uns den richtigen Weg zu zeigen. Wo bitte, liebe Frau Schiedek, findet sich dann noch die Selbstbestimmung wieder, die dieses Programm verspricht?

(Beifall bei der CDU)

Dass es für Frauen eine enorme Herausforderung gibt, der Männer so nicht ausgesetzt sind, ist für uns alle klar. Die ergibt sich aus vielen einzelnen Herausforderungen, die daraus resultieren, dass wir das biologische Privileg haben, Kinder gebären zu dürfen und zu können.

(Ksenija Bekeris SPD: Also, sag mal!)

Jede Frau, die sich mit der Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf schon einmal auseinandergesetzt hat – und das haben wahrscheinlich die meisten von uns getan –, weiß aber, wie schwierig das ist und dass es hohe Anforderungen an uns alle stellt. Deshalb ist es richtig, dass der Staat hier Rahmenbedingungen schafft, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern. Die Bundesregierung hat auf Initiative von Ursula von der Leyen noch zuzeiten der Großen Koalition daher das Elterngeld eingeführt und auch den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz gesetzlich verankert.

(Gerhard Lein SPD: Und die Herdprämie!)

Das waren zwei richtige Maßnahmen, die es Frauen in der gesamten Bundesrepublik erleichtern, Familie und Beruf zu vereinbaren.

(Gabi Dobusch)

(Beifall bei der CDU – Juliane Timmermann SPD: – Sie haben das Betreuungsgeld ver- gessen!)

Hamburg hinkt im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf aber entgegen dem, was Herr Senator Scheele uns weismachen möchte, deutlich hinterher. Hamburg hat derzeit mit einem Verhältnis von 1:5 den schlechtesten Betreuungsschlüssel aller West-Bundesländer bei der Krippenbetreuung. Wenn Sie, lieber Senat, uns Frauen wirklich einen Gefallen tun wollen und wenn Sie wirklich etwas gegen Karrierehemmnisse tun wollen, dann setzen Sie bitte hier an.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Gabi Do- busch SPD: Ich glaube, Sie haben etwas falsch verstanden!)

Meine Damen und Herren! Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Vereinbarkeit von Familie und Unternehmertum, die Vereinbarkeit von Familie und Ehrenamt und auch die Vereinbarkeit von Familie und Politik – all das sind Bereiche, in denen Politik gern Rahmenrichtlinien setzen kann. Dafür muss uns Frauen aber bitte wirklich nicht erzählt werden, dass wir das Falsche studieren, dass wir die falschen Berufe ergreifen oder dass wir uns ehrenamtlich falsch engagieren.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Aufgrund von Frau Schiedeks Wunsch, bundespolitisch ein wenig aufzufallen, hat Hamburg dann auch eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel gestartet, eine gesetzliche Frauenquote von mindestens 40 Prozent in den Aufsichtsräten aller privatwirtschaftlichen Unternehmen zu verankern.

(Christiane Schneider DIE LINKE: So wie in der CDU!)

Warum auch vor der eigenen Tür kehren, Frau Schiedek, wenn die große Bundespolitik lockt. Es ist schlicht verantwortungslos, privaten Unternehmen unter dem Deckmantel der Gleichberechtigung alles vorschreiben zu wollen.

(Gerhard Lein SPD: Alles nicht, nur dieses!)

Es ist besonders verantwortungslos, wenn Sie etwas fordern, was Sie selbst hier in Hamburg nicht in der Lage sind einzuhalten. In den öffentlichen Unternehmen, dort, wo der Senat die Chance hat, die Zusammensetzung von Aufsichtsräten zu bestimmen, liegt der Anteil der Frauen nicht bei den 50 Prozent, die Frau Dobusch angesprochen hat, auch nicht bei den 40 Prozent, die Sie auf Bundesebene gefordert haben, er liegt bei knapp 20 Prozent.

(Gabi Dobusch SPD: Ja, das Programm wirkt nicht rückwirkend!)

In einigen öffentlichen Unternehmen ist der Frauenanteil in Aufsichtsräten seit dem Regierungswechsel sogar massiv gesunken. Eine Quote, die

dieser Senat selbst nicht in der Lage ist zu erfüllen, sollte er also auch keinem Unternehmen aufbürden.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und bei Carl-Edgar Jarchow FDP)

Fremdbestimmung von Unternehmen ist für unseren Senat aber anscheinend ein neues Lieblingsthema. Dass Sie sich inzwischen schon dazu berufen fühlen, selbst in die kleinsten Details der Unternehmensführung hineinzuregieren, hat Frau Senatorin Prüfer-Storcks, die heute sogar da ist,

(Gerhard Lein SPD: Sie ist sogar da, Don- nerwetter!)

mit Ihrem, sagen wir vorgezogenem Aprilscherz zum Verbot von Stress am Arbeitsplatz bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Verstehen Sie doch bitte, lieber Senat, dass man auf dieser Welt nicht alles vorschreiben kann und auch nicht alles vorschreiben sollte. Daher ist es mir ein Rätsel, warum Senator Horch als Wirtschaftssenator nicht auch vielleicht einmal etwas dazu sagt.

Zusammenfassend: Wir brauchen als Frauen keine Nachhilfelehrer. Uns muss nicht gesagt werden, was wir zu tun und zu lassen haben, welche Berufe wir zu ergreifen haben, sondern Sie sollten anfangen, uns als das zu sehen, was wir sind, und zwar selbstbewusst, selbstbestimmt und hundertprozentig in der Lage, unsere eigenen Entscheidungen zu treffen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Carl-Edgar Jar- chow und Anna-Elisabeth von Treuenfels, beide FDP)

Frau von Berg, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Wolff, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich glaube, so ein Gleichstellungspolitisches Rahmenprogramm für Männer und Frauen würde der CDU in einigen Bereichen recht gut tun; das nur einmal vorweg.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Nun aber zum eigentlichen Tagesordnungspunkt, also zum Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm des Senats. Frau Senatorin Schiedek, Sie haben ein massives Problem in Ihrer Behörde überhaupt noch nicht gelöst, das ist Hahnöfersand, um nur eines zu nennen. Dazu kommen wir nachher noch.

(Gabi Dobusch SPD: Nachher!)

Sie versuchen, dieses massive Problem, das wir wirklich quer durch die Stadt haben, mit 193 Seiten Papier zuzudecken. Wenn ich mir diese Seiten Papier anschaue, dann ist das wirklich old school.

(Katharina Wolff)

(Wolfgang Rose SPD: Wat is dat?)

Das ist, für Sie gern übersetzt, Herr Rose, konservativ, alt gedacht.

(Zuruf aus dem Plenum)

Alte Schule, vielen Dank.

Gleichstellung bedeutet für uns GRÜNE, und ich glaube, für viele Kolleginnen und Kollegen hier im Hause, tatsächlich nicht nur die Gleichstellung von Männern und Frauen, sondern die Frage nach Gleichstellung findet sich in allen Lebensbereichen. Sie betrifft Menschen mit Behinderungen, Menschen mit anderer sexueller Orientierung, Menschen mit einem anderen ethnischen Hintergrund und so weiter und so fort. Wir haben diesbezüglich ein Stückwerk; es gibt hier ein Papier und dort ein Papier und dann noch einen Landesaktionsplan, weil dieses Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm eben nur eines für Männer und Frauen ist. Ich sage noch einmal: Das ist alte Schule, damit es auch alle verstehen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Wolfgang Rose SPD: Danke!)

Wir begrüßen, dass diese Gleichstellung von Männern und Frauen, das muss man schon präzisieren, tatsächlich als Querschnittsthema aufgefasst ist und es alle Behörden angeht. Das ist vernünftig und auch gut angedacht, und offensichtlich sind auch viele einbezogen worden. Das ist wirklich eine gute Herangehensweise und ich möchte betonen, damit ich nicht immer nur schimpfe, dass ich dies deutlich unterstütze.

Wenn ich mir aber die Inhalte einzeln ansehe und vor allen Dingen meinen Blick auf die Maßnahmen lenke, dann lese ich dort mehrfach "prüfen, evaluieren, fortschreiben", lauter Verben, bei denen man denkt, das ist gut, nice to have, aber wenn man einmal nachschaut, wie man eigentlich überprüfen will, ob diese Maßnahmen tatsächlich auch umgesetzt werden und welche Ziele sich der Senat genau setzt, dann ist da absolute Fehlanzeige. Das ist doch sehr schade, weil hier eine sehr große Chance verpasst wurde. Das Rahmenprogramm ist also letztendlich eine Bestandsaufnahme.

Mein großer Kritikpunkt ist: Es gibt keine Indikatoren, keine belastbaren Zahlen, sodass man später sagen kann, jawohl, das haben wir jetzt umgesetzt. Was mich besonders erstaunt, ist, dass Berlin genau ein solches Programm schon aufgelegt hat. Es ist also überhaupt nicht revolutionär, wie immer gesagt wurde. Ich habe die Texte tatsächlich einmal verglichen. Es ist teilweise im Verfahren copy & paste entstanden. Berlin hat es schon gemacht, und meine Kolleginnen dort sagen, dass es in Berlin nichts bewirkt hat, genau deswegen, weil es keine Zahlen und Indikatoren gibt. Man kann aus den Fehlern der Nachbarsenate doch vielleicht auch einmal lernen, oder?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für uns bleiben erst einmal viele Themen unbeleuchtet. Gerade der Bereich Lesben und Schwule, Transgender, Intersexualität ist völlig unbeleuchtet und findet nirgendwo statt. Offensichtlich sollen jetzt viele Maßnahmen eingespart werden, also findet sich das hier auch nicht wieder.

(Gabi Dobusch SPD: Noch mal nachlesen!)

All die Themen, die uns wirklich in der Stadt bewegen, auch zum Beispiel Randthemen wie sexuelle Dienstleistungen, Kontaktverbotsverordnung, sexuelle Gewalt, Hahnöfersand, werden nicht beleuchtet. Es bleiben viele offene Fragen, vieles ist nicht bedacht, es ist nett gemacht, aber nicht überprüfbar. Ich muss sagen, ich bin enttäuscht. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)