dann können wir vielleicht über die Geschwindigkeit diskutieren, aber zumindest habe ich schon eine Unterstützerfraktion auf meiner Seite.
Zweifellos nimmt Hamburg mit dem bisherigen Abitur eine Sonderrolle in der Bundesrepublik Deutschland ein. Frau Heyenn, das war nicht ganz richtig: 15 von 16 Bundesländern haben bereits schriftliche Prüfungen in drei Kernfächern, darüber hinaus haben 12 von 16 Bundesländern in weiteren Fächern zentrale schriftliche Prüfungen. Da ist zu fragen, ob Hamburg bei einem so wichtigen Punkt wie dem Abitur gut beraten ist, weiterhin einen Sonderweg beizubehalten, vor allem deshalb, weil erkennbar wird, dass dieser Sonderweg demnächst sowieso endet, denn ab dem Schuljahr 2016/17 wird bundesweit der Einstieg in ein einheitliches Abitur erfolgen. Spätestens dann holt uns die bittere Wahrheit ein, dass sich Sonderwege nicht auszahlen. Es kann nicht schaden, wenn sich Hamburg darauf besinnt, dass wir in Deutschland nicht ganz allein und auch nicht das größte Bundesland sind und dass es vielleicht sogar sein kann, dass unsere Schülerinnen und Schüler sich jenseits der Hamburger Landesgrenzen bewerben müssen. Stellen Sie sich vor, was dann passiert. Schon jetzt hören wir häufiger von Eltern und Schülern, dass das Hamburger Abitur in der Wertigkeit und Akzeptanz nach außen bei Firmen und Personalchefs nicht an erster Stelle steht. Wir sollten uns deshalb hüten zu verkünden, dass es sein
kann, dass 12 Bundesländer das machen, aber Hamburg es besser weiß. Es wird schwierig, das dem Rest der Bundesrepublik Deutschland zu erklären. Noch schwieriger wird es, den Schülerinnen und Schülern zu erklären, dass sie mit einem solchen Abitur entgegen dem bundesweiten Konsens sehr schlechte Startbedingungen haben.
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Heyenn?
Herr Senator, Sie haben eben gesagt, dass das Hamburger Abitur in anderen Bundesländern nicht so akzeptiert sei. Glauben Sie denn, dass die Akzeptanz sofort besser wird, wenn Hamburg an den Zentralabiturprüfungen teilnimmt?
Ich glaube, dass das ein wichtiger Baustein ist, Frau Heyenn. Hamburg kann nicht sagen, es mag sein, dass der Rest der Bundesrepublik es anders macht, wir wissen es besser, hoffen aber dann mit unserer Schulpolitik, dass die Schülerinnen und Schüler bei Bewerbungen trotzdem auf Akzeptanz stoßen. Wenn die Standards sich bewegen und ganz Deutschland auf diesem Weg ist, dann macht es keinen Sinn, in Hamburg einen Sonderweg zu gehen. Wir müssen klipp und klar sagen, dass wir uns nicht zu verstecken brauchen, wenn es um Leistung geht. Wir machen auch mit, wenn es darum geht, Leistung und Qualität in den Mittelpunkt zu stellen, und es geht uns um optimale Startbedingungen für die Schülerinnen und Schüler. Deswegen sterben wir nicht in Schönheit und Rechthaberei, sondern werden uns in den bundespolitischen Konsens einfügen. Das ist der eine Grund.
Der zweite Grund ist, dass wir auch einmal über Gerechtigkeit und Leistung sprechen müssen. Wir wissen, dass Noten ungerecht sind und dass es immer schwierig ist, Noten zu objektivieren. Da ist eine Ungenauigkeit drin, die man nicht beherrschen kann, das gehört dazu. Aber beim Abitur muss man sehr sorgfältig sein, denn der Notendurchschnitt beim Abitur, das wissen wir alle, entscheidet über Bildungskarrieren, sogar über Lebenswege. Wenn es um Studienplätze geht, dann ist das alles von großer Bedeutung. Deswegen gilt es, genau zu schauen, ob die Noten weiterhin auf diese Art und Weise angemessen gegeben werden. Was mich nachdenklich gemacht hat, ist, dass wir das Zentrale schon haben: In Klasse 10 schreiben alle Gymnasiasten dieselbe Mathematik
In der Tat, Herr Heinemann, das haben Sie eingeführt. Das war auch klug, aber umso mehr wundert mich jetzt Ihre seltsame Argumentation.
Zehn Jahre lang schreiben die Schülerinnen und Schüler in Mathe unterschiedliche Arbeiten. Und das erste Mal schreiben sie eine gemeinsame Arbeit in ganz Hamburg in der zehnten Klasse.
Das Ergebnis ist schon spannend. Eine Klasse in Hamburg hatte in dieser zentralen Mathearbeit den Notendurchschnitt 1,8, das war die beste Klasse in Hamburg. Es gibt natürlich auch schlechtere Klassen, die schlechteste hatte eine 4,8 als Notendurchschnitt. So weit, so gut, könnte man sagen, Leistungsunterschiede gibt es nun mal. Das Spannende aber ist, welche Noten die Lehrerinnen und Lehrer gegeben haben, als sie noch nicht wussten, wie diese zentrale Arbeit ausfällt. Der Lehrer nämlich, der die Schüler unterrichtete, die die besten Mathematiker Hamburgs sind, hatte seine Schüler im Halbjahr zuvor im Zeugnis benotet. Er war der Meinung, dass sie nicht so gut sind, 2,5 war der Notendurchschnitt dieser Schülerinnen und Schüler. Der Lehrer der schlechtesten Klasse war der Meinung, dass seine Klasse gar nicht so schlecht sei. Der Notendurchschnitt dieser Klasse im Zeugnis betrug 2,4. Das heißt, die beste Mathematikklasse Hamburgs hatte im Zeugnis schlechtere Noten als die schlechteste Mathematikklasse Hamburgs. Das ist ein klarer Hinweis darauf, dass wir den spielerischen Umgang mit Noten beim Abitur dringend unterbinden müssen und eine Klarheit und Gerechtigkeit herstellen müssen.
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Senator Rabe, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Heinemann?
Nein, wir kommen schon in den Bereich einer seltsamen Gesprächsführung. Ich würde gern weitermachen.
Wir können uns gern einmal damit beschäftigen. Hier wird behauptet, das Zentralabitur würde der Profiloberstufe widersprechen. Das verstehe ich nicht, denn es gibt klare Bildungspläne, die man
früher Lehrpläne genannt hat. In diesen Lehrplänen steht sehr genau drin, was man unterrichten soll. In Chemie ist angegeben, dass die Kunststoffe und die Farbstoffe drankommen, in Biologie geht es um die Evolution und die Ökologie und so weiter. Genau auf diese Themen bezieht sich das Zentralabitur, nicht auf irgendetwas, das sich die Schulbehörde ausdenkt, sondern exakt auf diese Lehrpläne. Wer mir sagt, dass das Zentralabitur dazu führe, dass die Schulen alles ändern müssen, der sagt damit indirekt, dass sich keiner nach den Lehrplänen gerichtet hat. Da verstehe ich ehrlicherweise dann wirklich keinen Spaß. Wir machen Lehrpläne nicht als grobe Empfehlung, damit am Ende die Schule und der Schüler freihändig ausverhandeln, was im Unterricht drankommt. Die Lehrpläne werden in einer sehr mühsamen Arbeit unter anderem mit den Deputationen, den Kammern diskutiert und verabschiedet. Das ist keine grobe Empfehlung, sondern eine Verpflichtung.
(Dora Heyenn DIE LINKE: Es gibt Profile mit zwei Stunden, vier Stunden und sechs Stun- den, das ist der Unterschied!)
Wer die Lehrpläne einhält, der hat überhaupt keine Probleme mit dem Zentralabitur, denn natürlich beziehen sich die Arbeiten nur auf diese Themen.
Zur Einführung will ich erst einmal sagen, dass Frau Dinges-Dierig das Zentralabitur eingeführt hat. Meiner Kenntnis nach ist davor weder eine Evaluation erfolgt noch eine anschließende Konzeptdiskussion mit den Kammern, um das später zu verkünden. Auch die Abschaffung des Zentralabiturs durch die grüne Regierung ist nicht mit einer vorherigen Evaluation verbunden gewesen, und es gab auch hier keine Konzeptdiskussion mit allen Kammern. Sie stellen seltsame Maßstäbe auf. Natürlich werden die Kammern beteiligt in einem ganz normalen vorgeschriebenen Verfahren. Ich habe genauso gehandelt wie die Vorgängerregierungen, die ihre eigenen Erfahrungen mit dem Zentralabitur haben.
Im Herbst letzten Jahres wurde schon mit Schulleitern und Oberstufen darüber diskutiert, das war spannend. Wir haben sogar eine Abstimmung durchführen lassen. Die Schulleiter wurden befragt und zwei Drittel der Schulleiter stimmten für das Zentralabitur. Sie erkannten nämlich selbst, welche Probleme es gab. Wir haben die Arbeit dann mit den Oberstufenkoordinatoren vorangebracht und das im Februar verkündet. Das war immer noch sieben Monate vorher. Als Lehrer habe ich manchmal drei Wochen vorher erfahren, in welchem Fach ich unterrichte. Keineswegs muss man sich, wenn man ein Fach unterrichtet, jahrelang auf ein Thema vorbereiten. Dann haben wir die Kammern entsprechend beschäftigt, wir haben schon im April Themen im Internet veröffentlicht und Themenhefte verschickt. Insofern haben wir eine ganze Menge gemacht, damit das nicht schief geht.
Frau Heyenn, Sie fragen sich, ob die Schulbehörde es hinbekommt, für 22 Themenbereiche jeweils drei Themen zu finden. Das ist schwierig, aber denken Sie umgekehrt daran, dass die Lehrerinnen und Lehrer Hamburgs zurzeit jedes Jahr über 1200 solcher Themen erfinden. Ob das jedes Mal so gut geklappt hat, hat auch noch nie jemand gefragt. Und deswegen bin ich schon sicher, dass das eine gute Sache werden kann, wenn sich die Experten mit Lehrerinnen und Lehrern zusammentun.
Ich komme zum Schluss. Ich glaube, es ist wirklich nicht klug, wenn wir länger an einem Sonderweg Hamburgs festhalten. Es ist gerechter und eine klarere Leistungsorientierung, wenn wir das Zentralabitur machen. Und von den sechs Bundesländern, die wie wir die Profiloberstufe haben, haben vier auch zentrale Prüfungsarbeiten. Einen besseren Beweis dafür, dass man beides verbinden kann, gibt es nicht. Deswegen sollten wir das so machen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte deutlich meine Verstörung darüber zum Ausdruck bringen, dass Sie, Herr Senator Rabe, nicht wissen, dass in Hamburg gerade eine Evaluation der Profiloberstufe läuft. Wir haben in dem von Ihnen neu gegründeten Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung angerufen und gefragt und erfahren, dass die Evaluation laufe und Ende des Jahres vorliege. Ich finde es sehr befremdlich, dass Sie nicht wissen, was in Ihrer Behörde vor sich geht.
Ich möchte betonen, dass wir keinen Sonderweg wollen. Sie haben selber gesagt, dass es vier Bundesländer gibt, die das Zentralabitur mit der Profiloberstufe verbunden haben: Niedersachsen, Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Zufälligerweise arbeite ich selber als Lehrerin in einem dieser Bundesländer und weiß sehr genau, wie dort das Zentralabitur in Verbindung mit der Profiloberstufe eingeführt wurde. Das ging nicht hopplahopp in einer Nacht- und Nebelaktion, dem ging ein langer Prozess voran,
an dem Eltern, Schüler, Schulleitungen und so weiter und so fort beteiligt waren, sodass es für alle Beteiligten transparent war und vernünftige Profile mit vernünftigen zentralen Prüfungen herausgekommen sind, und nicht wie in Hamburg innerhalb von ein paar Monaten.
Dann möchte ich noch einmal darauf eingehen, was an den Profilen dranhängt. Profile bedeuten nicht einfach nur fächerverbindendes Lernen; da hängen externe Partnerinnen und Partner dran, Unternehmen, mit denen die Schulen innerhalb von fünf Jahren Kooperationen aufgebaut haben und mit denen sie zusammenarbeiten. Selbstverständlich werden dabei die Bildungspläne eingehalten, aber die Schwerpunkte sind andere, und das wird durch das Zentralabitur in allen Fächern zerstört werden, wenn es so, wie es geplant ist, von jetzt auf gleich eingeführt wird. Dagegen sprechen wir uns aus.
Ich frage mich manchmal, ob ich in einer anderen Stadt lebe und mit anderen Menschen spreche, als Herr Senator Rabe und Frau Rugbarth das offensichtlich tun. Ich habe aus den Schulen total andere Rückmeldungen, wie diese Dienstbesprechungen, die Informationen und die Einbeziehung gelaufen sind. Da frage ich mich wirklich, wo wir eigentlich leben.
Von daher noch einmal ein letzter Appell. Sie haben das Thema mit dieser Debatte heute parlamentarisch abserviert, und ich empfinde es, was den demokratischen Prozess anbelangt, als politisch zutiefst verstörend, dass das mit einem so wichtigen schulpolitischen Thema geschehen kann, ohne zum Beispiel in einer öffentlichen Anhörung noch einmal mit den wirklich Betroffenen – den Schülerinnen und Schülern, den Eltern und den Lehrkräften – zu sprechen. Deswegen plädiere ich noch einmal an die Fraktion der SPD, diesen Antrag zu überweisen.