Protocol of the Session on November 29, 2012

Unterbrechung: 16.52 Uhr

Wiederbeginn: 17.41 Uhr

Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist wieder eröffnet. Es wäre nett, wenn Sie Ihre Plätze einnehmen würden, das trüge wesentlich zum Fortgang der Sitzung bei.

Abweichend von der Tagesordnung erteile ich Frau Artus das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Verehrte Kollegen und Kolleginnen der FDP! Ich habe mich in meiner Rede zum Spielhallengesetz bemüht darzustellen, welche Rolle das Unternehmen Gauselmann in dem ganzen Verfahren gespielt hat. Dabei habe ich etwas versäumt und ich habe einen großen Fehler begangen. Versäumt habe ich, Passagen als Zitat zu kennzeichnen, die meine Rechercheergebnisse waren, was die Beteiligung der Gauselmann-Gruppe an einer FDP-Unternehmung an

geht; das hätte ich deutlich machen müssen. Und ich habe den Fehler gemacht, dass der Eindruck entstanden ist, dass einzelne Abgeordnete der FDP in unzulässiger, strafrechtlich relevanter Weise beteiligt gewesen sind, in Beziehung zu der Gauselmann-Gruppe zu stehen. Das tut mir ausgesprochen leid, das war nicht meine Absicht und dafür möchte ich mich entschuldigen.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD, den GRÜ- NEN und vereinzelt bei der CDU)

Danke, Frau Artus. Zusammenfassend aus den Beratungen des Ältestenrats erteile ich Ihnen nachträglich einen Ordnungsruf.

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Die Wortmeldungen, die wir vor der Sitzung des Ältestenrats hatten, sind zurückgezogen worden, sodass wir jetzt unverzüglich zur Abstimmung kommen können.

Zunächst kommen wir zum Antrag der Fraktion DIE LINKE aus der Drucksache 20/5996. Die GRÜNE Fraktion hat hierzu eine zifferweise Abstimmung beantragt.

Wer Ziffer 1 des Antrags aus der Drucksache 20/5996 annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.

Dann kommen wir zu Ziffer 2 des Antrags.

Wer sich Ziffer 2 anschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch Ziffer 2 ist mit Mehrheit abgelehnt.

Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Spielhallen im Land Hamburg aus Drucksache 20/3228 war in unserer gestrigen Sitzung in der vom Gesundheitsausschuss geänderten Fassung aus Drucksache 20/5877 in erster Lesung angenommen worden. Der Senat hatte einer sofortigen zweiten Lesung zugestimmt.

Wer nun das gestern in erster Lesung beschlossene Gesetz auch in zweiter Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist somit in zweiter Lesung und damit endgültig beschlossen worden.

Wir kommen zu Punkt 50 unserer Tagesordnung, Drucksache 20/5852, Antrag der FDP-Fraktion: Wahlfreiheit und Flexibilität im Hamburger Schulsystem – Entschleunigung nach Klasse 10 zulassen!

[Antrag der FDP-Fraktion:

(Kersten Artus)

Wahlfreiheit und Flexibilität im Hamburger Schulsystem – Entschleunigung nach Klasse 10 zulassen! – Drs 20/5852 (Neufassung) –]

Diese Drucksache möchte die GRÜNE Fraktion an den Schulausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Frau von Treuenfels, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dass freiheitliche Grundsätze zu guter Schulpolitik führen können, freut uns Liberale besonders.

Wir wollen uns heute mit mehr Durchlässigkeit zwischen Hamburgs Schulen befassen. Gymnasiasten, die vor der zweijährigen Oberstufe stehen, sollen nach unserem Antrag in die dreijährige Oberstufe der Stadtteilschule wechseln dürfen. Bis dato unterbindet das die Ausbildungs- und Prüfungsordnung, denn jetzt können nach Abschluss der zehnten Klasse die Gymnasiasten nicht in die elfte Klasse der Stadtteilschule wechseln, sondern müssen in Jahrgangsstufe 12 einsteigen. Wenn SPD und CDU diese Initiative für mehr Durchlässigkeit gern selbst eingebracht hätten und ihr nun zustimmen, freuen wir uns darüber, denn davon profitieren Hamburgs Schüler, und darum geht es uns.

(Beifall bei der FDP und bei Jan-Hinrich Fock SPD)

Drei Problemfelder wollen wir mit unserem Antrag angehen.

Erstens: G8 wird von vielen Schülern und Eltern nach wie vor als sehr belastend empfunden. Auch die guten Ergebnisse von KESS 12 können nicht verdecken, dass starker Lern- und Leistungsdruck und zu wenig Freizeit für einige ein Problem im G8 bleiben.

Zweitens: Die Etablierung der Stadtteilschule in Hamburg läuft, sie hat aber längst noch nicht zu einer vorurteilsfreien Anerkennung dieses neuen Schultyps geführt. Das dort erlangte Abitur ist aber genauso viel wert wie an einem Gymnasium, nur muss das erst einmal bekannt werden.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Drittens: Die Diskussion um Abschottung und Schulwechsel, kurz eine mangelnde Durchlässigkeit zwischen den Schultypen, hält an.

Deshalb haben wir unseren Antrag unter die Überschrift "Wahlfreiheit und Flexibilität nach Klasse 10" gestellt. Es geht uns um die Lösung der drei beschriebenen Problemfelder. Deren Bewältigung ist nach unserer Auffassung nur möglich, wenn Schüler und Eltern freier als bisher entscheiden können, wie sich die Schullaufbahn der Jugendli

chen entwickeln soll. Unsere Aufgabe ist es, hierfür die Rahmenbedingungen sicherzustellen, und dazu gehört die notwendige Flexibilität.

(Beifall bei der FDP)

Zwar meistert die überwiegende Zahl der Gymnasiasten das Abitur in acht Jahren, und das sogar mit großem Erfolg, es gibt aber auch Schüler, die sich für ein Gymnasium entschieden haben und dann beim Übergang in die Oberstufe feststellen, dass sie eigentlich mehr Zeit brauchen. Sie empfinden das hohe Tempo am Gymnasium als Belastung; manche mussten deshalb bisher ein Oberstufenjahr wiederholen. Diese Schüler könnten jetzt, ohne ein Jahr zu wiederholen, an der Stadtteilschule ein gutes Abitur ablegen. Darum geht es uns. Die Ergebnisse der Studie KESS 10/11 belegen, dass dies auf eine ganze Reihe von Schülern zutrifft.

In anderen Bundesländern wird gerade die Wahloption zwischen G8 und G9 in den Gymnasien diskutiert oder schon etabliert. Damit sollten wir in Hamburg vorsichtig sein. Das wird nämlich nur zu noch mehr Unruhe führen, und wir brauchen Kontinuität in den Schulen.

(Beifall bei Katja Suding FDP)

Deswegen haben wir eine Möglichkeit gefunden, von der wir hoffen, dass sie uns in Hamburg genau diese Diskussion ersparen kann. Ein Nebeneinander von G8 und G9 würde außerdem die Gefahr bergen, dass das Abitur an der Stadtteilschule entwertet würde. Das soll nicht sein, denn die dreijährige Oberstufe der Stadtteilschulen ist für Hamburg eine sehr gute Alternative. Sie bietet im Vergleich zur zweijährigen Oberstufe des Gymnasiums insgesamt mehr Unterrichtsstunden bis zum Abitur. Lernrückstände können so aufgeholt werden. Deswegen sagen wir: Der Wechsel als Chance funktioniert nur dann, wenn auch der Übergang vom Gymnasium in die Jahrgangsstufe 11 der Stadtteilschule möglich ist; daher unser Antrag.

Meine Damen und Herren! Das ist ein kluger, freiheitlicher Baustein zur Erleichterung des Weges zum Abitur. Wir würden uns freuen, wenn Sie zustimmen würden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Jan-Hinrich Fock und Lars Holster, beide SPD, und Dr. Friederike Föcking CDU)

Das Wort bekommt Herr Czech.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau von Treuenfels, ich finde es gut, dass wir beide ein Interesse daran haben, allen Schülern den besten Weg zum höchstmöglichen Abschluss in Deutschland zu ermöglichen, dem Abitur. Das ist auch der Grund,

(Vizepräsidentin Barbara Duden)

warum wir Ihrem Antrag mit Überzeugung zustimmen können. Es passiert nicht häufig, dass wir ohne Weiteres eine Zustimmung erteilen.

(Beifall bei der FDP und bei Frank Wiesner SPD)

Unser Ziel ist es, allen Schülern, die den Willen und das Potenzial dazu haben, den besten Weg zum Abitur zu bereiten. Deshalb haben wir uns dafür eingesetzt, dass alle Stadtteilschulen Oberstufen haben. Diese Oberstufen sind beliebt, bei den eigenen Schülern, aber auch bei den Schülern des Gymnasiums. Dabei geht es den Schülern nicht immer nur darum, wie gerade vorgestellt, dass sie es nicht schaffen können, manchmal geht es auch darum, dass man vielleicht die Lerngruppe wechseln oder wegen eines interessanten Profils wechseln möchte. Und was ganz wichtig ist: Häufig steht die Entscheidung der Schülerinnen und Schüler dahinter, denn sie sind in einem Alter von 15 bis 16 Jahren, das heißt, hier geht es, nachdem wir uns ganz viel mit dem Elternwahlrecht beschäftigt haben, auch darum, den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben, über ihren eigenen Bildungsweg zu entscheiden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und der FDP)

Wir haben gerade der jüngsten Studie entnehmen können, dass die Schülerinnen und Schüler mit dem achtjährigen Abitur zu guten Ergebnissen kommen; das hat uns gefreut. Besonders gefreut hat es uns, weil dadurch deutlich wird, dass die Kolleginnen und Kollegen am Gymnasium sehr gute Arbeit geleistet haben. Trotz alledem wissen wir, dass das nicht für alle der richtige Weg ist.

Schon lange wissen wir, dass auch Schülerinnen und Schüler nicht nur in der Stadtteilschule, sondern auch in der Oberstufe des Gymnasiums und der Gesamtschule noch ihren Weg gefunden haben, das Abitur zu machen. Für viele war es die Möglichkeit, nach der zehnten Klasse doch noch zum Abschluss zu kommen. Eine andere Möglichkeit war, Teile der Oberstufe am Gymnasium zu wiederholen, und genau das halten wir pädagogisch für falsch.

Manchmal ist es wichtig, neue Strukturen zu schaffen. Ich hatte die Möglichkeit, mit einer Schülerin zu sprechen, die vor zwei Jahren den Weg aus der zehnten Klasse des Gymnasiums an die Oberstufe meiner Stadtteilschule gefunden hat; genau der Fall, um den es uns geht. Ich fragte sie, wie das denn für sie gewesen sei. Sie antwortete: Zunächst war es nicht schön, denn ich kam aus der zehnten Klasse und dachte, ich würde nur noch zwei Jahre bis zum Abitur brauchen. Eine zwölfte Klasse gab es bei uns aber noch gar nicht – die Oberstufe wurde erst neu eingerichtet –, es gab nur eine elfte Klasse. Ich fragte sie nach den Gründen ihres Wechsels. Einer der Hauptgründe war,

dass sie Mitte der zehnten Klasse festgestellt hatte, dass es mit dem Abitur offensichtlich nichts mehr wird. Und dann passierte das, was man kennt, man resigniert. Sie sagte, sie habe den Unterricht nicht mehr regelmäßig besucht, keine Hausaufgaben mehr gemacht, sich immer seltener beteiligt und die Arbeiten seien immer schlechter ausgefallen. Der Wechsel in die elfte Klasse unserer Stadtteilschule war dann auch ein Weg, überhaupt mal wieder in Schule anzukommen, sich daran zu gewöhnen, was es heißt, wieder etwas von sich selbst zu erwarten. Sie sagte – und das hat mich gefreut –: Ihr gebt mir Zeit dafür, Themen wirklich zu durchdenken und mich mehr mit ihnen auseinanderzusetzen, sie auch einmal zu wiederholen, ich fühle mich hier nicht mehr ständig überfordert. Ich glaube, das ist ein Weg, den wir Schülerinnen und Schülern ermöglich müssen. Sie sollen das Gefühl haben, dass Schule auch ein Ort zum Verweilen und vielleicht sogar zum Wohlfühlen ist, auch in der Oberstufe.

(Beifall bei der SPD und bei Robert Heine- mann CDU)

Um das Fallbeispiel zu Ende zu bringen: Die Schülerin wird demnächst bei uns das Abitur machen, und wie es aussieht, mit einem sehr guten Abschluss; das freut mich.