Protocol of the Session on March 27, 2013

Wir wollen Wissenslücken schließen, die im Zusammenhang mit Gefahren für Natur, Umwelt und Kulturlandschaft stehen. Wir wollen natürlich auch wissen, was dort im Zusammenhang mit der Aufsuchung passiert und was das Unternehmen vorhat. Und wir wollen uns selbstverständlich darüber informieren, welche rechtlichen Voraussetzungen etwa gegeben sein müssen, um die Einführung einer verbindlichen Umweltverträglichkeitsprüfung und einer Öffentlichkeitsbeteiligung für FrackingVorhaben durchsetzen zu können, damit wir letztlich verhindern können, dass durch Fracking der Natur- und Wasserhaushalt und schlicht die Lebensgrundlagen unserer Stadt gefährdet werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Frau Stöver, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Um es kurz vorwegzunehmen: Wir reihen uns erst einmal in die Reihen der Skeptiker ein, aber wir sind nicht Neinsager aus Prinzip, sondern wir wollen mehr Informationen und wir wollen abwägen.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt rentable abbaubare Vorkommen, und es gilt, die Verträglichkeit für Mensch, Tier und Umwelt abzuwägen. Bei der Beurteilung der FrackingMethode muss selbstverständlich die Sicherheit im Vordergrund stehen, und das – es ist auch schon ausgeführt worden – gilt vor allem und insbesondere für den städtischen bebauten Bereich. Hier müssen aufgrund der Urbanität und der Auswirkungen auf Mensch und Umwelt alle Zweifel an Risiken und Gefahren ausgeräumt werden, die von der Fracking-Technologie ausgehen.

Herr Kerstan hat schon gesagt, dass ich zwei Kleine Anfragen gestellt habe, und die Antworten des Senats waren sehr enttäuschend. Ich musste feststellen, dass die Bürger über die Tagespresse gut – nämlich, wie Sie es gezeigt haben, mit geschwärzten Unterlagen – informiert werden. Das kann man vom Senat nicht behaupten. Dabei ist es in heutigen Zeiten wichtig, dass Verwaltung und auch das Unternehmen ExxonMobil um Transparenz werben müssen. Die mangelnde Information mit Betriebsgeheimnissen zu begründen, konterkariert diesen Ansatz vollständig.

(Beifall bei der CDU)

Ein weiterer Aspekt ist hier noch nicht genannt worden, eine Antwort des Senats war vollkommen klar: Im Aufsuchungsgebiet Vierlande werden nun drei Jahre lang vorhandene Akten, alte Protokolle und alte Bohrkerne neu ausgewertet. Es handelt sich um keine Explorationsbohrung, das heißt, die Erde wird hier definitiv nicht angefasst. Das muss man noch einmal als Fakt festhalten.

Dennoch bin ich ganz auf Ihrer Seite, dass es wichtig ist, jetzt politisch aktiv zu werden, um Regelungen und Beteiligungsverfahren frühzeitig festzulegen, denn eine lückenhafte Information und Aufklärung der Bevölkerung, wie sie zurzeit vom Senat praktiziert wird, bringt nur noch mehr Unruhe in die Diskussion. In der Diskussion hier, meine beiden Vorredner haben es gezeigt, wird von einer Hochrisikotechnologie gesprochen. Es wird von giftigen und sogar hochgiftigen Chemikalien gesprochen, die in den Boden gepresst werden. Es wird von Trinkwasserverunreinigung, Schlammwüsten und Schwierigkeiten bei der Flowback-Entsorgung gesprochen; das sind nur einige Beispiele.

Ich möchte noch einen weiteren Aspekt kurz anschneiden. Hamburg muss mitentscheiden können. Das Bergrecht ist in Sachen Beteiligung nicht mehr zeitgemäß. Wir benötigen neue Regelungen, die Hamburg miteinbeziehen und die sicherstellen,

(Dr. Monika Schaal)

dass die Öffentlichkeit umfassend informiert wird. Das sieht übrigens auch die Bundesregierung so. Beim Schutz von Umwelt und Gesundheit darf es keine Kompromisse geben. Nur unter dieser Voraussetzung können transparente und offene Verfahren dazu beitragen, dass die Menschen eventuell den betroffenen Förderverfahren ihre Zustimmung geben.

Die Bundesregierung ist mitnichten untätig. Eine Koalitionsarbeitsgruppe hat Forderungen mit entsprechenden Gesetzes- und Verordnungsänderungen erarbeitet. Hier lauten die Stichworte Schutz von Grundwasser und Trinkwasserversorgung, eine verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung, verbesserte Öffentlichkeitsbeteiligung sowie erweiterte Beteiligungsrechte der Wasserbehörden. Das sollte erst einmal zufriedenstellen, denn diese Änderung des Rechtsrahmens wird das Bundeskabinett Anfang April verabschieden und dann ins parlamentarische Verfahren geben, sodass noch in dieser Legislaturperiode die Änderungen beschlossen werden können.

Meine lieben Kollegen von der LINKEN und den GRÜNEN, ein Moratorium erübrigt sich daher von selbst und würde nur einer Technologiefeindlichkeit den Weg ebnen. Ich möchte noch einmal betonen, dass auch für uns Sicherheit immer das oberste Gebot ist, aber wenn sich die Gewinnung als umweltverträglich erweisen sollte, kann auch die heimische Erdgasförderung aus unkonventionellen Lagerstätten in Zukunft einen Beitrag zu einer gesicherten und preisstabilen Energieversorgung leisten.

(Beifall bei der CDU)

Die Potenzialabschätzungen sind in allen Anträgen nachzulesen. Die Chance, das Vorkommen in Deutschland zu heben, bedeutet, den Preis für Erdgas stabil zu halten oder sogar zu dämpfen. Welchen Einfluss heimisch gefördertes Erdgas hat, zeigt sich in den USA.

Wir werden das Ganze im Ausschuss diskutieren, wir brauchen unbedingt eine Versachlichung dieser Diskussion, und wir brauchen auch deutlich mehr Informationen zu dem Thema. Es bedarf einer umfassenden Auseinandersetzung, und wir begrüßen es, dass wir dieses komplexe Thema im Umweltausschuss erörtern werden. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Duwe, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mir gefühlte 50 Prozent meines Redebeitrags sparen, denn Frau Stöver hat schon einiges erzählt,

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei der SPD und bei Jens Kerstan GRÜNE und Christia- ne Schneider DIE LINKE)

aber als Geowissenschaftler kann ich Ihnen ein paar kleine Informationen geben, die vielleicht nicht allen Hamburgerinnen und Hamburgern bekannt sind. "Die Partei" hatte da nicht recht – im Bereich Harburg gibt es sogar noch Erdölförderung, und es gibt sehr große Lagerstätten für Gas, in denen früher einmal Erdöl war. Warum ExxonMobil jetzt da sucht, ist klar: weil früher dort eben auch Erdgas beziehungsweise Erdöl gefördert worden ist. Das muss man so sehen. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass Harburg sogar einmal der einzige Montanbezirk war und wir dort für ein paar Jahre auch ein Kohlebergwerk hatten. Das weiß keiner, aber das zeugt davon, dass wir im Untergrund eben Strukturen haben, wo diese Technologie angewandt werden könnte.

Frau Stöver hat schon darauf hingewiesen, dass das umweltrechtlich leider eine Grauzone ist, wo wir Änderungsbedarf haben. Das sollte auch angegangen werden, aber wir sollten die Kirche im Dorf lassen und zusehen, dass das, was jetzt passiert, in Fachdiskussionen abgewogen werden muss. Ich hoffe, dass es auf Bundesebene auch so schnell passiert wie angekündigt und dass wir im Ausschuss sachgerechte Informationen bekommen, damit wir auch in diesem Bundesland etwas mehr über diese Technologie erfahren und dann hinterher die Entscheidung treffen können, ob wir das wollen oder nicht. Man sollte nicht schon vorher sagen, dass wir das nicht wollen, und die Diskussion scheuen. Deshalb freue ich mich, dass wir da weiterkommen.

Noch einen Satz zur Aufsuchungserlaubnis: Aufsuchen bedeutet nicht, dass man da Erdgas sucht, in dieses Gebiet hineingeht und bohrt, sondern man schaut in die ganzen Unterlagen, die ein Unternehmen hat. Das Unternehmen kauft sich dann noch weitere Unterlagen von anderen Unternehmen, schaut sich alte Bohrkerne an und analysiert sie mit neuesten Methoden, um herauszubekommen, ob sich das überhaupt lohnt. Das kostet ungefähr drei Jahre und wahrscheinlich auch eine Menge Geld, und danach wird sich das Unternehmen entscheiden, ob es überhaupt weiterarbeitet. Es wird also in dem Gebiet der Vier- und Marschlande gar nichts passieren, und da muss man den Leuten nicht so viel Angst machen. Das ist kein Anlass zur Panik, sondern zu hohem Interesse und hoher Bürgerbeteiligung.

Natürlich ist es so, dass – bisher zumindest – bei den Verfahren einige Chemikalien verwendet werden, die trinkwassergefährdend sein können beziehungsweise sind. Es gibt aber auch Forschungen, die versuchen, diese Stoffe zu ersetzen. Man sollte nicht bereits im Voraus der Forschung nicht die Zeit geben, etwas zu erreichen, was man erreichen

(Birgit Stöver)

kann. Da wir in Deutschland Fracking schon seit Jahrzehnten ohne umweltrechtliche Erlaubnisse betreiben – jeder weiß, dass dieses Verfahren in den letzten Jahrzehnten schon öfter angewendet worden ist –, müssen wir endlich dazu kommen, diese Umweltauswirkungen auch wirklich zu betrachten. Das ist ein sehr wichtiger Punkt und deshalb sollten wir uns die Zeit nehmen. Ich hoffe, dass das in ein, zwei Jahren dann klar ist.

Ein Blick auf die Landkarte zeigt aber, dass praktisch kein einziger Punkt im Bereich des Aufsuchungsgebiets Vierlande, das unter anderem Süd-Wilhelmsburg beziehungsweise den Osten von Harburg betrifft, überhaupt für eine Bohrung geeignet wäre. Deshalb rate ich zu Gelassenheit. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Heyenn, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Seit bekannt geworden ist, dass die ExxonMobil-Tochter BEB eine Aufsuchungserlaubnis für das Schiefergas in Bergedorf und Harburg eingereicht hat, geht in Hamburg die Angst um, und zwar die Angst vor der FrackingMethode. Diese ist bekanntermaßen, auch wenn wir heute schon etwas anderes gehört haben, mit erheblichen Risiken verbunden. Das wissen wir nicht nur aus den USA, sondern das ist auch das Ergebnis einer vom Bundesumweltministerium in Auftrag gegebenen Studie, die im September 2011 veröffentlicht wurde. In dieser Studie steht – ich zitiere –:

"In allen Phasen der Fördertechnologie sind Umweltbeeinträchtigungen denkbar. Bei der Gasförderung werden große Mengen von radioaktiven Isotopen frei."

Ganz neu liegt jetzt im Landtag von NordrheinWestfalen eine Studie vor, die noch unter Verschluss gehalten wird. Es ist ein Entwurf einer Mülheimer Wissenschaftsgruppe, die viele Sachen herausgefunden hat. Einiges ist durchgesickert, zum Beispiel die Frage der Radioaktivität. Die Radioaktivität ist keine Erfindung von Otto Hahn und Lise Meitner, es gibt sie natürlicherweise sowohl in der Atmosphäre als auch im Boden, und je tiefer man in den Boden eindringt, desto mehr Radioaktivität wird frei. Diese Mülheimer Wissenschaftsgruppe hat Folgendes herausgefunden – ich zitiere –:

"Die Mülheimer Wissenschaftler weisen auf ein bisher wenig diskutiertes Problem hin: [die] Radioaktivität. So sei die Entsorgung von großen Abwassermengen eine ungelöste Frage [beim Fracking], weil darin natürlich vorkommende radioaktive Stoffe aus

dem Boden nach oben gespült werden. Damit verbinde sich die Gefahr, dass auch das Grundwasser radioaktiv verseucht wird, warnten die Experten beim 'Arbeitskreis Fracking'".

Dann noch davon zu sprechen, dass Fracking umweltverträglich sei – da bleibt mir die Spucke weg.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Hinzu kommt, dass bei Fracking Schwermetalle, Salze, Benzol und andere Kohlenwasserstoffe das Trinkwasser, das Brauchwasser und das Abwasser belasten und dass die Entsorgung dieses verschmutzten Wassers dann völlig ungeklärt ist.

DIE LINKE setzt sich zusammen mit Bürgerinitiativen für ein generelles Verbot ein. Wir haben das auch schon in den Bundestag eingebracht, aber leider haben alle anderen Fraktionen dagegen gestimmt. In Frankreich gibt es bereits ein generelles Verbot, und statt immer wieder umweltschädlichere Methoden zu entwickeln, um fossile Energieträger zu fördern, sollten wir uns darauf konzentrieren, den sozialökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft voranzubringen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dafür brauchen wir das unkonventionelle Erdgas mit seiner sehr schlechten Klimabilanz und seinen großen Gefahren wirklich nicht.

Man muss sich auch einmal fragen, wofür der ganze Aufwand betrieben wird. Es ist errechnet worden, dass wir, wenn wir jetzt über Fracking Gase, die wir gebrauchen können, also Methan und Erdgas, freisetzen, für maximal 13 Jahre die Gasförderung in der Republik erhöhen können, und zwar vielleicht von 20 auf 30 Prozent. Dann haben wir hinterher aber viele Umweltschäden, und das kann doch wirklich nicht der Sinn sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Einzigen, die aus dieser Art von Gewinnung Profit ziehen, sind die Konzerne, zum Beispiel ExxonMobil.

(Finn-Ole Ritter FDP: Vattenfall!)

Das haben Sie gesagt, das sage ich nicht. Damit liegen Sie auch völlig falsch, Herr Ritter, aber das macht nichts.

Fracking reiht sich ein in die weltweiten Freilandversuche, bei denen noch überhaupt nicht klar ist, wie ihre Folgen die nächsten Generationen belasten werden. Ich nenne nur die Atomenergie, die ein unbeherrschbares Problem mit dem Atommüll hat. Ich nenne die Gentechnik, bei der auch kein Mensch weiß, welche Folgen sie in den nächsten Generationen haben wird, oder die Ölgewinnung aus den Meeren mit den ungeheuren Umweltverschmutzungen. Auch da ist überhaupt noch nicht

(Dr. Kurt Duwe)

klar, was passieren wird. Und jetzt noch Erdgas aus dem Boden zu fördern, das ist einfach rücksichts- und verantwortungslos.

(Beifall bei der LINKEN und bei Anja Hajduk GRÜNE)