Protocol of the Session on September 12, 2012

Die große Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger wusste es allerdings schon damals besser, denn Dreiviertel von ihnen stimmten in einem Volksentscheid gegen die Verscherbelung der Hamburger Krankenhäuser. Die FDP allerdings schrieb bereits in ihrem Wahlaufruf 2003 – Zitat –:

"Der Landesbetrieb Krankenhäuser wird so schnell wie möglich privatisiert."

Gegen den Bürgerwillen wurde der LBK-Verkauf dann von der CDU-Alleinregierung unter Peiner und von Beust kaltschnäuzig durchgezogen. Das war damals ein ignoranter Akt der Massenentmündigung,

(Beifall bei der SPD und bei Jens Kerstan GRÜNE, Dora Heyenn und Christiane Schneider, beide DIE LINKE)

der einen beispiellosen Vertrauensbruch zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und ihren Regierenden wissentlich in Kauf nahm. Wenn heute viele Menschen das Gefühl haben, die da oben machten doch, was sie wollten, dann nicht zuletzt aufgrund dieser Privatisierungserfahrung, denn dieser Anschlag auf die demokratische Kultur ist und bleibt das Menetekel der CDU in unserer Stadt. Das ist heute noch sehr, sehr wirksam, und das ist etwas, was ganz schlecht ist für die Demokratie in unserer Stadt.

(Beifall bei der SPD und bei Jens Kerstan GRÜNE, Tim Golke und Dora Heyenn, beide DIE LINKE)

Wie gesagt, das ist acht bis neun Jahre her, eine Zeit, in der wir alle um viele Erfahrungen und Erkenntnisse reicher sind. Sogar Alt-Bürgermeister von Beust hat einen gewissen Meinungswandel erkennen lassen, alles hatte doch seine Zeit. Nur Sie in der FDP wollen sich nicht trennen von Ihrer wirtschaftsliberalen und marktradikalen Privatisierungsideologie.

(Katja Suding FDP: Da gibt es auch einen Grund für!)

Das merken die Menschen und Sie merken es in Ihren Umfragewerten. Sie sind schon lange in diesen Fragen nicht mehr auf der Höhe der Zeit.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg, Jens Kerstan, beide GRÜNE und Dora Heyenn DIE LINKE)

Ich will abschließend die Gelegenheit nutzen, unsere sozialdemokratische Position in vier Punkten zu markieren.

Erster Punkt: Öffentliche Aufgaben müssen in einer modernen Stadt wie Hamburg auch in Zukunft durch öffentliche Unternehmen und Beteiligungen wahrgenommen werden. Städtische Unternehmen in unterschiedlichen Rechtsformen und mit unterschiedlichen Beteiligungsstrukturen sichern die öffentliche Daseinsvorsorge und Infrastruktur. Die Beteiligungen an öffentlichen Unternehmen der Daseinsvorsorge und Infrastruktur in Hamburg müssen gehalten, modernisiert, weiterentwickelt und nicht meistbietend an Private verscherbelt werden.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Zweiter Punkt: Privatisierungen haben Hamburg in der Vergangenheit allzu oft geschadet. Im Energie, Gesundheits- und Sozialbereich haben Privatisierungen zu Verschlechterungen für Bürgerinnen und Bürger sowie für die Stadt geführt. Das haben auch wir Sozialdemokraten in der Vergangenheit oft genug selbstkritisch festgestellt. Die Privatisierung öffentlicher Unternehmen und Einrichtungen stellt in der Regel eine sehr langfristige und kaum reversible Entscheidung dar. Kurzfristige Effekte der Haushaltssanierung sind als Motiv für Privatisierungen nicht vertretbar, denn sie stellen keine nachhaltige Lösung für strukturelle Haushaltsprobleme dar. Aus den Fehlern der Vergangenheit müssen wir lernen und sie dann auch korrigieren. Ein Beispiel dafür ist der Anteilerückkauf an den Energienetzen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das ist aber kei- ne Korrektur!)

Ich will aber an dieser Stelle eine vorsorgliche Anmerkung an die GRÜNEN und DIE LINKE einflechten. Bei einer Rekommunalisierung kommt es nicht nur auf die Prozentzahl der Beteiligung an. Entscheidend ist immer der tatsächliche und reale Einfluss auf die Entscheidungen über die Daseinsvorsorge und Infrastruktur und natürlich auch auf die Standards der Mitbestimmung und Beschäftigung. Es gibt Beispiele dafür, dass Verträge auch bei vergleichsweise niedriger prozentualer Beteiligung so erfolgreich verhandelt werden können, dass die Einflussnahme auf die wesentlichen Entscheidungen größer ist als bei einer 100-prozentigen Rekommunalisierung.

(Beifall bei der SPD)

Dritter Punkt: Die privaten Käufer von öffentlichen Unternehmen haben oft ein verdecktes Interesse an Tarifdumping und an Tarifflucht; so war es zum Beispiel bei den Krankenhäusern und den Pflegeheimen.

(Arno Münster SPD: Pfui!)

Privatisierungen werden auch schnell zu überdimensioniertem Personalabbau und zur Beseitigung von Beschäftigungssicherung missbraucht. Durch den Einsatz von Leih- und Zeitarbeitnehmern und von Werkverträgen wird der Kündigungsschutz unterlaufen. Wir wollen, dass öffentliche Unternehmen stattdessen Vorbild sind für die Anwendung von Tarifverträgen für gute Arbeit und für eine sozialverträgliche Personalpolitik.

(Beifall bei der SPD)

Vierter Punkt: Wir brauchen öffentliche Unternehmen als politische Steuerungsinstrumente des Staates, die Einfluss nehmen auf das Mietniveau und die Fahrpreise, auf Bildung und Wissenschaft, die die Entsorgung umweltverträglich gestalten und den Hafen wettbewerbsfähig halten.

(Dr. Till Steffen GRÜNE: Was ist mit den Strompreisen?)

In diesen und vielen anderen Bereichen werden die Bürgerinteressen vor schädlichen Wirkungen des Marktes geschützt. Unser Grundprinzip für die soziale Markwirtschaft heißt nach wie vor, dass Wirtschaft für die Menschen da ist und nicht umgekehrt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Unser Ziel ist ein starkes, modernes und solidarisches Hamburg, in dem alle Menschen und alle Betriebe von einer leistungsfähigen Infrastruktur und öffentlichen Dienstleistungen in hoher Qualität gleichermaßen profitieren können. Unser Ziel sind öffentliche Unternehmen, die modern und effizient für das Gemeinwohl wirtschaften, in denen die Arbeitnehmerrechte geachtet werden und gute Arbeit an der Tagesordnung ist. Für uns ist eine Stadt ein demokratisches und solidarisches Gemeinwesen und kein Broker, der seine Vermögenswerte je nach Marktlage behält oder verkauft. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD)

Herr Kleibauer, Sie haben das Wort.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Da kannst Du jetzt nichts mehr sagen!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich finde es ganz gut, wie die Debatte angefangen hat. Erst wirft Herr Kluth dem Vorgänger-Senat vor, dass er inflationär Unternehmensbeteiligung aufgebaut habe, dann kommt Herr Rose und sagt, wir hätten alles verkauft. Das zeigt doch, dass ver.di pur falsch ist und FDP pur falsch ist, aber der Kurs, den wir in den letzten Jahren gefahren sind, ein moderater Kurs der Mitte, auf diesem Feld genau richtig war.

(Beifall bei der CDU)

Ich fand es auch schön, Herr Rose, dass Sie sich an Herrn Peiner abgearbeitet haben. Ich glaube, das ist ein bisschen die Sehnsucht in Ihrer Fraktion und bei Ihrer eigenen Person nach einem starken Finanzsenator, nach einem Finanzsenator, der eine Meinung hat und nach einem Finanzsenator, der auch einmal etwas sagt,

(Beifall bei der CDU, der FDP und vereinzelt bei den GRÜNEN)

ein Finanzsenator, mit dem man auch kontrovers im Haushaltsausschuss diskutieren kann und der sich nicht über jede Schriftliche Kleine Anfrage, die hier gestellt wird, ausweint und sagt, das sei doch wirres Zeug.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

(Wolfgang Rose)

Meine Damen und Herren! Der Kern des Antrags der FDP und von Herrn Kluth ist, dass der Senat die Kategorisierung der öffentlichen Unternehmen, wie sie im Jahr 2003 stattgefunden hat, aktualisiert und neu erstellt. Das finde ich durchaus gerechtfertigt, das haben wir auch ein paarmal angesprochen, denn es sind ein paar neue Unternehmen, neue Interessenlagen und neue Entwicklungen dazugekommen. Ich fand es ganz interessant, denn Herr Rose sagt, mit ihm gäbe es das nicht, man mache gar keine Kategorisierung und bräuchte das nicht, der Senat sagt jedoch, er arbeite daran. Schauen Sie einmal in die interessante Drucksache 20/4861; ein Bericht über die Entwicklung aktueller Veränderungen der Kategorisierung ist für die laufende Legislaturperiode geplant. Herr Kluth sagte, der Senat könne endlich einmal etwas tun und den Bericht schon dieses Jahr vorlegen, der Senat selbst jedoch will sich noch nicht festlegen und will sich vielleicht ein Jahr mehr Zeit lassen. Das ist der einzige Unterschied.

Ich habe einen Unterschied erkannt zwischen Ihnen und dem Senat und ich finde es interessant, wie sich das entwickelt, ob sich hier die SPD-Fraktion durchsetzen wird oder ob der Senat in der Tat sein Vorhaben wahrmacht und einen Bericht vorlegen wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Der Senat wäre gut beraten, einen solchen Bericht vorzulegen, denn es ist einiges passiert; das haben wir ausgiebig diskutiert. Allein in dieser Legislaturperiode sind über die HGV Beträge von 1 Milliarde Euro für neue Unternehmensbeteiligungen geflossen. Wenn man dann sagt, man wolle gar nichts ändern – der Senat hat kein einziges Zielbild der öffentlichen Unternehmen in dieser Legislaturperiode geändert von dem, was es alles schon gibt –, dann kann das gar nicht so schlecht gewesen sein, was Sie übernommen haben, Herr Rose. Es gibt viel zu tun und das sollte der Senat nicht aussitzen.

Im Übrigen, das haben auch die Haushaltsberatungen schon gezeigt, haben diese Unternehmensbeteiligungen, die Sie gekauft haben und bei denen der Senat sagte, "I want my money back" und es würde alles kein Geld kosten, einen sehr deutlichen Einfluss auf die Planungen der HGV. Und sie sind ein Risiko, was der Finanzsenator auch bei den Haushaltsberatungen angesprochen hat, für den Haushalt der nächsten Jahre, und zwar ein gewaltiges Risiko. So, wie wir die HGV von früher kennen, hat sie sich deutlich verändert gegenüber dem Zuschussbedarf, den wir in den Jahren 2013 und 2014 zu erwarten haben.

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch einen kurzen Blick zurück. Herr Rose sagte, die Zeiten hätten sich geändert. Sie haben sich geändert, denn Ende der Neunzigerjahre wurde unter Ihrer Führung – die GRÜNEN waren teilweise auch

dabei – massiv Tafelsilber verkauft. Damit haben Sie noch nicht einmal Altschulden bedient, das ging alles in den Betriebshaushalt: HEIN GAS, HEW, die Hälfte vom Hamburger Flughafen. Wenn Sie sagen, Herr Rose, Verträge könne man gut verhandeln, dann gilt das für die damaligen Verträge definitiv nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dass Sie nebenbei auch mit Ihren Beteiligungen in der Gewerkschaft nicht klargekommen sind und selbst die in den Jahren bis 2005 an irgendwelche US-Finanzinvestoren verkauft haben, das erwähnen Sie freundlicherweise gar nicht. Aber das muss man doch auch sagen. Sie haben bei der Frage, ob wir der beste Eigentümer dieser Unternehmen sind, auch erkannt, dass wir es nicht sind und dass es vielleicht andere gibt, die mit dieser Aktivität mehr anfangen können und uns dafür noch Geld zahlen. Genauso haben Ihre Gewerkschaften doch agiert, Herr Rose, insofern ist es komisch, was Sie hier erzählen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wenn Sie sich anschauen, was die letzten Jahre passiert ist – eine Teilprivatisierung haben Sie angesprochen –, dann finde ich das auch sehr interessant, weil Sie da natürlich in Ihrer Rolle als Interessenvertreter im Aufsichtsrat des LBK gesprochen haben. Insofern wissen Sie am besten von uns allen, wie diese Entwicklung von den Zahlen und vom Wert der Beteiligung her für Hamburg verlaufen ist. Ich will nicht weiter beurteilen, ob das hier zulässig ist oder nicht. Ich finde es nur etwas merkwürdig, wenn Sie hier Ihre Rollen etwas durcheinanderbringen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Das ist das eine große Feld zum Thema Privatisierung, das uns in den letzten Jahren beschäftigt hat, das zweite ist die Teilprivatisierung der HHLA. Da ist die Frage, was wir mit dem Erlös gemacht haben. Er ist nicht zur Deckung des Betriebshaushalts irgendwo versickert, sondern da gibt es die sogenannte HHLA-Milliarde.

(Arno Münster SPD: Wer hat das denn aus- gehandelt?)

Klammer auf: Bei der heutigen Bewertung würden wir nicht so schnell wieder eine Milliarde zusammenbekommen, es war damals schon ein ganz guter Zeitpunkt. Diese HHLA-Milliarde dient doch dazu, Herr Münster, dass wir das Geld wieder investieren, neues Vermögen hier am Standort schaffen und notwendige Investitionen in den Hafen tätigen.