Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nun hat das Betreuungsgeld auch die Hamburgische Bürgerschaft erreicht. Einige haben sich gerade schon gewundert, warum hier der arbeitsmarktpolitische Sprecher steht und nicht etwa Herr Yildiz, der bei uns für die Kinder zuständig ist. Das liegt zum einen daran, dass Herr Yildiz gerade nicht da ist und zum anderen auch daran, dass das Betreuungsgeld schlicht ein Arbeitsverhinderungsinstrument ist.
Ich würde mir sehr dringend wünschen, dass dieses Thema im 21. Jahrhundert überflüssig wäre, aber es scheint wohl immer noch Politikerinnen und Politiker – nicht Menschen in diesem Land, die sind weiter – zu geben, deren Weltbild im 19. Jahrhundert hängengeblieben ist.
Frau Suding, was Sie hier abgeliefert haben, deutet doch deutlich darauf hin, dass es Ihre Partei im Bundestag darauf anlegt, am Ende das Bundesverfassungsgericht die Sache richten zu lassen. Herr Senator Scheele hat es in Kürze ausgedrückt, wie es wohl ablaufen könnte und dass am Ende das Bundesverfassungsgericht das ganze Ding für erledigt erklären wird. Lassen wir einmal die Aufregung.
Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Herr Golke, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Schinnenburg?
Herr Schinnenburg, darauf möchte ich Ihnen im Sinne von Sokrates antworten: Ich denke, also bin ich.
Die euphemistisch als Betreuungsgeld bezeichnete Herdprämie soll verhindern, dass Kinder in den Genuss der frühkindlichen Bildung und Förderung kommen.
Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Nur Herr Golke hat jetzt das Wort. Herr Golke, fahren Sie bitte fort.
Lassen wir einmal den Kleinkram an dieser Stelle. Das Betreuungsgeld oder diese Herdprämie erschwert den weiteren Lebensweg eines Kindes. Jede wissenschaftliche Studie, vielleicht auch nur fast jede, kommt zu dem Beweis, dass der Besuch einer Kita für Kinder von großem Vorteil ist. Kinder lernen voneinander, entwickeln dort soziale Kompetenzen, die zu einem höheren Bildungserfolg führen. Gerade für arme Kinder ist der Besuch einer Kita die Möglichkeit, wirtschaftliche und soziale Ausgrenzung von Anfang an zu verhindern. Was aber Schwarz-Gelb im Bund will, ist, Armut zu vererben, und das ist ein unfassbarer Skandal.
Jetzt komme ich kurz zum Thema Hartz IV. Worauf es am Ende hinauslaufen wird, ob das Betreuungsgeld auf den Regelsatz angerechnet wird oder nicht, ob es in Bildungsförderung oder in eine Riester-Rente investiert wird, sinnvoller wäre doch, wenn es um die Rentenversicherung von Hartz-IVEmpfängerinnen und Empfängern geht, die Wiedereinführung einer Berücksichtigung von Zeiten dieses Hartz-IV-Bezugs als vollwertige Beitragszeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung und nicht eine solche Sparvariante in eine private Rentenversicherung.
Das Betreuungsgeld ist dabei nicht nur bildungspolitisch falsch – das hat Frau Arndt ausgeführt –, es ist auch frauenfeindlich. Wir wollen eine familienfreundliche Gesellschaft und keine, in der Männer das Geld heranschaffen und Frauen sich zu Hause um die Kinder kümmern, kochen und putzen.
(Beifall bei Heike Sudmann DIE LINKE – Dennis Gladiator CDU: Es gibt auch Män- ner, die zu Hause bleiben!)
Dieses Frauenbild zementiert man aber durch das Betreuungsgeld. Dabei schließe ich nicht aus, dass Frauen und auch Männer das Recht haben, zu Hause zu bleiben und sich um ihre Kinder zu kümmern, wenn sie das wollen,
aber dafür muss es nicht notwendigerweise Anreize geben, genauso wenig wie es Anreize geben muss, Kinder in Kitas zu geben. Dass die SPD das Thema auf die Tagesordnung setzt, ist einigermaßen verständlich. Statt sich aber auf CDU und FDP einzuschießen – so ganz ungeschoren kommen Sie mir nicht davon –, könnte der Senat mit gutem Beispiel vorangehen und auf Landesebene handeln. Der Senat sollte etwas weiter gehen, als er es jetzt schon tut, und endlich Ganztagesplätze zumindest für Kinder von Hartz-IV-Empfängerinnen und –Empfängern und für geringverdienende Familien schaffen. Ob nun das Betreuungsgeld auf Hartz IV angerechnet wird oder nicht, nur eine völlig kostenlose Kita-Betreuung ist der beste Anreiz für die Betroffenen, im Zweifel ihr Kind doch in die Kita zu geben und,
da wir unter uns sind, auch die beste Möglichkeit, diesem Unsinn Herr zu werden. Hier spielt auch wieder das Tobias-Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine kleine Rolle. Hamburg könnte Vorreiter sein, denn weder im Regelsatz der Eltern noch der Kinder ist etwas für Kita-Gebühren vorgesehen. 31 Euro sind sehr viel für eine Familie, wenn sie nur 215 Euro monatlich für das Kind zur Verfügung hat. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vieles ist inhaltlich schon zum Thema gesagt worden,
deswegen lege ich mein Redekonzept weg. Ich will auf drei Dinge eingehen, die thematisiert wurden. Einmal auf die Kritik, die von Frau Suding geäußert wurde, dann auf den familienpolitischen Ansatz der CDU und dann auf die Dinge, die Frau Fegebank thematisiert hat. Zunächst zum Thema Wahlfreiheit, man kann es gar nicht oft genug sagen. Wenn man es einmal wagt, über den Tellerrand Hamburgs hinwegzuschauen, dann bemerkt man, dass es nicht so ist, wie die CDU aus Verzweiflung suggeriert, dass das Betreuungsgeld eine Wahlfreiheit ermöglicht, es konterkariert sie sogar. Eine wirkliche Wahlfreiheit hat man nämlich nur, wenn es entsprechende Angebote gibt, und nur dann befreien wir uns auch von unserem überkommenen Frauenbild, ob wir nun die Rabenmutter sehen oder die Karrierefrau, die sich vermeintlich ihren Kindern nicht widmen will. Das Gleiche gilt übrigens auch für Männer, deswegen bevorzuge ich es auch, von einem überkommenen Elternbild, statt Frauenbild zu sprechen. Nur so kommen wir einmal in eine richtige Debatte zu diesem Thema.
Wenn man also über den Tellerrand schaut, dann sieht man, dass viele Familien und Eltern in den Flächenländern – vor allem im Westen Deutschlands, wo es die Bundesländer versäumt haben, den Krippenausbau entschieden voranzubringen – in Wahrheit vor überhaupt keiner Wahl stehen. Sie sind nämlich darauf angewiesen, ihre Kinder zu Hause zu betreuen oder es privat zu organisieren, weil es keine adäquaten Angebote gibt, die ihrer Berufstätigkeit auch nur in irgendeiner Weise gerecht würden. Dazu hat Herr Golke von der LINKEN viel Richtiges gesagt.
Deshalb ist das Betreuungsgeld, wie jetzt von Schwarz-Gelb in Berlin konzipiert, kein Garant für Wahlfreiheit, sondern in Wahrheit nur ein Trostpflaster, verabreicht in der Hoffnung, dass sich nicht all diese enttäuschten Familien und Eltern auf den Weg machen und ihren Rechtsanspruch einklagen, zum Beispiel in Bayern, wo man bisher in dieser Frage noch nicht entschieden vorangekommen ist.
Darüber hinaus ist es ein Trostpflaster, das überhaupt nicht klebt. Das sollten Sie sich überlegen, weil die Familien nämlich trotzdem enttäuscht sein werden; 150 Euro nützen da gar nichts.
Zum Thema, wie man sich dem Betreuungsgeld inhaltlich widmen kann, will ich noch zwei weitere Dinge sagen. Ausgerechnet die FDP meint, wir hätten möglicherweise vergessen, was wir in der
Man muss sich einmal die Konzeption der verschiedenen Betreuungsgelder ansehen. Dazu will ich ein Beispiel anführen, das Sie selbst gebracht haben. Ich finde es übrigens sehr richtig und erzähle es überall, wenn ich zum Thema Betreuungsgeld eingeladen bin. Es ist als Belohnung für die Nichtinanspruchnahme einer staatlichen Leistung konzipiert. Sie selbst haben das treffende Beispiel gebracht, es sei wie eine Sofa-Prämie, die man bekommt, wenn man nicht die Oper besucht. In Wahrheit geht es um noch sehr viel Grundsätzlicheres, weil es nämlich lebenswichtig sein kann, einen geeigneten Betreuungsplatz zu finden, wenn man einer Berufstätigkeit nachgehen will oder muss. Was das später für die Rentenansprüche bedeutet, das will ich gar nicht ausführen.