Protocol of the Session on October 25, 2012

(Dr. Till Steffen)

Nein, die Genossinnen waren zurückhaltend, aber es stimmt, die Genossinnen auch, das nehme ich zurück. Ich bin zutiefst beeindruckt von der guten Rede der SPD-Genossin.

Aber eines habe ich nicht verstanden: Sie haben in Ihrer Rede kein einziges Argument für eine Seilbahn gefunden, außer dass Sie ganz am Ende – da haben Sie wirklich geschwächelt – gesagt haben, vielleicht wäre sie in der HafenCity möglich. Nach Ihrer Rede müssten Sie beide Anträge ablehnen und uns die Diskussion in den Ausschüssen ersparen. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr, dann können wir zur Abstimmung kommen.

Wer einer Überweisung der Drucksachen 20/5519 und 20/5606 an den Verkehrsausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das Überweisungsbegehren ist abgelehnt.

Wer die Drucksachen 20/5519 und 20/5606 an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das Überweisungsbegehren ist mit großer Mehrheit angenommen worden.

Wir kommen zu Punkt 9, Drucksache 20/4998, Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE: Phänomene und Auswirkungen der Gentrifizierung und Segregation.

[Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE: Phänomene und Auswirkungen der Gentrifizierung und Segregation – Drs 20/4998 –]

Diese Drucksache möchte die Fraktion DIE LINKE an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen.

Wird das Wort gewünscht? – Frau Sudmann.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Jetzt können Sie wieder auf die SPD schimpfen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt wechseln wir einmal das Thema, wobei es auch etwas mit St. Pauli und der Neustadt zu tun hat. Gentrifizierung und Segregation, das sind Begriffe, wo alle denken, was hat sich die Fachwelt da wieder ausgedacht. Aber wenn wir einmal die Begriffe aufs praktische Leben übertragen, stellen wir fest, dass Aufwertung und Verdrängung, wie wir sie über Jahrzehnte erlebt haben in Stadtteilen, die heute alle toll finden, nämlich in Ottensen oder St. Georg, und die jetzt in Wilhelms

burg einsetzen, ein Problem sind, das die Politik beschäftigt. – Mit der Politik meinte ich eigentlich auch Sie, falls Sie mir noch zuhören können.

(Glocke)

Frau Sudmann, ganz genau, wir sind jetzt gerade hier zum Team geworden. All diejenigen, die noch über Seilbahn oder andere Dinge diskutieren möchten, machen das bitte draußen, und Frau Sudmann und die anderen, die an der nächsten Debatte über Segregation teilnehmen wollen, bleiben hier drin. – Danke.

Jetzt bin ich erst einmal beim Begriff Gentrifizierung, also Aufwertung und Verdrängung. Einige sagen, Aufwertung ist positiv besetzt, und sicherlich gibt es Aspekte, wo man sagt, es sei gut, wenn in bestimmten Stadtteilen eine bessere Infrastruktur geschaffen werde. Das Problem ist allerdings, dass das, was klein anfängt, sich oft dazu auswächst, dass die Menschen, die ursprünglich dort gelebt haben und auch weiter da leben sollen, nach und nach verdrängt werden; das wollen wir nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Das zweite Fremdwort, das ich auch gerne übersetzen möchte, nämlich Segregation, bedeutet letztendlich, dass eine Entmischung auf Stadtteilebene stattfindet, die dazu führt, dass wir auf einmal Stadtteile haben, in denen relativ gleichartige Gruppen von Menschen leben, sei es, dass mehr Reiche zusammenleben oder mehr Arme, Menschen mit weniger Einkommen oder mehr ethnische Gruppen. Das mögen zwar einige gut finden, aber das ist für eine Stadt, die von einer Vielfalt lebt und die multikulti sein soll, sehr schlecht. Und vor allen Dingen – das dürfen wir dabei nicht vergessen – bedeutet es gerade für die Stadtteile, in denen Menschen zusammenleben, die weniger Einkommen haben, die sozial abgehängt sind und weniger Entscheidungsmacht haben, dass sie ungleiche Chancen haben. Wir haben es hier oft genug diskutiert und auch in den Medien gesehen, dass immer noch Schülerinnen und Schüler, die aus bestimmten Stadtteilen kommen und in ihre Bewerbung schreiben, sie kämen zum Beispiel aus Wilhelmsburg, Schwierigkeiten haben, einen Ausbildungsplatz zu finden. Das ist ein Teil der Spaltung der Stadt und dagegen müssen wir gemeinsam angehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich hoffe, Sie teilen unsere Meinung, dass es nicht nur ungerecht, sondern auch zutiefst undemokratisch ist, wenn das Recht auf Stadt sich nicht auf die ganze Stadt bezieht und Menschen nicht für sich frei entscheiden können, wo sie wohnen wollen. Deswegen muss das Recht auf Stadt für alle

gelten und nicht nur für diejenigen, die sich das leisten können.

(Beifall bei der LINKEN)

In der Großen Anfrage, die wahrscheinlich federführend von der BSU beantwortet wurde, haben wir wirklich sehr viele interessante und auch umfangreiche Antworten bekommen, für die wir uns bedanken, weil sie uns in der Debatte sicherlich weiterbringen werden.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Sie dürfen auch alle klatschen für die Arbeit der Beschäftigten, die mit der Anfrage beauftragt waren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD – Klaus-Peter Hesse CDU: Be- schäftigtinnen!)

Das war neutral, lieber Herr Hesse, ich sage auch nicht Herr Hessin.

(Finn-Ole Ritter FDP: Herr Hesse ist auch nicht neutral, er ist konservativ und schwarz!)

Wir haben in der Großen Anfrage noch einmal schwarz auf weiß einen Punkt bestätigt bekommen, den wir hier oft versuchen darzustellen und der nicht bei allen ankommt. Wir haben ein Wohnungsproblem, das wissen wir alle, und wir haben ein Problem mit preiswerten Wohnungen. Wir können in der Großen Anfrage noch einmal nachlesen, dass sich die Anzahl der Wohnungen, die unter 6 Euro pro Quadratmeter netto kalt kosten, innerhalb von zwei Jahren um 60 000 verringert hat. Überlegen Sie, was das für die Menschen heißt, die auf solche preisgünstigen Wohnungen angewiesen sind. Darüber müssen wir reden und wir müssen darüber reden, wie wir das wieder verändern können.

Die Große Anfrage zeigt noch einmal deutlich, dass es zwar mittlerweile ein Sozialmonitoring gibt, aber immer noch zu wenig Daten, um wirksam etwas gegen die negativen Auswirkungen von Aufwertung, Verdrängung und Entmischung tun zu können; da brauchen wir wesentlich mehr. Und ich finde es immer wieder erstaunlich, dass der Senat nicht in der Lage ist, uns in der Bürgerschaft zu sagen, wo die Sozialwohnungen im ersten Förderweg entstehen oder die Eigentumswohnungen oder Reihenhäuser.

(Finn-Ole Ritter FDP: In der HafenCity!)

Sie können es nicht sagen, das ist aber ein eklatanter Mangel, denn dadurch werden wir auch nicht feststellen können, wie sich die Stadtteile in Zukunft weiterentwickeln werden. Das muss sich auf jeden Fall verändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich glaube, wir sind uns einig, dass wir als Bürgerschaft eine gesamte Verantwortung dafür haben, wie sich diese Stadt in allen Stadtteilen entwickelt. – Wie Herr Ritter sich entwickelt, darüber können wir auch noch einmal reden, aber im Moment sabbelt er nur dazwischen.

(Beifall bei der LINKEN – Finn-Ole Ritter FDP: Wenn Sie weiterreden, geht es mir nicht mehr gut!)

Diese Verantwortung haben wir gemeinsam. Als die Links-Fraktion vor gut drei Jahren die erste Große Anfrage zur Aufwertung gestellt hat, hat sich danach eine sehr gute Debatte in der Bürgerschaft und den Ausschüssen entwickelt, und damals ist auch relativ viel passiert. Ich freue mich darauf, dass wir jetzt in den Ausschüssen Gelegenheit haben, uns mit den umfangreichen Antworten auseinanderzusetzen, und dass wir schauen können, wo wir gemeinsame Angriffspunkte haben. DIE LINKE wird weiterhin versuchen, alle anderen ein bisschen mehr in Wallung zu bringen, was mir heute teilweise schon ganz gut gelungen ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Lohmann.

Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die Überschrift wiederhole ich jetzt nicht, aber lassen Sie mich kurz ein paar Bemerkungen zu dem Thema machen, da wir die Große Anfrage wohl einvernehmlich an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen werden und dort ausreichend besprechen können. Hamburg war und ist eine der beliebtesten Städte Deutschlands. In den vergangenen Jahren ist die Einwohnerzahl stetig gewachsen. Zum ersten Mal seit 1969 wohnen wieder mehr als 1,8 Millionen Menschen in Hamburg. Das ist für uns alle eine gewaltige Herausforderung. Die Stadtentwicklungspolitik muss neue Wege gehen, um den Problemen, die aus der wachsenden Bevölkerung entstehen, entgegenzutreten.

Seit das öffentliche Wohnungsbauprogramm ab 2001 de facto eingestellt wurde, ist eine zunehmende Verdrängung von Menschen aus dem innerstädtischen Bereich zu beobachten. Stadtteile und Quartiere müssen lebenswert sein, nicht nur in der Hamburger Innenstadt, sondern auch in den Stadtteilen, die aufgrund ihrer Lage vielleicht weniger attraktiv sind. Vor allem die Bezirke leisten hier ihren Anteil zum Bau neuer Wohnungen und zur Aufwertung der Quartiere vor Ort, aber nicht jeder angestrebte Aufwertungsprozess ist mit Gentrifizierung gleichzusetzen.

Drei Quartiere unterliegen im Moment der Sozialen Erhaltungsverordnung und sechs weitere Quartiere

(Heike Sudmann)

stehen im Fokus. Dieses Mittel der Sozialen Erhaltungsverordnung findet allerdings seine Grenzen, was den privaten Wohnungsbaumarkt betrifft. Wir werden auch in Zukunft ganz genau hinschauen, was in den Stadtteilen und Quartieren passiert, aber das beste Mittel für eine vielfältige Stadtteilentwicklung ist, Wohnungen zu bauen. Deshalb ist unser Ziel richtig, ein Drittel geförderte Wohnungen, ein Drittel Mietwohnungen und ein Drittel Eigentumswohnungen in den Stadtteilen zu bauen.

(Beifall bei der SPD)

Das garantiert für die Zukunft eine vielfältige und interessante Bevölkerungsstruktur in den Quartieren. Ich freue mich auf eine spannende Diskussion im Stadtentwicklungsausschuss, an den wir die Große Anfrage überweisen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Hamann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Thema Gentrifizierung ist weiß Gott kein Thema – selbst meine Kollegin von der LINKEN hat darauf hingewiesen –, das wir hier zum ersten Mal erörtern. In der letzten Legislaturperiode waren es gerade die Regierungsfraktionen GAL und CDU, die dieses Thema maßgeblich angeschoben und hier einen Antrag vorbereitet haben, der dann in der Bürgerschaft auch einstimmig beschlossen wurde. Das war, ich habe es noch einmal herausgesucht, im November 2009, also nahezu vor drei Jahren. Insofern wäre Ihre Große Anfrage allenfalls ein Punkt, einmal zu hinterfragen, was seitdem passiert ist, auch vonseiten des neuen Senats, denn viele Dinge, die sich der neue Senat auf seine Fahnen schreibt, sind damals von uns angeschoben worden, und andere Dinge vermissen wir einfach, obwohl wir sie damals alle gemeinsam als wichtig und dringend erachtet haben. Ich erinnere an unseren Beschluss aus dem November 2009, in dem wir den Erlass von Sozialen Erhaltungsverordnungen gefordert haben – GAL/ CDU-Politik, die jetzt durch den SPD-Senat umgesetzt worden ist.

Wir haben aber auch gefordert, die Ausübung des städtischen Vorkaufsrechts verstärkt wahrzunehmen. Bisher hat es nach meiner Kenntnis, gerade auch bei vielen problematischen und streitigen Immobilien, so gut wie gar keine Initiativen des neuen Senats oder der jeweiligen Bezirke gegeben, hierauf zurückzugreifen, obwohl das gerade eine gute Gelegenheit gewesen wäre.