Protocol of the Session on November 28, 2012

Das sind die richtigen Maßnahmen. Natürlich gehen wir konform damit, dass wir das Alkoholproblem bei Jugendlichen erkennen und auch bekämpfen müssen, aber nicht mit jugendlichen Testkäufern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich komme zu einem weiteren Punkt. Sie bringen ein nächtliches Alkoholverkaufsverbot ins Spiel wegen der ständigen Verfügbarkeit von – jetzt kommt dieser kleine Zusatz – Alkohol zu Billigpreisen an Tankstellen. Meines Erachtens sind die Alkoholpreise gerade an den Tankstellen sehr hoch.

(Heiterkeit bei der LINKEN – Zuruf von Arno Münster SPD)

Herr Münster, wenn Sie so erregt sind, kommen Sie noch einmal nach vorn und erklären es. Ich bin schon ganz heiser vom Gegenanschreien.

Nächtliche Alkoholverkaufsverbote sind Pauschalverbote, von denen wir grundsätzlich erst einmal wenig halten. Ich glaube auch nach wie vor nicht, dass sie zum Erfolg führen. Verantwortungsbewussten Umgang Jugendlicher mit dem Thema Alkohol erreichen wir anders. Davon abgesehen sind die

meisten Menschen, die nachts zur Tankstelle gehen, um sich etwas zu kaufen, vielleicht eher Menschen wie du und ich.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der FDP – Heiterkeit bei der LINKEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Wir treffen uns an der Tankstelle!)

Ich weiß auch, dass Jugendliche zur Tankstelle gehen, aber gekauft wird dort immer seltener, weil es ihnen da zu teuer ist. Wissen Sie, was die machen? Die gehen vor Ladenschluss zu REWE oder Penny, decken sich ordentlich ein und stellen sich dann vor die Tankstellen, die zunehmend zu einem Treff werden. Ich sehe das gerade auch in den Gebieten, wo ich wohne. Da fehlen die Jugendtreffs, das ist das Problem.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Da wurde noch keiner ge- schlossen, bei uns im Wahlkreis!)

Aber es sind sowieso zu wenig da.

Zukünftig werden die Tankstellen noch mehr zu Jugendtreffs werden, weil wir woanders bald einen Mangel an ihnen haben werden.

(Beifall bei Jens Kerstan GRÜNE und ver- einzelt bei der CDU)

All diese Ideen in Ihrem Antrag sind hinten und vorn nicht ausdiskutiert. Wir wollen deswegen eine punktweise Abstimmung. Bei dem nächtlichen Alkoholverkaufsverbot enthalten wir uns; Sie machen ja sowieso, was Sie wollen, das wird es aber auch nicht bringen. Kompletter Unsinn ist Ihr Antrag, das Trinken von Alkohol im öffentlichen Raum zu verbieten, wo Sie doch selber sagen, dass Sie das eigentlich gut finden. So einen Antrag hätten Sie in den Jugendausschuss einbringen müssen, da hätten wir vernünftig darüber reden können, und ich wette, Ihre Kollegin hätte das etwas fundierter getan. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Nun hat Herr Jarchow das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist gar nicht so leicht, zum Thema zurückzukommen, zeigt es sich doch gerade, dass es auch ohne jeden Alkohol zu einer hervorragenden Stimmung in diesem Haus kommen kann.

Um es vorwegzunehmen: Vieles von dem, was die Kollegin Blömeke eben gesagt hat, unterstütze ich vollkommen, unter anderem auch die Argumentation, dass der Antrag der SPD in einen anderen Ausschuss gehört als den Innenausschuss, in dem wir ihn behandelt haben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das Gute ist, er kommt in gar keinen Ausschuss!)

Ich möchte kurz auf das eigentliche Thema zurückkommen, nämlich auf den Antrag der CDU, der uns im Plenum und im Ausschuss schon viel Zeit und Arbeit gekostet hat, weshalb ich es an dieser Stelle kurz halte. Bei der Anhörung konnte man selbst den Ausführungen der durch die CDU-Fraktion benannten Expertin aus Sachsen entnehmen, dass der vorliegende Gesetzentwurf mit seiner Ausrichtung auf Prävention möglicher Ordnungswidrigkeiten nicht ansatzweise gerichtsfest ist. Vielleicht hätten Sie sich einmal bei Ihren Kollegen in Dresden erkundigen sollen, wie ein Gesetz in dieser Hinsicht beschaffen sein müsste, um zumindest eine geringe Chance zu haben, vor einem deutschen Gericht bestehen zu können. Doch auch in einer modifizierten Form hätte Ihr Gesetz kaum eine Chance. Wie die Experten feststellten, entbehrt Ihre Begründung aller notwendigen Kriterien für den Erlass einer Verordnung durch die Verwaltung, und nur dann hätten Verordnungen auf Grundlage Ihres Gesetzentwurfs Aussichten auf Bestand.

Die Experten stellten auch fest, dass es bereits ein umfangreiches rechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung von Exzessen gibt, insbesondere Ermächtigungen im Bereich des Immissionsschutzrechts. Das hatte im Januar auch eine Expertenanhörung in Nordrhein-Westfalen ergeben. Wenn Sie, liebe Kollegen von der CDU, sich die Mühe gemacht hätten, nicht nur den Antrag der dortigen CDU abzuschreiben, sondern auch die Anhörung dazu auszuwerten, dann hätten Sie das Thema ernsthaft betreiben und uns allen Zeit und Geld sparen können.

(Beifall bei der FDP)

Als Fazit lässt sich festhalten: Die Beschlussvorlage ist ungenügend ausgearbeitet und in weiten Teilen nicht gerichtsfest und wird deswegen von uns abgelehnt. Anlässlich der Expertenanhörung wurde immerhin noch einmal deutlich, wie untauglich der in dem Entwurf gewählte Ansatz zur Bewältigung der Probleme im öffentlichen Raum ist.

Nun noch einmal kurz zum SPD-Antrag, Frau Blömeke hat schon vieles dazu gesagt. Im Vergleich zur CDU hat sich die SPD bei der Formulierung ihres Papiers etwas mehr Mühe gegeben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist doch mal gut! – Jörg Hamann CDU: Aber das alleine genügt nicht!)

Das alleine genügt nicht, genau.

Schade ist auch die Art und Weise, wie Sie Ihren Antrag in das Verfahren eingebracht haben. Nach unserer Meinung sieht die Geschäftsordnung neben der Selbstbefassung bewusst kein Initiativrecht für die Ausschüsse gegenüber dem Ple

num vor. Auch wenn die Bürgerschaftskanzlei zu unserer Überraschung der Ansicht war, dass die Vorlage der SPD im Rahmen der Beratung des ursprünglichen Antrags zulässig ist, scheint uns der inhaltliche Zusammenhang doch arg an den Haaren herbeigezogen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU und den GRÜNEN)

Der Vorgang macht insgesamt deutlich, dass es Ihnen vonseiten der SPD in diesem Moment offenbar nicht um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema ging. Aus einem Antrag zum Thema Nutzungskonflikte und alkoholbedingte Störungen im öffentlichen Raum plötzlich ein Petitum machen zu wollen, das sich schwerpunktmäßig mit Fragen des Jugendschutzes befasst, ist erstaunlich.

(Jens Kerstan GRÜNE: Befremdlich!)

Aber warum haben Sie vor oder während der Expertenanhörung Fragen zum Jugendschutz zu keiner Zeit thematisiert? Sollte die Befragung in einem Ausschuss nicht gerade dazu dienen, die Beschlussempfehlung an das Plenum inhaltlich vorzubereiten? So ist unser Verständnis. Warum haben Sie diese Themenerweiterung nicht in Form eines Zusatzantrags eingebracht, als Sie eine Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss betrieben haben?

(Dr. Andreas Dressel SPD: Es geht doch bei den Fällen um Alkohol!)

Das wäre ein sach- und zielorientiertes Vorgehen gewesen. Hinsichtlich der Frage von temporären Alkoholverkaufsverboten gibt es immerhin einen gewissen Zusammenhang mit dem überwiesenen Antrag. Aber auch hier stellt sich die Frage, warum Sie dieses nicht rechtzeitig thematisiert haben und hingenommen haben, dass das Thema in der Expertenanhörung nur recht oberflächlich behandelt wurde. Ergebnis einer langfristigen Ausschussberatung mit Expertenanhörung sollte doch eigentlich ein Ergebnis und kein erneuter Prüfauftrag sein. Aus diesem Grund werden wir den Antrag ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Frau Schneider, Sie haben das Wort.

Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Wir LINKE lehnen den Gesetzentwurf der CDU-Fraktion ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Ansinnen, die Rechtsgrundlage für ein örtliches Alkoholverbot zu schaffen, richtet sich eindeutig, das ist deutlich geworden, gegen eine gesellschaftliche Randgruppe und eine bestimmte

(Carl-Edgar Jarchow)

Straßenszene; es geht um die Trinkertreffs. Dazu zwei Punkte.

Erstens unterstellt der Gesetzentwurf, dass von dieser Szene und ihrem öffentlichen Alkoholkonsum alkoholbedingte Straftaten ausgehen. Diese Annahme lässt sich nicht erhärten, und es wurden in mehreren Debatten im Ausschuss keine Beweise oder auch nur Belege genannt, die diese Annahme rechtfertigen. Allgemein zeigt sich zwar, dass sich bei Gewalttaten häufig ein erheblicher Alkoholkonsum feststellen lässt, aber der Umkehrschluss, dass der Konsum von Alkohol typischerweise Straftaten nach sich zieht, ist nicht möglich; so hat jedenfalls einer der Experten in der Anhörung die Rechtsprechung zitiert.

(Dennis Gladiator CDU und Kai Voet van Vormizeele CDU: Einer!)

Er hat die Rechtsprechung zitiert, er hat sich auf ein Gericht berufen.

Konkret lässt sich im Hinblick auf die sogenannten Trinkertreffs die Häufung alkoholbedingter Straftaten nicht nachweisen. Das bestätigt auch zum Beispiel in Harburg die Polizei. Sie sagt einerseits, es gebe bei den bekannten Trinkertreffs Am Sande oder auf dem Rathausplatz zwar einige Arbeit für die Beamtinnen und Beamten. Sie würden öfter dorthin fahren müssen, um Streits zu schlichten und Platzverbote zu erteilen, aber sie sagt ausdrücklich, dass diese beiden Plätze nicht zu den Gefahrenzonen Harburgs gehören und keine Kriminalitätsbrennpunkte darstellen. Auch der Senat erklärte, er könne zurzeit keinen Kriminalitätsbrennpunkt im Sinne des CDU-Gesetzentwurfs identifizieren. Die CDU hat heute wieder behauptet – auch Ihre Expertin –, dass das so sei, sie ist aber den Beweis schuldig geblieben. Deshalb haben die Expertinnen und Experten ganz überwiegend vertreten, dass ein örtliches, präventives Alkoholverbot, das in ein Grundrecht eingreift, nämlich das der allgemeinen Handlungsfreiheit, rechtlich unzulässig ist.

Damit komme ich zum zweiten Punkt. Es geht um Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum, und es geht um Angstgefühle und Unbehagen, die solche Straßenszenen, zum Beispiel Trinkertreffs, bei vielen Menschen auslösen. Es geht auch um den Ärger von Geschäftsleuten, die befürchten, Kundschaft zu verlieren. Die Lösung solcher Nutzungskonflikte kann nicht in der Verdrängung einer unliebsamen Nutzergruppe liegen.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Verdrängen wir doch einfach die Geschäftsführer!)

Die Ausführungen des Kieler Sozialarbeiters in der Expertenanhörung waren für mich sehr eindrücklich. Er sagte nämlich, dass die Szene weniger durch den gemeinsamen Alkoholkonsum zusammengehalten werde, sondern dass es in der Regel um Menschen gehe, die sozial isoliert und verein

samt seien und sich genau aus diesem Grund träfen. Mit der Verdrängung von einem Ort sind diese Menschen nicht weg, sondern suchen sich einen anderen Ort. Der Konflikt verschiebt sich lediglich, gelöst wird nichts. Das ist übrigens, das möchte ich ausdrücklich sagen, eines der Probleme bei der Regelung, die der Senat am Hauptbahnhof getroffen hat.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Der Senat war sich der rechtlichen Problematik, dass das durch ein gesetzliches Verbot nicht zu regeln ist, bewusst. Um die Trinker- und Obdachlosenszene am Hauptbahnhof dennoch zu vertreiben, hat er den öffentlichen Raum der Deutschen Bahn AG unterstellt. Er hat die rechtliche Problematik umgangen, und diese Art und Weise des Vorgehens ist unerträglich.