doch –, denn die Eingliederungshilfe für Kinder gilt erst ab einem Alter von drei Jahren. Zusätzliche Personalbedarfe wurden nicht einkalkuliert. Aufgefallen ist das aber erst, als Eltern ihr behindertes Kind anmelden wollten. Nun wurde zwar eine Lösung gefunden. Auf Antrag bei der Behörde, das ergab eine Antwort auf eine Schriftliche Kleine
Anfrage, können laut Pressemitteilung des Senats vom Oktober zusätzliche Bedarfe angemeldet werden, aber an diesem Fall zeigt sich, dass behinderte Kinder eben nicht von Anfang an mitgedacht werden.
Zweites Beispiel: Im Herbst startete das Hamburger Budget für Arbeit, eine wirklich gute Maßnahme, Frau Föcking wies schon darauf hin, die Menschen mit Behinderungen aus der Werkstatt in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bringen soll. In einem Gespräch, das ich mit dem Werkstattrat führte, wurde deutlich, dass die Verunsicherung groß ist. Die Beschäftigten in den Werkstätten fühlen sich offenbar nicht ausreichend aufgeklärt. Viele haben die Information anscheinend schlichtweg nicht verstanden, da nicht alle wichtigen Details in "Leichter Sprache" gefasst worden sind.
Drittes Beispiel: Der Umbau des Sozialgerichts. Die Aufzüge sind laut Senatsantwort auf eine Anfrage von mir vom September, man konnte es auch in den Medien verfolgen, lediglich 1,10 Meter mal 1,25 Meter groß. Um einen Rollstuhlfahrer in eines der oberen Stockwerke zu befördern, sind aber nach EU-Norm mindestens 1,10 Meter mal 1,40 Meter notwendig. Das sechsstöckige Gebäude soll nun lediglich einen der EU-Norm entsprechenden und damit normiert barrierefreien Aufzug in den ersten Stock erhalten. Was ist, wenn sich zum Beispiel ein Rollstuhlfahrer auf eine Stelle im Sozialgericht bewirbt? Gerade ein Sozialgericht sollte hier Vorbild für andere öffentliche Gebäude sein.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes rief vorgestern das Jahr gegen die Diskriminierung behinderter Menschen aus. Das wäre doch vielleicht Anlass zu überlegen, eine zentrale Kampagne in unserer Stadt für die Inklusion zu starten und die wichtigen Akteure zur Teilnahme anzuregen beispielsweise mit dem Ziel – diese Idee kommt vom Verband "Autonom Leben" –, Hamburg bis Ende des Jahres 2015 zur barrierefreiesten Stadt Europas zu machen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Senat hat einen umfassenden Landesaktionsplan vorgelegt, und das begrüßen wir natürlich auch. Man kann, wenn man die ersten Seiten durchblättert, schon sehen, dass dieser Landesaktionsplan allen beteiligten Behörden ein hohes Maß an ressortübergreifender Arbeit abverlangt hat. Man sieht auch, dass die Menschen, die an diesem Aktions
plan mitgearbeitet haben, sich wirklich Mühe gegeben haben. Auch wir bedanken uns bei allen Personen, die daran mitgewirkt haben, vor allem auch bei Frau Körner, die immer wieder zeigt, wie engagiert sie in diesem Bereich arbeitet.
Frau Föcking hat erwähnt, dass die Ziele im Landesaktionsplan nicht alle neu sind. Das ist uns auch aufgefallen, aber wir denken, dass die Ziele sehr anspruchsvoll sind und die Umsetzung sehr komplex sein kann. Für uns sollte wichtig sein, dass wir den Umsetzungsprozess beobachten und dass der Senat uns die Möglichkeit gibt, diesen Umsetzungsprozess zu verfolgen und daran teilzuhaben. Wir möchten natürlich auch in gewissen Zeitabständen erfahren, wie es um den Umsetzungsprozess steht.
Von besonderem Interesse sind für uns die ersten 14 Seiten des Landesaktionsplans. Darauf möchte ich kurz eingehen. Sehr wichtig fand ich, dass sich die Definition von Behinderung vom medizinischen Modell abwendet und sich dem sozialen, menschenrechtlichen Modell zuwendet. Das heißt, mit Behinderung ist Beeinträchtigung gemeint, sei sie körperlicher oder seelischer Art. Dem entspricht der Leitgedanke der Inklusion und das bedeutet, dass gesellschaftliche Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, die allen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.
Allein aus der Verpflichtung zur Umsetzung der Konvention, Seite 4 der Drucksache, Punkt 2.4, ergibt sich, dass alle Hamburger Gesetze auf den Prüfstand müssen, um Diskriminierung behinderter Menschen nicht zuzulassen beziehungsweise diese aufzuheben. Das betrifft Gesetzestexte, aber auch Verordnungen. Das Ziel, die tatsächlichen Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderungen dem Leitbild der Konvention entsprechend zu gestalten, bedeutet in der Praxis auch, das Rahmenprogramm der integrierten Stadtteilentwicklung nicht einzudämpfen, sondern weiter auszubauen.
Denn nach eigener Aussage des Senats in der Drucksache 20/3827 ist es Aufgabe des Rahmenprogramms integrierte Stadtteilentwicklung – ich zitiere –:
trächtigung, in Hamburg leben können. Die Erfahrungen der sozialräumlichen Ausrichtung im RISE sollten für die Umsetzung des Landesaktionsplans genutzt werden, wenn es um die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte geht wie zum Beispiel Wohnen, Gesundheit, Bildung und natürlich auch Teilhabe am kulturellen Leben.
Frau Özdemir, entschuldigen Sie die Unterbrechung. Es ging so lange gut, aber jetzt ist es entschieden zu laut.
Die eben genannten Rechte können nicht innerhalb eines kurzen Zeitraums erreicht werden, das ist uns klar. Hamburg ist aber eine reiche Stadt, und wenn der politische Wille des Senats vorhanden ist, dann darf die Verwirklichung der genannten Rechte nicht auf die lange Bank geschoben werden.
Der vorliegende Hamburger Aktionsplan will durch die Diskussion um die Beförderung der UN-Behindertenrechtskonvention zur Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft beitragen.
Wenn das gelingt, einschließlich der Umsetzung der Maßnahmen, dann wird das diese Gesellschaft verändern. Mit dem Aktionsplan hat sich Hamburg in die Pflicht genommen, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen oder, eher gesagt, endlich umzusetzen, denn das wurde auch einmal Zeit. Es gibt noch einige Fragen, die wir gerne stellen möchten. Das werden wir im Sozialausschuss machen, deshalb stimmen wir der Überweisung natürlich zu.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schon eine Weile her, nämlich 2006, dass die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, kurz UN-Behindertenrechtskonvention, verabschiedet hat. Diese Konvention schafft anders, als der eine oder andere denkt, keine neuen Menschenrechte, sondern nur Rechte für Menschen mit Behinderung. Sie knüpft an die international bereits anerkannten Menschenrechte an, konkretisiert diese,
bezogen auf die Lebenslagen behinderter Menschen, und formuliert sie aus deren spezifischer Perspektive neu. Behinderung wird dabei nicht als negativ bewertet, sondern als normaler Bestandteil menschlichen Lebens und menschlicher Gesellschaft bejaht und als Quelle kultureller Bereicherung gesehen.
Der Leitgedanke der Konvention: Inklusion ist ein pluralistisches Konzept, dessen Grundlage die Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung aller Mitglieder der Gesellschaft bildet. Jeder Mensch wird dabei in seiner Individualität akzeptiert und hat die Möglichkeit, in vollem Umfang an der Gesellschaft teilzuhaben. Diese Sichtweise sieht eine Chance in der Vielfalt und der Verschiedenheit der Individuen. Sie ist nicht ausgrenzend. Normalität – was auch immer das ist – wird nicht vorausgesetzt, es ist die Vielfalt, das Vorhandensein von Unterschieden, die die Normalität ausmachen. Der Fokus der Inklusion liegt deshalb nicht in der Anpassung des Individuums an die Gesellschaft, er liegt vielmehr darauf, gesellschaftliche Rahmenbedingungen so zu verändern, dass sie allen Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am sozialen Leben ermöglichen, jeden Tag, an jedem Ort,
das heißt, die Gesellschaft in allen Bereichen zugänglich und barrierefrei zu gestalten. Mit Barrierefreiheit ist nicht nur die bauliche Barrierefreiheit gemeint, so wichtig diese ist, es geht auch um den Zugang zu Informationen, es geht um Kommunikation und vor allen Dingen um den Abbau von Barrieren in unseren Köpfen.
Zur Umsetzung der UN-Konvention in Hamburg hat der Senat unter Einbeziehung des Wissens und der Erfahrung behinderter Menschen einen Landesaktionsplan erarbeitet, der nun vorliegt. Wir haben ihn gemeinsam erarbeitet; es ist mehrfach darauf hingewiesen worden. Es ist zwar der Aktionsplan des Senats, der ihn vorlegen muss, aber es ist ein Aktionsplan, der gemeinsam mit der Senatskoordinatorin und den Verbänden der behinderten Menschen und ihren Interessenvertretungen erarbeitet worden ist. All diese Institutionen waren mit ihren Vorschlägen und Ideen in die Erarbeitung einbezogen.
Von besonderer Bedeutung bei der Erarbeitung des Landesaktionsplans war die Zusammenarbeit mit dem Landesbeirat zur Teilhabe behinderter Menschen. Im Landesbeirat sind die wichtigsten Organisationen behinderter Menschen vertreten. Am 1. September vergangenen Jahres haben im Rahmen eines Fachtages rund 180 Vertreterinnen und Vertreter der Organisationen behinderter Menschen und weitere Akteure der Zivilgesellschaft über den Landesaktionsplan diskutiert und weitere Vorschläge und Anregungen eingebracht. Das
Produkt dieses intensiven und sehr offenen partizipativen Prozesses kennen Sie. Es ist der am 18. Dezember vergangenen Jahres vom Senat verabschiedete Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Mit diesem Landesaktionsplan möchte der Senat erste wichtige Schritte auf dem Weg zu einem inklusiven Gemeinwesen machen und mit seinem Beispiel andere Institutionen des öffentlichen und privaten Bereichs ermutigen, sich ebenfalls an der Verwirklichung der UN-Konvention zu beteiligen. Es gibt zum Beispiel private Unternehmen, die eigene Aktionspläne auf Basis der UN-Konvention haben. Es wäre gut, wenn sich viele ein Beispiel an dem nähmen, was die Stadt zurzeit gemeinsam mit den Verbänden und den Menschen gemacht hat.
Denn den Geist der Konvention mit Leben zu füllen, aus ihrer Philosophie gelebten Alltag zu machen, ist Aufgabe jedes Einzelnen, und das jeden Tag. Inklusion kann nicht verordnet werden, auch wenn wir uns das vielleicht alle wünschen würden. Weder Sie noch ich können eine Verordnung oder ein Gesetz erlassen, aus dem Inklusion im Leben erwächst. Sie muss von jedem Einzelnen und von der Gemeinschaft als Ganzes gelebt werden, und dafür braucht es neben Ideen und Beharrlichkeit viele Mitstreiter und gute Beispiele aus der Praxis.
Lassen Sie mich drei konkrete Beispiele aus ganz unterschiedlichen Lebensbereichen nennen, die wir gemeinsam mit unseren Partnern auf den Weg gebracht haben, um den Anspruch der inklusiven Gesellschaft ein wenig mehr zu realisieren.
Ein Beispiel ist – dies ist schon mehrfach gesagt worden – der barrierefreie Umbau der U-Bahn-Stationen, der schneller als gedacht vonstattengeht und den wir auch schnell abschließen wollen. Ein weiteres Beispiel ist das Modellprojekt Hamburger Budget für Arbeit, ein Impuls für mehr Inklusion am Arbeitsmarkt. Bevor ich Senator wurde, war ich Geschäftsführer der Hamburger Werkstätten für behinderte Menschen. In diesen Werkstätten sieht man viele Menschen arbeiten, zum Beispiel Menschen mit einem Down-Syndrom, die gar nicht dort arbeiten müssten, wenn es nur ein wenig Bereitschaft von Unternehmen und den Kolleginnen und Kollegen gäbe, auf ihre Besonderheiten zuzugehen. Das war der Impetus zu sagen, wenn du Senator wirst, dann mach etwas und hole einige Kolleginnen und Kollegen – hier wurden die Werkstatträte angesprochen – aus der Werkstatt heraus und lass sie dort arbeiten, wo es geht. Neulich haben wir bei Globetrotter ein wunderbares Beispiel gesehen: Menschen, die sonst in Werkstätten für behinderte Menschen arbeiten, konfektionieren dort wie jeder andere Arbeitnehmer auch zu einem ordentlichen Lohn Ware. Sie packen die Ware in
Pakete, arbeiten den ganzen Tag und sind ein gutes Beispiel dafür, dass etwas geht, was viele vor wenigen Jahren nicht gedacht haben. Es geht, man muss es nur wollen und die richtigen Leute finden, die mit einem zusammenarbeiten.