Protocol of the Session on November 7, 2012

(Beifall bei der SPD)

Wenn die HOCHBAHN also ihr Projekt komplementäre Mobilität verfolgt, dann nicht, um Fahrgästen das Fahren mit dem Auto schmackhaft zu machen, sondern um genau das Gegenteil zu erreichen. Es geht darum, neue Fahrgäste für den ÖPNV zu gewinnen, die noch vor einigen Jahren nie auf die Idee gekommen wären, mit Bussen und Bahn zu fahren. Komplementäre Mobilität soll den Verzicht auf das eigene Auto ermöglichen, ohne auf die Vorteile eines Autos verzichten zu müssen,

(Senator Frank Horch)

wenn man es wirklich braucht. Es gibt eine wachsende Klientel, die bereit ist, diesen Weg zu gehen, und diesen Trend gilt es zu fördern und zu verstärken, indem der Zugang zu komplementärer Mobilität erleichtert wird. Dies erfolgt nach dem im Verkehrsausschuss anlässlich des GAL-Antrags – damals hießen sie noch so – vorgestellten Konzepts der HOCHBAHN durch drei Bestandteile.

Erstens: An attraktiv und übersichtlich gestalteten Mobilitätsservicepunkten werden die verschiedenen Angebote zusammengeführt und sichtbar gemacht. Mobilitätsservicepunkte sollen an hochfrequentierten Schnellbahnhaltestellen mit einem ausreichenden Einzugsgebiet entstehen, zuallererst, voraussichtlich im März 2013, am wichtigen Knoten Berliner Tor, später bis Ende des Jahres an fünf bis sieben weiteren Schnellbahnhaltestellen, die in enger Abstimmung mit den Bezirken ausgewählt werden.

(Beifall bei der SPD)

Bis Ende 2016 sollen zehn weitere Mobilitätsservicepunkte hinzukommen.

Zweitens: Diese Angebote sollen auf einer gemeinsamen Mobilitätsplattform unter dem Dach des HVV verfügbar sein. Die bereits heute erfolgreiche Fahrinfo-App des HVV wird um komplementäre Mobilitätsangebote ergänzt. Bei der Reiseauskunft werden dann auf Wunsch auch Zeitaufwand und Kosten für die Verbindungen mit komplementären Verkehrsmitteln angezeigt. Die Kunden können so flexibel entscheiden, welches Angebot für sie das Beste ist. Ich wäre allerdings nicht überrascht, wenn der HVV meistens das beste Angebot darstellt, sowohl in zeitlicher als auch preislicher Hinsicht. Kann es denn eine bessere Werbung für den ÖPNV geben?

Drittens: Durch ein Zusatzabonnement des HVV zum Preis von 10 Euro im Monat erhalten die HVVZeitkarteninhaber, die treuesten Kunden des ÖPNV in Hamburg, einen signifikanten Rabatt bei den komplementären Mobilitätsangeboten.

Meine Damen und Herren! Es ist das Ziel der SPD, den ÖPNV in Hamburg auszubauen und noch attraktiver zu machen, als er ohnehin schon ist. Die Vernetzung komplementärer Mobilität mit dem ÖPNV als Herzstück ist dabei ein innovativer Ansatz, der eine neue Zeit einläuten könnte, eine Zeit, in der öffentlicher Verkehr und Individualverkehr nicht in Konkurrenz zueinander stehen, sondern intelligent miteinander vernetzt sind und wir uns die jeweiligen Stärken zunutze machen. Es steht Hamburg gut zu Gesicht, in der Frage der intelligenten Mobilität vorbildhaft voranzuschreiten. Ich finde, es spricht für die HOCHBAHN, dass sie als, wenn Sie so wollen, verkehrspolitischer ThinkTank der Stadt solche innovativen Ansätze entwickelt und voranbringt.

(Dirk Kienscherf SPD: Willi freut sich!)

Lassen Sie mich noch sagen, dass es im Interesse der SPD-Fraktion liegt, so vielen Bürgerinnen und Bürgern wie möglich ein komfortables, nachfragegerechtes und erschwingliches Mobilitätsangebot zu machen und auch zukünftig zu ermöglichen. Der ÖPNV, auch in Verbindung mit anderen Verkehrsträgern, bildet die optimale Grundlage, um Synergieeffekte für Umwelt- und Klimaschutz, aber auch gesamtwirtschaftliche Kostenvorteile zu nutzen. Kern der Mobilität in Hamburg wird und soll auch zukünftig der ÖPNV bleiben, um da keine Missverständnisse aufkommen zu lassen.

(Beifall bei der SPD)

Die Kooperation der HOCHBAHN wird sich nach der maximal zweijährigen Pilotphase auch auf weitere private und öffentliche Unternehmen erstrecken, die alle von den Erfahrungen des bundesweit in seinem Umfang einmaligen Projekts der komplementären Mobilität profitieren werden. Schaut man in andere Städte, erstrecken sich solche Zusammenarbeiten zwischen ÖPNV und Carsharing-Unternehmen meist nur auf Marketing-Kooperationen, so, wie es auch in Hamburg bislang war. Hamburg geht jetzt mit der HOCHBAHN einen wichtigen, aber auch sorgfältig vorbereiteten Schritt in eine mobile Zukunft. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Hesse, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Verkehrspolitik ist bei diesem Senat in schlechten Händen.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Jan Quast SPD: Quatsch!)

Wir werden heute ein Theaterstück in drei Akten erleben. Den ersten Akt bildet das Thema Carsharing, etwas später werden wir die Lärmaktionsplanung diskutieren und uns zum Abschluss dann über die Parkraumbewirtschaftung unterhalten. Ich verspreche Ihnen jetzt schon, dass wir in allen drei Debatten deutlich machen werden, dass dieser Senat konzeptionslos ist und Ankündigungen macht, aber bisher noch nicht liefert.

(Beifall bei der CDU)

Fangen wir mit der Schaufensterrede von Herrn Buschhüter an. Ich habe mich eben gefragt, ob er gerade eine Presseerklärung des Hamburger Verkehrsverbundes oder der Hamburger Hochbahn AG vorliest, die herausgegeben wird, wenn irgendwann die Carsharing-Angebote tatsächlich mit dem öffentlichen Personennahverkehr vernetzt sind. Denn worüber diskutieren wir heute eigentlich, was hat die SPD heute angemeldet? Die SPD hat einen Bericht des Verkehrsausschusses angemel

(Ole Thorben Buschhüter)

det, der den Senat auffordert – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen –, bis zum Frühjahr 2013 über die Aktivitäten und Planungen der HOCHBAHN und des HVV zur Ausweitung und Vernetzung von Mobilitätsangeboten zu berichten. Das ist es, was heute angemeldet wurde, nicht im Jahr 2013, nicht, nachdem der Senat einen Bericht vorgelegt hat – nein, Herr Buschhüter, Sie haben das jetzt im November 2012 angemeldet.

(Dirk Kienscherf SPD: Ist doch gut!)

Und warum haben Sie es angemeldet, weil Sie anscheinend wieder nichts anderes anzumelden hatten, denn von Substanziellem oder politischen Visionen habe ich in Ihrer Rede nichts gehört. Das waren allgemeine Absichtserklärungen über komplementäre Mobilität, die wir wahrscheinlich alle für richtig halten, die in Zukunft auch kommen wird und bei der Carsharing ein vernünftiger Baustein sein wird. Das war keine Rede, die mich hat erkennen lassen, dass diese SPD-Fraktion den Führungsanspruch hat, in der Verkehrspolitik etwas zu verändern. Das war nichts, wo der Senat schon in irgendeiner Form geliefert hätte.

(Zurufe von Dirk Kienscherf SPD)

Sie haben, lieber Kollege Buschhüter, einen weitergehenden Antrag der Fraktion der GRÜNEN, den wir im Ausschuss diskutiert haben, abgelehnt. Sie haben gesagt, wir warten einmal, was der Senat im nächsten Frühjahr zum Thema HVV und HOCHBAHN berichtet, aber mit einem CarsharingKonzept hatte das gar nichts zu tun, das waren reine Absichtserklärungen ohne Substanz.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN und bei Robert Bläsing FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Carsharing – ich habe es eben schon angedeutet – ist unstrittig gut und förderungswürdig und sicherlich zukünftig ein wichtiger Baustein in der von Herrn Buschhüter dargestellten komplementären Mobilität. Aber Carsharing gibt es auch nicht ohne Probleme, man kann es nicht von heute auf morgen einführen, man muss sich schon darüber Gedanken machen und überlegen, wer auf diesem Markt vielleicht schon aktiv ist. Man muss sich darüber Gedanken machen, wie man das macht, ohne Anbieter, die in diesem Bereich schon tätig sind, zu diskriminieren. Wie widmet man öffentlichen Parkraum für Carsharing-Anbieter um? Schreibt man ihn aus, wie viel schreibt man wo aus, wo werden Angebote entstehen? All das sind doch die Punkte, die politisch geklärt werden müssen, hier müssen Antworten gefunden werden. Es geht nicht darum zu sagen, irgendwann wollen wir Carsharing mit dem öffentlichen Personennahverkehr verknüpfen, sondern es geht darum, bestehende Anbieter auf dem Markt nicht zu diskriminieren und Parkraum zu finden und auch zu schauen, zu welchen Lasten diese Angebote geschaffen werden.

Dazu habe ich von diesem Senat noch keine Antwort gehört.

(Beifall bei der CDU – Ole Thorben Busch- hüter SPD: Sie haben das Konzept nicht verstanden!)

Welches Konzept denn, Herr Buschhüter? Es gibt doch noch kein Konzept, das soll der Senat doch erst bis zum nächsten Frühjahr erarbeiten. Wenn Sie es schon haben, würde ich mich sehr darüber freuen.

(Beifall bei der CDU und bei Robert Bläsing FDP)

Insofern muss ich bei dieser ersten Debatte wirklich sagen, dass die SPD versucht, ein Tor zu schinden, ohne in irgendeiner Form irgendeine Vorleistung erbracht zu haben. Ich freue mich auf das Konzept dieses Senats, das hoffentlich im nächsten Frühjahr Antworten auf die von mir eben gestellten Fragen geben wird. Dann können wir darüber diskutieren, ob dieser Senat es beim Thema Carsharing wirklich ernst meint, oder ob es bei Schaufensterreden, wie die eben von Ihnen, Herr Buschhüter, bleibt.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

Herr Dr. Steffen, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde auch, dass dies eine ausgesprochen mutige Anmeldung ist. Wir haben als GRÜNE Fraktion vorgeschlagen, eine richtige Carsharing-Offensive zu starten. Wir haben uns bei Carsharing-Anbietern erkundigt, wir haben uns in anderen Städten umgesehen, und wir haben einen Plan mit sechs sehr konkreten Maßnahmen zum Antrag gemacht. Von diesen sechs Maßnahmen hat die SPD fünf abgelehnt und will sich nun in dieser Debatte für diese Arbeitsverweigerung feiern lassen. Das finde ich schon sehr erstaunlich.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Normalerweise meldet man doch dann ein Thema an, wenn man etwas zustande gebracht hat, und nicht, wenn man vorher schon gesagt hat, dass man es gar nicht will. Es ist schon erstaunlich, dass Sie etwas, was Sie nicht wollen, ausdrücklich zur Debatte anmelden. Wahrscheinlich lag es an anderen Themen, die Ihnen quer lagen, das mag sein, deswegen reden wir jetzt ein bisschen über Carsharing.

Ein Punkt, der Gegenstand unseres Antrags war – der Antrag ist vom April dieses Jahres, wir waren also rasend schnell –, ist, dass wir ein Angebot, das unmittelbar an den HVV anknüpft, brauchen,

(Klaus-Peter Hesse)

weil sich bislang die Stationen zwar in relativer Nähe zu den Schnellbahnstationen befinden, aber eben der direkte Übergang nicht gewährleistet ist. Das haben wir im April vorgeschlagen, im Sommer kam dann die HOCHBAHN mit ihren Vorschlägen und es wurde erstmals öffentlich, dass die HOCHBAHN an einem solchen Konzept arbeitet. Darauf haben Sie sich gestürzt und gesagt, das machen wir jetzt alles, aber die anderen fünf Punkte haben Sie unter den Tisch fallen lassen.

Herr Buschhüter, Sie haben doch den Trend richtig beschrieben, Sie haben beschrieben, dass es den Leuten nicht mehr so wichtig ist, unbedingt ein eigenes Auto zu haben, es ist ihnen auch nicht unbedingt wichtig, alles mit dem Auto zu erledigen. Die Leute haben mittlerweile ein wesentlich nüchterneres Verhältnis zum Auto und nutzen es dort, wo es für sie Vorteile bringt, sehen aber auch, wo das Auto im Nachteil ist, zum Beispiel auf Strecken mit vielen Staus oder auf kurzen innerstädtischen Fahrten. Diesen Trend haben Sie richtig beschrieben und Frage ist, warum Sie den Trend nicht nutzen. Wenn man mit Carsharing etwas bewegen will, dann muss man doch genau an den Gründen arbeiten, warum die Leute noch ein eigenes Auto haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hier gibt es sozusagen einmal das Modell Aktentasche und einmal das Modell Billy-Regal. Sie betreiben die gedankliche Fortführung des Mobilitätsbedürfnisses Modell Aktentasche. Das beschreibt jemanden, der allein mit einer Aktentasche durch die Stadt an einen Ort will, wohin der Bus vielleicht nur alle 40 Minuten fährt, und der dann noch 15 Minuten zu Fuß gehen muss. Das ist vielleicht unpraktisch, da muss man in der Tat nicht die gesamte Strecke mit dem Auto fahren, sondern kann ein gutes Stück mit der Bahn fahren, steigt dann um und nutzt für das letzte Stück das Auto, wenn ein StadtRAD zum Beispiel keine attraktive Verbindung bietet. Das ist richtig, deswegen haben wir es auch beantragt. Dann gibt es aber tatsächlich noch andere Bedürfnisse, zum Beispiel von solchen Menschen, die unter der Woche das Auto nicht brauchen, weil sie mit der Bahn zur Arbeit fahren. Am Wochenende aber brauchen sie es vielleicht für einen Familienausflug, oder sie möchten zu Ikea fahren und ein paar sperrige Sachen nach Hause holen. Und dafür möchten sie ein solches Angebot haben.

(Dirk Kienscherf SPD: Da kann man auch 'ne Taxe nehmen!)

In dem Fall ist das klassische Carsharing genau das passende Angebot, denn diese Bedürfnisse decken Sie nicht durch eine Mobilitätsservicestation am Berliner Tor ab. Wenn jemand in BarmbekNord wohnt und zu Ikea nach Moorfleet fährt, dann wird ihm nicht damit geholfen sein, am Berliner Tor mit dem Billy-Regal in die U-Bahn umzusteigen. Er

wird wahrscheinlich das Interesse haben, mit dem Regal bis nach Hause zu fahren und dann das Auto in relativer Nähe abstellen zu können. Das ist genau der Punkt, an dem man ansetzen und die klassischen Carsharing-Anbieter fördern kann und muss, weil die Anbieter darüber klagen, dass sie nicht genug Stellplätze zur Verfügung haben. Wir haben konkret vorgeschlagen, öffentlichen Straßenraum für diese Zwecke umzuwidmen, wie das in Bremen passiert. Einem Teil eines öffentlichen Parkplatzes teilt man acht Carsharing-Stellplätze zu und schreibt die unter Carsharing-Anbietern aus. Wir haben konkret vorgeschlagen, dass eine Behörde vorangehen und ihren Fuhrpark auf Carsharing umstellen könnte und die dort vorhandenen Parkplätze für Carsharing-Autos genutzt werden könnten. Die Mitarbeiter nutzen das tagsüber und die privaten Kunden nutzen es am Abend und am Wochenende. Sie sind uns die Antwort, warum Sie das nicht wollen, völlig schuldig geblieben. Ich frage mich, warum das, wofür Sie sich auch noch loben, eine Erwähnung im Luftreinhalteplan wert sein soll. Sie sagen, dass Sie als Maßnahme zur Luftreinhaltung Carsharing fördern. Sie verhindern aber Carsharing und fördern es nicht. Sie lassen die Anbieter allein und setzen einzig auf diese Maßnahme der HOCHBAHN. Das finde ich nicht richtig, und ich wundere mich auch, warum diese Erkenntnis nicht bis hierher durchgedrungen ist, wenn es doch für die Bezirksversammlung Wandsbek möglich war, genau das zu fordern, nämlich Carsharing-Stationen in Wohngebieten, denn die meisten sind bislang in der Nähe der U- und SBahn-Stationen. Wir brauchen wohnortnahes Carsharing. Es gibt Bitten der Bezirksversammlung an die Anbieter, entsprechend tätig zu werden. Die Stadt könnte helfen, indem sie Stellplätze zur Verfügung stellt. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Dr. Schinnenburg, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Hesse, Sie und Herr Steffen haben sinngemäß gesagt, die Rede von Herrn Buschhüter sei doch eigentlich nichts wert gewesen. Herr Hesse, Sie haben Unrecht. Das war eine Rede, die ich mir sehr gut merken werde, nicht die ganze Rede, da haben Sie recht, aber doch 99 Prozent davon.