Protocol of the Session on September 26, 2012

Der entscheidende Punkt ist und bleibt allerdings, dass weder Senat noch Bürgerschaft zuständig für den Erlass einer Räumungsverfügung und deren Vollstreckung sind. Hätten Sie, liebe Kollegen von der CDU, dies von vornherein erkannt, könnten wir uns hier und heute die Befassung mit einem, wie ich finde, etwas überflüssigen Antrag ersparen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Frau Özdemir hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, ich frage

mich, was eigentlich Ihr Problem ist. Ich frage mich, welches Problem haben Sie mit Occupy Hamburg?

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich stellt sich auch die Frage, was Sie zu dem merkwürdigen Populismus hier und heute führt.

(Wolfgang Rose SPD: Wir wollen die auf- werten!)

Jetzt mal ehrlich, Sie wollen ein Camp räumen lassen, das für nächste Woche seinen Umzug angekündigt hat. Haben Sie in dieser Zeit wirklich nichts Besseres zu tun?

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

In Ihrem Antrag fordern Sie nicht nur die Räumung, sondern auch, dass die Bewegung nie wieder zurückkehren kann. Anscheinend haben Sie große Angst vor dieser Bewegung. Ich möchte Ihnen einmal darstellen, wie ungefährlich die Aktivisten dieser Bewegung eigentlich sind. Zunächst einmal beziehen sie sich auf die Deklaration der Menschenrechte von 1948, sie bekennen sich zum Völkerrecht, sie bekennen sich zum Grundgesetz und sind empört über die herrschenden Verhältnisse, sie fordern einfach nur eine gerechtere Verteilung der Reichtümer auf dieser Welt. Was soll daran, bitte schön, gefährlich sein?

(Beifall bei der LINKEN und bei Gert Kek- stadt SPD)

Ich kann Ihnen auch sagen, was auf dem Gelände gemacht wird, was die Menschen den ganzen Tag über tun. Sie treffen sich, Sie diskutieren, sie machen Workshops – das kann man alles auf ihrer Website lesen, das ist höchst transparent –, sie setzen sich auseinander mit sich selbst, mit der Welt, so, wie sie ist oder so, wie sie sein könnte, sie machen sich Gedanken und sie fühlen sich verantwortlich für die Gesellschaft. Daran ist doch nichts Gefährliches.

(Beifall bei der LINKEN und bei Phyliss De- mirel und Christa Goetsch, beide GRÜNE)

Wir leben in einer Demokratie und da ist es doch ganz normal, dass Menschen teilhaben möchten, dass sie sich an gesellschaftlichen Prozessen beteiligen möchten, und das sollten wir doch bitte respektieren. Wir als Links-Fraktion finden das gut. Wir finden es gut, wenn Menschen zusammenkommen, wenn Menschen diskutieren, sich darüber Gedanken machen, was sich auf der Welt ändern sollte. Das sollte noch viel häufiger passieren, vor allem in unserer Stadt.

(Beifall bei der LINKEN)

Darüber hinaus macht die CDU aus einer Sache ein Problem, das gar keines ist. Die Leute von Oc

(Anna-Elisabeth von Treuenfels)

cupy sprechen mit dem Bezirksamt, und das Bezirksamt hat auch kein Problem erkannt. Ich verstehe nicht, Herr van Vormizeele, warum Sie es so schlimm finden, wenn Menschen ihre Grundrechte wahrnehmen. Zu einer Demokratie gehören Menschen, die sich beteiligen, die auch mitgestalten möchten und sich einmischen.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch Protest auf der Straße gehört dazu, und das Versammlungsrecht ist ein Grundrecht. Ich denke, Ihr eigentliches Problem ist nicht, dass Menschen sich dort versammeln, Ihr eigentliches Problem ist der Inhalt, nämlich der Protest gegen die Bankenmacht und der Protest gegen die ungerechte Vermögensverteilung, der Protest, der deutlich macht, wie unerträglich die soziale Spaltung ist, wie wir sie auch in unserer Stadt sehen können. Wir haben vorhin in der Aktuellen Stunde über den vierten Armutsbericht gesprochen. In dem Bericht können Sie noch einmal nachlesen, nicht nur im Vorwort, wie die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft, und vielleicht können Sie sich dann vorstellen, warum die 99 Prozent sich gegen das eine Prozent wehren. Zur Aufklärung sei noch einmal gesagt, die 99 Prozent sind die, die in der Finanzkrise verloren haben. Das sind die Menschen, die jetzt das ausbaden müssen, was das eine Prozent in der Gesellschaft verursacht hat.

(Beifall bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Möchte die CDU leugnen, dass es diese Verlierer in der Gesellschaft gibt, oder möchten Sie etwa nicht, dass alle Menschen versuchen, sich etwas dazu einfallen zu lassen, oder wollen Sie leugnen, dass Ihnen bisher zu der Problematik nichts eingefallen ist?

Wir lehnen als Links-Fraktion diesen Antrag natürlich ab, und am Samstag werden wir, auch mit den Occupy-Leuten, auf dem Rathausmarkt und auf dem Adolphsplatz mit verschiedenen Initiativen gemeinsam auf der Straße sein. Vielleicht schauen Sie doch noch einmal in den Bericht hinein, vielleicht schaffen Sie es ja, bis Samstag umzudenken und vielleicht werden wir Sie dann dort auch treffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Wersich.

Meine Damen und Herren! Bei unserem Antrag und auch bei der Debatte geht es uns nicht um die Inhalte der Occupy-Bewegung.

(Dr. Martin Schäfer SPD: Worum dann?)

Im Gegenteil, viele Fragen, die die Occupy-Aktivisten bewegen, bewegen auch viele andere Menschen im Land, auch viele Menschen im bürgerli

chen Spektrum. Darum geht es nicht, sondern es geht um die Frage, ob eine Gruppe sich auf Dauer eigene Rechte herausnehmen und den öffentlichen Platz okkupieren kann.

(Beifall bei der CDU)

Und es geht darum, dass ein Bezirksamt – Frau Möller, Sie sprachen es an, es gibt zu wenig Möglichkeiten, politische Diskussionen zu führen –, das bekannt dafür ist, Schilder von Abgeordneten einzusammeln und das bekannt dafür ist,

(Dirk Kienscherf SPD: Das ist der Hinter- grund!)

ganz genaue Wegmarkierungen für Außengastronomie in der Stadt durchzusetzen, dass ausgerechnet dieses Bezirksamt aus politischer Sympathie alle Regeln außer Acht lässt, wenn auf Monate öffentlicher Raum zweckentfremdet wird.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Das verstehen die Leute doch nicht.

(Dirk Kienscherf SPD: Schreiben Sie das doch mal in Ihren Antrag!)

Das ist doch der Punkt, die Menschen in der Stadt verstehen das nicht.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Man soll nicht von sich auf andere schließen! – Glocke)

Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Herr Wersich hat das Wort.

Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn in diesem Haus die CDU die Partei ist, die für Recht und Ordnung und für eine saubere und gepflegte Stadt für alle Nutzer steht,

(Beifall bei der CDU und Heiterkeit bei der SPD)

selbst wenn wir damit hier politisch allein sind. Ich weiß aber, dass es draußen viele Bürger so wollen.

Herr Fock, was Sie gesagt haben, das kam mir ein bisschen wie ein Déjà-vu vor. Sie sprachen davon, dass sich die Probleme sonst auch von selbst gelöst hätten, die Beteiligten seien für Sie sozusagen nur die, die sich ihr eigenes Recht herausnehmen und nicht der normale Bürger. Wenn der Staat konsequent wird, dann sprechen Sie gleich von bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Diese Äußerungen zeigen, dass Sie nichts gelernt haben aus der Zeit vor 2001,

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

als die Hamburger Bürger diese Haltung nämlich gründlich satt gehabt haben.

(Cansu Özdemir)

(Beifall bei der CDU)

Man merkt doch, wie wenig Luft bei Ihnen dahinter ist, wenn Sie selbst und andere Redner sagen, dass in Hamburg das letzte Camp steht. In anderen Städten sind sie aufgelöst worden. Hier geht es nicht um Bürgerkrieg, sondern hier geht es darum, die öffentliche Fläche wieder der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen und nicht auf Dauer zu besetzen.

(Beifall bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Kommt doch alles! – Glocke)

Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Herr Wersich, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Sudmann?