Protocol of the Session on November 29, 2012

Das sagt nicht irgendein Spinner, sondern das sagt die Landespastorin. Aber in dem Augenblick, wo man das nicht übernimmt und nicht sagt, dass die Zuwendungsempfänger eher zu schlecht bezahlt sind und man ihnen die Tarife sichern will, ebnen Sie den Weg für Lohndrückerei in diesen Bereichen. Sie wissen doch selbst, wie die Situation bei vielen sozialpädagogischen Trägern ist, dass dort nach der nächsten Sparrunde überlegt wird, ob der Geschäftsführer oder die Geschäftsführerin noch 25,4 Stunden bezahlt bekommt oder beim nächsten Mal nur noch 23,2 Stunden, damit man den Tarif irgendwie einhält. Aber das sind keine ordentlichen Verhältnisse und das müssen wir verändern.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Das Zweite, was Sie damit öffnen – und das ist auch das, was Frau Stoltenberg hier ausgedrückt hat –, ist, dass Sie die Situation verändern. Natürlich kommen die auf die Idee, Tarifflucht zu bege

hen. Frau Bekeris, das ist Ausdruck Ihrer Hoffnung, wenn Sie sagen, ein Tarifvertrag für jeden Beschäftigten bei den Zuwendungsempfängern in dieser Stadt sei garantiert. Das ist nicht garantiert. Das ist gegenwärtig schon nicht die Wirklichkeit. Mit dieser Art und Weise von Politik treiben Sie zusätzliche Zuwendungsempfänger dahin, aus dem Tarif herauszugehen. Wir wissen doch selbst – sonst fragen Sie einmal genau danach –, dass etliche mehr oder weniger unter der Hand dazu aufgefordert werden, die Tarife nicht mehr einzuhalten, damit sie in der Lage sind, die Sparvorgaben einigermaßen zu erfüllen. Frau Stoltenberg ist diejenige, die diese Position in gewisser Weise unterstützt, deswegen finden wir das auch sehr richtig.

Wir wollen mit diesem Antrag kein "Wünsch dir was". Wir wollen damit garantieren, dass im sozialen Bereich in dieser Stadt Tarife noch bezahlt und refinanziert werden können,

(Beifall bei der LINKEN)

dass diejenigen, die in dieser Stadt im sozialen Bereich arbeiten, zu guten Bedingungen arbeiten können; um mehr geht es dabei nicht. Das hat nichts mit einer notwendigen Aufgabenkritik zu tun, sondern das ist Standard. Das hielt ich einmal für eine der Grundlagen der Sozialdemokratie, und ich sehe gegenwärtig, dass das hoch in Gefahr ist. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte dem Antrag der Fraktion DIE LINKE aus Drucksache 20/5785 seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe nun den Punkt 53 auf, das ist die Drucksache 20/5856, Antrag der SPD-Fraktion: Hamburg 2020: Eine Freiwilligenstrategie für Hamburg.

[Antrag der SPD-Fraktion: Hamburg 2020: Eine Freiwilligenstrategie für Hamburg – Drs 20/5856 –]

Diese Drucksache möchte die CDU-Fraktion an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Frau Müller, Sie haben es.

(Norbert Hackbusch)

Sehr geehrtes Präsidium, meine Damen und Herren! Es ist mir eine große Freude, Ihnen den Antrag zur Freiwilligenstrategie für Hamburg vorzustellen. Einige Worte vorweg, bevor ich auf Einzelheiten eingehe. Ich denke, es ist über alle Fraktionen hinweg Konsens, dass das freiwillige Engagement der Bürgerinnen und Bürger eine große Bereicherung für die Lebensqualität und die Agilität dieser Stadt ist.

(Beifall bei der SPD)

Dafür möchten wir uns bei allen Hamburger Bürgern und Freiwilligen ausdrücklich bedanken.

(Beifall bei der SPD)

Eine Prämisse unseres Antrags ist, dass freiwilliges Engagement dem Gemeinwohl dient. Es kann und darf aber keine staatlichen Leistungen ersetzen. Dieses Engagement führt zu Selbstwirksamkeit und Anerkennung. Es sorgt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und bewirkt eine Stärkung der demokratischen Grundwerte. Voraussetzung dafür ist ein Zusammenarbeiten auf Augenhöhe und keine Bevormundung. Die Hamburger Bürger und Bürgerinnen engagieren sich freiwillig und selbstbestimmt. Aber trotzdem ist manchmal Beratung und Unterstützung durch Behörden, Hauptamtliche und Wirtschaft von Vorteil. Ein freiwilliges Engagement erfordert nachhaltige Strukturen. Es ist unentgeltlich und zusätzlich und es muss sichergestellt sein, dass es für jeden zugänglich ist.

(Beifall bei der SPD und bei Heiko Hecht CDU)

Der Ihnen vorliegende Antrag wurde nach vielen Monaten intensiver Gespräche und Sondierungen mit vielen engagierten Hamburgerinnen und Hamburgern erarbeitet. Ihm liegen viele Erkenntnisse zugrunde, die auf einer erfolgreichen Fachtagung mit dem Thema "Elemente einer Freiwilligenstrategie für Hamburg" im April 2012 gewonnen wurden. Diese Veranstaltung wurde von der SPD-Bürgerschaftsfraktion gemeinsam mit dem AKTIVOLINetzwerk durchgeführt.

Mit unserem Antrag greifen wir den Wunsch vieler Freiwilliger nach einer bereichsübergreifenden Hamburger Freiwilligenstrategie auf. Die Notwendigkeit einer Hamburger Freiwilligenstrategie wird auch dann deutlich, wenn man sich die Anzahl der freiwillig Tätigen und die Anzahl derer, die sich ein freiwilliges Engagement vorstellen können, in Hamburg anschaut. Nach der repräsentativen Trenderhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engagement, dem Survey von 2009, übernehmen bereits 29 Prozent der Hamburger Bevölkerung über 14 Jahre Ämter und Aufgaben. Diese Hamburgerinnen und Hamburger engagieren sich selbstbestimmt, selbstorganisiert und eigenmotiviert in nahezu allen Bereichen des öffentlichen Lebens, zum Beispiel in den Berei

chen Sport, Kultur, Umwelt, Freizeit, Politik und Gewerkschaften, soziales und kirchliches Engagement, Kindergärten und Schulen, freiwillige Feuerwehren und Katastrophenschutz, Tierschutz und lokales Bürgerengagement. Diese Beispiele ließen sich endlos fortführen. Insgesamt sind 69 Prozent der Hamburger Bevölkerung, weit über eine Million, als Mitglieder und/oder Teilnehmer in Gruppen, Initiativen, Vereinen, Verbänden, Organisationen, Stiftungen, Institutionen oder Einrichtungen aktiv. Laut Survey sind davon zusätzlich 15 Prozent bestimmt und 28 Prozent eventuell bereit, aktiv engagiert zu arbeiten. Wir wollen ihnen den Start ins Engagement erleichtern.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen für Menschen, die sich bisher freiwillige Arbeit nicht zutrauen oder nicht vorstellen können, Zugangswege in das freiwillige Engagement verbessern beziehungsweise ermöglichen. Wir wollen die Hemmschwellen für die Aufnahme einer freiwilligen Tätigkeit senken. Die Engagementquote liegt zum Beispiel bei Menschen mit einem niedrigen Bildungsniveau bei 15 Prozent und bei Rentnern sind es 19 Prozent. Diese Zahlen sind ausbaufähig.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen, dass es auch in diesen Bevölkerungsgruppen mehr Freiwillige gibt. 34 Prozent der Bevölkerung haben Interesse an Kontakt mit Information und Kontaktstellen für freiwilliges Engagement. Diese Kontaktstellen werden in Hamburg unter anderem durch das Netz der Freiwilligenagenturen repräsentiert. Diese Strukturen wollen wir verstetigen.

(Beifall bei der SPD)

Die Hamburger Behörden unterstützen schon jetzt zum Beispiel Stadtteilkonferenzen und Initiativen, Beiräte und Vereine. Sie sollen ihr Engagement auf allen Ebenen als Berater, Ansprechpartner und Begleiter von freiwilligem Engagement vertiefen. Wir fordern eine bereichs- und behördenübergreifende Arbeitsgruppe, damit eine Zusammenarbeit der Behörden untereinander verbindlich gewährleistet ist.

Bisher werden nur 35 Prozent der freiwillig Engagierten von ihrem Arbeitgeber unterstützt. Die Handelskammer und die Handwerkskammer Hamburg sind sich der Wichtigkeit des freiwilligen Engagements bewusst und bieten Beratung et cetera für ihre Mitglieder an. Auch die Wirtschaft muss mit in das gemeinsame Boot geholt werden.

(Beifall bei der SPD)

Die von uns angestrebte trisektorale Vernetzung ist in Hamburg bereits in Ansätzen, zum Beispiel im Sport, vorhanden. Das Landesnetzwerk AKTIVOLI und weitere Akteure der Zivilgesellschaft, zum Beispiel der Landesjugendring, sollen mit der Behörde

und der Wirtschaft aus diesem Antrag eine Hamburger Freiwilligenstrategie erarbeiten. Alle dargestellten Gruppen – Zivilgesellschaft, Staat und Wirtschaft – sollen integraler Bestandteil dieser Strategie sein. Das Ziel ist eine nachhaltige Zusammenarbeit aller Beteiligten auf Augenhöhe. Die SPD-Fraktion bittet Sie, unserem Antrag zuzustimmen, damit die Arbeit an einer Freiwilligenstrategie zügig aufgenommen werden kann, die wir dann Ende nächsten Jahres ausführlich im Ausschuss diskutieren können. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Frau Dr. Föcking, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, als ich die Überschrift Ihres Antrags las, war mein erster Gedanke: schon wieder eine Strategie. Nach der Ankündigung einer Demografiestrategie, einer Fachkräftestrategie und einer Open-GovernmentStrategie nun also eine Freiwilligenstrategie.

(Ole Thorben Buschhüter SPD: Großstadt- strategie!)

Für die nächsten Jahre verspricht uns die SPD so viele Strategien, dass ich mich frage, wann nach all der strategischen Planung denn die politische Arbeit der Umsetzung beginnen soll.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Nun kann eine kluge Strategie mit klaren Anweisungen die Weichen so stellen, dass die Umsetzung zügig und kompetent geschehen kann. Doch auch da lässt Ihr Antrag viele Fragen offen. Ihr Ziel, das freiwillige Engagement in Hamburg weiter zu stärken, ist natürlich völlig richtig und wird auch von uns ausdrücklich unterstützt. Ihrem Dank, Frau Müller, an die vielen in Hamburg tätigen Freiwilligen schließen wir uns sehr gerne an.

(Beifall bei der CDU)

Aber inwieweit Ihr Strategieantrag da neue Wege weist, bleibt unklar.

Nur ein paar Beispiele. Was ist anders als in der schon vor zehn Jahren aufgelegten Landesinitiative "Hamburg engagiert sich"? Auch dieses von der CDU aufgelegte Programm kannte eine behördenübergreifende Arbeitsgruppe und die organisierte Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, den Akteuren der Zivilgesellschaft und dem AKTIVOLI-Netzwerk, die in einem entsprechenden Kuratorium stattfand.

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg übernimmt den Vorsitz.)

Wird hier das Rad tatsächlich neu erfunden oder doch nur neu gedreht? Sie fordern – Zitat –:

"[…] die Arbeitsbedingungen in der Wirtschaft sollten freiwilliges Engagement ermöglichen [und] fördern […]."

Das ist vernünftig, aber es wird in Ihrem Antrag nicht näher ausgeführt. Dabei gibt es im Familienministerium vom Bund aus längst einschlägige Programme und Vereinbarungen, etwa zur sozialen Verantwortlichkeit von Unternehmen oder zur Förderung des freiwilligen Engagements von Mitarbeitern. Die hätten Sie aufgreifen können.

(Zurufe von der SPD)

Gerade haben sich 19 große deutsche Unternehmen verpflichtet, noch aktiver zu werden. Auch da hätte man schauen können, was man nach Hamburg holen kann.

(Beifall bei der CDU)