Protocol of the Session on February 13, 2013

Wir haben uns den Entscheidungsprozess wirklich nicht einfach gemacht. Wir haben Experten angehört,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Sie haben nicht zugehört!)

wir haben eine öffentliche Anhörung durchgeführt und wir haben die betroffenen Anstalten besucht. Zu den Schwächen Ihres Konzepts aus der letzten Legislaturperiode haben Sie schlicht gar nichts gesagt. Frau von Treuenfels hat immerhin eingeräumt, dass sie den Ausbau der JVA Billwerder als Anstalt des geschlossenen Vollzugs unter Roger Kusch und einem Staatsrat der FDP aus heutiger Sicht für einen Fehler hält.

Es ist Aufgabe der Opposition, Regierungshandeln kritisch zu hinterfragen. Aber vor dem Hintergrund schwarz-grün-gelber Fehlplanung im Strafvollzug der letzten drei Legislaturperioden ist der Ton und der Inhalt Ihrer Kritik sehr wenig glaubwürdig.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Abgeordnete der Opposition! Bitte sorgen Sie dafür, dass wir endlich anfangen können, den

hamburgischen Strafvollzug nach drei Legislaturperioden der Fehlplanung vor dem Hintergrund stark gesunkener Gefangenenzahlen umzustrukturieren.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Und versuchen Sie bitte, zumindest dem von meiner Fraktion getragenen Konzept auch eine Chance zukommen zu lassen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat jetzt Herr Trepoll.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will den grünen Kollegen ausdrücklich danken, dass sie dieses Thema noch einmal angemeldet haben,

(Zurufe von der SPD: Ah!)

und wir uns jetzt noch einmal dem Kern dieses Vorhabens der SPD widmen können. Sie werden mir nämlich recht geben, dass Sie das alles nicht gemacht hätten, wenn Sie nicht diese angeblichen Einsparungen hätten erzielen wollen und müssen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wer hat denn die Überkapazität zu verantworten?)

Aus fachlicher Sicht spricht nichts dafür. Ihre sogenannte Strafvollzugsreform, sehr geehrte Frau Schiedek, ist neben allen bereits ausführlichst diskutierten Problemen auch finanzpolitisch reiner Etikettenschwindel. Gestatten Sie mir deshalb den etwas saloppen Vergleich: Raider heißt jetzt Twix, an den Kosten ändert sich aber nichts.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Aschermittwoch!)

Frau Schiedek, Sie haben entschieden, gegen jeglichen fachlichen Rat den Frauenvollzug von Hahnöfersand nach Billwerder zu verlagern. Diese falsche Entscheidung hat viele besonders kostenintensive Konsequenzen, die heute noch gar nicht absehbar sind. Davon konnte ich mir auch in den vergangenen Wochen vor Ort noch einmal einen deutlichen Eindruck verschaffen.

In Hahnöfersand befindet sich derzeit der Jugendund Frauenstrafvollzug. Dieses hat sich auch all die Jahre bewährt. Zukünftig soll nach Ihren Plänen nur noch der Jugendstrafvollzug dort stattfinden. Die derzeitige Anlage für den Frauenstrafvollzug eignet sich aber nach Auskunft im derzeitigen Ausbauzustand überhaupt nicht für die Unterbringung von jugendlichen Straftätern. Wenn Sie mit den Angestellten vor Ort sprechen, erhalten Sie als Antwort auf die Frage, wie das für den Jugendstrafvollzug genutzt werden könne, dass man das gar nicht nutzen könne, denn es sei so wenig gesichert, dass die jugendlichen Straftäter fliehen könnten. Deshalb haben Sie auch noch nichts da

(Urs Tabbert)

zu gesagt, wie Sie diese Anlage umbauen wollen und wie Sie daraus einen geschlossenen Hochsicherheitstrakt machen wollen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Für Jugendli- che? So was machen wir nicht!)

Die Anlage ist nämlich sehr weiträumig. Das sind alles Kosten, die auch noch nicht benannt sind. Sie haben diese Fragen im Haushaltsausschuss nicht beantwortet, Sie sind die Antworten schuldig geblieben. Ich vermute, Sie planen mit der Verlagerung der Frauenteilanstalt den Einstieg in den Ausstieg des Strafvollzugs auf Hahnöfersand.

Frau Schiedek, Sie haben die Reform mit heißer Nadel gestrickt. Dieser Eindruck erhärtet sich auch mit Blick auf die Haftanstalt in Billwerder, wo der Frauenvollzug zukünftig nun stattfinden soll. Der Männervollzug muss dafür von sechs auf fünf Gebäude konzentriert werden. Hier ergibt sich auch das einzige Einsparpotenzial, da Vollzugsbedienstete für den Männervollzug eingespart werden können. Doch schon jetzt ist Billwerder die Anstalt mit einem der höchsten Krankenstände der Bediensteten und der geringsten Gefangenen-Bediensteten-Relation. Diese wollen Sie offensichtlich weiter absenken. Die Verdichtung im Männervollzug wird die Probleme noch weiter steigern. Hiermit lösen Sie keine Probleme, sondern Sie schaffen lediglich neue.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Ich will noch erwähnen, dass das Haus 3 in Billwerder das einzige ist, das barrierefreie Hafträume hat. Auch die müssen Sie dann in den anderen fünf Häusern erst baulich herstellen. Die Kosten sind auch noch nicht eingeplant, Herr Tabbert, und das Haus 3 selbst muss umfangreich umgebaut werden.

(Urs Tabbert SPD: Ja, das beschließen wir jetzt!)

Sie wissen auch, dass es momentan nicht nutzbar ist für den Frauenvollzug. Sie müssen dort umfangreiche Baumaßnahmen durchführen bis hin zur Außengestaltung. Die Sichtschutzwände, die Sie jetzt noch nachträglich eingefügt haben, kommen dazu, und all diese Kosten sind noch gar nicht bekannt. Eines ist sicher: Diese Kosten würden bei einem Verbleib des Frauenvollzugs am derzeitigen bewährten Standort gar nicht anfallen.

Frauen- und Männervollzug in einer Anstalt kann funktionieren, aber nur mit sehr großem organisatorischem und personellem Aufwand. Und ein Gesamtkonzept, das weder vorliegt noch erkennbar ist, und eine Erklärung für den Sinn dieser Reform, Frau Schiedek, sind Sie uns allen bisher schuldig geblieben.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Einsparungen wären auch am bisherigen Standort möglich, Frau Hajduk hat es gesagt, und das hat die Sitzung des Haushaltsausschusses gezeigt. Ihre Behörde, Frau Schiedek, zeigt hierbei keinerlei Kreativität. Sie folgen blind den Vorgaben der Finanzbehörde. Sie haben damit bei einem der wichtigsten Vorhaben in dieser Legislaturperiode im Bereich Strafvollzug Ihre Bewährungsprobe nicht bestanden.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Die Reform ist falsch. Sie wird fatale Folgen haben, die sich nicht einfach wieder korrigieren lassen. Unseren Vorschlag für einen nachhaltigen Gefängnisstrukturfrieden haben Sie einfach ausgeschlagen.

Der Mensch hat zwei Wege, klug zu handeln. Erstens durch Nachdenken, das ist der beste Weg, und zweitens durch Erfahrung, das ist der bitterste Weg. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Nun hat Frau von Treuenfels das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Was wir heute zum wiederholten Mal diskutieren müssen, mausert sich zunehmend zu einem wirklich schlimmen Versagen in der Hamburger Justizpolitik.

(Dirk Kienscherf SPD: Ach Gottchen!)

Und es wird, Herr Bürgermeister Scholz, langsam auch zu Ihrem Problem werden, wenn weder Ihre Justizsenatorin noch Ihre Fraktion Einsicht aufbringen, diese sogenannte Reform zu stoppen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Ich sage dieses in aller Deutlichkeit, weil es in der Tat wohl wenige Vorhaben gegeben hat, mit denen sich ein Hamburger Senat, aus allen erdenklichen Blickwinkeln betrachtet, so eindeutig verrannt hat.

(Beifall bei der FDP, der CDU und den GRÜ- NEN)

Lassen Sie mich das erklären. Sie haben sich erstens verrannt, weil Ihnen in einer Expertenanhörung und einer darauf folgenden öffentlichen Anhörung so gut wie alle Experten, mit Ausnahme Ihres eigenen, gesagt haben, dass das so nicht gehe. Die Begründungen haben Sie wahrscheinlich gehört, aber Sie haben sie nicht aufgenommen. Sie können nicht Frauen mit zum großen Teil belasteten Lebenswegen und dennoch hohem Resozialisierungspotenzial mit Männern in ein Gefängnis verfrachten.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

(André Trepoll)

Das stellt eine Gefährdung der Frauen dar.

(Beifall bei der FDP)

Das wirft sie durch Konfrontation mit ehemaligen Peinigern oder vielleicht sogar Zuhältern oder auch einfach gewalttätigen Männern weit zurück. Das zerstört Resozialisierungspotenziale, und das ist das Wichtigste an dieser ganzen Sache.

(Beifall bei der FDP und den GRÜNEN)

Das lässt sich auch durch sogenannte Zuführungen – für diejenigen, die nicht wissen, was es bedeutet, das sind ständige Begleitungen der Frauen – nicht vollständig ausschließen und auch nicht durch Verlegung männlicher Sexualstraftäter.

Sie haben sich zweitens verrannt, weil die von Ihnen als Grund für die Frauenverlegung angeführten Einsparpotenziale einer Schimäre gleichen. Den Investitionskosten für den Umbau des Hauses 3 in Billwerder stellen Sie Einsparpotenziale von circa 900 000 Euro gegenüber, von denen wir seit der letzten Haushaltsausschusssitzung wissen, dass sie auch ohne Verlegung der Frauen erreicht werden. Auch können Sie nicht darlegen, weshalb die ständige Begleitung der Frauen in Billwerder am Ende nicht doch zu einer Kostensteigerung wird. Das haben wir jetzt in jedem Ausschuss mehrmals thematisiert. Eine Darlegung, die irgendjemanden überzeugt hat, ist bis jetzt leider nicht erfolgt.