Mit der Reform der Arbeitnehmerüberlassung ist der Umfang von Leiharbeit seit 2003 deutlich gestiegen, auf knapp 900 000 Beschäftigte im Jahresdurchschnitt in 2011. Der Arbeitsmarkt wurde dadurch flexibler, aber auch sehr viel prekärer. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, das die Leiharbeit regelt, wird leider oft als ein Mittel zum Streikbrechen missbraucht. Durch Leiharbeit und befristete Arbeitsverträge wird die Produktion während des Streiks weitergeführt und die Streikenden unter Druck gesetzt. Die Rekrutierung von Streikbrechern und deren Einsetzung als Ersatzmannschaft bringt einseitig Nachteile und führt die Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern meistens in eine Sackgasse.
Die sogenannte Parität zwischen den Tarifpartnern gerät in Gefahr, wenn Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter in bestreikten Betrieben eingesetzt werden, wenn einseitig Sanktionen seitens des Arbeitgebers gegen die Streikenden ausgesprochen werden, wenn während des Streiks Kündigungen erfolgen und Behinderungen und Benachteiligungen des Betriebsrats auf der Tagesordnung der Arbeitgeber stehen, wie wir es im aktuellen Fall bei Neupack auch erleben. Das kann doch nicht im Interesse aller Beteiligten sein. Wir brauchen hier eine gleiche Augenhöhe, um Tarifpartner in einem überschaubaren Zeitraum an den Verhandlungstisch zu bewegen.
Die Mobilität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gehört zu den Grundfreiheiten des EU-Binnenmarkts. Das ist gut und richtig so, aber nur, solange geltendes Arbeits- und Sozialrecht am Ort der Arbeit angewendet und die Arbeitnehmerrechte geschützt werden. Es gelten gleicher Lohn und gleiche Rechte für gleiche Arbeit am gleichen Ort.
Aktuell berät das Europäische Parlament über eine Durchsetzungsrichtlinie, die die gültige Entsenderichtlinie ergänzen soll. Dazu sagen wir als GRÜNE nein. Wir tragen dieses Vorhaben nicht mit und fordern die Bundesregierung und das EU-Parlament auf, den vorliegenden Entwurf zu überarbeiten und sich für eine Revision einzusetzen. Deshalb finden wir wesentliche Punkte im Antrag der Fraktion DIE LINKE richtig und unterstützen sie. Genauso werden wir dem Antrag der SPD zustimmen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn das Streikrecht wirklich in Gefahr ist oder in Gefahr sein wollte, dann doch allenfalls deshalb, weil Gewerkschaften scheinbar nicht mehr oder immer weniger dazu in der Lage sind, Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen dazu zu veranlassen, bei Ihnen Mitglied zu werden.
Warum das so ist, damit sollten sich die Gewerkschaften vielleicht zunächst einmal selbst intern beschäftigen und auseinandersetzen, anstatt nach dem Gesetzgeber zu rufen. Ich wage eine Hypothese. Es wird nämlich dieser Bedeutungsverlust eher mit dem unheilvollen Wirken der Bsirskes, Roses und Münsters in Aufsichtsräten von Konzernen und Großunternehmen zusammenhängen als
Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes ist jedenfalls mit Sicherheit nicht schuld an schwachen Gewerkschaften in Deutschland. Diese Flexibilisierung hat nämlich dazu beigetragen, dass wir heute den historischen Höchststand an sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen und rund 2 Millionen weniger Arbeitslose haben. Das sind nämlich im Umkehrschluss 2 Millionen potenzielle neue Mitglieder für die Gewerkschaften. Herr Rose, Herr Münster, fangen Sie doch endlich an, die auch für die Gewerkschaften zu organisieren.
Aber das wird Ihnen schwerfallen. Warum? Weil sich viele von diesen Menschen gut daran erinnern, dass die Gewerkschaften sich zwar als Lobby der Arbeitbesitzenden verstehen, aber eben nicht auch als Lobby der Arbeitsuchenden. Die Gewerkschaften lassen Arbeitsuchende regelmäßig im Regen stehen oder, noch schlimmer, nehmen ihnen mit ihren unsinnigen Forderungen nach einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn oder einer Rückkehr zu einbetonierten Arbeitsverhältnissen auch noch die Chance auf einen Arbeitsplatz. Dann dürfen sich Gewerkschaften nicht darüber wundern, wenn sie zunehmend in die Position einer strukturellen Schwäche geraten.
Meine Damen und Herren! Die Tarifautonomie haben Liberale erfunden und sie haben sie auch ins Grundgesetz geschrieben. Wir bekennen uns ausdrücklich zum Streikrecht als wichtigem Instrument für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Zur Wahrheit gehören aber auch die folgenden Punkte.
Erstens: Wir haben immer noch einen unzureichenden rechtlichen Rahmen für betriebliche Bündnisse für Arbeit. Es kann und darf doch nicht sein, dass sich die Belegschaft und die Geschäftsführung eines beispielsweise mittelständischen Unternehmens, das sich in einer wirtschaftlichen Schieflage befindet, einvernehmlich auf Sanierungsmaßnahmen verständigen – wohlgemerkt, mit Beschäftigungssicherung, mit Standortsicherung – und dann Gewerkschaftsfunktionäre, die mit dem Betrieb dieses mittelständischen Unternehmens überhaupt nichts zu tun haben, diese Vereinbarung mit einstweiligen Verfügungen wieder außer Kraft setzen. Hier brauchen wir dringend eine Novellierung des Tarifvertragsgesetzes.
Zweitens: Der Einsatz von Leiharbeitern oder befristeten Arbeitnehmern bei einem anhaltenden Streik kann notwendig sein, um die Existenz des bestreikten Unternehmens zu sichern. Der Verlust
von Aufträgen nämlich oder die Pleite des bestreikten Unternehmens liegt auch nicht im Interesse der streikenden Beschäftigten. Die Forderungen des Antrags der LINKEN sind daher absurd und nicht zu Ende gedacht.
Drittens: Die Zahlungen von Arbeitslosengeld I und Kurzarbeitergeld während eines Streiks sind ein staatlicher Eingriff in die Tarifautonomie. Hier verlangen Sie einen Eingriff in das Grundgesetz. Sinn und Zweck der Tarifautonomie ist, die Verhandlungen von Tarifparteien ohne staatlichen Eingriff zu gewährleisten. Eine Zahlung von Arbeitslosengeld widerspricht damit der Neutralität des Staats in Tarifauseinandersetzungen.
Viertens und letztens: Wir sollten auch die grundsätzliche Frage stellen, wie künftig mit unverhältnismäßigen Streiks von Kleinstgewerkschaften, insbesondere bei einem Nebeneinander mehrerer Gewerkschaften innerhalb eines Betriebes, umgegangen werden soll. Wir sollten daher über ein Quorum der Beschäftigten bei Urabstimmungen über Streik nachdenken, damit nicht eine gut organisierte Minderheit den Willen der Mehrheit in sein Gegenteil verkehrt. Es bedarf also durchaus einer Reform des Streikrechts, aber in die richtige Richtung.
Die FDP lehnt die Anträge der LINKEN und der SPD ab. Sie wären es nicht einmal wert, an einen Ausschuss überwiesen zu werden, aber ein entsprechender Antrag liegt auch nicht vor. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Herr Dr. Kluth, ich habe von Ihnen keine anderen Argumente erwartet als die, die Sie genannt haben – geschenkt, das ist Ihre Rolle hier.
Frau Föcking, Sie haben gesagt, Neupack sei durchaus ein problematischer Fall. Da haben Sie recht, wir haben das auch alle weitgehend mitverfolgen können. Es ist aber kein Einzelfall, sondern wir haben ihn exemplarisch erwähnt. Er ist aufgrund dieser wirklich beispiellosen Solidarität, die es in Hamburg gegeben hat, so ins Zentrum gerückt. Aufgrund dessen ist natürlich auch diese Antragsinitiative entstanden, übrigens nicht bei uns, sondern in einer großen Versammlung, und insofern haben wir das aufgenommen.
beantragt haben, muss doch der Zusammenhang zwischen der enormen Zunahme an Streiktagen und der sinkenden Tarifbindung deutlich werden. Das ist so ein scheinbarer Widerspruch, und dass Sie sich trotzdem mit diesem Riesenproblem und seinen Ursachen überhaupt nicht auseinandersetzen, finde ich schon fragwürdig. Es zeigt aber natürlich auch, dass Sie die Tiefe dieses Themas überhaupt nicht erfasst haben, und deswegen ist es richtig und gut, dass wir hier schon zum zweiten Mal darüber diskutieren.
Es ist natürlich unser gutes Recht – insofern kann ich den Vorwurf nicht nachvollziehen –, Bundesratsinitiativen zu beantragen, das ist auch schon durch Zwischenrufe deutlich gemacht worden, und das werden wir auch weiterhin tun. Das ist die Aufgabe eines Landesparlaments, und deswegen wird es das natürlich auch weiterhin geben.
Warum Neupack kein Einzelfall ist, kann ich an wenigen Stichworten erläutern. Natürlich sind die gesetzlichen Möglichkeiten so und das wird vielfach heute gemacht. Wo gestreikt wird, werden Leihkräfte eingestellt und wird befristet eingestellt. Es wird aber noch zu ganz anderen Instrumenten gegriffen; insofern hätte unser Antrag durchaus umfangreicher sein können. Es finden Firmenneugründungen statt, es finden Auslagerungen statt, sodass diese ganzen Methoden faktisch einer Aussperrung gleichkommen. Und eine Aussperrung ist beispielsweise in der hessischen Landesverfassung bis heute verboten. Also sind wir da gar nicht so weit weg von realen Bedingungen, die es in diesem Land auch gibt. Ich finde auch nicht, dass wir irgendeine Symbolpolitik machen, das ist alles sehr konkret.
In Bezug auf den Organisationsgrad möchte ich noch einmal auf ein Argument von Herrn Dr. Kluth eingehen. Ich habe mehr Kritik an Gewerkschaften, als Sie sich vielleicht denken können.
Bei Neupack sind 70 Prozent der Belegschaft organisiert, also ist das eine gute Basis gewesen und nicht irgendeine Minderheit. Derzeit ist es aber faktisch so, dass die Inhaber dabei sind, diese Belegschaft fast komplett auszuwechseln, und das sollte uns wirklich allen zu denken geben.
Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, können wir zur Abstimmung kommen, zunächst über den Antrag der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 20/7222 in der Neufassung. Er soll auf Wunsch der GRÜNEN
Wer möchte diesen seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann sind diese Ziffern mehrheitlich abgelehnt.
Wer möchte die Ziffern 1c bis 1e annehmen? – Auch hier die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit sind auch diese beiden Ziffern abgelehnt.
Wer möchte sich diesem anschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist dann mit Mehrheit so beschlossen worden.
Wir kommen zur letzten echten Debatte, Punkt 74, Drucksache 20/7232, Antrag der CDU-Fraktion: Wachsende Stadt und ungewisse Schülerströme: Kein Verkauf von Schulgrundstücken.