Protocol of the Session on November 7, 2012

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was muss man noch tun? Sie müssen sich vielleicht einmal mit den Kollegen in Schleswig-Holstein – mittlerweile regieren dort Sozialdemokraten und GRÜNE – austauschen. Da gibt es eine A 20, und im Koalitionsvertrag steht, dass diese nicht weitergeplant werden soll. Wenn wir nicht bald eine Querung bei Glückstadt bekommen und wenn wir die A 20 nicht weiterbauen, dann wird Hamburg an einem Verkehrsinfarkt sterben. Und dann können wir diese kleinen Maßnahmen zur Lärmaktionsplanung alle vergessen, denn die Verkehre müssen um die Stadt umgeleitet werden.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin dem Kollegen Duwe sehr dankbar, dass er in dem Zusammenhang nicht nur die westliche Querung angesprochen hat. Wir brauchen auch eine östliche Querung bei Geesthacht. Auch da würde ich mir wünschen, dass der Senat endlich eine klare Aussage trifft, wie es die Kammern bereits in Schleswig-Holstein und Hamburg getan haben. Aber ich höre nichts von überregionaler Verkehrsplanung. Es gibt kein Konzept bei diesem Senat.

(Beifall bei der CDU)

Staus in Hamburg führen zu Milliardenverlusten, das hat heute "Die Welt" getitelt; sie hat recht. Ich selbst wohne seit mittlerweile 45 Jahren am Flughafen. Wir haben Fluglärm in dieser Gegend, aber ich käme nicht auf die Idee zu fordern, dass der Flughafen wegkommt. Insofern muss man bei den Maßnahmen, die man diskutiert, auch ein bisschen maßhalten. Wir müssen überlegen, dass wir in einer Großstadt leben, und einige Menschen sind in Straßen gezogen, in denen es vorher bereits Verkehrslärm gab. Insofern muss man nicht für einige wenige – das sind zum Beispiel an der Kieler Straße 435 Menschen – alle anderen drangsalieren und solch eine Straße zurückbauen.

(Glocke)

Herr Hesse, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Sudmann?

(Zurufe von der CDU: Nein!)

(Klaus-Peter Hesse)

Ich werde zwar aufgerufen, sie nicht zuzulassen, aber ich lasse sie zu, liebe Kollegin Sudmann.

Vielen Dank, Herr Hesse, dass Sie sich dem Druck Ihrer Fraktion nicht beugen.

Sie sagten eben, dass Sie so lange am Flughafen wohnen und nichts gegen den Fluglärm tun. Aber Sie haben vorher gesagt, dass Sie am Modal Split etwas verändern wollen. Wenn Sie jetzt von 20 Prozent Fahrradanteil sprechen, woher soll der Anteil kommen?

Woher der Anteil von Radfahrern insgesamt kommt? Indem man Angebote schafft, liebe Kollegin Sudmann. Wir haben als CDU in der Alleinregierung 2007 ein Radverkehrskonzept entwickelt, das zusammen mit den GRÜNEN hervorragend weiterentwickelt wurde und das, wenn es diese SPD-Fraktion endlich umsetzen würde, genau zu diesen 20 Prozent im Jahre 2020 führen würde.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD – Dirk Kienscherf SPD: Das ist ja lachhaft! – Heike Sudmann DIE LINKE: Was ist mit dem Autoverkehr?)

Das mit dem Autoverkehr, Frau Sudmann, wird sich automatisch regeln. Wir haben vorhin über Veränderungen bei der Nutzung im Verkehr gesprochen und über Carsharing. In einer Stadt werden die Angebote der Zukunft anders sein. Es wird nicht mehr jeder das Statussymbol eines eigenen Autos haben wollen, das mit möglichst viel PS motorisiert ist und durch die Stadt fährt. Das muss man auch berücksichtigen, wenn man über solche Maßnahmen spricht. Das sind Zukunftskonzepte, und wenn man solch eine Vision von der Stadt hat, die die SPD leider nicht hat, dann ist man auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Schluss vielleicht noch ein paar Tipps, worum man sich kümmern könnte. Das haben der Kollege Steffen und Sie, Frau Sudmann, ebenfalls angesprochen: Wir brauchen Logistikkonzepte, es müssen nicht immer alle Paketlieferer hintereinander und mehrfach, am besten noch zur Rushhour in der zweiten Reihe irgendwo parken. Der Verkehr kann auch durch ein modernes Verkehrsmanagementsystem gesteuert werden. Wir brauchen den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Ich würde Sie bitten, liebe Kolleginnen der SPD, in Schleswig-Holstein anzurufen, denn dort scheint die S4 nicht mehr die Bedeutung zu haben wie bei uns,

(Dirk Kienscherf SPD: Natürlich, das wissen Sie ja ganz genau!)

sondern der Kieler Stadtverkehr scheint plötzlich auch sehr wichtig zu sein. Bauen Sie auch endlich die U4 aus, nicht nur zu den Elbbrücken, bekennen Sie sich dazu, dass sie auch nach Wilhelmsburg fahren muss und irgendwann nach Harburg.

(Beifall bei Birgit Stöver CDU)

Das sind Konzepte, die uns weiterbringen und die Angebote schaffen, aber keine Drangsalierung von Autofahrern.

(Beifall bei der CDU)

Wird zu diesem Punkt weiter das Wort gewünscht? – Wenn das nicht der Fall ist, dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache an den Umweltausschuss zu? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen. – Das ist dann so überwiesen.

Wer möchte die Drucksache mitberatend an den Verkehrsausschuss überweisen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist auch das einstimmig so geschehen.

Wir kommen zu Punkt 17, Drucksache 20/5593, Bericht des Gesundheitsausschusses: Bericht des Senats gemäß Paragraph 26 des Hundegesetzes über dessen Anwendungen und Auswirkungen.

[Bericht des Gesundheitsausschusses über die Drucksache 20/5110: Bericht des Senats gemäß § 26 des Hundegesetzes über dessen Anwendung und Auswirkungen (Senatsantrag) – Drs 20/5593 –]

Herr Dr. Schinnenburg wünscht das Wort und er hat es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Beim Thema Hundegesetz – ich warte noch einen Moment zur Lärmminderung, aber nicht mit Tempo 30 aus dem Raum gehen – hat die SPD Angst vor der Wahrheit und damit gefährdet sie die Bürger. Bei dem vorgelegten Gesetzentwurf belässt Sie es immer noch bei den Rasselisten, obwohl diese zumindest sehr fragwürdig sind. Lassen Sie mich sechs Punkte nennen, warum das so ist.

Erster Punkt: Es gibt eine vom Senat selbst vorgelegte Beißstatistik. Dort finden sich für die Jahre 2008 bis 2011 1007 Beißvorfälle.

(André Trepoll CDU: Nur im Senat?)

Ich gehe davon aus, dass der Senat das als einen engeren persönlichen Gestaltungsspielraum ansieht, dass also die Abgeordneten keinen Anspruch auf die Mitteilung haben, wie oft im Senat

gebissen wird. Ich gehe davon aus, dass der Senat diese Frage nicht beantworten wird.

Von diesen 1007 Beißvorfällen waren 969, das sind ziemlich genau 96 Prozent, also fast alle, von Hunden, die gar nicht auf den Rasselisten stehen. Die Gefahr geht rein statistisch also nicht von den Hunden aus, die auf den Rasselisten des Gesetzes stehen, sondern von den anderen Hunden. Das ist das erste Argument.

Zweiter Punkt: Es gibt sehr viele Hunderassen – ich werde Ihnen gleich einmal neun aufzählen –, die gar nicht kategorisiert sind, also auf keiner Rasseliste stehen und dennoch anteilig zu ihrem Anteil an der Population der Hunde mindestens genauso viele Beißvorfälle haben wie diejenigen aus der Kategorie 1, der angeblich so gefährlichen. Der Altdeutsche Schäferhund beißt genauso oft wie die Hunde auf der Rasseliste, der American Bulldog beißt genauso oft, zum Teil sogar häufiger als die Tiere auf der Rasseliste, der Belgische Schäferhund und der Bluthund beißen genauso oft wie die Tiere auf der Rasseliste, der Deutsche Schäferhund ebenso wie der Europäische Schlittenhund, der Kuvasz, der Pastor Garafiano und der Weimaraner. Diese neun Hunderassen beißen genauso oft wie oder häufiger als die, die bisher im Hundegesetz stehen und die die SPD und der Senat dort stehenlassen wollen. Die Beißstatistik zeigt offensichtlich, dass die vom Senat vorgelegten Rasselisten unsinnig sind. Diese gehören aus dem Gesetz heraus.

(Beifall bei der FDP und bei Dennis Thering CDU)

Dritter Punkt: Wenn man Rasselisten erstellt, dann ist es naheliegend, und das passiert auch, dass es Streitereien um die Zugehörigkeit zu einer Rasse gibt. Wenn also ein Hundehalter nicht möchte, dass sein Hund als gefährlich eingestuft wird, dann wird er ein Gutachten beibringen, von wem auch immer, dass sein Hund nicht zu dieser Rasseliste gehört, um damit herauszukommen. Das führt zu langen bürokratischen Rechtsstreitigkeiten und ist nicht im Sinne einer effizienten Bürokratie.

Vierter Punkt: Besser als Rasselisten sind Wesenstests. Auch hierzu hat der Senat bereits Mitteilung gemacht. Bitte sehen Sie in die Drucksache 20/ 4573 und dort in Frage 7. Dann werden Sie feststellen, dass es in diesen ganzen vier Jahren gerade einmal zwei Beißvorfälle von Hunden gab, die einen Wesenstest bestanden hatten. Der Wesenstest scheint wesentlich effizienter zu sein und die Bürger wesentlich besser zu schützen als Rasselisten. Die Rasselisten gehören abgeschafft.

(Beifall bei der FDP)

Fünfter Punkt: Was ebenfalls besser hilft, sind Kontrollen der Halter, zum Beispiel durch einen Hundeführerschein.

(Olaf Ohlsen CDU: Genau!)

Nach dem bisherigen Gesetz, das Sie an diesem Punkt nicht ändern wollen, wird man quasi reaktiv tätig. Erst wenn etwas passiert ist oder wenn ein Hund zu einer Rasseliste gehört, wird der Halter kontrolliert. Das ist falsch, wir wollen mehr Hundeführerscheine und weniger oder gar keine Rasselisten.

Sechster Punkt: In Niedersachsen gibt es seit dem letzten Jahr ein neues Hundegesetz, das ganz ohne Rasselisten auskommt und von den Experten sehr gelobt wird. Und im von CDU und SPD regierten Berlin, hören Sie gut zu, will man den gleichen Weg gehen. Also auch die SPD verfügt durchaus über Expertise, nur leider nicht in Hamburg.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich fasse zusammen: Das Problem liegt am oberen Ende der Leine. Die SPD will das nicht wahrhaben und bleibt wider besseres Wissen bei Rasselisten. Die FDP hat im Gesundheitsausschuss wirklich alles versucht, um die SPD wenigstens mit Argumenten zu versorgen. Zunächst haben wir eine Expertenanhörung beantragt, um herauszufinden, wie Bürger am besten vor Beißattacken geschützt werden können. Die SPD hat das abgelehnt, sie hat Angst vor der Wahrheit. Wir haben dann eine öffentliche Anhörung beantragt. Die SPD lehnt das ab, sie hat Angst vor der Öffentlichkeit.

(Olaf Ohlsen CDU: Skandal!)

Es wurde dann eine Evaluation bis Ende 2013 beantragt. Die SPD hat das abgelehnt, sie hat Angst vor der Prüfung ihres Gesetzes. Und schließlich, und das ist das Schlimmste, ist dieser Gesetzentwurf zwar sehr umfangreich und enthält einige durchaus sinnvolle Gedanken, aber er hat nur einen einzigen Zweck und der steht ziemlich am Ende. Da steht nämlich, dass die bisherige Befristung von Rasselisten abgeschafft wird. Im Jahr 2006 war mit dem bisher noch geltenden Gesetz eine Befristung der Rasselisten eingeführt worden, um sie zu erproben. Wie die Erprobung ausgesehen hat, habe ich Ihnen gerade anhand meiner Argumente verdeutlicht.

Was macht die SPD? Wenn sie schon keine Expertenanhörung und auch keine öffentliche Anhörung machen will, dann soll sie doch wenigstens eine weitere Befristung einführen, damit man das in zwei oder drei Jahren noch einmal überprüfen kann. Der einzige markante Grund für dieses Gesetz ist die Beseitigung der Befristung. Wenn dieses Gesetz von der SPD durchgepeitscht wird, wie Sie es vorhaben, dann werden wir unbefristet Rasselisten haben. Das ist eine rechtliche Verschlechterung der derzeitigen Situation und das lehnt die FDP ab.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Glocke)

Verzeihung, Herr Dr. Schinnenburg. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass Beifallsbekundungen aus dem Zuhörerraum nicht gestattet sind. – Bitte fahren Sie fort.

– Vielen Dank, Frau Präsidentin.