Protocol of the Session on October 25, 2012

Warum immer St. Pauli? Warum werden nicht verschiedene, auch verkehrspolitisch sinnige Streckenvarianten durchgespielt, wenn man unbedingt eine Seilbahn möchte?

(Beifall bei der SPD)

Eine mögliche Streckenführung – das hätte ich auch vielleicht als Vorschlag von der FDP hören wollen – wäre beispielsweise in der HafenCity zum zukünftigen Kreuzfahrtterminal Grasbrook und meinetwegen dann zum Musical-Theater. Das wäre doch einmal ein Sprung über die Elbe. Alternativen sollten also ernsthaft andiskutiert werden. Hamburg als Seilbahnstandort – was bringt das den Menschen und was bringt es der Stadt? Das muss alles in Ruhe geprüft und beraten werden. Deshalb beantragt meine Fraktion die Überweisung der Anträge von FDP und GRÜNEN an den Stadtentwicklungsausschuss. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt, er ahnt es schon, Herr Wankum.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das war beeindruckend.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. An- dreas Dressel SPD: Jetzt kommt das Vergif- tete hinterher!)

Nein, nein, Herr Dressel.

Es stimmt, dass Hamburg sich auf allen Feldern im Wettbewerb mit den deutschen Städten und den europäischen Metropolen und auch im globalen Wettbewerb befindet. Deswegen – das haben wir gestern und auch vorhin noch einmal einvernehmlich festgestellt, jedenfalls die Vernünftigen – brauchen wir die Elbvertiefung. Aber im Bereich des Tourismus befinden wir uns in einem Wettbewerb, bei dem es darum geht, die Erfolge der vergangenen zehn Jahre, in denen sich die Zahl der Touristen in Hamburg von fünf auf zehn Millionen verdoppelt hat, zu stabilisieren, die Arbeitsplätze zu erhalten und auszubauen. Dabei geht es natürlich auch darum, Tourismusattraktionen zu bekommen.

Wer sich aber im Tourismus auskennt, Herr Kluth, der weiß, dass diese immer nur dann etwas Besonderes sind, wenn sie sich nicht an allzu vielen Stellen wiederholen. Eine Seilbahn im Flachland ist dann schon etwas Besonderes. Ich gebe Ihnen recht, das Einzige, was daran wirklich besonders ist, ist der Blick über den Hafen, wie man ihn sonst nur von der Köhlbrandbrücke hat. Auf der anderen Seite müssen wir sehen, dass wir von Süden her nach Steinwerder zum Standort der beiden Musicals bereits eine Anbindung mit der Barkasse haben, die etwas wirklich Besonderes und nicht an anderer Stelle wiederholbar ist. Insofern müssen wir uns überlegen, ob die Seilbahn auch unter Berücksichtigung der Interessen der Anwohner und der betroffenen Firmen und nicht nur der Interessengruppen sinnvoll ist, denn was mir bei Diskussionen zum Tourismus auffällt, Herr Kluth, ist, dass die Tourismusvertreter immer mit einer ungeheuren Verve und fast religiöser Inbrunst für ihre Projekte eintreten. Wir als Abgeordnete sollten uns Artikel 7 der Verfassung verpflichtet sehen und dem Wohle Hamburgs und seiner Bürgerinnen und Bürger heute und morgen.

(Beifall bei der CDU)

Ob das Ganze wirklich – an die Kollegen von den GRÜNEN gerichtet – eine sinnvolle Ergänzung für den HVV ist, müssen wir auch untersuchen. Wir haben also Fragen über Fragen, und insofern freuen wir uns auf die Diskussion im Ausschuss, an den wir den Antrag überweisen werden. Kollegin de Libero, Sie könnten Ihre Rede doch einmal an uns übersenden, damit wir uns darauf vorbereiten können, denn sie enthielt viele Aspekte. – Vielen Dank.

(Dr. Loretana de Libero)

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Steffen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Thema Seilbahn für Hamburg ging es mir tatsächlich auch erst einmal so, wie das in einem Zeitungsartikel vor zwei Wochen Herr Iken ausgeführt hat: Man wundert sich, was das in Hamburg zu suchen hat. Ich hatte mich damals auch über das Seilbahngesetz belustigt, das wir aufgrund europäischer Regulierung in Hamburg erlassen mussten. Tatsächlich ist es sehr leicht möglich, diese Idee relativ populistisch beiseitezuwischen, zu diffamieren und zu sagen,

(Dirk Kienscherf SPD: Aber nicht mit den GRÜNEN!)

das gehöre in die Berge und nicht nach Hamburg, in Hamburg hätten wir Schiffe und keine Seilbahnen und so sei alles gut. Es ist aber sinnvoll, sich wesentlich sachlicher damit auseinanderzusetzen, und so haben wir es innerhalb unseres GRÜNEN Landesverbands zusammen mit der Fraktion Hamburg-Mitte auch gemacht. Unsere Landesarbeitsgemeinschaft Verkehrspolitik war intensiv beteiligt; das waren eher diejenigen, die dieser Idee gegenüber von vornherein sehr aufgeschlossen waren. Wir haben uns mit der Vielzahl von Einwänden auseinandergesetzt und gemeinsam ein Ergebnis erzielt, das ziemlich genau in den Antrag eingeflossen ist, den Sie heute zur Abstimmung vorliegen haben.

Dazu muss man den Blick etwas weiten und stellt dann fest, dass Seilbahnen in den vergangenen Jahren eine richtige Konjunktur als urbanes Verkehrsmittel erlebt haben, und zwar nicht nur in Städten, die mit großen Steigungen ausgestattet sind, sondern auch in Städten, in denen es zentral große Wasserflächen oder sehr komplexe Siedlungsstrukturen gibt. In Richtung Wilhelmsburg haben wir beides, große Wasserflächen in Form der Elbe und südlich liegende Hafenflächen und natürlich komplexe Siedlungsstrukturen, sodass es nicht ohne Weiteres möglich ist, durch die Hafennutzungen hindurch auf dem Nullniveau entsprechende Verkehrsverbindungen zu schaffen. Da haben wir also ein Hindernis, das heißt, es lohnt sich schon, sich damit auseinanderzusetzen.

Es wurden zwei Einwände formuliert, und die sind meiner Meinung nach auch nicht zu verachten. Der eine Einwand ist die Veränderung des Elbpanoramas. Richtig ist auf alle Fälle, dass es eine massive Veränderung darstellen würde. Jetzt kann man natürlich eine Diskussion darüber führen, ob die Veränderung eher nachteilig oder eine Fortentwicklung für das Panorama wäre, und das sind natürlich Geschmacksfragen. Aber richtig ist, dass es

eine Veränderung wäre, und das ist auch denjenigen zuzugestehen, die das so kritisch betrachten. Das ist nicht irrelevant in dieser Hinsicht, und wir müssen natürlich sorgfältig mit dem Panorama umgehen.

Genannt wurde auch, dass es zu einer wesentlich stärkeren touristischen Nutzung an dieser Stelle kommen würde. Sicherlich ist eine hohe Frequenz hier vorstellbar. Wenn die Kapazität für den nördlichen Teil der Strecke mit 3000 Fahrgästen pro Stunde und pro Richtung angegeben wird, dann hat man natürlich ein relevantes Verkehrsaufkommen an der nördlichen Station am Heiligengeistfeld. Aber wenn der Hauptnutzen darin besteht, die Gäste zum Musical zu bringen – und das wird bei jeder der Varianten den allergrößten Teil ausmachen –, dann muss man gleichzeitig sehen, dass diese Gäste auch jetzt dort ankommen, wenn auch etwas weiter südlich an den Landungsbrücken und nicht auf dem Heiligengeistfeld. Dort kommen sie mit Reisebussen an, daher gibt es schon eine hohe Frequenz, und ich würde zu bedenken geben, ob es einen Riesenunterschied macht, ob die Leute zu den Schiffen oder zur Seilbahn fahren. Ich bezweifele, dass man das sehr stark merkt. Aber gleichwohl kann es Veränderungen geben, mit denen man sich genau auseinandersetzen muss, und das haben wir deswegen auch zum Gegenstand unseres Antrags gemacht.

Die Frage, mit der wir uns beschäftigt haben, lautet, wie eine solche Seilbahn tatsächlich eine relevante Verkehrsfunktion haben könnte. Wir haben uns das von den unterschiedlichen Verkehrsbeziehungen her angeschaut und für uns festgestellt, dass eine verkehrliche Verbesserung oder eine relevante Veränderung nicht entsteht, solange nur der nördliche Abschnitt der Seilbahn gebaut wird, weil die Musical-Gäste auch jetzt in relativer Nähe dort ankommen; das macht keinen großen Unterschied. Eine Veränderung könnte eintreten, wenn sie bis nach Wilhelmsburg durchgehen würde, denn das würde gleichzeitig auf eine Problemlage treffen, die wir haben, nämlich eine überfüllte S-Bahn, die an ihre Kapazitätsgrenzen stößt und deren von uns gemeinsam gewollte Verstärkung frühestens im Jahre 2019 kommen wird. Da ist die Frage, ob die Seilbahn einen Beitrag leisten kann. Es wird immer gesagt, es seien nur 2000 Fahrgäste, die im südlichen Teil pro Stunde bewegt werden könnten. Die S-Bahn bewegt, wenn sie gut besetzt ist, gut 10 000, vielleicht auch 11 000 oder 12 000 Menschen pro Stunde und Richtung. Die Seilbahn kann das natürlich nicht ersetzen, aber sie könnte von den Kapazitäten her die entsprechenden Spitzen aufnehmen. Das wäre vorstellbar und deswegen könnte es durchaus ein möglicher Beitrag sein. Es macht von den Verkehrsbeziehungen her Sinn, und es macht auch Sinn, die Musical-Gäste nicht nur von Norden, also über die Innenstadt, heranzuführen, sondern gleich von Sü

(Andreas C. Wankum)

den, wo die meisten Leute mit Reisebussen und so weiter ankommen. Deswegen kann dies schon ein sinnvoller Gedanke sein, der natürlich genauer überprüft werden muss, und wir haben auch die entsprechenden Maßgaben formuliert.

Nicht unserer Vorstellung entspräche allerdings – das war zwischenzeitlich das Signal, heute kam von der SPD ein klar ablehnender Beitrag –,

(Dirk Kienscherf SPD: Nein, der war schon differenziert!)

dass der Senat dahin tendiert, nur den nördlichen Teil zu bewegen; da sind wir skeptisch. Man würde die Nachteile, die ganz klar bestehen, realisieren, ohne gleichzeitig die möglichen Vorteile zu realisieren. Das erschiene uns doch ziemlich unvernünftig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Frau Sudmann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Haben Sie sich auch schon oft gefragt, was Ihnen eigentlich in Hamburg fehlt? Ich habe mich gefragt, was ich dringend notwendig fände, und festgestellt, dass diese Seilbahn genauso überflüssig ist wie die FDP in Hamburg.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der FDP: Oh!)

Ich finde es wirklich spannend, wie Herr Kluth argumentiert, wenn er die Umfrage der Handelskammer bei Unternehmen anführt. – Ich merke, ich habe Sie getroffen.

(Glocke)

Frau Sudmann, ob Sie die FDP getroffen haben oder nicht, ist jetzt irrelevant, aber man sollte Vergleiche immer so ziehen, dass sie andere nicht direkt beleidigen.

(Beifall bei der CDU)

Die FDP hat sich in ihrem Antrag ganz begeistert auf eine Umfrage der Handelskammer bezogen. Diese Umfrage hat eine ähnliche Qualität, als wenn Sie in Bezug auf Tourismusförderung fragen würden, ob man der Meinung sei, dass wir mehr Sonnentage in Hamburg bräuchten. Da würden auch drei Viertel Ja sagen. Das ist für mich überhaupt kein Kriterium.

(Olaf Ohlsen CDU: Das ist aber ein sehr schöner Vergleich!)

Aber viel schlimmer finde ich, und das ist ein Punkt, den wir nicht nur in Zusammenhang mit der Seilbahn diskutieren müssen, dass Sie gesagt ha

ben, St. Pauli und die Neustadt seien – ich sage es einmal in meinen Worten – klassische Touristenstadtteile. Die würden vom Tourismus leben, deswegen könne man auch gucken, ob da noch mehr Tourismus hinkommt. Sie haben vergessen, wie viele Menschen da leben und dass diese Menschen dort auch ein Recht auf Ruhe haben, und dieses Recht auf Ruhe ist in den letzten Monaten enorm strapaziert worden.

(Beifall bei der LINKEN)

Von daher ist das auch ein Argument, das DIE LINKE gegen eine Seilbahn in diesem Stadtteil hat.

Sie haben überhaupt nichts zum Thema Stadtbild gesagt. Immerhin hat Herr Steffen sich eben ein bisschen mit dem Stadtbild beschäftigt. Sie haben allem Anschein nach noch nicht wahrgenommen, dass wir hier im Flachland leben, Norddeutschland ist überwiegend sehr flach. Wir haben keine Almhütten und wir brauchen auch keine Seilbahn. Was Sie vorhaben, passt einfach nicht zu Hamburg. Wenn Sie die Elbe überqueren wollen, dann schaffen Sie einen guten Schiffsverkehr, das gehört zu Hamburg.

(Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP: Definieren Sie jetzt, was zu Hamburg passt?)

Wir müssen nicht versuchen, die Vorteile und Einmaligkeiten, die andere Gebiete haben, nach Hamburg zu bringen.

(Beifall bei der LINKEN)

Von daher ist und bleibt es futuristischer Mist, was hier kommt.

Die GRÜNEN stellen sich mit ihrem Antrag heute wie eine grün lackierte FDP dar, das kann ich nicht verstehen. Herr Steffen, Sie machen sonst Verkehrspolitik und teilweise auch eine gute. Sie sagen in Ihrem Antrag, die Seilbahn sei eine sinnvolle Ergänzung des Nahverkehrs. Sie haben eben selbst schon ein bisschen herumgeeiert, als Sie gesagt haben, dass die S-Bahn eher 10 000 oder 11 000 Menschen pro Stunde befördere. Was sollte den 7600 Menschen, die ungefähr 20 Minuten brauchen, um von St. Pauli nach Wilhelmsburg zu fahren, an der Seilbahn attraktiv erscheinen, wenn sie einen Buszubringerverkehr haben und mit der S-Bahn schneller wären? Oder kommen wir jetzt doch zu dem Punkt, was die Stadt an Folgekosten investieren muss, um diese Seilbahn attraktiver zu machen, losgelöst von der Frage, ob diese Seilbahn sich überhaupt finanziert.

Ich habe heute zum ersten Mal eine Rede der SPD gehört, bei der ich zu 90 Prozent alles gut fand. Frau de Libero, ich habe mehr geklatscht als Ihre eigenen Genossen.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Und Ge- nossinnen wohl auch!)