Protocol of the Session on November 7, 2012

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Hesse, Sie und Herr Steffen haben sinngemäß gesagt, die Rede von Herrn Buschhüter sei doch eigentlich nichts wert gewesen. Herr Hesse, Sie haben Unrecht. Das war eine Rede, die ich mir sehr gut merken werde, nicht die ganze Rede, da haben Sie recht, aber doch 99 Prozent davon.

(Olaf Ohlsen CDU: Kannst ja wiederholen!)

Es war ein Satz dabei, der das ganze Drama der Hamburger Verkehrspolitik zusammenfasst. Sie sagten, die HOCHBAHN sei der verkehrspolitische Think-Tank von Hamburg. Meine Damen und Herren, da hat er vollkommen recht, es gibt keine Konkurrenz, der Senat ist, was Verkehrspolitik betrifft, eine Black Box. Herzlichen Glückwunsch, Herr

(Dr. Till Steffen)

Buschhüter, Sie haben recht, es gibt nur einen Think-Tank, aber der ist nicht im Senat.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl und Katharina Wolff, beide CDU – Hansjörg Schmidt SPD: Aber gut, dass wir Sie haben!)

Dieser Senat schaut tatenlos zu, wie Staus entstehen, dieser Senat – das hat Herr Steffen schon ausgeführt – hat alle Vorschläge der damaligen GAL, die zum Teil richtig, zum Teil falsch sind, in Bausch und Bogen abgelehnt, und dann kommen solche Reden; ich will das nicht weiter vertiefen.

Meine Damen und Herren! Die FDP ist sehr für Carsharing, aber – das deutete Herr Hesse schon an – man kann nicht Carsharing als solches schon wunderbar finden, man muss auf die Einzelheiten schauen. Auch beim Carsharing gilt das, was die FDP immer in der Verkehrspolitik sagt: Wir brauchen einen fairen Wettbewerb, und wir brauchen keine Drangsalierung der Autofahrer. Deshalb ist das, Herr Dr. Steffen, was Sie so gern hätten und womit Sie immer wieder ankommen, falsch. Sie nennen immer das Bremer Modell, bei dem es darum geht, dass Teile der öffentlichen Verkehrsflächen der öffentlichen Nutzung entzogen werden, in diesem Fall für Carsharing-Anbieter. Sie haben ständig neue Einfälle, wem Sie diese Verkehrsflächen geben wollen. Eine solche Drangsalierung von Autofahrern, die Vernichtung von Parkraum machen wir nicht mit.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen auch keine Bevorzugung einzelner Anbieter, was immer passieren würde, wenn Sie den einen Verkehrsflächen zur Verfügung stellen und den anderen nicht. Und außerdem glauben wir, dass eine solche Blockade durch das Bremer Modell auch ineffizient wäre. Entweder werden die dort abgestellten oder angebotenen Autos nämlich ständig genutzt, dann ist der Parkplatz den ganzen Tag über leer, oder sie werden nicht genutzt, dann ist er den ganzen Tag über besetzt. Es hat auch sachlich keinerlei Sinn, für Carsharing-Anbieter öffentliche Parkflächen zu vernichten. Das ist kontraproduktiv und geht gegen die Autofahrer. Das Bremer Modell lehnen wir ab.

(Beifall bei der FDP)

Der nächste Punkt, den es zu beachten gilt, ist das Pilotprojekt des HVV am Berliner Tor. Ich will gar nicht vertiefen, ob der Ort richtig oder falsch ist, denn hier wird ein grundsätzlicher Fehler gemacht. Dieses Projekt, einerlei ob gut oder nicht, ist in der konkreten Ausgestaltung geradezu verheerend. Es erfolgte keine Ausschreibung. Das Pilotverfahren bezieht zwei einzelne Anbieter ein, und die haben natürlich später, wenn man es endgültig einführen will, einen gewaltigen Vorteil gegenüber den anderen Anbietern. Eine solche Bevorzugung ohne

Ausschreibung kommt für die FDP nicht in Betracht.

(Beifall bei der FDP)

Nun komme ich zu den Petiten. Die FDP möchte eine ziffernweise Abstimmung des Berichts des Verkehrsausschusses. Ziffer 1 in Punkt 1 der Ausschussempfehlung lehnen wir ab, da wir die Vorstellung der GRÜNEN, eine Kampagne zu machen, durchaus richtig finden. Darum müssen wir – so ist es nun einmal im Parlamentarismus – hier mit Nein stimmen, obwohl wir diesen Punkt eigentlich befürworten. Den Ziffern 2 bis 4 stimmen wir zu, da in der Tat, wie vorhin beschrieben, die Teilentziehung von Verkehrsflächen Sache der FDP nicht ist. Die Ziffern 5 und 6 lehnen wir ab, da wir da wiederum den Vorschlägen der GRÜNEN folgen würden. Und zu Punkt 2 werden wir uns bei dem, unter uns gesagt, nichtssagenden Petitum, das die SPD mit ihrer Mehrheit durchgedrückt hat, enthalten. Es müsste dort stehen, was man konkret machen will – das haben die Herren Hesse und Steffen schon richtig erläutert –, und wir brauchen natürlich, das haben sie nicht gesagt, eine Ausschreibung.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Doch, hab ich auch gesagt!)

Sie, Herr Buschhüter haben gesagt, der GAL- beziehungsweise GRÜNEN-Antrag greife zu kurz. Was kommt denn unter zu kurz? Da kommt eigentlich gar nichts, und das ist es, was die SPD gemacht hat. – Vielen Dank, so geht es nicht.

(Beifall bei der FDP)

Frau Sudmann, Sie haben das Wort.

Einen schönen guten Tag allerseits! Wir reden heute über ein Thema, das immer nur in Englisch vertreten wird, Carsharing, was heißt, sich ein Auto zu teilen. Wenn sich mehrere Menschen ein Auto teilen, dann hat das sehr viele Vorteile. Lieber Herr Schinnenburg, es hat auch sehr viele Vorteile für den öffentlichen Raum, denn im Gegensatz zu Ihrer Wahrnehmung ist ein Fahrzeug in der Regel ein Parkfahrzeug. Auch in Hamburg stehen Autos ungefähr 23 Stunden am Tag herum, und deswegen blockieren auch diese Autos, die Sie angesprochen haben, öffentlichen Raum. Umso besser ist es, wenn mehrere Menschen sich ein Auto teilen. Es gibt sehr gute Gründe für Carsharing, besonders dann, wenn Menschen in der Stadt leben. Sie sagen sich vielleicht, hier brauche ich kein Auto, ich brauche es wirklich nur dann, wenn ich mit meiner Familie einen Ausflug machen will. Man braucht es noch nicht einmal für das Billy-Regal, denn unsere Forderung ist, dass Ikea und alle an

(Dr. Wieland Schinnenburg)

deren vernünftige und günstige Lieferkonzepte anbieten müssen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dirk Kien- scherf SPD – Finn-Ole Ritter FDP: Verstaat- licht!)

Ich möchte in Erinnerung rufen, dass Ikea hier im Wort steht, denn Ikea ist einmal angetreten mit dem Versprechen, in Altona das Modell für ein Stadt-Ikea zu bauen. Da werden wir genau sehen können, wie die Liefermodelle ankommen.

Aber es gibt auch beim Carsharing sehr schlechte Modelle, es passt nicht jeder in das Aktentaschenmodell, und das ist leider das Modell, das die GRÜNEN gefördert haben, nämlich mit car2go. car2go sind Miniautos, es passen – so vermute ich einmal – zwei Personen vorn hinein und hinten wahrscheinlich gerade noch die Aktentasche. Zumindest in Österreich führt laut Untersuchungen car2go dazu, dass Menschen, die sonst nicht Auto fahren, plötzlich auf das Auto umsteigen. Genau dieses Problem werden Sie auch an Ihren sogenannten Mobilitätsservicepunkten haben. Wenn wir mitten in der Stadt am Berliner Tor, wo fast alle SBahnen, viele U-Bahnen und Buslinien fahren, ein Angebot schaffen, damit Menschen, die dort ankommen, in das Auto umsteigen können, dann frage ich mich, warum wir das an solch einem zentralen Punkt brauchen. Genau diesen Fehler machen Sie und wir sind strikt dagegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen, vielleicht verstehen Sie es dann besser. Stellen Sie sich vor – vor allem die FDP, unternehmerisch geprägt, kann sich das sehr gut vorstellen –, Sie machen einen Laden auf, der ausschließlich vegetarische Angebote verkauft, um das sehr vielen Menschen schmackhaft zu machen.

(Dr. Wieland Schinnenburg FDP: Schlechtes Beispiel!)

Nun stellen Sie fest, dass zu wenige Leute kommen, aber Sie wollen gern die Fleischesserinnen und Fleischesser erreichen, und deswegen bieten Sie auch Fleisch an, um diese Kunden vom Vegetarismus zu überzeugen. Das ist ein völlig falscher Ansatz, und genau das machen Sie mit den Mobilitätsservicepunkten; das muss weg.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben von Herrn Buschhüter Schlagworte gehört, die wir auch im Ausschuss schon gehört haben: intelligente Vernetzung und komplementäre Mobilität. Was fehlte, war das Wichtigste, es soll alles umweltfreundlich sein. Das fehlt komplett, wenn hinter komplementärer Mobilität die Überlegung steht, etwas mit dem Auto ergänzen zu können. Das ist eine Mogelpackung, und für uns als LINKE gilt: Wir wollen freie Fahrt für Fuß, Rad, Bus und Bahn. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt hat Senator Horch das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete! Carsharing ist ohne Frage ein wichtiges Thema in einer Metropole wie Hamburg. Wir müssen uns daher bemühen, uns in Zukunft verkehrsseitig noch breiter aufzustellen und Angebote vorzuhalten, die das Thema Mobilität attraktiver und in der Gesamtheit noch alltagstauglicher machen. Unser Ziel ist eine ganzheitliche Verknüpfung aller Verkehrsträger, die dem Trend des Nutzens statt des Besitzens entspricht. Eine Einzelbetrachtung von CarsharingAngeboten ist nicht im Sinne einer nachhaltigen Integration verschiedener Verkehrsträger zu einem ganzheitlichen Mobilitätsangebot. Reiseketten in der Stadt und über die Stadt hinaus werden zunehmend individueller und erfordern passgenaue Lösungen für jede persönliche Motivation, um von Punkt A nach Punkt B zu kommen.

(Beifall bei der SPD)

Diesem Wandel in der Mobilitätskultur einer Stadt wie Hamburg wollen wir frühzeitig entsprechen, um für alle Hamburgerinnen und Hamburger einen Mehrwert zu schaffen. Auch der Vorrang für Busverkehre und der barrierefreie Ausbau sind richtungsweisend entschieden worden, um den quantitativen Ausbau des ÖPNV bei gleichbleibend hoher Qualität entsprechend zu gewährleisten. Die gewohnt guten ÖPNV-Angebote im gesamten Hamburger Raum werden beispielsweise durch bestimmte Mobilitätsservicepunkte, von denen wir schon gehört haben, so ergänzt, dass öffentliche Verkehrsangebote auch weiterhin der Kern unserer großstädtischen Mobilität sind. Gleichzeitig werden wir einen komfortablen Übergang zu gemeinschaftlich genutzten Verkehrsträgern wie StadtRAD, wie Carsharing, aber auch Bike-and-Ride-Angebote ermöglichen. In vielen Diskussionen wird der Fokus noch stark auf Infrastruktur gelegt, die nur einen Teil der zukünftigen Mobilitätsangebote in unserer Stadt ausmacht. Ebenso sind zum Beispiel die geplante Weiterentwicklung der HVV-App und die Online-Fahrplanauskunft zu einer echten Mobilitätsplattform zu betonen, die die Buchung und die Organisation einer individuellen Reisekette um den ÖPNV herum aus einer Hand gewährleisten. Mit dem Anreiz, ein HVV-Abo mit einem Zusatzbaustein, ein Abo Plus zum Beispiel, zu ergänzen, werden wir ganz sicher zusätzliche Nutzerinnen und Nutzer für den ÖPNV gewinnen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Die Erfahrung hat gezeigt, dass man, hat man sich als Neukunde für ein HVV-Abonnement entschieden, meist auch schnell davon überzeugt ist und das eigene Auto immer

(Heike Sudmann)

öfter in der Garage stehen lässt. Das zeigt sich deutlich bei vielen S- und U-Bahnen – ich will nur das Beispiel der S3 aus dem Süden Hamburgs anführen –, und das zeigt sich auch auf bestimmten Buslinien. Das seit vielen Jahren steigende Fahrgastaufkommen des ÖPNV belegt dies und zeigt, dass wir uns mit unserem ganzheitlichen Mobilitätsverständnis genau auf dem richtigen Weg befinden. Hamburg ist hier deutschland- und auch europaweit in einer Vorreiterrolle.

(Beifall bei der SPD)

Über die HOCHBAHN als stadteigenem ÖPNV-Unternehmen ist die Gestaltung dieser Entwicklung auf dem Verkehrsmarkt maßgeblich gewährleistet, diese Erfahrung konnten wir auch in der Vergangenheit machen. Die HOCHBAHN – das sei hier noch einmal angemerkt – wird in diesem Fall nicht zum Auto- oder Fahrradvermieter, sondern arbeitet mit privaten und öffentlichen Anbietern zusammen, um die von ihren Kundinnen und Kunden nachgefragte Mobilität optimal zu organisieren. In der Erprobungsphase – auch darauf die Antwort – ist deswegen eine Zusammenarbeit mit einer begrenzten Anzahl von Kooperationspartnern erforderlich, um den mit Kooperationen verbundenen Aufwand, auch für die Stadt, möglichst gering zu halten. Von den in der Pilotphase gesammelten Erfahrungen werden alle zukünftig einbezogenen Anbieter am Ende profitieren, das kann ich hier gewährleisten.

(Beifall bei der SPD)

Der angestrebte Wettbewerb ist wichtig, auch um diskriminierungsfrei den Zugang für Carsharer zu ermöglichen. Er wird sich nicht zuletzt auch für die Nutzerinnen und Nutzer lohnen, um die komplementären Mobilitätsangebote in unserer Stadt zukünftig einer breiten Bevölkerung zu ermöglichen. – Vielen Dank.

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung, zunächst zu Ziffer 1 der Ausschussempfehlung.

Wer möchte sich der Empfehlung zu Ziffer 1 der Drucksache 20/3989 anschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das mehrheitlich angenommen.

Wer möchte der Empfehlung zu den Ziffern 2 bis 4 der Drucksache 20/3989 folgen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das mehrheitlich angenommen.

Wer möchte sich der Empfehlung zu den Ziffern 5 und 6 der Drucksache 20/3989 anschließen? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist das auch mehrheitlich angenommen.

Wer möchte nun das Ersuchen aus Ziffer 2 der Ausschussempfehlung beschließen? – Gegenpro

be. – Enthaltungen? – Damit ist das bei einigen Enthaltungen angenommen.

Ich rufe nun den Punkt 7 auf, das ist die Drucksache 20/5380, Große Anfrage der CDU-Fraktion: Hamburg Metropole der Chancen, Fachkräftemangel und lebenslanges Lernen – wo steht Hamburg?