Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei diesem Thema fällt es mir schwer, nicht ideologisch zu antworten, aber ich will es versuchen und dazu beitragen, bei dieser Diskussion auf dem Teppich zu bleiben.
Wenn Sie sich an St. Georg, St. Pauli oder Ottensen im Jahre 1982 erinnern und nun mit dem Jahr 2012 vergleichen, so müssen wir doch eine gigantische Gentrifizierung feststellen. Ich denke, 90 Prozent von dem, was sich dort ereignet hat, ist positiv. Man sollte also diese Begriffe nicht immer nur im negativen Sinne benutzen, sondern auch positiv. Aufwertung muss nichts Schlechtes sein, im Gegenteil.
Der Versuch, mit bürokratischen Hilfsmitteln wie Sozialen Erhaltungsverordnungen den Status quo festhalten zu wollen, bringt – das haben wir schon gehört – Schwierigkeiten mit sich, auch bürokratischer Art. Um zu erkennen, ob sich in einem Stadtteil wirklich merklich etwas ändert, braucht man zwei oder drei Jahre, und dann ist der Stadtteil schon verändert.
Ich glaube, wir sollten auch daran denken, dass wir nicht ganz Hamburg mit einer Erhaltungsverordnung beglücken können. Das kann nur für kleine Bereiche sinnvoll sein, aber nicht für große Bereiche. Das Problem, das wir in Hamburg haben, ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in einigen Stadtteilen. Wir haben gegenüber dem Jahr 2000 80 000 neue Mitbürger, aber wir haben hamburg
weit auch 40 000 Wohnungen mehr. Das bedeutet, dass wir lokal Probleme haben; wir haben einige Stadtteile, in denen sehr viele Menschen wohnen wollen. Und da komme ich zum Thema Segregation. Es ist nun einmal so, dass beispielsweise sehr viele Studenten sehr gern in der Schanze leben wollen. Das nenne ich dann selbstgewollte Segregation, das ist nichts Negatives, aber dagegen können wir auch nicht angehen. Diese beiden Begriffe sind meiner Meinung nach nicht negativ zu bewerten, sondern eher positiv.
Wir müssen – das haben wir schon diverse Male in diesem Haus besprochen – für mehr Wohnraum sorgen. Wenn wir in den Stadtteilen bezahlbaren Wohnraum haben wollen, dann muss die Stadt endlich von dem Höchstpreisverfahren beim Verkauf städtischer Grundstücke wegkommen. Die Idee, Grundstücke nach Konzeptqualität zu verkaufen, ist schön und gut, aber in der Praxis ist das vielleicht gerade ein- oder zweimal vorgekommen. Und dann kommen die Lokalpolitiker wie unsereins an und sagen, das kann gar nicht sein, dabei gibt es doch wieder einen Haken. Das ist eine Bringschuld der Stadt. Diese Prioritätensetzung, in welchen Stadtteilen wir wie viel bezahlbaren Wohnraum brauchen, muss in der Stadtentwicklung geschehen.
Im reaktionären Bereich geht es wohl so, alle Leute dort wohnen zu lassen, wo sie wohnen, und alle anderen Leute daran zu hindern, dort hinzuziehen, was ich nicht verstehe, weil das eigentlich Freiheitsberaubung ist, wenn Sie so etwas durchführen wollen.
Ich gehe davon aus, dass sich auch im Gedankengebäude der LINKEN eine Vorstellung finden lässt, wie ein idealer Stadtteil von seiner Bevölkerungszusammensetzung her aussehen sollte, damit Sie keine Soziale Erhaltungsverordnung fordern. Wenn Sie das nicht wissen, dann können Sie eigentlich auch nicht wissen, welche Maßnahmen Sie ergreifen wollen.
Vielen Dank. – Herr Duwe, verstehe ich Sie richtig, dass Sie die Entwicklung in einzelnen Stadtteilen wie zum Beispiel in St. Georg, wo Menschen mit geringen Einkommen aus ihren günstigen Wohnungen vertrieben werden, weil diese in Eigentumswohnungen umgewandelt werden, was ich mit einer Sozialen Erhaltungsverordnung verhindern könnte, als eine richtige Entwicklung empfinden?
Auf diese Frage kann man weder mit einem Nein noch mit Ja antworten, aber ich danke für diese schöne Frage. Wenn Sie statt St. Georg Harburg verwendet hätten, dann hätten Sie vielleicht eine andere Antwort bekommen.
Das verstehe ich, ganz klar. Es gibt ein Menschenrecht auf eine schöne Wohnung in St. Georg, mit Alsterblick. Das gibt es natürlich nicht. Man kann auch in anderen Stadtteilen sehr gut wohnen. Wenn man in Stadtteilen wohnen will, in die jeder gerne zieht, dann muss man auch bereit sein, etwas mehr zu bezahlen. Das ist meine Meinung.
Ich gehe davon aus, dass es vielleicht auch eine ganze Menge Leute gibt, die gern dorthin ziehen, wo die Mieten billig sind, obwohl sie sich teurere Wohnungen leisten könnten. Das ist für mich die andere Alternative.
Wenn Sie denken, dass Sie mit stadtteilpolitischen Maßnahmen, die jahrelange Entscheidungsprozesse benötigen, das Verhalten von sehr mobilen Menschen steuern können, dann liegen Sie falsch. Sie werden sehr schnell darauf stoßen, dass Sie gar nicht wissen, wer in zehn Jahren wo in Hamburg wohnen will. Das kann nur durch einen funktionierenden Markt geschehen, nicht durch staatlichen Dirigismus.
(Dr. Till Steffen GRÜNE: Wie viel Redezeit haben Sie denn jetzt noch? – Jens Kerstan GRÜNE: Katja, tu was!)
Ich habe noch eine ganze Menge Redezeit, weil Herr Kluth ausnahmsweise einmal ein bisschen kürzer geredet hat; ein Dankeschön dafür an dieser Stelle.
Ich halte die Angaben, die wir als Antwort auf diese Große Anfrage bekommen haben, für nicht sehr informativ. Die meisten Zahlen kannte man schon, und Angaben darüber, wie viele Leute in welche Stadtteile ziehen oder aus ihnen weggezogen sind, bringen uns auch nicht dabei voran, wie man in dieser Stadt in allen Stadtteilen ein vernünftiges Sozialumfeld gestaltet. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Duge, nur weil Sie sagen, ich sei so schlecht informiert: Es gibt eine Drucksache der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte, 20/2212. In dieser Drucksache, unter anderem unterstützt von den GRÜNEN – Sie sprachen gerade von einem Antrag, eine Soziale Erhaltungsverordnung für Hamm einzuschränken, weil kein Personal bereitstünde –, steht ganz deutlich unter Punkt 1, dass keine Soziale Erhaltungsverordnung für bestimmte Teilbereiche in Hamm gefordert wird, sondern eine städtebauliche Erhaltungsverordnung, und zwar für einen ganz bestimmten Teil um den Hammer Park herum. In Punkt 2 soll die Möglichkeit einer Sozialen Erhaltungsverordnung für Gesamt-Hamm und GesamtHorn geprüft werden.
Wenn man schon Kollegen Nichtkenntnis vorwirft, dann sollte man sich sehr sicher sein, dass man nicht selber die Unwahrheit sagt. In diesem Fall hat es mich schon ein bisschen bestürzt, dass Sie sich so wenig im Bezirk Hamburg-Mitte auskennen; da sollten Sie das nächste Mal lieber Ihre Kolleginnen und Kollegen fragen. Ich glaube, dass das auch das Problem in dieser Debatte ist. Wenn Sie bei einem derart sensiblen Thema, das wir wirklich sehr ausführlich beraten müssen, mit solchen Vorhaltungen agieren, dann werden Sie als GAL in der Stadtentwicklungspolitik künftig keine wichtige Rolle mehr spielen. Das tun Sie sowieso nicht,
aber dann werden Sie eine noch viel weniger wichtige Rolle spielen. Ich glaube, wir alle sind gut beraten, fundiert über diese Themen zu sprechen und nicht irgendwelche Gerüchte in die Welt zu setzen, die durch nichts gehalten werden können. – Vielen Dank.
Zu Ihrer Information: Die LINKE hat noch ungefähr 20 Minuten Redezeit, und die gedenke ich endlich einmal voll auszuschöpfen. – Nein, das will ich natürlich nicht.
Herr Kienscherf, in Hamm kenne ich mich nicht gut aus, das gebe ich zu, aber wir haben gerade aus Altona erfahren – lieber Herr Münster, Ihr Mund ist gerade voll, deswegen können Sie nichts sagen –,
man habe ein personelles Problem, die Arbeiten für die Soziale Erhaltungsverordnung im Osterkirchenviertel fortzusetzen. Wenn die Ideen, die wir hier entwickeln, und das, was die BSU uns in den Ausschüssen vorgestellt hat, nämlich in sieben weiteren Stadtteilen Soziale Erhaltungsverordnungen zu erlassen, nicht umgesetzt werden können, weil das Personal fehlt, dann ist das eine Riesen … – darf ich nicht sagen –, dann ist das ein ganz, ganz schlechtes Ding, das wir auf keinen Fall gutheißen können.
Ich will Ihnen auch sagen, warum das doppelt schlecht ist: Es ist doppelt schlecht, weil zum einen Personal abgebaut wird – da hat der Senat schon einmal die Möglichkeit, Geld zu sparen –, und es ist zum anderen schlecht, weil Gelder gar nicht zur Verfügung gestellt werden können, über die wir hier beschlossen haben; der Senat spart diese Ausgaben. Das ist eine wirklich perfide Einsparpolitik, die wir als LINKE auf jeden Fall weiter hart bekämpfen werden.
Obwohl mir meine Vernunft sagt, dass man nicht auf Herrn Duwe eingehen sollte, weil das seine Rede höchstens noch qualifizieren würde – was eigentlich gar nicht möglich ist –, will ich einen Punkt sagen.
(Dr. Andreas Dressel SPD: Warum musst du das eigentlich immer so persönlich abqualifi- zieren? – Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Nehmen Sie das zurück!)