Protocol of the Session on November 28, 2012

(Dr. Andreas Dressel SPD: Haben wir doch versprochen!)

Der Titel müsste heißen: "Die erste Reparatur an der Agenda 2010" – und nichts anderes.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn es diese Agenda 2010 mit der Deregulierung des Arbeitsmarktes und der Lockerung des Kündigungsschutzes nicht gegeben hätte, dann bräuchten wir diese Diskussion überhaupt nicht zu führen.

(Dirk Kienscherf SPD: Stimmt doch gar nicht!)

Und dann kommt der Bürgermeister und toppt noch den Abgeordneten aus der Fraktion. Herr Bürgermeister Scholz, Sie haben die moralischen Grundbegriffe in dieser Republik durch die Agenda 2010 zerstört.

(Beifall bei der LINKEN – Dirk Kienscherf SPD: So ein Schwachsinn!)

(Erster Bürgermeister Olaf Scholz)

Sie haben den gesellschaftlichen Konsens aufgekündigt, und wenn Sie hier so süffisant über den Entwicklungsprozess reden, den CDU und FDP in Sachen Mindestlohn in den nächsten Jahren und Jahrzehnten durchmachen werden, dann sprechen Sie aus eigener Erfahrung, denn 2005 hat Ihr Herr Müntefering noch gesagt, einen Mindestlohn werde es mit der SPD nur über seine Leiche geben. Er lebt noch, also wissen Sie genau, wovon Sie reden. Von Wort halten kann gar keine Rede sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch die vielen Entsendegesetze, die wir jetzt verabschieden müssen, weil es die Agenda 2010 gibt, sind alles Reparaturen. Das ist natürlich eine Methode: Erst schafft man Bedingungen, dass alles am Boden liegt, und dann schwingt man sich als Retter auf. Aber wer genau hinhört, weiß auch, warum die SPD sich jetzt als Retter aufschwingt, weil es gesellschaftlich längst entschieden ist. Die Mehrheit in unserem Land ist für einen flächendeckenden Mindestlohn, weil alle einsehen, dass es so nicht weitergehen kann.

(Jens-Peter Schwieger SPD: Dank SPD, wir sind dabei!)

Wenn Sie davon reden, dass jemand, der Vollzeit arbeitet, von seiner Arbeit auch leben können müsste, dann hätten Sie sich das überlegen müssen, bevor Sie Hartz IV und die Agenda 2010 eingerichtet haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Eigentlich müssen Sie sich bei den vielen Menschen entschuldigen, die unter der Agenda 2010 leiden, und glaubhaft machen, dass Sie sich davon abwenden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn ich mir aber anhöre, wie Ihr Kanzlerkandidat Steinbrück, der wenig Probleme damit hat und der sich überhaupt nicht vorstellen kann, wie es ist, mit wenig Geld über den Monat zu kommen, die Agenda 2010 und Hartz IV bekräftigt, dann sollten Sie bitte aufhören, sich hier hinzustellen und so zu tun, als würden Sie sich dafür einsetzen, dass alle von ihrer Arbeit leben können und es für gute Arbeit auch gutes Geld geben muss. Das ist absolute Heuchelei.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat nun Frau Bekeris.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Heyenn, das war absolut deplatziert.

(Beifall bei der SPD – Dora Heyenn DIE LIN- KE: Das war die Wahrheit!)

Wenn wir uns anschauen, was Olaf Scholz als Arbeitsminister durchgesetzt hat, dann waren das die ersten Mindestlöhne in Branchen, die wir hier auch noch einmal erwähnen müssen. Wir gehen in Hamburg mit dem Mindestlohn jetzt einen wichtigen Schritt. Es ist ein konkreter und großer Schritt für 300 Angestellte in dieser Stadt, und dazu kommen noch viel mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, nämlich diejenigen, deren Unternehmen öffentliche Aufträge, zum Beispiel im Sicherheitsgewerbe, erhalten.

(Roland Heintze CDU: Gehen Sie doch mal auf Frau Heyenn ein!)

Das sind Zahlen und hinter diesen Zahlen stecken Menschen, Herr Kluth.

(Beifall bei der SPD)

Für diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist es ein großer Fortschritt, aber wir sollten nicht vergessen, dass das Landesmindestlohngesetz aus der Not geboren ist, weil Sie als CDU und FDP auf Bundesebene einen dringend notwendigen bundesweiten und allgemein verbindlichen Mindestlohn blockieren.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Mindestlohn würde Hunderttausenden Menschen helfen,

(Zurufe von der CDU und der FDP)

und es ist wirklich zynisch, Frau Föcking, was Sie hier dazu gesagt haben.

(Beifall bei der SPD)

Nur der Bund kann eine allgemein verbindliche Lohnuntergrenze einführen, und nur der Bund hätte die Möglichkeit, auch im privatwirtschaftlichen Bereich einen Mindestlohn einzuführen. Aber was machen CDU und FDP? Sie blockieren dies wieder und wieder. Wieder und wieder haben wir als SPD und hat Hamburg im Bundesrat darauf gedrungen, diesen Mindestlohn einzuführen, aber Sie weigern sich.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Damit unterstützen Sie die Auswüchse des Arbeitsmarktes mit Niedriglöhnen und prekärer Beschäftigung. Sie unterstützen die Abhängigkeit von staatlichen Transferleistungen, Sie unterstützen Unternehmen, die ihre Gewinne auf Dumpinglöhnen begründen, und Sie schaden auch noch der Wirtschaft.

(Roland Heintze CDU: Frau Heyenn ist die bessere Linke, das kriegen Sie so nicht hin! – Zurufe von der CDU)

Das wird Sie wahrscheinlich am meisten interessieren, denn Sie verhindern auch noch die Steigerung der Binnennachfrage.

(Beifall bei der SPD)

(Dora Heyenn)

Wir gehen in Hamburg so weit, wie wir können, um den Arbeitsmarkt ein Stück sozialer zu gestalten, und wir haben im nächsten Jahr noch eine Bundestagswahl, auf die wir auch noch einiges setzen. In Hamburg werden im Zuge dieses Landesmindestlohngesetzes fast 1,3 Millionen Euro ausgegeben werden, und dieses Geld ist gut angelegt, weil es die konkrete Lebenssituation von Menschen verbessert. Es ist gut angelegt, weil klar wird, dass die Politik zu ihrem Wort steht und die SPD zu ihrem Ziel guter Arbeit.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte mich noch einmal an die Kolleginnen und Kollegen der CDU wenden. Für das, was Ihr Landesvorsitzender Herr Weinberg im Bund fordert, können Sie in Hamburg bereits heute, vielleicht durch Applaus, Ihre Zustimmung zeigen. Stimmen Sie auch für das Landesmindestlohngesetz, und geben Sie Ihre zögernde Haltung auf. Mit der FDP muss man an diesem Punkt gar nicht mehr sprechen. Ich würde mich aber freuen, wenn die LINKEN und die GRÜNEN trotz einiger Einwände, die sie hier aufgezeigt haben und die wir im ersten Schritt auch nicht berücksichtigen, diesem Landesmindestlohngesetz zustimmen würden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Wenn es keine weiteren Wortmeldungen gibt, kommen wir zum zweiten Thema, angemeldet von der CDU-Fraktion:

Falscher SPD-Kurs bei Gefängnisreform – Expertenrat und Konsensangebot der Opposition annehmen!

Wird das Wort gewünscht? – Herr Trepoll bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich stehe noch ein bisschen unter dem Eindruck der Rede des ehemaligen Bundesarbeitsministers. Das waren sehnsuchtsvolle Worte über Zeiten, als Herr Scholz noch Berliner Luft geschnuppert hat. Ich muss Sie jetzt wieder mit den Hamburger Problemen belästigen,

(Beifall bei der CDU und der FDP)

und das ist das, worum Sie sich wirklich kümmern sollten, denn seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten, ist die Struktur des Strafvollzugs in Hamburg der Zankapfel in der Justizpolitik. Jetzt will sich auch Frau Senatorin Schiedek in diese ewige Streitfrage einbringen. Dafür hat sie eine günstige Ausgangsposition geschaffen mit ihrem Konzept zur Umstrukturierung des Hamburger Strafvollzugs.

Frau Senatorin, Ihr Konzept insbesondere mit der Verlegung des Frauenvollzugs von Hahnöfersand nach Billwerder sorgt dafür, dass bewährte bestehende und gut funktionierende Strukturen im Vollzug ohne Not zerschlagen werden.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Etablierte Qualifizierungsprogramme, therapievorbereitende Angebote und geschulte Mitarbeiter, und dies alles an einem Ort, sowie die räumliche Trennung zwischen Frauen- und Männervollzug wollen Sie einfach aufgeben. Ich will ein paar Gründe nennen, warum wir das nicht unterstützen werden. Die Kosten für die Verlegung des Frauenvollzugs nach Billwerder schlagen allein mit mindestens 3 Millionen Euro zu Buche, und das bei 9 Millionen Euro, die wir in den letzten Jahren für den Frauenvollzug in Hahnöfersand investiert haben. Die angeblichen Einsparungen von 20 Vollzeitstellen sind auch ohne eine Verlagerung möglich. Außerdem ist es höchst fraglich, ob diese Einsparungen bei einer Verlagerung nach Billwerder überhaupt möglich sind, weil viel mehr Begleitpersonal notwendig sein wird, wenn die Frauen auf dem Anstaltsgelände in Billwerder von Vollzugsbediensteten begleitet werden müssen. 80 Haftplätze für Frauen in einer Haftanstalt mit 650 männlichen Gefangenen: Bei diesem männlichen Übergewicht droht zwangsläufig eine Benachteiligung der weiblichen Insassen.