Protocol of the Session on October 25, 2012

und dass dann genauso Angebote der Jugendhilfe gebraucht werden, als wenn die Schule um 13 Uhr enden würde. Die Kinder der GBS werden also an den restlichen Tagen genau wie die andere Hälfte der Kinder, die im Moment noch nicht die Ganztagsschule besuchen, künftig wahrscheinlich vor verschlossenen Türen ihres Bauspielplatzes, ihres Jugendtreffs oder ihres Jugendclubs stehen.

(Beifall bei den GRÜNEN, vereinzelt bei der CDU und bei Finn-Ole Ritter FDP – Dr. An- dreas Dressel SPD: Welche Einrichtung wird denn geschlossen?)

Zu den Schließungen komme ich gleich noch.

Bei Ihrer Argumentation weigern Sie sich auch beharrlich anzuerkennen, dass Jugendhilfe nicht nur den Auftrag hat, sich um die kleinen Kinder zu kümmern. Bei Jugendhilfe reden wir auch über Jugendliche, und Jugendliche brauchen auch Angebote am Abend oder am Wochenende. Sie vergeben jetzt die Chance, die Öffnungszeiten dieser Angebote auf den Abend oder auf das Wochenende auszuweiten. Das wäre möglich, wenn nicht gleichzeitig gekürzt werden würde.

Das heißt also, Ihr Argument, das Sie im Zusammenhang mit den Ganztagsschulen immer wieder bemühen, ist sowohl fachlich falsch als auch in der Realität überhaupt nicht zutreffend, Herr Kienscherf.

(Beifall bei den GRÜNEN, vereinzelt bei der CDU und bei Finn-Ole Ritter FDP)

Jetzt komme ich zu dem Punkt von Herrn Dressel. Sie sagen immer, es müsse keine Einrichtung schließen, alle Einrichtungen der offenen Kinderund Jugendarbeit oder der Familienförderung, über die wir hier nämlich auch reden, könnten ihre Angebote weiterführen, indem sie sie auf verbindliche Hilfen umstellen und Geld aus dem Topf der sozi

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg)

alräumlichen Hilfen und Angebote erhalten, der sogenannten SHA-Projekte. Aber was sich hier theoretisch gut anhört, bedeutet in der Praxis ein langsames Aus

(Dirk Kienscherf SPD: Welcher Träger ist konkret gefährdet?)

für viele dieser Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit.

(Dirk Kienscherf SPD und Doris Müller SPD: Welche denn?)

Ich erkläre Ihnen das gerne, Herr Kienscherf.

Der Verdacht liegt nämlich nahe, dass Ihr Senator sich noch nie mit dem Auftrag der offenen Kinderund Jugendarbeit auseinandergesetzt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN, vereinzelt bei der CDU und bei Finn-Ole Ritter FDP)

Zu diesem Auftrag – Herr Scheele, ich sage es noch einmal ganz deutlich – gehören Freiwilligkeit, Vertrauen und ein niedrigschwelliger Zugang. Das sind die Grundbedingungen der offenen Kinderund Jugendarbeit. Im Gegensatz dazu

(Zuruf von Dirk Kienscherf SPD)

Herr Kienscherf, warten Sie es ab – stehen die sozialräumlichen Hilfen und Angebote, auf die Sie hinweisen, wo dann die offene Kinder- und Jugendarbeit ihr Geld herbekommen soll. Wir haben von Ihrem Senat gerade eine lange Liste mit sieben Kullerpunkten bekommen, was alles Voraussetzung für die Inanspruchnahme dieser Hilfen ist. Dazu gehört eine Kooperation mit dem Jugendamt. Und SHA-Mittel können nur in den Gebieten gewährt werden, in denen wir einen sehr hohen Anteil von Hilfen zur Erziehung haben. Eine Inanspruchnahme dieser Maßnahme muss nachweislich zu einer Reduzierung von Hilfen zur Erziehung beitragen. Das heißt, es gibt genau definierte Voraussetzungen für SHA-Mittel und das ist nicht einfach austauschbar. Im Klartext bedeutet das, dass jedes Kind und jeder Jugendliche, das oder der vormals ein offenes Angebot der Jugendhilfe besucht hat, nun zum Fall beim Jugendamt wird. Und das ist etwas, was wir nicht hinnehmen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Nicht jede Einrichtung liegt in einem Gebiet, das die Voraussetzung für diese sozialräumlichen Hilfen und Angebote erfüllt. Hier wird ganz deutlich: Was Sie der Öffentlichkeit immer wieder weismachen wollen, ist nicht mehr als eine Beruhigungspille, die nur dazu dient, die Realität zu verschleiern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Damit komme ich auch schon zu meinem dritten Punkt. Das nächste Argument von Ihnen ist der Umsetzungsfonds, dessen Sie sich immer wieder

gerne bedienen, indem Sie sagen, die Bezirke könnten doch diesen Umsetzungsfonds nehmen, daraus gebe es auch Geld.

(Zuruf von der SPD: Umsteuerungsfonds!)

Er heißt Umsetzungs- oder Umsteuerungsfonds. Dann benutze ich für Sie jetzt das Wort Umsteuerungsfonds, aber zum Glück wissen wir beide, worüber wir reden.

Dieser Fonds ist zum Abwickeln von Kürzungen und Schließungen gedacht oder auch, um Kündigungen abzufedern oder die Umstellung der Arbeit zu begleiten.

(Dirk Kienscherf SPD: Was denn nun?)

Aber Ihr Umsteuerungsfonds ist nichts anderes als ein Rohrkrepierer. Das Interessante ist nämlich, dass kein einziger Jugendhilfeausschuss in einem Bezirk sich auch nur eines Euros dieses Umsteuerungsfonds bedient.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist schlicht falsch!)

Das stimmt, Herr Dressel. Dann sagen Sie mir bitte, welcher Bezirk. Ich habe in allen Jugendhilfeausschüssen aller Bezirke nachgefragt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Die Unterlagen sind doch verschickt!)

Kein Jugendhilfeausschuss beantragt im Moment Mittel aus dem Umsteuerungsfonds. Wenn, dann sind es die Bezirksämter, die es tun.

(Zurufe von der SPD: Ah!)

Da kennen Sie leider die Regularien nicht. Die Jugendhilfeausschüsse müssen zustimmen und das hat kein Ausschuss getan.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Das ist doch unglaublich!)

Denn ihnen ist ganz klar, dass sie, würden sie Mittel aus diesem Umsteuerungsfonds beantragen, dann nämlich den Kürzungsplänen zustimmten, und das tun die Bezirke nicht. Die sind nämlich nicht doof und haben überhaupt keine Lust, das auszubaden, was der Senat ihnen diktiert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihr Umsteuerungsfonds ist in der Realität nichts anderes als der Versuch, den Bezirken irgendwie die Kürzungsmaßnahmen zu versüßen, und das klappt nicht, wie wir zurzeit zur Kenntnis nehmen müssen.

Interessant – das möchte ich hier doch gerne einflechten – ist an dieser Stelle übrigens das Auskunftsverhalten des Senats. Meine Anfrage zum Thema Umsteuerungsfonds hat der Senat mit der Begründung, die Planungen wären noch nicht abgeschlossen, nicht beantwortet. Gleichzeitig aber

hat der Senat – Herr Ritter wird es wissen – eine ähnliche Anfrage der FDP im Bezirk Harburg umfassend beantwortet. Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit hat mir nach einer Beschwerde in allen Punkten recht gegeben und den Senat zur Beantwortung aufgefordert. Das war vor vier Wochen. Mir liegt immer noch keine Beantwortung meiner Anfrage vor, und man muss sich langsam fragen, warum Sozialsenator Scheele hier mauert und den Abgeordneten Informationen vorenthält.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Christiane Schneider DIE LINKE – Dirk Kienscherf SPD: Welche Einrichtungen werden denn jetzt konkret gefährdet?)

Hören Sie sich gerne noch den vierten Punkt an, den Sie sicherlich auch immer in Ihrer Argumentation bemühen. Über diesen Punkt kann ich mich am meisten aufregen, er ist für mich der unverschämteste von allen, denn Sie werden nicht müde zu betonen, dass doch nur 10 Prozent der Gelder für die Jugendarbeit und die Familienförderung eingespart würden, 90 Prozent blieben doch erhalten. Ganz oft sagen Sie, warum wir uns denn so aufregen würden, 90 Prozent blieben doch noch. Herr Senator, vielleicht nehmen Sie einmal zur Kenntnis, was beispielsweise Herr Helling von der Lenzsiedlung vorgestern im "Hamburger Abendblatt" dazu gesagt hat – ich zitiere –:

"Weil wir ohnehin schon mit wenig Geld auskommen müssen, ist das Netz sehr fragil."

Genau das ist es. Das heißt also, dass auch eine Kürzung von 10 Prozent für Einrichtungen existenziell bedrohlich sein kann.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Das waren erst einmal die vier Hauptgründe, die der Senat und die SPD-Fraktion immer wieder ins Feld führen, wenn es um die Rechtfertigung dieser Kürzung geht. Ich denke, es ist deutlich geworden, dass die Begründungen für die Einsparung weder stichhaltig noch überzeugend sind. Sie sind vielmehr ein Produkt, die Kürzung zu rechtfertigen, für die es keine Rechtfertigung gibt. Selbst wenn Sie zu diesem Zeitpunkt meine Rede hier nicht überzeugt hat, dann sollten Sie sich doch vielleicht einmal die Revolte in den Bezirken ein bisschen zu Herzen nehmen und sie nicht einfach ignorieren und hier mit dem Kopf schütteln.

Ich will noch einmal zusammenfassen: Alle Jugendhilfeausschüsse in Hamburg haben gegen diese Kürzung gestimmt.

(Sören Schumacher SPD: Das stimmt nicht, in Harburg gibt es noch gar keinen Be- schluss!)

In sechs von sieben Bezirken ist ein Antrag auf ein Moratorium gestellt worden, in Eimsbüttel mit den Stimmen der SPD, in Altona geduldet mit den Stimmen der SPD. Sechs Bezirke weigern sich

zum jetzigen Zeitpunkt, eine Jugendhilfeplanung zu beschließen, und das zu Recht, denn deren Gegenstand ist die Umsetzung der Kürzung. Es ist eigentlich ganz einfach: Mit unserem Antrag fordern wir ein zweijähriges Moratorium, das heißt ein Aussetzen der Kürzungen für zwei Jahre, um Zeit für eine sorgfältige Planung zu haben. Das macht doch deutlich, verehrte Kollegen der SPD, dass wir uns einer Jugendhilfeplanung nicht verweigern. Wir wissen, dass dies notwendig ist.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Und in zwei Jah- ren machen Sie die Kürzung mit?)