Protocol of the Session on November 28, 2012

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Dr. Gümbel und auch Herr Kleibauer haben dargestellt, dass meine Fraktion im Haushaltsausschuss Fragen gestellt hat, die dort nicht hingehören. Frau Dr. Gümbel hat gesagt, die Fragen könnten im Arbeitskreis gestellt werden oder bei der Senatorin. Die Aufgabe des Haushaltsausschusses ist es, erstens die Ausgaben des Senats zu prüfen und zu kontrollieren und den Bürgerinnen und Bürgern darzustellen, dass dies ordentlich geschehen ist. Das hat jede Fraktion und jedes Mitglied im Haushaltsausschuss zu tun, und es hat nicht in irgendwelchen Hinterzimmern einen Senator zu fragen. Das möchte ich hier feststellen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Es wundert mich, dass Sie meinen, Fragen, die vielleicht nicht gerade ins Konzept passen, seien nicht angebracht. Wir sind uns im Haushaltsausschuss darüber einig, dass jede Frage erlaubt ist.

(Beifall bei Anja Hajduk GRÜNE)

Den Bürgerinnen und Bürgern darzustellen, wie die Gelder ausgegeben werden, ist unsere Aufgabe. Ich bitte darum, sich daran zu halten und keine Vorschläge zu machen, die aus dem Haushaltsausschuss Aufgaben in irgendwelche Hinterzimmer verlagern. Das gehört sich nicht. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kleibauer, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir begrüßen jetzt auch Herrn Quast, einen der Fragesteller aus dem Haushaltsausschuss. Herr Dr. Petersen, ich glaube, wir sind uns in vielen Punkten einig, aber es ist schon legitim, dass ich dargestellt habe, welcher Inhalt von den Kollegen Ihrer Fraktion angesprochen wurde.

(Vizepräsidentin Kersten Artus)

Ich habe nicht kritisiert, dass Fragen gestellt worden sind, aber man muss sich vor Augen führen, dass es Ihre Fraktion ist, die gefragt hat, ob man diese Rücklagen nicht auch irgendwie anders verwenden kann, ob man nicht mitreden kann und warum es diese Rücklagen überhaupt gibt. Das haben wir zum Anlass genommen, dies hier anzusprechen.

Ich muss auch auf einen Punkt eingehen, den Herr Tode gebracht hat. Herr Tode, Sie könnten sagen, es sei schwierig, sich gegen das Personalamt und die Bürokratie durchzusetzen, aber Sie haben eine dezidierte inhaltliche Begründung, warum Sie gegen die Personalautonomie sind, die – das haben Frau Gümbel und andere noch einmal dargelegt – von großen Teilen der Universität sowie von anderen Hochschulen sehr befürwortet wird und im Übrigen nicht zu neuer Bürokratie führt, sondern dazu, dass Einstellungsverfahren für normale Sachbearbeiterstellen nicht fünf oder sechs Wochen dauern, sondern teilweise schneller gehen. Auch das hat etwas mit Wettbewerbsfähigkeit zu tun.

(Beifall bei der CDU)

Es geht nicht darum, dass wir Fragen verbieten oder die parlamentarische Kontrolle zurückfahren wollen – das haben Sie sehr stark vermischt –, sondern darum, dass wir für die Universität erst einmal Rahmenbedingungen schaffen müssen, damit sie das Geld sinnvoll einsetzen und frei agieren kann. Das kann man anschließend kritisch hinterfragen, aber man sollte sich nicht vorher schon so in die Detailsteuerung versteifen, dass im Endeffekt überhaupt nichts dabei herauskommt, weil man sich gegenseitig blockiert. Auf diesem Weg befinden Sie sich leider, Herr Tode.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen dann zur Abstimmung.

Wer möchte den Antrag der CDU-Fraktion aus Drucksache 20/5846 annehmen? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe Punkt 46 auf, Drucksache 20/5842, Antrag der GRÜNEN Fraktion: Ein nachhaltiges Beschaffungswesen für Hamburg.

[Antrag der GRÜNEN Fraktion: Ein nachhaltiges Beschaffungswesen für Hamburg – Drs 20/5842 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Haushaltsausschuss überweisen. Wer

wünscht das Wort? – Herr Dr. Tjarks, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Freie und Hansestadt Hamburg gibt jedes Jahr über eine halbe Milliarde Euro für Waren und Dienstleistungen aus, und sie hat durch das gewaltige Einkaufsvolumen nicht nur eine große Macht als Nachfrager, sondern auch eine große Verantwortung. Sie ist diejenige, die durch ihr Einkaufsverhalten maßgeblich darüber bestimmen kann, dass Waren sozial fair, ökonomisch sinnvoll und ökologisch verantwortlich produziert werden. Deswegen sollten wir das in diesem Hause besprechen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Problem des Hamburger Beschaffungswesens ist, dass es zergliedert, heterogen und kleinteilig ist und dass es keine zentrale Stelle gibt, an der alle Daten zusammenlaufen und ausgewertet werden können. Das hat zur Folge, so hat man nach meiner Großen Anfrage das Gefühl, dass der Senat keinen Überblick darüber hat, was eigentlich gekauft wird.

(Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel übernimmt den Vorsitz.)

Hamburg muss sich beim Einkaufswesen dringend moderner aufstellen. Wir begrüßen deswegen das Projekt "Konzentration des Einkaufs", und es wird höchste Zeit, dass wir das Beschaffungswesen der Stadt auf eine solide und zentrale Grundlage stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Weil die Stadt nicht zentral und daher nicht bewusst organisiert einkauft, hat sie trotz des riesigen Mengenvolumens relativ wenig Macht bei der Frage, wie die Waren produziert werden. Das bisherige Ziel war: Hauptsache billig. Wir leben in einer Zeit, in der das allein nicht mehr ausreicht. Wir haben auch beim Wohnungsbau bei Grundstücksvergaben gemerkt, dass der Höchstbietende nicht immer der Beste für die Stadt ist und dass Konzeptwohnungsbau die Stadt und uns weiterbringen kann. Deswegen kann es beim Einkauf nur auf mehr Nachhaltigkeit hinauslaufen. Es wird Zeit, dass das Hamburger Beschaffungswesen neu organisiert wird, und wir fordern, dass wir uns das Ziel setzen, bis 2020 alle Produkte nachhaltig und damit verbindlich einzukaufen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In seiner Mindestlohn-Drucksache nimmt der Senat dazu schon zaghafte Überlegungen vor. Dass er sich gewisse Dinge zu eigen macht, gibt eine gewisse Hoffnung, aber diese Überlegungen gipfeln in folgendem Satz – ich zitiere –:

(Thilo Kleibauer)

"Ob und inwieweit das Vergaberecht auch im Hinblick auf die Einführung zusätzlicher Kriterien weiterzuentwickeln ist, bleibt der weiteren fachlichen Prüfung und Diskussion mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern vorbehalten."

Das ist dann doch ein bisschen zu zögerlich. Es kann nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie gehen. Ich würde mich freuen, wenn wir die SPD-Fraktion als Schrittmacher an unserer Seite hätten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein solches Nachhaltigkeitscontrolling ist keine versponnene grüne Idee mehr, sondern längst Praxis in großen Hamburger Konzernen. Otto-Versand und Tchibo haben längst erkannt, dass nachhaltiges Wirtschaften in ihrem eigenen Interesse ist. Sie lassen sich nach den Kriterien des Deutschen Nachhaltigkeitskodexes zertifizieren und messen. Dieser Nachhaltigkeitskodex macht ein Unternehmen transparent und damit vergleichbar. Wir wollen diese Transparenz und Vergleichbarkeit auch für die öffentliche Verwaltung, denn nur durch ein solches Controlling kann die Stadt ihr Kaufverhalten ändern. Wir wollen, dass die Stadt ihre Macht als Verbraucherin wirklich nutzen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Projekt "nachhaltiger Einkauf" ist ein langfristiges Projekt. Es kommt darauf an, dass man die Akteure zusammenbringt. Wir wollen die Hersteller, die Wirtschaft, die Umweltverbände, die Menschenrechtsorganisationen, die Verwaltung und die Politik an einen Runden Tisch bringen, um Probleme sichtbar zu machen und nach gangbaren Lösungen zu suchen. Das ist ein Prozess, den wir bis 2020 bewältigen wollen; nicht bis übermorgen, aber wir möchten ein klares Ziel vor Augen haben. Deswegen darf solch ein Runder Tisch keine einmalige Veranstaltung werden, sondern man muss einen ständigen Dialog entwickeln, um nachhaltige Innovationen zu schaffen.

Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass der Antrag an den Haushaltsausschuss überwiesen wird. Der Senat will sich selbst einige Gedanken machen und Experten hören. Ich würde mich freuen, wenn die Bürgerschaft das ihrige tut und sich auch Experten mit dieser Frage beschäftigen. Eines ist klar: Hamburg ist eine Welt- und Handelsstadt, die auch den Anspruch hat, über den Tellerrand hinauszuschauen. Sie muss sich ihrer globalen Verantwortung stellen, und das gilt auch für den Einkauf. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Dr. Schaal, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nachhaltigkeit ist ein sperriger Begriff. Er vereint bekanntlich sozialökologische und ökonomische Aspekte, ist aber schwer zu handhaben und muss für den konkreten Fall operationalisierbar gemacht werden. Wenn man sich die einzelnen Komponenten in Hamburg anschaut, dann stellt man fest, dass Hamburg im Ländervergleich zum Beispiel beim Thema Umwelt gerade im Beschaffungsbereich gut aufgestellt ist. Auch in puncto gesamter Nachhaltigkeit muss sich Hamburg nicht verstecken. In der aktuellen Publikation "Quo vadis, Beschaffung" vom Netzwerk WEED, zu dem auch Attac gehört, wird Hamburg zusammen mit den beiden anderen Stadtstaaten Berlin und Bremen und dem Saarland immer wieder positiv hervorgehoben. In der Tat werden Arbeits- und Sozialstandards, aber auch Umweltstandards in Hamburg bereits heute bei Vergaben berücksichtigt. Sicher ist manches noch verbesserungswürdig; Herr Tjarks hat darauf hingewiesen.

(Roland Heintze CDU: Das geht auf die CDU zurück!)

Die Stadt muss sehen, dass sie ihre Marktmacht nutzt und damit Politik macht. Im Zusammenhang mit der Konzentration des Einkaufs kann man sich nicht mit einem Runden Tisch begnügen. Das würde die Probleme nicht lösen, Herr Tjarks.

Durch das Landesmindestlohngesetz, das wir heute Nachmittag diskutiert haben, und die Ausweitung der ökologischen Standards im Hamburgischen Vergabegesetz werden die bestehenden Regelungen ergänzt und verschärft. Damit könnte Hamburg erneut eine Vorreiterrolle einnehmen.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Na, das wär' ja was!)

Die Vergabeverordnung enthält bereits jetzt ökologische Vorgaben für Lieferungen, Leistungen und Dienstleistungsaufträge bei Bauleistungen, allerdings oberhalb der gesetzlich definierten Schwellenwerte. Diese liegen bei einer Million, das ist schon ziemlich hoch. Jetzt sollen die ökologischen Vorgaben auch für kleinere und mittlere Aufträge unterhalb dieses EU-Schwellenwertes normiert werden. Diese machen insgesamt 90 Prozent der gesamten Vergaben aus, und da kommen wir schon ein ganzes Ende weiter, das ist quantitativ sehr viel.

In der Drucksache 20/5901, die uns noch erreichen wird, legt der Senat aber noch eine Schippe drauf: Bei der Vergabe von Investitionen sollen zukünftig auch die voraussichtlichen Betriebskosten für die Nutzungsdauer, die Kosten für den Energieverbrauch sowie die Entsorgungskosten berücksichtigt werden. Es soll künftig das sogenannte Lebenszyklusprinzip gelten. Dann, Herr Tjarks, ist in der Tat Schluss mit ex und hopp. Das ist nachhaltig, und das wollen wir haben.

(Dr. Anjes Tjarks)

Weiter sollen umweltfreundliche und energieeffiziente Gesamtlösungen angestrebt werden. Energieeffizienz und Umweltschutz soll künftig in den Leistungsbeschreibungen beziehungsweise Leistungsanforderungen ausdrücklich genannt werden, und den Bietern sollen, wenn es passt, Angaben zu dem Energieverbrauch von Geräten abverlangt werden. Entscheidend dabei ist, dass bei der Ermittlung des wirtschaftlichen Angebots auch das Kriterium des Umweltschutzes und der Energieeffizienz berücksichtigt wird. Das war bisher immer das große Problem, insofern bringt die neue Regelung tatsächlich qualitativ viel Neues. Es galt bisher, das hat Herr Tjarks gesagt: Hauptsache billig. Das ist jetzt vorbei, denn bei der Ermittlung der Wirtschaftlichkeit müssen Aspekte des Umweltschutzes und der Energieeffizienz berücksichtigt werden. Das ist ein Quantensprung.

Damit werden auch die Umweltgütezeichen aus ihrem Nischendasein herausgeholt, denn sie werden künftig bei dem Nachweis von Standards wichtig werden, und Unternehmen, die sich um Aufträge bemühen, müssen bei der Auftragsausführung künftig bestimmte Normen im Umweltmanagement erfüllen. Auch das ist neu und wegweisend.

(Beifall bei der SPD)

Als Nachweis kann der Auftraggeber die Vorlage von Bescheinigungen unabhängiger Stellen verlangen. Der Eintrag in ein EMAS-Register wird dann wichtig. Damit gewinnt auch unsere Umweltpartnerschaft zunehmend an Bedeutung, denn jetzt wird es nämlich für die Unternehmen erst interessant, sich um anständige Zertifizierungen zu bemühen, interessanter jedenfalls als bisher.